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{"created":"2022-01-31T16:26:53.935172+00:00","id":"lit31728","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Witasek","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 180-182","fulltext":[{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nLiteraturbericht.\nauch eine, allerdings h\u00f6here, Art der Selbsterhaltung zukommt. Diese Be gierde als Wesen verdr\u00e4ngt nicht die fr\u00fcher gelehrte Vorstellung als Wesen, ist vielmehr deren Wesen, die Tendenz eines Gedankens zum anderen, Begehrendes wie Begehrtes sind Vorstellungen. Das Verh\u00e4ltnifs des Willens als Urtheil zum Willen als Begehren fafst der Verf. in den Satz zusammen: Es ist also der Selbsterhaltungstrieb, logisch ausgedr\u00fcckt, Bejahung, und die Bejahung biologisch Selbsterhaltungstrieb, psychologisch aber bleiben beide etwas Besonderes und Getrenntes (S. 291). Die Gef\u00fchle entstehen durch die Vergleichung verschiedener, auf einander bezogener Zust\u00e4nde, sind darum ebenfalls nur zu denken, wenn von ihnen die Ideen bereits vorhanden sind, und der Satz von der Association der Affecte bildet die beste Erkl\u00e4rung dieser Anschauung. Gef\u00fchl und Wille stehen im Verh\u00e4ltnifs gegenseitiger Abh\u00e4ngigkeit, jedes ist Product und Voraussetzung des Anderen. \u2014 So k\u00fchn nun aber auch Spinoza\u2019s Versuch ist, seine psychologischen Anschauungen als directe Folgerung seiner Metaphysik zu entwickeln, so unm\u00f6glich ist sein Gelingen. Der Verf. f\u00fchrt aus, wie die Theorie Spinoza s besonders an zwei Dingen scheitern mufste. Es ist undenkbar, wie die Bestimmung eines Dinges zu wirken in seinem Bewufstsein sich als Streben geben soll, wie eine k\u00f6rperliche Disposition ihre n\u00e4chste Wirkung als Tendenz enthalten soll (291). Bedenklicher noch ist im System selbst der Begriff des absoluten Wollens oder Verlangens, welches das Seelische und K\u00f6rperliche im Menschen umfafst und so das gew\u00f6hnliche Handeln als thatkr\u00e4ftiges Wirken erkl\u00e4rt, w\u00e4hrend sonst Wille und Vorstellung ohne Beziehung blieben (295). \u2014 Bei dem engen Rahmen, der dieser Besprechung angewiesen ist, hielt ich es f\u00fcr lichtiger, die mit grofsem Geschick und Nachdruck bewiesene These des Verf.\u2019s im Auszug wiederzugeben, als einige, doch immer strittig bleibende, Einzelheiten herauszugreifen und polemisch zu er\u00f6rtern. Es ist der M\u00fche werth, sich durch die nicht immer leicht verst\u00e4ndlichen Ausf\u00fchrungen Richter\u2019s durchzuarbeiten, um Spinoza\u2019s wahre Anschauung \u00fcber den Willen kennen zu lernen und auch um zu sehen, einen wie tiefen Einblick der Philosoph \u2014 trotz aller Paradoxie in der Form \u2014 in das Wesen der menschlichen Seele gethan hat.\tElbo&en (Florenz).\nR. S. Woodworth. The Accuracy of Voluntary Movement. Psychol, jRev., Monogr. Supplem. 3 (2). 114 S. $ 1.\u2014. 1899.\nDer Verf. hat vollkommen recht, wenn er darauf hinweist, dafs die heutige Psychologie, besonders die experimentelle, zu einseitig das Gebiet der intellectuellen Thatsachen bearbeitet und die Untersuchung der emotionalen vernachl\u00e4ssigt. Aber die v\u00f6llige Analogie, die er zwischen den Empfindungen und Wollungen in Bezug auf ihre Bedeutung als Elementarthatsachen zieht, entspricht doch nicht ganz dem wahren Sachverhalte, und das St\u00fcck, um das seine Analogie versagt, ist zum Mindesten eine theil-weise Rechtfertigung des heutigen Vorganges der Psychologie. Denn die Wollungen sind durchaus nicht im selben Sinne Elementarthatsachen wTie die Empfindungen, auch dann nicht, wenn der Autor recht hat zu sagen, dafs sie ebenso fr\u00fch wie diese im Leben des Individuums sowohl wie der Gattung auftreten. Sie sind vielmehr, da alles Wollen auf einen Gegen-","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turbericht.\n181\nstand gerichtet ist, und somit das Vorstellen (seil, dieses Gegenstandes) voraussetzt, vom Empfinden abh\u00e4ngig und auf dieses aufgebaut, ohne dafs damit nat\u00fcrlich der M\u00fcNSTEEBEEofschen und \u00e4hnlichen Willenstheorien, die die Begehrungen in Empfindungen aufzul\u00f6sen streben, stattgegeben werden mtifste.\nTrotzdem hat es einen guten Sinn, wenn der Verf. das Problem, dem seine Arbeit gewidmet ist, mit der Grundfrage der experimentellen Sinnespsychologie in Analogie setzt. Er untersucht n\u00e4mlich die Genauigkeit, mit der die willk\u00fcrlich ausgef\u00fchrten Bewegungen der Absicht entsprechen. Diese Genauigkeit ist thats\u00e4chlich das Widerspiel der Unterschiedsempfindlichkeit. Und wenn es auch nicht ebenso m\u00f6glich ist, eine Psychologie von den Wollungen aus aufzubauen, wie von den Empfindungen aus, so ist doch die Genauigkeit (Treffsicherheit) der Willk\u00fcrbewegungen eine ebenso wuchtige, psychologisch bedeutsame Sache, wie die Unterschiedsempfindlichkeit, und daher ihre experimentelle Untersuchung willkommen zu heifsen.\nDer Verf. bearbeitet seine Aufgabe auf graphischem Wege, indem er die zu untersuchenden (Hand-)Bewegungen auf einem endlosen Kymo-graphionpapier mit H\u00fclfe eines Bleistiftes sich aufzeichnen l\u00e4fst. Jeder Bewegung hatte die unmittelbar vorhergehende als Vorbild zu dienen, ein Vorgehen, dem trotz seiner unleugbaren Vorz\u00fcge gewichtige Bedenken entgegenstehen. Uebrigens f\u00e4llt dabei aufserdem deutlich genug die tiefgehende Verschiedenheit dieser Untersuchungsmethode gegen\u00fcber der der Unterschiedsempfindlichkeit ins Auge. Bei der Unterschiedsempfindlichkeit untersucht man, mit wie grofser Genauigkeit die Empfindungen den Reizen entsprechen und vergleicht zu diesem Zwecke thats\u00e4chlich die objectiv bestimmten Reize mit den Empfindungen. Der Verf. vergleicht dagegen die ausgef\u00fchrten willk\u00fcrlichen Bewegungen keineswegs mit den ihnen zugeh\u00f6rigen subjectiven Correlaten selbst, n\u00e4mlich den in den zugeh\u00f6rigen Wollungen enthaltenen Vorstellungen der beabsichtigten Bewegungen, sondern mit einer anderen, objectiv aufgezeichneten Bewegung, die allerdings mit jener Ausgangsvorstellung in einem gewissen Zusammenhang steht, jedoch in einem Zusammenhang, \u00fcber dessen Art und Zuverl\u00e4ssigkeit nichts bekannt ist, der vielmehr selbst erst zun\u00e4chst die Frage der Unterschiedsempfindlichkeit darbietet, so dafs wir streng genommen keine Gew\u00e4hr daf\u00fcr haben, dafs die Versuchsanordnung, die der Verf. in Anwendung bringt, zur Untersuchung seiner Frage geeignet ist. \u2014 Die Ver-suchs-Einzelergebnisse verwerthet er nach der Methode der mittleren Fehler und der richtigen und falschen F\u00e4lle.\nDer Verf. versteht es sehr gut, den zusammengesetzten Vorgang der Ausf\u00fchrung einer vorgegebenen willk\u00fcrlichen Bewegung in seine Com-ponenten zu zerlegen und jeder derselben sowohl allein als auch in ihrem Verh\u00e4ltnifs zu den anderen Componenten experimentell beizukommen. Die Versuchsanordnungen sind dementsprechend im Einzelnen sehr verschieden und bisweilen recht interessant, und die Ergebnisse der Untersuchung sind h\u00f6chst mannigfaltig. Sie beziehen sich zun\u00e4chst auf das Verh\u00e4ltnifs von Genauigkeit der Bewegung zu ihrer Geschwindigkeit, geben ferner eine Analyse der die Genauigkeit bestimmenden Factoren, indem","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nLiteraturbericht.\ndie Bedeutung der urspr\u00fcnglichen Einstellung der Beeinflussung der Bewegung w\u00e4hrend ihres Ablaufes gegen\u00fcbergestellt und gegen diese abgewogen wird; ferner eine Analyse der Genauigkeit selbst, die darnach in eine Genauigkeit der Wahrnehmung (Vorstellung) der Bewegung und in eine Genauigkeit der motorischen Ausf\u00fchrung (eine repr\u00e4sentative und eine motorische Genauigkeit) zerf\u00e4llt. Auch das Verh\u00e4ltnifs zum Weber-schen Gesetz wird untersucht und dieses als vorwiegend nicht g\u00fcltig befunden. Weitere Ergebnisse betreffen den Antheil, den verschiedene Sinne an der Contr\u00f4le auszuf\u00fchrender Bewegungen nehmen k\u00f6nnen, und schliefs-lich die Bedeutung der Uebung und der Erm\u00fcdung. \u2014 Den Schlufs der Arbeit bildet ein experimenteller Nachweis daf\u00fcr, dafs f\u00fcr rasches und gleichm\u00e4fsiges Schreiben die F\u00fchrung der Feder durch Bewegung des ganzen Vorderarmes geeigneter ist als blofse Bewegung der Finger in ihren Gelenken.\tWitasek (Graz).\nPaul Sollier. De la localisation c\u00e9r\u00e9brale des troubles hyst\u00e9riques. Revue neurologique 8 (3), 102\u2014107. 1900.\nFranz\u00f6sischen Forschern verdanken wir in erster Linie die moderne Auffassung der Hysterie als einer prim\u00e4r- psychischen Krankheit, deren k\u00f6rperliche Symptome von St\u00f6rungen des Vorstellungs- und Gef\u00fchlslebens abh\u00e4ngig erscheinen. Diese rein psychologische Theorie der Hysterie ist es nun, welche neuerdings eben wieder in Frankreich energische Gegner gefunden hat, Gegner, wolche vor Allem darauf ausgehen, auch die Hysterie einer anatomisch-localisirenden Betrachtungsweise zu unterwerfen, den Ort festzustellen, wo das hysterische Symptom seinen Sitz hat. Sollier vertritt schon seit einigen Jahren die Ansicht, dafs die hysterischen Symptome an der Stelle der Hirnrinde localisirt sind, welche das Centrum f\u00fcr die in Frage kommende Function darstellt. Er ist bei seinen experimentellen und klinischen Untersuchungen zu folgenden merkw\u00fcrdigen Resultaten gelangt: wenn man bei monosymptomatischer Hysterie die Sensibilit\u00e4t des ganzen Sch\u00e4dels genau untersucht, so findet man eine mehr oder wmniger ausgedehnte druckempfindliche Stelle, die gleichzeitig mehr oder weniger an\u00e4sthetisch oder analgetisch ist (je nach dem Grad der functioneilen St\u00f6rung) ; von dieser Analgesie und Druckempfindlichkeit hat der Kranke meist kein Wissen. Wenn man die so constatirte Stelle auf ein Gehirnschema \u00fcbertr\u00e4gt, so bemerkt man, dafs sie genau dem Rindenbezirk entspricht, der das Centrum der gest\u00f6rten Function darstellt. Das gilt nicht nur f\u00fcr die motorischen St\u00f6rungen und Centren, sondern auch f\u00fcr die visceralen. Findet man also bei hysterischer Anorexie am Sch\u00e4del eine druckempfindliche und an\u00e4sthetische Stelle, so ist die darunter liegende Gehirnpartie das functioneile Magencentrum. Sollier ist nun im Stande, bei Hysterischen in der Hypnose beliebige Symptome zu erzeugen ; er sucht dann durch Abtasten am Sch\u00e4del die Druckstelle und kann so mit aller Pr\u00e4cision die Centren der einzelnen Organe im Gehirn feststellen (!) So will er das Gehirncentrum f\u00fcr den Magen, das Herz, die Harnblase, den Kehlkopf, die Genitalorgane gefunden haben. Einige kurze Krankengeschichten dienen zur Illustration der vorgetragenen Anschauungen. - Sollier","page":182}],"identifier":"lit31728","issued":"1900","language":"de","pages":"180-182","startpages":"180","title":"R. S Woodworth: The Accuracy of Voluntary Movement. Psychol. Rev., Monogr. Supplem. 3 (2). 114 S. 1899","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:26:53.935178+00:00"}