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{"created":"2022-01-31T13:52:33.072825+00:00","id":"lit31746","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Fauth","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 309-311","fulltext":[{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turbericht.\n309\nzuweisen und welche wohl alle m\u00f6glichen Ansichten bereits angegriffen hat, einerseits wie der oft leicht erkennbare Anschlufs des Yerf. an fr\u00fchere Autoren, besonders Volkmann, Waitz, Herb art und Guyau, lassen weitere Er\u00f6rterungen hier \u00fcberfl\u00fcssig erscheinen. Auch in der ausf\u00fchrlichen Behandlung des \u201eZeitsinns\u201c l\u00e4fst sich ein originaler Standpunkt des Verf.\u2019s nicht erkennen; indes verdient seine in erheblichem Umfange zutreffende Beurtheilung der streitigen Fragen und die ebenso einsichtige wie vornehme Stellungnahme zu den Controversen zwischen Meumann, Schumann und M\u00fcnsterberg besondere Anerkennung; im Besonderen will ich nur darauf verweisen, dafs der Yerf. den Rhythmus nur unter \u00e4sthetischem Gesichtspunkte behandelt hat. Die Yertheidigung seiner Metaphysik der Zeit bezw. die eingehende Widerlegung factischer und m\u00f6glicher anderer Anschauungen hier wiederzugeben, mufs ich mir gleichfalls versagen.\nAls das Facit dieser Arbeit ist anzusehen: Die Zeit ist nichts Reales aufser dem Subject; sie ist auch nicht \u201eForm\u201c, dem menschlichen Geiste angeboren, sondern ein ebenso wie andere Abstracta erworbener Begriff. In der Erkenntnifs, dafs der Glaube an eine Zeit entstanden ist durch Unkenntnifs des Ausbildungsganges derselben, ist die Aufgabe (bezw. war es f\u00fcr den Terf.), \u201edie M\u00f6glichkeit einer Festlegung rein qualitativer Grund-thatsachen f\u00fcr den Zeitflufs nachzuweisen, woraus, wenn sie gelang, die fernere Aufgabe\u201c erw\u00e4chst, \u201eden Entstehungsgang zeitlicher Vorstellungen und deren letzter Ausgeburt, des Zeitglaubens im bewufsten Sinne, zu erforschen. Ich kann nicht umhin hervorzuheben, dafs, wie auch immer man den positiven Antheil der Arbeit an der L\u00f6sung des psychologischen und metaphysischen Zeitproblems einsch\u00e4tzen m\u00f6ge, dieser methodische bezw. heuristische Erfolg der theoretischen Er\u00f6rterungen des Verf.\u2019s angesichts der bisher herrschenden Methoden von hohem Werthe ist, \u2014 obgleich auch er die nothwendige Methode nicht v\u00f6llig erkannt und befolgt hat.\tPflaum (Steinhude).\nP. S Ollier. Le probl\u00e8me de la memoire. Essai de Psycho-m\u00e9canique. Paris, Alcan, 1900. 218 S.\nS Ollier gliedert den Stoff in einfacher Weise: Im ersten Capitel f\u00fchrt er die gegenw\u00e4rtigen Ansichten der Gelehrten \u00fcber den Mechanismus des Ged\u00e4chtnisses, vor, in Cap. 2, 3 und 4 giebt er eine Analyse des Ged\u00e4cht-nifsactes, und im o. Cap. entwickelt er seine Theorie vom Ged\u00e4chtnifs. Nachdem Sollier auf die Schwierigkeit des Problems hingewiesen, bei dem anatomische, physiologische, pathologische und psychologische Fragen sich aufdi\u00e4ngen, l\u00e4fst er in geschickter Gedankenf\u00fchrung die Ansichten der Gelehrten von Herbart an bis zur Gegenwart Revue passiren. Dabei kommt das Problem des Ged\u00e4chtnisses nach seinen verschiedensten Seiten zur Sprache, so werden z. B. die Fragen behandelt : Was bleibt bei dem Ged\u00e4chtnisse von dem erstmaligen Zustande zur\u00fcck? Wo ist der Sitz des Ged\u00e4chtnisses ? TV as lehrt uns dabei das Studium der Aphasie ? Giebt es partielle Ged\u00e4chtnisse? Was ist Reproduction und Wiedererkennen? Giebt es unbewufste Torstellungen? Kann die Blutcirkulation den Uebergang vom Unbewufsten zum Bewufsten erkl\u00e4ren? u. s. w. Er schliefst mit dem","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nLi teraturbericht.\nHinweis darauf, dafs die Psychologen heute einig sind in der Anerkennung davon, dafs das Ged\u00e4chtnifs zwei Seiten hat, eine organische, physiologische und eine psychologische.\nBei der Analyse des Ged\u00e4chtnifsaktes, die Sollieb nun vor-nimmt, unterscheidet er drei Stufen: die Aufbewahrung, die Reproduc tion und das Wiedererkennen. Das Aufbewahren zerlegt er in die Fixation und das eigentliche Aufbewahren, die Reproduction in die Hervorrufung des aufbewahrten Bildes und in dessen Reproduction, das Wiedererkennen in das eigentliche Wiedererkennen und in die Localisation in die Vergangenheit.\nDie Fixation eines Eindruckes im Gehirn h\u00e4ngt ab von anatomischen, physiologischen und psychologischen Bedingungen. Die betreffenden Gehirnzellen m\u00fcssen anatomisch und physiologisch unversehrt bleiben. Zu den psychologischen Bedingungen geh\u00f6ren z. B. die Intensit\u00e4t und die Zahl der ersten Eindr\u00fccke, sowie die Schnelligkeit, mit der sie auf einander folgen ; ihre Wiederholung beg\u00fcnstigt die Fixation. Wichtig ist dabei auch noch die Leichtigkeit oder Schwierigkeit, mit der sich die Empfindungen gebildet haben und die dabei angewandte Aufmerksamkeit.\nBei der wichtigen Frage nach der Aufbewahrung der Eindr\u00fccke geht Soleier nachdem er die analogen Vorg\u00e4nge in der Physik gestreift, an die Frage nach der Aufbewahrung der Bilder. Ein Reiz bringt Vibration in den Verven hervor, und im Gehirn wird dann eine materielle oder dynamische Ver\u00e4nderung erzeugt, die man nicht gerade geschickt ein Bild nennt. Es ist nun schwer, sich die Aufbewahrung dieser Bilder oder Vorstellungen im Gehirn vorzustellen. Manches spricht dagegen, eine Aufbewahrung in den sensoriellen Perceptionszellen des Gehirns anzunehmen. Leichter kann man sich die Aufbewahrung dynamischer Associationen vorstellen, und wenn die zahlreichen bekannten Associationswege nicht ausreichend zu sein scheinen, so ist doch f\u00fcr ungez\u00e4hlte Combinationen im Gehirn die M\u00f6glichkeit gegeben. Es mufs in dieser Art ein Centrum f\u00fcr Synthese geben. In diesem psychischen Centrum f\u00fcr die denkenden Processe w\u00fcrde dann nicht nur die Aufbewahrung, sondern auch die Wiederhervorrufung der Erinnerungen stattfinden, welche von materiellen und dynamischen Bedingungen abh\u00e4ngt.\nBei der Frage nach dem Wiedererkennen, welches auf die Reproduction folgt, macht er aufmerksam auf den Unterschied zwischen Erinnerung und Perception eines Bildes. Es handelt sich nicht nur um einen Gradunterschied, denn bei der Perception geht die Erregung von aufsen nach innen, bei der Erinnerung geht sie von innen nach aufsen. Auch zwischen Einbildung und Erinnerung mufs unterschieden werden. Sollieb nimmt an, dafs wir von den betreffenden Vorg\u00e4ngen darum etwas erfahren, weil das Gehirn eine eigenth\u00fcmliche Sensibilit\u00e4t hat, die ihm gestattet, Kenntnifs zu erhalten von den physiologischen Vorg\u00e4ngen, die sich in seinen verschiedenen Partien abspielen. Eindr\u00fccke, die absolut un-bewufst vor sich gehen, k\u00f6nnen nach Sollier\u2019s Meinung im Ged\u00e4chtnifs nicht haften, wohl aber bewufste oder unterbewufste. Die Vervollst\u00e4ndigung des Wiedererkennens geschieht durch die Localisation in die Vergangenheit, indem die Erinnerung zwischen zwei zeitlich an-","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"L i ter a turberich t.\n311\ngrenzende Erinnerungen eingereiht wird. Im 5. Cap. geht Sollier zur Theorie von dem Ged\u00e4chtnils \u00fcber. Er sucht da in den innern Mechanismus des Ged\u00e4chtnisses einzudringen. Nachdem er den Vorgang des Ged\u00e4chtnisses mit seinen Erscheinungen besprochen, sucht er den Sitz des Ged\u00e4chtnisses auf, wobei ihm die Beobachtung der hysterischen Amnesie, \u00fcber die er schon eingehende Studien ver\u00f6ffentlicht hat, dienlich ist. Das Resultat fafst er so zusammen: Le retour de la m\u00e9moire r\u00e9sulte du retour de l\u2019activit\u00e9 des centres pr\u00e9frontaux, c\u2019est-\u00e0-dire, que c\u2019est au niveau de ces centres que si\u00e8ge la m\u00e9moire, que se fait l\u2019\u00e9vocation des sauvenirs, que se fait la conservation de l\u2019\u00e9tat dynamique correspondant aux diverses impressions ayant, frapp\u00e9 les centres r\u00e9cepteurs et les centres d\u2019association qui les r\u00e9unissent.\nIm letzten Abschnitte behandelt Sollier den Mechanismus des Ged\u00e4chtnisses. Er geht dabei davon aus, dafs das Ged\u00e4chtnils zusammen' h\u00e4ngt mit einer besonderen Activit\u00e4t der Hirnlappen des Gehirns, und dafs es gen\u00fcgt, einen gewissen Grad dieser Activit\u00e4t wieder hervorzurufen, um die entsprechenden Vorstellungen wieder entstehen zu sehen. Indem ei diesen Procefs beschreibt, f\u00fchrt er aus, dafs er in seinem ganzen Verlauf ein physiologischer ist, dafs es nichts rein Psychisches dabei g\u00e4be. Das sogenannte Ich spiele nur die Rolle eines Zuschauers. Wenn er aber oei dei \\ eranschaulichung des Processes das Bild eines elektrischen Accumulators heranzieht, so verkennt er doch nicht, dafs es nur ein Bild ist, und dafs er nur Hypothesen giebt. Doch glaubt er die Richtung, welche die Untersuchung bei dem Problem des Ged\u00e4chtnisses einschlagen mufs, richtig gefunden zu haben, indem er darauf hinweist, dafs das Problem im letzten Grunde ein physisches und mechanisches sei.\nDie eigentliche Schwierigkeit bei der ganzen Frage nach dem Ged\u00e4chtnisse liegt eigentlich in der Frage, wie die psychischen Erscheinungen des Ged\u00e4chtnisses, die es thats\u00e4chlich doch giebt, aus den physiologischen oder physischen Vorg\u00e4ngen zu erkl\u00e4ren sind. Da liegt noch eine schwere Aufgabe. Aus diesem Grunde bedaure ich, dafs Sollier nirgends auf Ziehen\u2019s physiologische Psychologie zur\u00fcckgegangen ist.\tFauth (H\u00f6xter).\nJoseph Petzoldt. Einf\u00fchrung in die Philosophie der reinen Erfahrung. Erster Band: Die Bestimmtheit der Seele. Leipzig, B. G. Teubner, 1900. 365 S. Mk. 8.\nDer vorliegende erste Band zerf\u00e4llt in zwei Theile. Im ersten Theil \\ ersucht der Verf. eine neue Begr\u00fcndung des psychophysischen Parallelismus. Der zweite Theil bezweckt in erster Linie eine leicht verst\u00e4ndliche Darlegung des haupts\u00e4chlichen Inhaltes von Avenarius\u2019 Kritik der reinen Erfahrung, mit dieser Darstellung aber wird zugleich eine Pr\u00fcfung und A eiteroildung der AvEXARius\u2019schen Theorie verbunden.\nDei A erf. hat sich meines Erachtens ein grofses Verdienst dadurch erworben, dafs er den wesentlichen Inhalt von Avenarius\u2019 grofsartigem Weike f\u00fcr weitere Kreise verst\u00e4ndlich dargestellt hat. Wer aus eigener Erfahrung die Schwierigkeiten kennt, die dem Eindringen in die \u201eKritik, der reinen Erfahrungentgegenstehen, mufs dem Verf. f\u00fcr seine Arbeit","page":311}],"identifier":"lit31746","issued":"1900","language":"de","pages":"309-311","startpages":"309","title":"P. Sollier: Le probl\u00e8me de la m\u00e9moire. Essai de Psycho-m\u00e9canique. Paris, Alcan, 1900. 218 S","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:52:33.072834+00:00"}