Open Access
{"created":"2022-01-31T16:36:57.361937+00:00","id":"lit31745","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pflaum","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 305-309","fulltext":[{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n305\nEugen Posch. Ausgangspunkte zu einer Theorie der Zeitvorstellung. Vierteljahrsschrift f. iciss. Philosophie 23 (1), 49\u201474; (2), 185\u2014204; (3), 285\u2014322; (4), 385\u2014416; 24 (1), 23\u201451; (2), 137\u2014171. 1899/1900.\nDiese neue Bereicherung der quantitativ sehr ansehnlichen Literatur des Zeitproblems ist auch eine erhebliche F\u00f6rderung der Sache, sowohl in Bezug auf das verf\u00fcgbare, f\u00fcr den theoretischen Versuch unumg\u00e4ngliche Thatsachenmaterial als auf die Theorie selbst.\nDie Aufs\u00e4tze in ihrer Gesammtheit bilden die deutsche, verk\u00fcrzte Bearbeitung von desselben Verfassers ungarisch geschriebenem, zweib\u00e4ndigem Werke \u201eAz id\u00f6 elm\u00e9lete\u201c (Budapest 1896/97). Leider l\u00e4fst die technische Durchf\u00fchrung der Aufgabe und das Formale viel zu w\u00fcnschen \u00fcbrig \u2014 bedauerlich um so mehr, als nach meiner Einsicht die Disposition des Stoffes im ungarischen Original durchaus einwandsfrei ist. Ferner deckt der Titel der deutschen Arbeit den Inhalt durchaus nicht; denn einerseits fehlt der sonst nothwendige R\u00fcckgang auf das erkenntnifs-theoretisch Elementare, andererseits wird mehr geboten als Ausgangspunkte zu einer Theorie, n\u00e4mlich eine solche Theorie selbst. Einen Einblick in den Charakter der Arbeit, in ihre technische und manche sachliche Eigenth\u00fcmlichkeit sowie insbesondere in die Bedeutung und den Umfang des Psychologischen in ihr, giebt bereits die Hauptdisposition: I. Die Vergangenheit; II. die Zukunft ; III. die Gegenwart ; IV. die Gleichzeitigkeit ; V. die Dauer ; VI. Weiterausbildung der Zeitvorstellung: 1. Urtheilsformen, 2. der Begriff des Nacheinander, 3. die Vervollkommnung der Zeitmessung, 4. der Begriff \u201eZeit\u201c und seine Pr\u00e4dikate, 5. W\u00f6rter von zeitlicher Bedeutung, 6. der Zeitsinn; VII. zur Metaphysik der Zeit; VIII. Schlufsbemerkung. \u2014 Ausf\u00fchrliche Literaturangaben und historisch-kritische Excurse, in die Darstellung eingeschaltet und zur Unterst\u00fctzung der Argumente des Verf.\u2019s zweck-m\u00e4fsig verwerthet, sind vorhanden.\nDas erw\u00e4hnte neue Thatsachenmaterial entstammt der vergleichenden Sprachwissenschaft. Freilich hat es in manchen der bisherigen Behandlungen des Zeitproblems auch an sprachwissenschaftlichen Bemerkungen, sei es grammatischer sei es etymologischer Natur, nicht gefehlt, aber dieselben waren entweder zu gering an Umfang, um haltbare Schl\u00fcsse zu gestatten, oder sie trugen den Charakter dilettantenhafter, vag hypothetischer, gelegentlicher Aper\u00e7us. Was dieser Verf. bietet, leider wegen der \u00e4ufser-lichen Anpassung an die theoretischen Bed\u00fcrfnisse in die \u00fcbrige Darstellung etwas verstreut, hat keinen dieser M\u00e4ngel. \u2014 Es handelt sich zuerst um die sprachgeschichtliche Verfolgung der fundamentalen zeitlichen Urtheile. Nach einer speciellen Untersuchung der Verbalformen und insbesondere der Modificationen, welchen die Stammform bei den Temporalbildungen unterliegt, stellt der Verf. fest, 1. bez\u00fcglich des Vergangenheits-urtheils: \u201eDie Urform des Perfects im Indogermanischen, das reduplicirte Verbum, ist gleichzeitig Intensivum, und als solches urspr\u00fcnglich jedenfalls eine auf das Quale und nicht auf Zeitliches gerichtete Bezeichnung f\u00fcr eine gewisse Classe vorhanden gedachter Sinneseindr\u00fccke, diejenigen n\u00e4mlich, die sich durch kurzes, ersch\u00fctterndes, unerfafsbares, nachdrucksvolles Auftreten bemerkbar machen, d. h. in mehr oder weniger erschreckender Weise auf uns einwirken.\u201c \u201eAlle Bildungen aufser dem","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nLiteraturberich t.\nreduplicirten Verbum, wie Aoriste und Imperfecte, entpuppen sich als mehr oder weniger ungerechtfertigte, wenigstens nicht urspr\u00fcngliche Per-fectbezeichnungen, da ihre anscheinend wichtigsten Bestandteile ganz bedeutungslose oder doch zur Deckung des Perfectionnes ungeeignete Partikel sind.\u201c 2. bez\u00fcglich des Zukunftsurtheils : Ureigentlich Zuk\u00fcnftiges bezeichnende Exponenten der Formen des Zeitwortes giebt es ebenso wenig wie solche f\u00fcr Vergangenes. Das Futurum, wo es in relativ einfacher Form vorhanden ist, d. h. nicht \u00fcberhaupt fehlt oder umschrieben wird, giebt sich als sp\u00e4tere Bildung, aus dem Conjunctiv oder Optativ entnommen, zu erkennen. 3. bez\u00fcglich des Gegenwartsurtheils : Der blofse Verbalstamm, \u201edas sprachliche Aequivalent des blofsen Empfindungsquales\u201c, ist zugleich Pr\u00e4sens. \u2014 Die sehr grofse Tragweite, welche diesen Thesen auch in psychogenetischem Betracht ohne Zweifel zukommt, erfordert ihre besonders strenge Pr\u00fcfung. In der That wird man dem Verf. auch kaum einr\u00e4umen d\u00fcrfen, dafs die von ihm gebotene Demonstration seiner S\u00e4tze zureichend ist und dafs er, nur auf diese gest\u00fctzt, mehr als Wahrscheinliches ausgesprochen hat. Es freut mich indes, auf Grund meiner eigenen Studien im Gesammtgebiete der V\u00f6lkerpsychologie verm\u00f6ge ermittelter Analogien die Richtigkeit der S\u00e4tze und der n\u00e4chsten, aus ihnen vom Veif. gezogenen Folgerungen durchaus best\u00e4tigen zu k\u00f6nnen. Allerdings sind es nur Ausgangspunkte der sprachlichen Entwickelung, nur bisher eine Phase, die wir eindeutig zu erkennen verm\u00f6gen, aber wichtig\ngenug und bei dem heutigen Stande unserer Forschung non plus ultra.---\nSicherlich mehr hypothetischen Charakter tragen, der Natur der Sache nach meist unumg\u00e4nglich, die etymologischen Analysen, denen der Verf. W\u00f6rter von zeitlicher Bedeutung unterwirft. Die Analogie mit anderen Forschungsergebnissen aber und die Uebereinstimmung der Analysen in einem Moment rechtfertigt die Behauptung des Verf., dafs die Ergebnisse vergleichender Sprachwissenschaft \u201eeine urspr\u00fcnglich concret-qualitative Bedeutung der allermeisten, heute abstract zeitlichen Ausdr\u00fccke (d. h. Hinzuk\u00f6mmlichkeit ihres heutigen Sinnes) darthun und Urspr\u00fcnglichkeit desselben wenigstens nirgends nach weisen\u201c.\nEtwas willk\u00fcrlich beginnt der Verf. seine philosophischen Er\u00f6rterungen mit dem Problem der Vergangenheit, das er scheidet in die Fragen:\n1. was ist Vergehen? 2. in welcher Weise wird es vom menschlichen Geiste aufgefafst? 1. \u201eJedwedes Perfectivurtheil dr\u00fcckt eine erfolgte Aufl\u00f6sung von Eigenschaftscomplexen, d. h. die Trennung einer Verbindung von Subject und irgendwelchem Pr\u00e4dikat aus. Gegenstand des Vergehens ist somit stets eine Verbindung von Eigenschaften.\u201c \u201eAlles Vergehen ist Vernichtung; das Vergangene ist nicht.\u201c 2. Die aufgel\u00f6sten Verbindungen lassen im Verst\u00e4nde eines menschlichen oder thierischen Zuschauers ein Andenken ihres Bestehens zur\u00fcck, wir verm\u00f6gen uns ihrer zu erinnern. Die Erinnerungsvorstellungen haben unmittelbar deutliche Eigenart, und zwischen ihnen und den Sinneseindr\u00fccken besteht ein \u201ehimmelweiter Unterschied ebenso wie sie mit \u201eeinem niemals gewesenen Phantasieinhalte\u201c nichts gemein haben. \u201eDer einzige Unterschied zwischen Vergangenheits- und Gegenwartsurtheil besteht in der bei ersteiem hinzutretenden Apperception des Mangels, einem Mangel-","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n307\ngef\u00fchle .. .\u201c------Ich lasse die Beantwortung der ersten Frage hier\ndahingestellt und beleuchte nur die der zweiten Frage nebst manchen hierher geh\u00f6rigen Einzelheiten. Abgesehen davon, dafs die hier gebotene Psychologie etwas construirt anmuthet und nach Umfang und Inhalt das Problem zu ersch\u00f6pfen bei weitem nicht ausreicht, l\u00e4fst sich nicht erkennen, warum die Erinnerungsvorstellungen als solche unverkennbar sihd, aber doch die Yergangenheitsurtheile, die ohne Erinnerungsvorstellungen unm\u00f6glich bezw. ihr directer Ausdruck sind, zu ihrer Charakteristik im Bewufstsein noch eines besonderen Mangelsgef\u00fchls bed\u00fcrfen sollen. Man wird ferner leugnen m\u00fcssen, dais Erinnerungs-, actuelle und Phantasievorstellungen von einander v\u00f6llig disparater Natur sind, wie es der Yerf. durch seinen \u201ehimmelweiten\u201c (\u00fcbrigens nicht definirten) \u201eUnterschied\u201c andeutet; meines Erachtens r\u00e4cht es sich hier, dafs dem Yerf. eine klare, in sich cons\u00e9quente empirisch-psychologische Gesammtanschauung als Fundament seiner speciellen Forschung fehlt. Was der Yerf. sonst f\u00fcr und gegen die Vorzugsstellung des Geh\u00f6rs bei Entstehung und Ausbildung unseres Zeitbewufstseins sagt, verr\u00e4th eine arge Unkenntnifs von der Ausdehnung des Experiments in der Psychologie. Er schiebt bei dieser Gelegenheit W. Wundt die Behauptung zu, \u201ewir bes\u00e4fsen an unserem Geh\u00f6rorgan einen speciellen Sinn f\u00fcr Zeitauffassung\u201c ; ich weise dem gegen\u00fcber auf Grdz. d. physiol. Psychol. 4. Aufl. Bd. II p. 47 hin, wo Wundt es als die Eigenschaft der Geh\u00f6rsvorstellungen hinstellt, \u201edafs sie neben den Bewegungsvorstellungen das wesentlichste Hilfsmittel der Zeitanschauung abgeben\u201c; allerdings hat es Wundt an Modiiicationen seiner Ansichten besonders in dieser Frage selbst noch in den neuen Auflagen seines \u201eGrundrifs der Psychologie\u201c nicht fehlen lassen.\n\u201eBegebnisse, welche nach bisheriger Erfahrung gewisse andere nach sich zogen, m. a. W. : im Entstehen begriffene Eigenschaftsverbindungen sind der reale Sachverhalt, der den Vorstellungen von Zukunft zu Grunde liegt. Da das aufsen wirklich Vorhandene bei dieser Begriffsbildung nur als \u201eAnzeichen\u201c f\u00fcr ein anderes Ereignifs gilt und der eigentliche Zielpunkt und Gegenstand der ZukunftsVorstellung (!) jenes erwartete, folglich ein dem thats\u00e4chlichen Weltinhalte nicht angeh\u00f6riges, ihm auch niemals einverleibt gewesenes Ereignifs ist: so l\u00e4fst sich behaupten, dafs die Zukunft nicht einmal so viel Anwartschaft auf Realit\u00e4t, \u201eNachklang von Wirklichkeit\u201c besitzt, wie die Vergangenheit.\u201c Die Zukunftsvorstellung kann gem\u00e4fs ihren Entstehungsbedingungen erst nach der Vorstellung des Vergangenen \u201eWurzel gefafst haben\u201c. Beide unterscheiden sich von einander im Bewufstsein nicht blos durch die geringe Verschiedenheit eines Er-wartungs- und Mangelsgef\u00fchls, sondern vielmehr durch ihre \u201eEntstehungsumst\u00e4nde\u201c, durch \u201eden ferneren Verlauf der beiderseitigen Apperceptionen\u201c.\nDas Gegenw\u00e4rtige ist \u201eder einzig rechtm\u00e4fsige (zum mindesten der urspr\u00fcnglichste) Besitzer und \u2014 in ihrem Eindr\u00fccke auf uns \u2014\u2022 der Entstehungsgrund des Realit\u00e4tspr\u00e4dikates\u201c, welches von ihm und nur im Hinblick auf dasselbe auch auf vergangene Eindr\u00fccke \u00fcbertragen wurde. Die Gegenwart als Zeittheil, als Bestandtheil der Zeitreihe ist erst ein sp\u00e4teres Entwdckelungsproduct. Dem Gegenw\u00e4rtigen als solchem fehlt ein besonderes","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nLiteraturbericht.\nGef\u00fchlsmerkmal, es wird charakterisirt durch die unmittelbaren Sinnes-eindr\u00fccke und deren directe Gef\u00fchlswirkung.\nDie Vorstellung vergangener und zuk\u00fcnftiger Gleichzeitigkeiten ist entstanden an gegenw\u00e4rtigen und durch diese, \u201einsofern n\u00e4mlich vergangene Ereignisse stets dann und deshalb als gleichzeitig gedacht werden, wenn und weil sie zu Zeiten ihrer Gegenw\u00e4rtigkeit als gleichzeitig erfafsbar gedacht wrnrden\u201c. Die Vorstellung eines gleichzeitig Gegenw\u00e4rtigen entsteht \u201edadurch, dafs das Individuum von Seiten eines zweiten Sinnesinhalts, welcher sich mit dem ersten zu einer Gesammtempfindung verbinden l\u00e4fst, den n\u00e4mlichen Lebhaftigkeitsgrad empfindet, dem zu Liebe es den ersten Sinnesinhalt f\u00fcr gegenw\u00e4rtig erkl\u00e4rt hat\u201c. Wenn zwei Daten A und B nicht auf einmal, durch einen einzigen Blick erfafst werden k\u00f6nnen, so ist ihre Gleichzeitigkeit nie unmittelbar bemerkt, sondern stets erschl\u00f6sse n.\nDie Thatsache, dafs Gegebenes verschieden lange Dauer habe, l\u00e4fst sich darauf zur\u00fcckf\u00fchren, dafs das, \u201ewas in den Sinneshorizont des Beschauers vereint (n\u00e4mlich gleichzeitig) eingetreten ist, nicht immer vereint austritt\u201c. Das Wann? dieses Austretens und, so viel ich sehe, auch das Bewufstsein des Wann? erkl\u00e4rt sich f\u00fcr den Verf. durch das Bestehen der Regel: \u201ejede Complexion (eine Kr\u00e4fteresultante) h\u00f6rtauf, wenn der Weltlauf die zu ihrer Aufhebung hinreichenden Bedingungen (eine entsprechende Gegenkraft) zu Stande gebracht hat.\u201c Die Thatsache der Auffassung vergangener Eindr\u00fccke als dauernd ist \u201edurch den Umstand einei \u00e4hnlichen Auffassung derselben, so lange sie gegenw\u00e4rtig waren, hinl\u00e4nglich erkl\u00e4rt\u201c. Das Grundelement, unabh\u00e4ngig von einem Subject, der Dauer ist das Sein, wie das der Succession Verschwinden, Vernichtet werden.\nDas Nacheinander ist \u201eein rein psychologisches und kein metaphysisches Problem, da sich n\u00e4mlich \u00fcber die Thatsache, dafs die Darbietungen des Weltlaufs einander abl\u00f6sen, gar nicht weiter philosophiren, ja sich diesbez\u00fcglich nicht einmal eine in die Philosophie einschl\u00e4gige Frage erfinden l\u00e4fst (warum und wann gegebene Complexionen zu riichte werden, geht bekanntlich die Physik an)\u201c. Die Frage nach der Entstehung der Vorstellung des Nacheinander ist gel\u00f6st, wenn die Entstehung der Vorstellung eines zweigliedrigen Nacheinanders erkannt ist; der Verf. behauptet, \u201edafs die meisten unserer Einordnungen ins Nacheinander in der Weise entstanden sind, dafs B, solange es noch Empfindung, d. h. gegenw\u00e4rtig war, mit dem Pr\u00e4dicate \u201eNach A\u201c belegt wurde, welches ihm dann auch als Vorstellung, d. h. nachdem es zur Vergangenheit wurde, belassen blieb ; im Uebrigen l\u00e4fst er auch die verschiedenen, der objectiven Entstehungsfolge angepafsten Klarheitsgrade der Vorstellungen und das Bewufstsein eines Causalverh\u00e4ltnisses als constitutiv f\u00fcr die Vorstellung des Nacheinander gelten.\nDer Begriff \u201eZeit\u201c ist \u201edie so ziemlich sp\u00e4teste Frucht der einschl\u00e4gigen Gedankenbildung.\u201c\nIn R\u00fccksicht auf meine Bemerkungen zu den Ansichten des Verf.\u2019s \u00fcber Vergangenheit durfte ich mich im Uebrigen bisher auf das Referat des haupts\u00e4chlich Charakteristischen ohne kritischen Commentar beschr\u00e4nken; die F\u00fclle kritischer Excurse, welche die Literatur des Zeitproblems auf-","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turbericht.\n309\nzuweisen und welche wohl alle m\u00f6glichen Ansichten bereits angegriffen hat, einerseits wie der oft leicht erkennbare Anschlufs des Yerf. an fr\u00fchere Autoren, besonders Volkmann, Waitz, Herb art und Guyau, lassen weitere Er\u00f6rterungen hier \u00fcberfl\u00fcssig erscheinen. Auch in der ausf\u00fchrlichen Behandlung des \u201eZeitsinns\u201c l\u00e4fst sich ein originaler Standpunkt des Verf.\u2019s nicht erkennen; indes verdient seine in erheblichem Umfange zutreffende Beurtheilung der streitigen Fragen und die ebenso einsichtige wie vornehme Stellungnahme zu den Controversen zwischen Meumann, Schumann und M\u00fcnsterberg besondere Anerkennung; im Besonderen will ich nur darauf verweisen, dafs der Yerf. den Rhythmus nur unter \u00e4sthetischem Gesichtspunkte behandelt hat. Die Yertheidigung seiner Metaphysik der Zeit bezw. die eingehende Widerlegung factischer und m\u00f6glicher anderer Anschauungen hier wiederzugeben, mufs ich mir gleichfalls versagen.\nAls das Facit dieser Arbeit ist anzusehen: Die Zeit ist nichts Reales aufser dem Subject; sie ist auch nicht \u201eForm\u201c, dem menschlichen Geiste angeboren, sondern ein ebenso wie andere Abstracta erworbener Begriff. In der Erkenntnifs, dafs der Glaube an eine Zeit entstanden ist durch Unkenntnifs des Ausbildungsganges derselben, ist die Aufgabe (bezw. war es f\u00fcr den Terf.), \u201edie M\u00f6glichkeit einer Festlegung rein qualitativer Grund-thatsachen f\u00fcr den Zeitflufs nachzuweisen, woraus, wenn sie gelang, die fernere Aufgabe\u201c erw\u00e4chst, \u201eden Entstehungsgang zeitlicher Vorstellungen und deren letzter Ausgeburt, des Zeitglaubens im bewufsten Sinne, zu erforschen. Ich kann nicht umhin hervorzuheben, dafs, wie auch immer man den positiven Antheil der Arbeit an der L\u00f6sung des psychologischen und metaphysischen Zeitproblems einsch\u00e4tzen m\u00f6ge, dieser methodische bezw. heuristische Erfolg der theoretischen Er\u00f6rterungen des Verf.\u2019s angesichts der bisher herrschenden Methoden von hohem Werthe ist, \u2014 obgleich auch er die nothwendige Methode nicht v\u00f6llig erkannt und befolgt hat.\tPflaum (Steinhude).\nP. S Ollier. Le probl\u00e8me de la memoire. Essai de Psycho-m\u00e9canique. Paris, Alcan, 1900. 218 S.\nS Ollier gliedert den Stoff in einfacher Weise: Im ersten Capitel f\u00fchrt er die gegenw\u00e4rtigen Ansichten der Gelehrten \u00fcber den Mechanismus des Ged\u00e4chtnisses, vor, in Cap. 2, 3 und 4 giebt er eine Analyse des Ged\u00e4cht-nifsactes, und im o. Cap. entwickelt er seine Theorie vom Ged\u00e4chtnifs. Nachdem Sollier auf die Schwierigkeit des Problems hingewiesen, bei dem anatomische, physiologische, pathologische und psychologische Fragen sich aufdi\u00e4ngen, l\u00e4fst er in geschickter Gedankenf\u00fchrung die Ansichten der Gelehrten von Herbart an bis zur Gegenwart Revue passiren. Dabei kommt das Problem des Ged\u00e4chtnisses nach seinen verschiedensten Seiten zur Sprache, so werden z. B. die Fragen behandelt : Was bleibt bei dem Ged\u00e4chtnisse von dem erstmaligen Zustande zur\u00fcck? Wo ist der Sitz des Ged\u00e4chtnisses ? TV as lehrt uns dabei das Studium der Aphasie ? Giebt es partielle Ged\u00e4chtnisse? Was ist Reproduction und Wiedererkennen? Giebt es unbewufste Torstellungen? Kann die Blutcirkulation den Uebergang vom Unbewufsten zum Bewufsten erkl\u00e4ren? u. s. w. Er schliefst mit dem","page":309}],"identifier":"lit31745","issued":"1900","language":"de","pages":"305-309","startpages":"305","title":"Eugen Posch: Ausgangspunkte zu einer Theorie der Zeitvorstellung. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philosophie 23 (1), 49-74; (2), 185-204; (3), 285-322; (4), 385-416; 24 (1), 23-51; (2), 137-171. 1899/1900.","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:36:57.361942+00:00"}