The Virtual Laboratory - Resources on Experimental Life Sciences
  • Upload
Log in Sign up

Open Access

S. Ramon y Cajal: Die Structur des Chiasma opticum nebst einer allgemeinen Theorie der Kreuzung der Nervenbahnen. Uebers. aus d. Spanischen von Dr. J. Bresler. Leipzig, Barth, 1899.

beta


JSON Export

{"created":"2022-01-31T16:29:47.591780+00:00","id":"lit31734","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultz, P.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 297-299","fulltext":[{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n297\nJean Philippe. Technique du chronom\u00e8tre de d\u2019Arsonval pour la mesure des temps psychiques. Paris, Carr\u00e9 et Naud, 1899. 43 S. Mit 3 Illustr.\nZur Messung von Reactionszeiten wird in der Sorbonne seit 10 Jahren mit, nach dem Verf., einwandsfrei gutem Erfolg ein von d'Arsonval gebautes Chronoskop gebraucht, Es soll sich f\u00fcr Kliniker und Psychologen gleich gut eignen, handlich und leicht transportabel sein. Vor dem bei uns und in Amerika fast ausschliefslich benutzten Hipp\u2019schen Chronoskope soll es dadurch den Vorzug verdienen, dafs es mit ganz geringem, bei Kautschukunterlage kaum h\u00f6rbarem Ger\u00e4usche functionirt, dafs es in Folge relativ einfacher Organisation eine einfachere, die Aufmerksamkeit des Experimentators nicht absorbirende Versuchsanordnung erm\u00f6glicht, dafs schliefslich die Versuchsperson mit umst\u00e4ndlicher, ihrem Ermessen anheimgegebener Regulirung des Beiwerks nicht belastet wird. Soin allgemeines Constructionsprincip ist \u00e4hnlich wie bei Hipp: ein Uhrwerk, in das ein beweglicher Zeiger leicht ein- und ausgeschaltet werden kann. Die Unterschiede bestehen im Wesentlichen in der Regulirung der Uhr durch einen Foucault - Regulator, in der Verwendung ganz kleiner Elektromagnete f\u00fcr die Beherrschung der Zeigerbewegung (zur Verringerung des remanenten Magnetismus) und dem Vorhandensein nur eines, in 100 Theile getheilten, Zifferblatts. Umschaltungen des elektrischen Stromes sind verm\u00f6ge einer besonderen, erprobten einfachen Vorrichtung nicht n\u00f6thig; die Reactions-zeit liegt zwischen Strom\u00f6ffnung und -schlufs. W\u00e4hrend indes das Hipp\u2019sche Chronoskop 11000 Sec. zu messen gestattet, ist bei diesem die minimalste Zeitstrecke nur 2/100 Sec.; die Verringerung der Leistungsf\u00e4higkeit scheint dem Verf. bedeutungslos, weil die Reactionszeiten kaum erheblich kleiner als Vio Sec. sind. \u2014 Verf. er\u00f6rtert im Uebrigen die Versuchsanordnung bei Reactionszeitmessung; im Besonderen verwirft er die Isolirung der Versuchsperson und des Experimentators, empfiehlt daf\u00fcr sorgf\u00e4ltige Vermeidung der Nebenreize, was bei diesem Apparate m\u00f6glich sein soll ; er empfiehlt ferner Variation der Reize, die auch nicht zu mechanisch sein sollen, und Verringerung der \u00fcblichen Intervalle und Pausen. Pflaum (Steinhude).\nS. Ramon y Ca.jal. Die Structur des Ghiasma opticum nebst einer allgemeinen Theorie der Kreuznng der Nervenbahnen. Uebers. aus d. Spanischen von Dr. J. Bresler. Leipzig, Barth, 1899. M. 3.\u2014, geb. M. 4.\u2014.\nDer erste Theil der Abhandlung enth\u00e4lt eine vergleichende Uebersicht \u00fcber den Faserverlauf im Chiasma nerv, optic, bei den verschiedenen V irbelthieren. Bei den Fischen findet eine totale Kreuzung und Ueber-einanderlagerung der beiden gesonderten Sehnerven im Chiasma statt. Batrachier und Reptilien zeigen ebenfalls totale Kreuzung, aber zugleich Durchflechtung der Fasern beider Sehnerven. Auch die V\u00f6gel weisen eine totale Kreuzung auf; bei ihnen trifft man im vorderen Winkel des Chiasma bisweilen spindelf\u00f6rmige Nervenzellen zwischen den Faserb\u00fcndeln, wahrscheinlich versprengte Zellen des Tuber cinereum. Bei den S\u00e4uge-thieren treten neben den gekreuzten ungekreuzte Fasern auf. W\u00e4hrend diese bei den niederen S\u00e4ugethieren, bei den Nagern, eine unbedeutende Minorit\u00e4t bilden, nehmen sie bei den h\u00f6heren, bei Katze, Hund, Affe und Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\t20","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nLi ter a t urberich t.\nnoch mehr heim Menschen erheblich zu und steigen bis auf ein Drittel und noch mehr der gekreuzten Fasern. Mit diesen vermengen sie sich innig, sobald sie im terminalen Theile des Tractus und den prim\u00e4ren optischen Centren angelangt sind. Damit ist die von K\u00f6lliker und Michel irrth\u00fcmlicherweise bestrittene Lehre von der partiellen Kreuzung der Sehnerven beim Menschen wieder auf sicheren Boden gestellt.\nDiese thats\u00e4chlichen Befunde dienen zum Ausgangspunkt f\u00fcr allgemeine Betrachtungen \u00fcber den Ursprung und die Bedeutung der Kreuzung der Nervenbahnen in den Centralorganen. Yerf. geht davon aus, dafs die Kreuzung prim\u00e4r in den centripetalen, in den sensorischen Bahnen erfolgte, woraus secund\u00e4r die Kreuzung der centrifugalen, der motorischen Bahnen nothwendig resultirte. Unter den sensorischen Bahnen trat sie zuerst bei den Sehnerven auf. Hier mufste sie sich ausbilden, sobald als an Stelle des Mosaiksehens das Linsenauge trat. Denn, da durch die Linse die Gegenst\u00e4nde der Aufsenwelt ein seitliches umgekehrtes Bild auf der Netzhaut entwerfen, also das, was rechts im Object ist, links auf der Netzhaut liegt, und umgekehrt, so m\u00fcssen, um diese seitliche Inversion wieder aufzuheben und \u201edas geistige Bild\u201c in der Rinde den Objecten conform zu machen, die Nerven des rechten Auges auf die linke Seite des Gehirns \u00fcbertreten und umgekehrt. Da nun jede sensorielle Reizung motorische Reactionen, namentlich Abwehrbewegungen vornehmlich derjenigen Seite zur Folge hat, welche dem peripherischen Reize entspricht, so ergiebt sich aus der optischen Kreuzung als nothwendige Consequenz die Kreuzung der motorischen Bahnen (Pyramidenkreuzung). Die anderen sensoriellen Bahnen passen sich der Sehnervenkreuzung an, da ja bei den niederen Wirbel-thieren die optischen Empfindungen alle \u00fcbrigen Sinneseindr\u00fccke \u00fcberwiegen und fast ganz das geistige Leben der Thiere beherrschen. Der Sehvorgang bei den h\u00f6heren Wirbelthieren ist charakterisirt durch den Parallelismus der Augenaxen und das gemeinsame Sehfeld. Als entsprechendes anatomisches Ph\u00e4nomen tritt das directe Sehnervenb\u00fcndel auf. Die unvollst\u00e4ndige Kreuzung bezeichnet also eine h\u00f6here Stufe der Vollkommenheit ; die totale Kreuzung geht der partiellen in der aufsteigenden Thierreihe voran. Wird nun auch durch den Parallelismus der Augenaxen die seitliche Ausdehnung des Sehfeldes verringert, so tritt als Entsch\u00e4digung daf\u00fcr ein neues Ph\u00e4nomen ein, die Perception der Tiefe oder der dritten Dimension, welche bei den unteren Gliedern der Thierwelt und selbst bei der Mehrzahl der S\u00e4ugethiere noch unbekannt ist.1 Entsprechend der unvollkommenen Kreuzung der Sehnerven tritt nun auch bei anderen Bahnen (Pyramidenbahnen) eine Semidecussation auf.\t\\\nSo geistvoll in einzelnen Punkten die Ausf\u00fchrungen auch sind, so f\u00e4llt es dem deutschen Naturforscher doch schwer ihnen zu folgen und sich\n1 Es sei hier noch besonders hervorgehoben, dafs schon Dr. G. Hirth in M\u00fcnchen (Energetische Epigenesis, M\u00fcnchen, G. Hirth, 1898) die Bedeutung gleichzeitig vorhandener gekreuzter und ungekreuzter Opticusbahnen f\u00fcr das plastische Sehen und damit als Attribut h\u00f6chster Entwickelung er\u00f6rtert hat.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n299\nauf den Standpunkt des Verf. zur\u00fcckzuversetzen. Nachdem der Streit \u00fcber das Problem des Aufrechtsehens schon lange bei uns zwischen Philosophen und Naturforschern ausgetragen ist, der durch die bekannte schlichte Bemerkung Helmholtz\u2019s eine einfache und definitive Erledigung fand, nachdem die empiristische Theorie der Sinneswahrnehmung durch Schopenhauer und Helmholtz begr\u00fcndet und ausgef\u00fchrt ist, nachdem die transcendentale Aesthetik Kant\u2019s bei den Naturforschern immer mehr Verst\u00e4ndnifs gefunden hat, ist bei uns die Neigung zu Speculationen, wie die oben angef\u00fchrten, \u00fcberwunden. Ohne erkenntnifstheoretische Vorbildung und ohne ausreichende Kenntnifs in der Sinnesphysiologie und Psychologie lassen sich solche Fragen nicht in Angriff nehmen. Sehr treffend bemerkt schon Flechsig im Vorwort: \u201eMan mufs ja ohne Weiteres zugestehen, das Ram\u00f6n y Cajal hier vielfach auf Voraussetzungen fufst, deren Richtigkeit erst noch streng zu erweisen ist. Seine schematischen Abbildungen \u00bbgeistiger Projectionen\u00ab mit ihrer Uebertragung psychischer Vorg\u00e4nge in das R\u00e4umliche werden vielleicht nicht nur bei philosophischen Psychologen Befremden erregen; man mag es auch f\u00fcr gewagt halten, Fragen, wie das stereoskopische Sehen, die Wahrnehmung des Reliefs, im Vor\u00fcbergehen und ohne gr\u00fcndliche Detaillirung unter einem neuen Gesichtspunkt zu behandeln.\u201c Auch in anderer Beziehung steigen erhebliche Bedenken auf. \u201eDas \u00f6konomische Ziel\u201c, das \u201eSparsamkeitsprincip der Natur\u201c, die lex parsimoniae naturae unserer fr\u00fcheren N aturphilosophen, spielt eine wichtige Rolle in der Beweisf\u00fchrung des Verf. Welcher Biologe aber, der aufmerksam das Werden und Vergehen in der Natur beobachtet hat, weifs davon heut etwas? Dafs gemeinhin gerade das Gegentheil von diesem \u201eGesetz\u201c statt hat, die Erkenntnifs rechnen wir auch zu unseren neueren Errungenschaften. Auf einem erheblichen physiologischen Mifsverst\u00e4ndnifs beruht es ferner, wenn der Verf. den Ausdruck \u201ecentrale Projection der Retina\u201c so auffafst, als ob in der That in der Rinde der Sehsph\u00e4re das physikalisch-optische Bild auf der Retina sich in vergr\u00f6fsertem Maafsstabe wiederhole, dafs also \u201edie cerebrale Retina sich in dieser Beziehung mit einer wohlgelungenen Photographie vergleichen l\u00e4fst, deren Papier oder Ueberzug gerunzelt ist\u201c ! ! Wovon denn die nothwendige Consequenz ist, dafs eine dahinter sitzende Seele dieses \u201egeistige Bild\u201c anschaut. Der Sehnerv \u00fcbertr\u00e4gt eben nicht Bilder in das Gehirn, sondern Erregungsprocesse. Kein Physiologe hat den Ausdruck \u201ecentrale Projection\u201c anders aufgefafst, als dafs damit die zusammengeh\u00f6rige Beziehung der Erregungspunkte der Retina zu den Erregungspunkten in der Hirnrinde bezeichnet werden soll. Immerhin finden sich daneben auch genug werthvolle Gedanken und entwickelungsf\u00e4hige Ideen, dafs man auch diesen zweiten Theil der Abhandlung nicht ohne gewonnene Belehrung aus der Hand legt.\nP. Schultz (Berlin).\n\n20*","page":299}],"identifier":"lit31734","issued":"1900","language":"de","pages":"297-299","startpages":"297","title":"S. Ramon y Cajal: Die Structur des Chiasma opticum nebst einer allgemeinen Theorie der Kreuzung der Nervenbahnen. Uebers. aus d. Spanischen von Dr. J. Bresler. Leipzig, Barth, 1899.","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:29:47.591786+00:00"}

VL Library

Journal Article
Permalink (old)
http://vlp.uni-regensburg.de/library/journals.html?id=lit31734
Licence (for files):
Creative Commons Attribution-NonCommercial
cc-by-nc

Export

  • BibTeX
  • Dublin Core
  • JSON

Language:

© Universitätsbibliothek Regensburg | Imprint | Privacy policy | Contact | Icons by Font Awesome and Icons8 | Powered by Invenio & Zenodo