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{"created":"2022-01-31T16:10:48.914312+00:00","id":"lit31726","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Witasek","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 174-178","fulltext":[{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nL i teraturberich t.\nersehen kann, so sorgf\u00e4ltig und wohl\u00fcberlegt ausgef\u00fchrt, dafs, obwohl sie nichts weniger als vereinzelt dasteht, ihre Mittheilung immerhin dankens-werth erscheint. Sie erstreckte sich auf Bhitcirculation, K\u00f6rpertemperatur, Muskelkraft und Hautempfindlichkeit. Die Pulszahl sank in Folge geistiger Erm\u00fcdung schliefslich tiefer als sonst, lag aber in den ersten Stadien derselben etwas h\u00f6her. Die K\u00f6rpertemperatur zeigte sich unter dem Einfiufs geistiger Erm\u00fcdung regelm\u00e4fsig herabgesetzt, die Muskelkraft erh\u00f6ht, die Hautempfindlichkeit (Aufmerksamkeit?) an einzelnen Stellen vermindert.\nWitasek (Graz).\nJ. v. Kries. Zur Psychologie der Urtheile. Vierteljahrsschr. f. iciss. Philosophie *23 (1), 1\u201448. 1899.\nDie Unterscheidung der Urtheile in Real- und Beziehungsurtheile, w7ie sie v. Kries vor einigen Jahren (Vierteljahr sschr. f. wiss. Philos. 16) auf gestellt hat, bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Es handelt sich hier zun\u00e4chst darum, die psychologische Basis dieser vorerst \u201ein logischer Untersuchung entwickelten Sonderung\u201c nachzuwreisen. Nach logischem Gesichtspunkte meinte der Verf. die Urtheile zu sondern, je nachdem sie etwas \u00fcber die Gestaltung der Wirklichkeit aussagen (Real-), oder eine Beziehung verschiedener Vorstellungen, das Wort Vorstellung im weitesten Sinne genommen, zu einander ausdr\u00fccken (Beziehungsurtheile). Die dieser Unterscheidung zu Grunde liegende psychische Thats\u00e4chlichkeit findet nun v. Kries in einer Verschiedenheit des \u201eGeltungsgef\u00fchles\u201c. Im Urtheil wird eine Anzahl von Allgemeinvorstellungen oder Begriffen zusammengedacht unter Hinzutritt eines besonderen und offenbar f\u00fcr das Urtheil vorzugsweise charakteristischen Elementes, des Geltungsbewufst-seins oder Geltungsgef\u00fchles. Je nach der Beschaffenheit dieses Geltungsgef\u00fchles hat man es mit einem Real- oder einem Beziehungsurtheil zu thun. \u201eDie G\u00fcltigkeit des Urtheils findet in dem einen Falle (Beziehungsurtheil) ihre Begr\u00fcndung ganz direct in dem Inhalte des Urtheils selbst, eben verm\u00f6ge der Natur und Bedeutung der verkn\u00fcpften Vorstellungen und ihres gegenseitigen Zusammenhanges; bei den Realurtheilen tritt die Ueber-zeugung, dafs es sich so verhalte, gewissermaafsen als etwas Fremdes hinzu.\u201c Man vergleiche z. B. das Berechtigungsgef\u00fchl, mit dem wir einerseits aussagen: \u201eConstanz liegt am Bodensee\u201c, und andererseits: \u201eZwei Zahlen k\u00f6nnen nicht sowohl gleich als ungleich sein\u201c.\nDamit ist der fraglichen Sonderung ein psychologischer Sachverhalt unterlegt, und zwar einer, der sich in \u201etypischen F\u00e4llen\u201c ohne Weiteres bew\u00e4hrt. Freilich nur dann, wenn man sich hie und da eine gewisse Unsicherheit oder Unbestimmtheit gefallen l\u00e4fst. Verlangt man scharfe, unzweideutige Begriffsbestimmung, so wird es dem, der zur Kenntnifsnahme der Ideen von Kries\u2019 lediglich auf dessen Publicationen angewiesen ist, schwer fallen, sich ein Urtheil \u00fcber den Geltungsbereich obiger Aufstellungen zu bilden. Denn zun\u00e4chst versagt bereits in vielen F\u00e4llen die Entscheidung dar\u00fcber, ob man es gerade mit einem Real- oder einem Beziehungsurtheil zu thun hat. Ein Realurtheil ist ein solches, das etwras \u00fcber die Gestaltung der Wirklichkeit aussagt. Darnach ist es ein Real-","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n175\nurtheil, wenn ich sage: \u201eDer Winter Englands ist milder als der Deutschlands\u201c. Denn damit ist etwas \u00fcber die Wirklichkeit ausgesagt. Da aber in diesem Urtheil unzweifelhaft auch eine Beziehung (zwischen dem Winter Englands und dem Deutschlands) ausgedr\u00fcckt ist, so ist es auch ein Be-ziehungsurtheil. Ein anderes Beispiel: \u201eDer Lasterhafte ist nothwendig ungl\u00fccklich\u201c. Offenbar ein Beziehungsurtheil ; aber doch auch ein Real-urtheil, denn es sagt etwas \u00fcber die lasterhaften Menschen aus, und die geh\u00f6ren zur Wirklichkeit. Oder : \u201eDies ist roth\u201c \u2014 ein Realurtheil, denn es betrifft einen vom Urtheilenden eben gesehenen Gegenstand ; andererseits f\u00fchrt v. Kries dieses Urtheil selbst als Beispiel einer bestimmten Art von Be-ziehungsurtheilen, n\u00e4mlich der Subsumtionsurtheile an, mit der Begr\u00fcndung, dafs es die Unterordnung einer einzelnen Empfindung unter einen Begriff ausdr\u00fcckt. Diese \u2014 immerhin bestreitbare \u2014 Deutung k\u00f6nnte \u00fcbrigens vermuthen lassen, dafs in dem Gegens\u00e4tze von Real- und Beziehungsurtheil der Nachdruck der Gegen\u00fcberstellung nicht so sehr auf Wirklichkeit und Beziehung, als auf Wirklichkeit und Beziehung von Vorstellungen liegt. Dann ist aber die Zahl der Beziehungsurtheile aufserordentlich gering und die Beispiele, die v. Kries als solche anf\u00fchrt, sind dann alle verfehlt, denn sie alle dr\u00fccken nicht Beziehungen zwischen Vorstellungen (also psychischen Thatsachen, Gebilden), sondern Beziehungen zwischen den durch diese \"Vorstellungen zur Vorstellung gebrachten Gegenst\u00e4nden aus, die ihrerseits in manchen F\u00e4llen etwas Wirkliches, in manchen etwas Nicht-Wirkliches sind. \u2014 Es mag ja sein, dafs diese Schwierigkeiten das Wesen der Eintheilung nicht treffen; jedenfalls aber werden sie durch den Ausdruck nahegelegt und hindern daher das Verst\u00e4ndnifs.\nIst so einerseits die Entscheidung dar\u00fcber, ob man es in einem bestimmten Falle mit einem Real- oder einem Beziehungsurtheil im Sinne v. Kries\u2019 zu thun hat, unsicher, so ist andererseits wdeder nicht ersichtlich, ob als psychologisches Merkmal der Beziehungsurtheile die Evidenz des Urtheils \u00fcberhaupt, oder gar die unmittelbare Evidenz gemeint ist, oder vielleicht nur inhaltliche Begr\u00fcndung. Alles dieses pafst unter Umst\u00e4nden auf die Ausdrucksweise des Verf.\u2019s, ist aber doch nicht ein und dasselbe. \u2014 Dabei bleibt \u00fcberdies noch die Frage offen, was mit den falschen Ur-theilen anzufangen ist. Die falschen Urtheile sind, zumal psychologisch betrachtet, doch gerade so gut Urtheile wie die richtigen. Ein falsches Urtheil kann aber doch niemals ein evidentes oder ein inhaltlich begr\u00fcndetes sein. Sonach d\u00fcrfte es eigentlich keine falschen Beziehungsurtheile geben.\nSolche und \u00e4hnliche Schwierigkeiten, wie sie sich beim Studium der vorliegenden Arbeit ergeben, werden in der weiteren Ausf\u00fchrung des skizzirten Grundgedankens deshalb weniger f\u00fchlbar, weil der Verf. immer und immer wieder darauf hinweist, dafs die Urtheile des praktischen wissenschaftlichen Denkens sowie des t\u00e4glichen Lebens nur in ganz seltenen Ausnahmef\u00e4llen so einfache Gebilde sind, dafs sie etwa ohne Weiteres den Typus der einen oder der anderen Urtheilsart bezw. des Geltungsgef\u00fchles erkennen liefsen. In der Regel werden sie durch Mitwirkung mannigfaltiger, meist aufserhalb der Interessensph\u00e4re der Logik liegender Factoren zu h\u00f6chst complicirten Gestaltungen.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nLiteraturbericht.\nAls einen solchen Factor zieht der Verf. die Sicherheit der Urtheile in Betracht. Es ist leicht einzusehen, wie die Sicherheit die Mannigfaltigkeit der Urtheile um eine neue, innerhalb weiter Grenzen unabh\u00e4ngige Dimension erweitert. Aber der Yerf. ist offenbar im Irrthum, wenn er, wie es scheint, jene Art von Sicherheitsabstufungen, wie wir sie etwa an den auf Grund von Erinnerung gef\u00e4llten Realurtheilen vorfinden, nur den Realurtheilen zuschreibt. Auch solche Urtheile, die seinen Bestimmungen nach zweifellos den Beziehungsurtheilen zuzurechnen sind, zeigen unter Umst\u00e4nden \u2014 auch sie k\u00f6nnen ja bisweilen auf Erinnerung gr\u00fcnden \u2014 die so charakteristische Sicherheitsabstufung.\nEine von dieser \u201eArt der Unsicherheit\" v\u00f6llig verschiedene findet v. Kries gerade bei den Beziehungsurtheilen. Als Beispiel f\u00fchrt er die Subsumtion eines Einfachen unter eine Allgemeinvorstellung an, allenfalls einer Empfindung \u2014 genauer wohl eines Empfundenen \u2014 unter die Allgemeinvorstellung s\u00fcfs oder roth. Von den F\u00e4llen, in denen die einzelne Empfindung sogleich und mit Sicherheit der betreffenden Allgemeinvorstellung subsumirt wird, f\u00fchrt eine continuirliche Abstufung zu denjenigen, in denen die Subsumtion mehr oder weniger zweifelhaft erscheint. \u201eDie Frage, ob ein Complex von Ereignissen, der uns vollkommen bekannt ist, eine Revolution, eine Krisis, eine Entwickelung, eine Decadenz sei, wird in zahlreichen F\u00e4llen ebenso anstandslos bejaht, wie in anderen verneint werden, in zahlreichen aber zweifelhaft erscheinen.\u201c Dafs es der gr\u00f6fsere oder geringere Sicherheitsgrad ist, der solche Urtheile charakterisirt, ist wohl unzweifelhaft. Fraglich scheint mir nur, ob man ein Recht hat, diese Sicherheitsabstufungen von denen der allenfalls auf Grund der Erinnerung gef\u00e4llten Realurtheile als wesentlich verschieden zu sondern. Freilich, das ist ja klar, der Sicherheitsgrad, bezw. die Unsicherheit ist hier und dort in ganz verschiedenen Umst\u00e4nden begr\u00fcndet, und zudem fallen diese Ursachen das eine Mal ins Bewufstsein, das andere Mal nicht. Bei den Erinne-rungsurtheilen haftet sie sozusagen unmittelbar dem Urtheilsacte an ; im Subsumtionsurtheile ist sie bedingt durch die Unbestimmtheit der Begriffe, die nat\u00fcrlich eine Unsicherheit in der Statuirung der zwischen den Begriffen bestehenden Beziehung zur Folge hat; durch eindeutige und allseitige Bestimmtheit der Begriffe ist in einem solchen Falle maximaler Sicherheitsgrad zu erreichen. Aber wenn auch die Unsicherheit hier und dort verschiedene Ursachen hat, so kann sie dabei als psychisch erfahrbarer, aetueller Thatbestand wesentlich doch dasselbe sein, und ist es meines Erachtens auch. \u2014 Dabei ist es nat\u00fcrlich immerhin von Interesse, die beiden F\u00e4lle aus einander zu halten.\nIn der weiteren Besprechung dieses Gegenstandes macht v. Kries von dem schon fr\u00fcher einmal entwickelten, wie mir scheint \u00e4ufserst fruchtbaren Gedanken des \u201edispositiven\u201c Vorstellens und Urtheilens {diese Zeitschrift 8, Iff.) Gebrauch und nimmt auch Gelegenheit, seine Lehre von den \u201etypischen und atypischen Beziehungen\u201c neuerdings zu entwickeln und f\u00fcr die Psychologie des Urtheils zu verwerthen.\nDie wichtigsten Punkte indessen, an denen die thats\u00e4chlichen Gestaltungen des urtheilenden Denkens \u00fcber die logischen Schemata hinausgehen, sind nach v. Kries mit dem bisher Besprochenen noch nicht be-","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n177\nzeichnet. Er findet sie vielmehr \u201ein der verwickelten Natur des Zusammenhanges, in dem die vielen psychischen Vorg\u00e4nge, die im weitesten Sinne des Wortes als Urtheile bezeichnet werden, mit definitiv deutlichen und im strengen und im engsten Sinne des Wortes so zu nennenden Urtheilen stehen.\u201c\nEr macht hier zun\u00e4chst auf die aus unmittelbar evidenten S\u00e4tzen durch l\u00e4ngere Schlufsketten deductiv abgeleiteten Urtheile aufmerksam. Diese zeigen nicht mehr die Selbstverst\u00e4ndlichkeit, die \u201eidiodetische Geltung\u201c der Ausgangsurtheile ; trotzdem haben wir \u201eein gewisses Gef\u00fchl der Berechtigung f\u00fcr die betreffende Aussage, allein dasselbe erscheint nicht mehr mit der Natur der verkn\u00fcpften Begriffe selbstverst\u00e4ndlich gegeben, es ist etwas von aufsen an sie herantretendes, psychologisch genommen dem heterodetischen der Bealurtheile \u00e4hnlich\u201c. In dieser Weise dr\u00fcckt der Verf. die meines Erachtens unverkennbare Thatsache aus, dafs die mittelbare Evidenz ihrer thats\u00e4ehlichen Wesenheit, ihrem psychologischen Aspect nach, gar keine Evidenz mehr ist, so dafs sich diese Urtheile wirklich \u00e4hnlich ausnehmen wie evidenzlose, allenfalls auch wie evidenzlose Real-urtheile (aber nicht wie alle Bealurtheile, denn es giebt deren auch evidente). Solche der Einsicht in den deductiven Zusammenhang ermangelnde Behauptungen sind dann \u2014 gerade so wie die evidenzlosen Urtheile (?) \u2014 jener Thatbestand, dem v. Kries eine lediglich \u201eoperative\u201c Bedeutung zu schreibt. Dieser Ausdruck soll besagen, dafs wir von einem solchen Ur-theil Gebrauch machen k\u00f6nnen und Gebrauch machen, n\u00e4mlich zu weiteren Schlufsfolgerungen etc., wrohl auch zu praktischen Zwecken, ohne dafs wir uns \u00fcber seine Berechtigung weiter unmittelbar Rechenschaft zu geben unternehmen. In dieser Beziehung ist der Ausdruck wirklich bezeichnend. In anderer scheint er mir dem Sachverhalt nicht gerecht zu werden. Denn die in Rede stehenden Urtheile sind als das, was sie sind, in Wirklichkeit charakterisirt direct durch eben das, was sie sind, nicht durch das, wTas mit ihnen angefangen werden kann; und sie bleiben daher auch das, was sie sind, in ihrer Eigenart v\u00f6llig unver\u00e4ndert ganz ohne R\u00fccksicht darauf, ob sie zu irgend welchen Operationen verwendet werden und werden k\u00f6nnen oder nicht, n\u00e4mlich, psychologisch betrachtet, vollwerthige (wenn auch nicht unmittelbar evidente) Urtheile. Sie besitzen, um mich der Ausdrucksweise v. Kries\u2019 zu bedienen, das \u201eGeltungsgef\u00fchl\u201c.\nDie Mannigfaltigkeit dieser und \u00e4hnlicher psychischer Gestaltungen ist aufserordentlich grofs. Der Verf. f\u00fchrt sie an einzelnen Beispielen vor, ohne nat\u00fcrlich dabei Anspruch auf Vollst\u00e4ndigkeit zu machen. Das Gebiet evidenzloser und mittelbar evidenter Urtheile ist ja nahezu oder vielleicht wirklich unbegrenzt. Aber allen diesen so verschiedenen und mannigfaltigen psychischen Gestaltungen ist das \u201eGeltungsgef\u00fchl\u201c (d. h. der Umstand, dafs es \u201eUrtheile\u201c sind) gemeinsam und charakteristisch, und der Verf. ist daher, vom psychologischen Gesichtspunkt-aus betrachtet, ganz im Recht, dafs er sie s\u00e4mmtlich in das Gebiet der Urtheile einbezieht, und hat es gar nicht n\u00f6thig, dieses sein Vorgehen gegen\u00fcber dem entgegengesetzten Riehl\u2019s durch praktische Gr\u00fcnde gewissermaafsen zu entschuldigen.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nLiteraturbericht.\nIn diesem Vorgehen liegt auch das befriedigende Gegengewicht gegen einzelne, leicht mifszuverstehende Ausf\u00fchrungen des Schlufsabschnittes. Verf. wirft dort die Frage nach dem Wesen des Urtheils auf und meint, dafs die Antwort darauf \u201enur in sehr unbestimmter Form gegeben werden kann, weil wir eben unter ,UrtheiP vielerlei Verschiedenartiges verstehen, weil jUrtheiF selbst eine Allgemeinvorstellung ist, die psychologisch Verschiedenes zusammenfafst, und deren Bedeutung daher gerade wie die des Wortes fe\u00fcfs oder Roth nicht in einer Definition, sondern nur durch Aufzeigung von Beispielen deutlich gemacht werden kann\u201c. Dieses Aufzeigen f\u00fchre auf das \u201eGeltungsbewufstsein\u201c als auf das Charakteristische des Urtheils; aber es sei damit nicht viel gewonnen, weil dieses Geltungsbewufstsein selbst wieder nur eine Zusammenfassung von vielerlei psychologisch Verschiedenartigem sei. Dagegen sei jedoch die Frage gestattet, warum dieses Geltungsbewufstsein, wenn es qualitative und intensive Variationen aufweist, deshalb weniger etwas Eigenartiges, sich seiner psychologischen TV esenheit nach immer gleich und ein und dasselbe Bleibendes sein soll, als etwa das Vorstellen, das F\u00fchlen und das Begehren, die sich ja in diesem Punkte ganz ebenso verhalten ? Das Geltungsgef\u00fchl ist eben, geradeso wie Vorstellen, F\u00fchlen und Begehren eine zwar verschiedene, f\u00fcr die psychologische und logische Betrachtung h\u00f6chst wichtige Variationen zeigende, aber in allen diesen Variationen wesentlich stets dieselbe, eigenartige psychische Elementarthatsache. Sie ist das Wesen und der Kern des Urtheils. Und deshalb scheint es mir auch zweckm\u00e4fsiger und entsprechender, sie gleich beim richtigen Kamen zu nennen und die immerhin leicht irref\u00fchrenden Ausdr\u00fccke \u201eGeltungsgef\u00fchl, Geltungsbewufstsein\u201c durch den Terminus Urtheil zu ersetzen. \u2014\nZum Schilds m\u00f6chte ich noch bemerken, dafs das vorliegende Referat viele, theils zur Kritik herausfordernde, theils \u00fcberaus befriedigende Einzelausf\u00fchrungen der besprochenen Arbeit v. Kries\u2019 unber\u00fccksichtigt l\u00e4fst.\nWitasek (Graz).\nR. Richter. Der Willenshegriff in der Lehre Spinoza\u2019s. Hab. Leipzig.\nAuch: Wundt, Philosophische Studien 14 (1 u. 2), 119\u2014156 u. 242\u2014338. 1898.\nDie grofse Anzahl von Monographien \u00fcber Spinoza, welche im letzten Jahrzehnt erschienen ist, hat zur Kl\u00e4rung der Anschauungen \u00fcber die Lehre und den Entwickelungsgang des Philosophen sowie die Entstehung seiner Wrerke wesentlich beigetragen. In solch Einzelschritten kann das einschl\u00e4gige Material weit gr\u00fcndlicher verarbeitet werden, es k\u00f6nnen die Aeufserungen des Philosophen \u00fcber die betreffenden Gegenst\u00e4nde vollst\u00e4ndiger zusammengestellt, seine Beweise genau untersucht, und die bei aller Consequenz im System doch oft recht schwankende und irref\u00fchrende Ausdrucks weise Spinoza\u2019s im Einzelnen auf ihren richtigen Sinn zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Welchen Nutzen diese Einzeluntersuchungen f\u00fcr die allgemeinen Darstellungen der Lehre gebracht haben, lehrt die Lekt\u00fcre von Pollock s neuer Auflage seines grofsen Werkes \u00fcber Spinoza und die eingehende Ber\u00fccksichtigung, die jene Literatur nunmehr bei Kuno Fischer gefunden hat. So wird auch die vorliegende gr\u00fcndliche Untersuchung","page":178}],"identifier":"lit31726","issued":"1900","language":"de","pages":"174-178","startpages":"174","title":"J. v. Kries: Zur Psychologie der Urtheile. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philosophie 23 (1), 1-48. 1899","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:10:48.914318+00:00"}