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{"created":"2022-01-31T16:38:38.299831+00:00","id":"lit31747","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cornelius","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 311-313","fulltext":[{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"L i ter a turberich t.\n311\ngrenzende Erinnerungen eingereiht wird. Im 5. Cap. geht Sollier zur Theorie von dem Ged\u00e4chtnils \u00fcber. Er sucht da in den innern Mechanismus des Ged\u00e4chtnisses einzudringen. Nachdem er den Vorgang des Ged\u00e4chtnisses mit seinen Erscheinungen besprochen, sucht er den Sitz des Ged\u00e4chtnisses auf, wobei ihm die Beobachtung der hysterischen Amnesie, \u00fcber die er schon eingehende Studien ver\u00f6ffentlicht hat, dienlich ist. Das Resultat fafst er so zusammen: Le retour de la m\u00e9moire r\u00e9sulte du retour de l\u2019activit\u00e9 des centres pr\u00e9frontaux, c\u2019est-\u00e0-dire, que c\u2019est au niveau de ces centres que si\u00e8ge la m\u00e9moire, que se fait l\u2019\u00e9vocation des sauvenirs, que se fait la conservation de l\u2019\u00e9tat dynamique correspondant aux diverses impressions ayant, frapp\u00e9 les centres r\u00e9cepteurs et les centres d\u2019association qui les r\u00e9unissent.\nIm letzten Abschnitte behandelt Sollier den Mechanismus des Ged\u00e4chtnisses. Er geht dabei davon aus, dafs das Ged\u00e4chtnils zusammen' h\u00e4ngt mit einer besonderen Activit\u00e4t der Hirnlappen des Gehirns, und dafs es gen\u00fcgt, einen gewissen Grad dieser Activit\u00e4t wieder hervorzurufen, um die entsprechenden Vorstellungen wieder entstehen zu sehen. Indem ei diesen Procefs beschreibt, f\u00fchrt er aus, dafs er in seinem ganzen Verlauf ein physiologischer ist, dafs es nichts rein Psychisches dabei g\u00e4be. Das sogenannte Ich spiele nur die Rolle eines Zuschauers. Wenn er aber oei dei \\ eranschaulichung des Processes das Bild eines elektrischen Accumulators heranzieht, so verkennt er doch nicht, dafs es nur ein Bild ist, und dafs er nur Hypothesen giebt. Doch glaubt er die Richtung, welche die Untersuchung bei dem Problem des Ged\u00e4chtnisses einschlagen mufs, richtig gefunden zu haben, indem er darauf hinweist, dafs das Problem im letzten Grunde ein physisches und mechanisches sei.\nDie eigentliche Schwierigkeit bei der ganzen Frage nach dem Ged\u00e4chtnisse liegt eigentlich in der Frage, wie die psychischen Erscheinungen des Ged\u00e4chtnisses, die es thats\u00e4chlich doch giebt, aus den physiologischen oder physischen Vorg\u00e4ngen zu erkl\u00e4ren sind. Da liegt noch eine schwere Aufgabe. Aus diesem Grunde bedaure ich, dafs Sollier nirgends auf Ziehen\u2019s physiologische Psychologie zur\u00fcckgegangen ist.\tFauth (H\u00f6xter).\nJoseph Petzoldt. Einf\u00fchrung in die Philosophie der reinen Erfahrung. Erster Band: Die Bestimmtheit der Seele. Leipzig, B. G. Teubner, 1900. 365 S. Mk. 8.\nDer vorliegende erste Band zerf\u00e4llt in zwei Theile. Im ersten Theil \\ ersucht der Verf. eine neue Begr\u00fcndung des psychophysischen Parallelismus. Der zweite Theil bezweckt in erster Linie eine leicht verst\u00e4ndliche Darlegung des haupts\u00e4chlichen Inhaltes von Avenarius\u2019 Kritik der reinen Erfahrung, mit dieser Darstellung aber wird zugleich eine Pr\u00fcfung und A eiteroildung der AvEXARius\u2019schen Theorie verbunden.\nDei A erf. hat sich meines Erachtens ein grofses Verdienst dadurch erworben, dafs er den wesentlichen Inhalt von Avenarius\u2019 grofsartigem Weike f\u00fcr weitere Kreise verst\u00e4ndlich dargestellt hat. Wer aus eigener Erfahrung die Schwierigkeiten kennt, die dem Eindringen in die \u201eKritik, der reinen Erfahrungentgegenstehen, mufs dem Verf. f\u00fcr seine Arbeit","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nLiteraturbericht.\naufrichtig dankbar sein \u2014 gleichviel, ob er diesem in seiner ausschliefs-lichen Bewerthung der biologischen Grundlegung des Empiriokritizismus zu folgen vermag, oder ob er \u2014 wie Referent \u2014 auch in Avenarius\u2019 Theorie nur eines der Systeme sieht, die keine letzte Befriedigung gew\u00e4hren k\u00f6nnen, weil sie auf dogmatischer Grundlage ruhen.\nAuch der von P. gegebenen Kritik und Weiterbildung der Avenarius\u2019-schen Theorien wird man in vielen wesentlichen Punkten zustimmen m\u00fcssen. Beherzigenswerth erscheint vor Allem die Kritik, die P. an den \u201etodten Werthen\u201c, dem Gegens\u00e4tze \u201ematerialer\u201c und \u201eformaler\u201c Abhebung und der Theorie der \u201eGrade der Bewufstheit\u201c \u00fcbt, an deren Stelle die Grade der \u201eSch\u00e4rfe der Charakterisirung\u201c gesetzt werden; ebenso seine Eortbildung der Theorie der begrifflichen Charakterisirung, soweit sie sich auf die psychischen Thatbest\u00e4nde bezieht. Was P. an diesen Stellen und anderw\u00e4rts zur Erg\u00e4nzung der Avenarius\u2019sehen Psychologie vorbringt, ist freilich zum gr\u00f6fsten Theil nicht neu ; \u2014 eine Thatsaehe, die dem Verf. wohl nicht verborgen geblieben w\u00e4re, wenn er nicht die psychologische Literatur mit auffallender Beharrlichkeit ignorirte. Hinsichtlich der \u201elogischen\u201c, \u201eethischen\u201c und \u201e\u00e4sthetischen Charakteristik\u201c vermag dagegen Ref. dem Verf. nicht zu folgen.\nEiner Reihe tiefer liegender M\u00e4ngel der AvENARius\u2019schen Theorie hat die Kritik des Verf. leider nicht abzuhelfen vermocht. So vor Allem der Unklarheit, die hinsichtlich der Abstractionstheorie besteht, wenn die begriffliche Charakteristik auf die Charaktere gegr\u00fcndet wird, die ihrerseits Abstraction schon ihrer Definition nach voraussetzen. Die vom Verf. (S. 338) gegebene Definition der Abstraction ist nicht geeignet diesen Cirkel zu beseitigen: auch sie setzt jene abstracte Scheidung von Inhalten und Charakteren bereits voraus. Unklar bleibt ebenso die Bedeutung der Redeweise, die in Avenarius\u2019 Theorie eine \u00e4ufserst wichtige Rolle spielt: dafs n\u00e4mlich \u201eetwas\u201c uns anders scheint, als wir \u201ees\u201c gewohnt sind; wo doch mit den beiden hervorgehobenen Worten nicht dasselbe Er leb nils gemeint sein kann. Mit dieser Vernachl\u00e4ssigung des Problems der Symbolik und der Identit\u00e4t, das durch den Hinweis auf die \u201eTautote\u201c in keiner Weise gel\u00f6st, nicht einmal ber\u00fchrt wird, h\u00e4ngt die ungen\u00fcgende Analyse der logischen Charakteristik (speciell der Thatbest\u00e4nde der \u201eWahrheit\u201c und des \u201eWiderspruchs\u201c) bei Avenarius aufs Engste zusammen, deren Verbesserung auch P. nicht gelungen ist. Diesem Ziel h\u00e4tte er, wie mir scheint, n\u00e4her kommen k\u00f6nnen, wenn er den S. 147 angedeuteten Zusammenhang von Charakterisirung und Urtheil weiter verfolgt h\u00e4tte.\nWeit weniger kann Ref. sich mit dem ersten Theil des Buches befreunden : die hier versuchte Neubegr\u00fcndung des psychophysischen Parallelismus erscheint ihm vielmehr in jeder Hinsicht verfehlt. P. meint, die Forderung der eindeutigen Bestimmtheit jeder Erscheinung f\u00fchre mit Nothwendigkeit zur Annahme der physischen Bedingtheit alles Psychischen, weil das Psychische nicht durch Psychisches eindeutig bestimmt gedacht werden k\u00f6nne. Das Studium der psychologischen Literatur h\u00e4tte den Verf. davon zur\u00fcckhalten m\u00fcssen, sich f\u00fcr diese seine These der Unm\u00f6glichkeit eindeutiger Bestimmung von Psychischen durch Psychisches auf so ungen\u00fcgende Beispiele zu berufen, wie er es S. 58 bis","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n313\nS. 65 thut; dasselbe Studium h\u00e4tte ihn zugleich dar\u00fcber belehren k\u00f6nnen, dafs gerade das, was er f\u00fcr unm\u00f6glich erkl\u00e4rt, n\u00e4mlich eben jene eindeutige Bestimmung des Psychischen durch Psychisches, sowohl durch Lipps\u2019 Theorie des unbewufst Psychischen als durch des Ref. Theorie der unbemerkten Theilinhalte geleistet wird, (welcher letzteren P. \u00fcbrigens an mehreren Stellen seiner sp\u00e4teren Entwickelungen recht nahe kommt). Schon die eindeutige Bestimmung einer Relation durch ihre Fundamente mufste ihn von der Unhaltbarkeit seiner allgemeinen Position \u00fcberzeugen \u2014 von den zahllosen anderen F\u00e4llen zu schweigen, in welcher die eindeutige Bestimmung des Psychischen durch Psychisches genau innerhalb derselben Grenzen m\u00f6glich ist, innerhalb deren die eindeutige Bestimmung des Physischen durch Physisches gelingt. (Auch f\u00fcr die letztere haben wir stets mit der Thatsache zu rechnen, dafs uns die Gesammt-heit der Bedingungen f\u00fcr den Zustand eines gegebenen Systems niemals bekannt ist: nur soweit sie uns bekannt ist, kann die Bestimmung gelingen; genau dasselbe aber gilt im psychischen Gebiet. Auch die Thatsache, dafs unter den psychischen Bedingungen eines psychischen Zustandes solche auftreten, die nicht ihrerseits auf psychische Bedingungen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, hat auf dem physikalischen Gebiet ihr vollkommenes Analogon in den physikalischen Constanten der Elemente).\nDurch jene These, f\u00fcr welche thats\u00e4chlich nicht die Spur eines Beweises erbracht wird, verh\u00fcllt der Verf. sich selbst und dem Leser die Achillesferse seiner Theorie. Sobald die Unterscheidung der B- und der -E-Werthe, die strenge genommen nur als Unterscheidung unserer E-Werthe und der U-Werthe anderer Individuen ausgelegt werden darf, mit derjenigen von Physisch und Psychisch identificirt wird, mufs die Frage nach dem Sinn und der Berechtigung solcher Unterscheidung gestellt werden. Diese Frage wird als gel\u00f6st vorausgesetzt, wenn das Dogma jener These angenommen wird. Thats\u00e4chlich hat sie jedoch weder Avenari\u00fcs noch der Verf. beantwortet. Solange sie aber nicht beantwortet ist, solange m. a. W. nicht gezeigt ist, woher wir von \u201eUmgebungsbestand-theilenL\u2018 im Gegensatz zu unseren psychischen Erlebnissen etwas wissen und auf Grund welcher Thatsachen wir dazu kommen, \u00fcber eine solche von unseren E-Werthen unabh\u00e4ngige Welt der \u201eUmgebungsbestandtheile\u201c etwas zu behaupten, bleibt die auf jene biologische Theorie gegr\u00fcndete Erkenntnifstheorie dogmatisch. Der Grundgedanke der Kritik der reinen Erfahrung giebt uns ohne Zweifel den Schl\u00fcssel zum Yerst\u00e4ndnifs einer grofsen Reihe von Thatsachen ; aber ebenso gewifs ist, dafs er uns nicht zu einer Antwort auf die letzten Fragen verhelfen kann.\nUebrigens d\u00fcrfte P. mit seiner Betonung des psychophysischen Parallelismus als Voraussetzung der empiriokritischen Theorie kaum die Zustimmung Avenari\u00fcs\u2019 gefunden haben. Denn die empiriokritische Voraussetzung soll (Kr. d. E. Bd. I, S. 21) nichts in sich schliefsen, wozu System und Theorie ihr Material erst machen ; vor Allem soll also mit ihr auch kein Begriff materiellen Seins gesetzt sein. Wie aber die psychophysische Theorie P.\u2019s und insbesondere sein Argument f\u00fcr diese Theorie ohne den Begriff des materiellen Seins zu verstehen sein soll, wird der Verf. zu zeigen kaum in der Lage sein.\tCornelius (M\u00fcnchen).\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\t21","page":313}],"identifier":"lit31747","issued":"1900","language":"de","pages":"311-313","startpages":"311","title":"Joseph Petzoldt: Einf\u00fchrung in die Philosophie der reinen Erfahrung. Erster Band: Die Bestimmtheit der Seele. Leipzig, B. G. Teubner, 1900. 365 S","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:38:38.299836+00:00"}