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{"created":"2022-01-31T16:37:10.918150+00:00","id":"lit31756","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 318-320","fulltext":[{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nLiteraturbericht.\nGiuseppe Peli. Sul centro cortico-cerebrale della sensibilit\u00e9 igrica. Rivista sperim. cli freniatria *26, 116\u2014119.\t1900.\nbei einem an progressiver Paralyse mit langsamem, vorwiegend depressiven Verlaufe Gestorbenen fanden sich neben den gew\u00f6hnlichen Hii nvei \u00e4nderungen besonders deutliche im Gyrus hippocampi, in dem das Centrum der Empfindung f\u00fcr Feuchtigkeit sich befindet. (? Ref.). Auf diese ^ er\u00e4nderung f\u00fchrt der T erf. die Sensation des Kranken zur\u00fcck, in Urin gebadet zu sein, die lange bei demselben bestanden hatte-\nAschaffenburg (Heidelberg).\nPiero Gonzales. Contributo alio studio della pazzia indotta. Rivista sperim. di freniatr. *26, 57\u201469. 1900.\nSchwer belastete Familie. Ein 30 j\u00e4hriges M\u00e4dchen, immer \u00fcbertrieben fromm, erkrankt zuerst unter Vorstellungen, von b\u00f6sen Geistern verfolgt zu werden, Sinnest\u00e4uschungen und Angst, Diese Ideen werden von der schon l\u00e4nger vorher psychisch abnormen, hysterischen (?? Ref.) zwei Jahre j\u00fcngeren Schwester nach kurzem Widerstreben auf gegriffen und endlich unterliegt auch die 53 j\u00e4hrige Mutter der Ansteckung. Alle drei schliefsen sich monatelang ein, nur die Mutter verl\u00e4fst t\u00e4glich das Haus, um Brot und Weihwasser zu kaufen, die ersterkrankte Schwester zuweilen, um die Kirche zu besuchen, die andere Schwester verl\u00e4fst nicht einmal das Zimmer. Mii dem Weihwasser wurden die W\u00e4nde des Zimmers gegen die b\u00f6sen Feinde besprengt, ebenso wurde Weihwasser den Speisen beigemischt. Kach mehrmonatiger Dauer dieses Zustandes Ueberf\u00fchrung in die Irrenanstalt, wo die Mutter bald genas, die \u00e4ltere Schwester die Verfolgungsideen \\ erlor und gebessert entlassen werden konnte, die j\u00fcngere in nega-tivistischem Stupor versunken, an Lungentuberkulose starb.\nDer Fall geh\u00f6rt zu der Gruppe des mitgetheilten Irreseins, bei dem die v eniger TVwiderstandsf\u00e4higen die krankhaften Vorstellungen einer anderen Person zu den ihrigen machen.\tAschaffenburg (Heidelberg.\nAugust L\u00f6wenstimm. Aberglaube und Strafrecht. Ein Beitrag zur Erforschung des Einflusses der Volksanschauungen auf die Ver\u00fcbung von Verbrechen.\nMit einem Vorwort von Dr. J. Kohler. Berlin 1897. 232 S.\nDerselbe. Der Fanatismus als Quelle der Verbrechen. Berlin, Joh. R\u00e4de, 1899. 38 S.\nDer Verf. ist Hofrath im Justizministerium in St. Petersburg, und als solcher hatte er Gelegenheit, eine Blumenlese von Strafthaten zu veranstalten und actenm\u00e4fsig zu belegen, welche dem Aberglauben des Volkes ihie Entstehung verdanken. Wenn es sich dabei durchweg um russische Verh\u00e4ltnisse handelt, und die d\u00fcsteren Schilderungen aus den unendlichen Weiten des russischen Reiches stammen, so haben wir doch kaum Veranlassung, uns f\u00fcr dar\u00fcber erhaben zu halten, oder uns gar zu freuen, dafs wir nicht sind wie diese. Es giebt wohl Menschen ohne Glauben, ohne Aberglauben aber wird man sie vergeblich suchen, und erst ganz vor Kurzem ist durch gerichtliche Verhandlungen sowmhl f\u00fcr den Norden wie f\u00fcr den S\u00fcden unseres Vaterlandes, ja sogar f\u00fcr die Metropole der In-","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturb er ich t.\n319\ntelligenz der Beweis erbracht worden, dafs es auch bei uns nicht viel anders ist, als in Rufsland. Die Zauberer und Hexen werden zwar nicht mehr mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung verbrannt, wohl aber zuweilen - noc]l todtgeschlagen. Auch bei uns wird man beim niederen Volke \u00fcberall auf Aberglauben stofsen, und dies nirgends mehr als bei den Verbrechern, wo er h\u00e4ufig die einzige Erkl\u00e4rungsweise f\u00fcr die besondere Art des begangenen Verbrechens abgiebt.\nDie Kenntnifs dieser Zust\u00e4nde ist daher f\u00fcr den Richter von unbedingtem Werthe, bietet aber auch f\u00fcr das Verst\u00e4ndnifs der Volksseele und f\u00fcr die Psychologie der Masse so viel des Interessanten und Wissenswerthen, dafs ein Buch wie das vorliegende wohl Beachtung verdient,\nDer Veif. behandelt und belegt mit Beispielen das Menschenopfer, Zauberei und Behexung, Vampire und Talismane, falschen Eid und Besessenheit, die Unruhen zu Zeiten der Epidemien u. a. m., wobei er als Jurist selbstverst\u00e4ndlich einen besonderen Werth auf die strafrechtliche Beurtheilung der That legt, was f\u00fcr uns weniger in Betracht kommt.\n\\ om Aberglauben lenkt sich seine Aufmerksamkeit unwillk\u00fcrlich auf den Fanatismus, da beide Verirrungen nahe bei einander liegen.\nWenn er auch hier seine Beispiele vorzugsweise aus den russischen ^ erh\u00e4ltnissen und hier wieder besonders den mannigfachen religi\u00f6sen Sekten entnimmt, so liegen uns die Dinge hier wirklich viel n\u00e4her, und ich brauche nur auf die j\u00fcngsten Vorkommnisse in K\u00f6nitz und auf das viele, allzuviele Andere gleicher Art hinzuweisen, um einer Begr\u00fcndung dieser Behauptung enthoben zu sein.\nEs giebt nichts Gef\u00e4hrlicheres, als ein grofser Gedanke in einem kleinen Kopfe, f\u00fcr andere Erw\u00e4gungen bleibt kein Raum, Alles geht in dem einen Gedanken, dem Streben nach dem einen Ziele auf, und wehe dem der diesem Drange in den Weg tritt.\nDer Religion wird man wohl oder \u00fcbel das Zugest\u00e4ndnifs machen m\u00fcssen, dafs sie. ein grofser Gedanke sei, der nebenbei das Ungl\u00fcck hat, sich mit Vorliebe in kleinen K\u00f6pfen festzusetzen, und daher das Ueber-wuchern des Fanatismus auf diesem Gebiete, die religi\u00f6se Unduldsamkeit und Verfolgung.\nEs w\u00e4re ein interessantes Unternehmen, der Geschichte des religi\u00f6sen Fanatismus nachzugehen und sein Verhalten bei den verschiedenen Nationen zu untersuchen, man w\u00fcrde merkw\u00fcrdige Unterschiede finden.\nItalien war nie ein Boden f\u00fcr religi\u00f6sen Fanatismus. Die von Spanien eingef\u00fchrte Inquisition hat vergeblich versucht, \u00e4hnliche Empfindungen in das Volk zu tragen. Auch heute sind die Ideen mehr politischer und socialer Natur, die in Italien zu fanatischen Handlungen treiben, wie sich denn der Fanatismus keineswegs auf das religi\u00f6se Gebiet beschr\u00e4nkt, Es giebt ebenso gut Fanatiker der Naturheilkunde wie des Anarchismus, und die Unmasse von Thorheit, die auf diesen Gebieten verbraucht wird, ist \u00fcberall so ziemlich dieselbe.\nGewifs wird den gew\u00f6hnlichen Menschen ein Gef\u00fchl des Schauderns \u00fcberlaufen, wenn er von der Verst\u00fcmmelung der Skopzen oder gar von dem Selbstbegraben der Wanderer liest. Aber auch hier haben wir keine \\ eianlassung zu pharis\u00e4ischem Stolze, denn ob die Ueberzeugung von einem","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nLiteraturbericht.\nrituellen Morde der Juden bei uns nur im Gehirne der Ungebildeten fortlebt, und wie Viele aus dem Kreise der sogenannten Gebildeten nicht bereit sind, in denselben religi\u00f6sen Fanatismus einzustimmen, das ist eine wohlaufzuwerfende Frage. Ich f\u00fcrchte, eine Statistik w\u00fcrde hier recht ung\u00fcnstige Ergebnisse zu Tage f\u00f6rdern.\tPelman.\nWilliam w. Ireland. On the Causes of the Increase of Suicide. The Journal of Mental Science 15 (190), 451\u2014466. Juli 1899.\nNach einer Betrachtung der \u00e4ufseren Umst\u00e4nde der Mehrzahl der begangenen Selbstmorde, giebt der Verf., unter Berufung auf freilich etwas d\u00fcrftiges, wissenschaftlich-statistisches Material, einen Einblick in den analogen Verlauf der Verbreitung von Krankheiten, insbesondere Geisteskrankheit, Nierenkrankheit, Geh\u00f6rsschw\u00e4che etc., und der Vermehrung der Zahl der Selbstmorde. Mondsucht und Selbstmord wachsen in umgekehrter Proportion. Der Verf. constatirt im Allgemeinen, d. h. nicht ausnahmslos, das absolute und zum Wachsthum der Bev\u00f6lkerung relative Zunehmen der Zahl der Selbstmorde. Die Ursache des Selbstmordes wie dieser Erscheinung verlegt er durchaus in die individuelle Psyche und deren eigenartige Entwickelung. Starke Spannung des Nervensystems, erh\u00f6hte Empfindlichkeit bezw. geminderte Widerstandsf\u00e4higkeit sind die allgemeinen Bedingungen dieser widernat\u00fcrlichen Handlung; geistige Verwirrung [abgesehen von chronischer Geisteskrankheit und religi\u00f6s gebotenem Fanatismus] einerseits, die durch Dialektik erworbene Ueberzeugung und der Glaube an das Erl\u00f6stwerden vom Leiden durch den Tod und das Nichts oder das bessere Leben nach dem Tode andererseits, sind die besonderen seelischen Bedingungen des Selbstmordes. Dessen gesteigerte H\u00e4ufigkeit beruht auf der durch unsere Kultur gebotenen extensiven und intensiven Steigerung der genannten Bedingungen.\tPflaum (Steinhude).","page":320}],"identifier":"lit31756","issued":"1900","language":"de","pages":"318-320","startpages":"318","title":"August L\u00f6wenstimm: Aberglaube und Strafrecht. Ein Beitrag zur Erforschung des Einflusses der Volksanschauungen auf die Ver\u00fcbung von Verbrechen. Mit einem Vorwort von Dr. J. 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