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{"created":"2022-01-31T16:28:40.383559+00:00","id":"lit31776","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meyer, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 368-370","fulltext":[{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nLiteraturbericht.\nEine weitere Verbesserung der Grenzpfeife besteht darin, dafs sich neuerdings auch die Maulweite durch eine Mikrometervorrichtung messen l\u00e4fst. Mit den so vervollkommneten Pfeifen kann man T\u00f6ne bis 170000 ganzen Schwingungen hervorbringen und feststellen, dafs die obere H\u00f6rgrenze mancher Personen bei 50000 und mehr Schwingungen liegt. Die T\u00f6ne der neuen Grenzpfeife sind sehr stark, was die Perception beg\u00fcnstigt. Wo man fr\u00fcher die obere Tongrenze niedriger fand, lag es wahrscheinlich am Versagen der Pfeife und nicht am Ohre. Den in den Handel kommenden Grenzpfeifen wird von jetzt ab stets eine nach dem Staubfigurenverfahren gewonnene Aichungstabelle beigef\u00fcgt.\nSchwendt theilt mit, dafs bei Anwendung der neuen Grenzpfeife die obere H\u00f6rgrenze durchschnittlich ungef\u00e4hr eine Octave h\u00f6her liegt als bei Benutzung KoENio\u2019scher Klangst\u00e4be und Stimmgabeln. Jugendliche Individuen h\u00f6ren n\u00e4mlich noch die Pfeifent\u00f6ne es bis fiss.\nSchaefer (Gr.-Lichterfelde).\nP. Ostmann. Zur Function des Musculus stapedius beim H\u00f6ren. Arch. f. Anat. u. Physiol. (5 u. 6), 546\u2014559. 1899.\nFindet w\u00e4hrend einer Tonwahrnehmung eine minimale Ausw\u00e4rtsw\u00f6lbung, also Entspannung, des Trommelfells statt, so wird, wie die Berechnungen von Helmholtz es fordern und Versuche von Politzer, Lucae und Verf. gezeigt haben, die Tonwahrnehmung verst\u00e4rkt. Die mechanische Wirkung des Stapedius auf das Trommelfell besteht nun gerade in einem solchen geringf\u00fcgigen Nachlassen der Spannung des letzteren. Da aufser-dem w\u00e4hrend einer Stapediuscontraction der Labyrinthdruck sinkt und (nach den Beobachtungen von Sherrington und Hering) der Gegenzug des sehr viel kr\u00e4ftigeren antagonistischen Tensor tympani v\u00f6llig ausf\u00e4llt, so ist der Musculus stapedius besonders geeignet, dann in Th\u00e4tigkeit zu treten, wenn es sich, wie beim Lauschen, um eine Steigerung der H\u00f6rsch\u00e4rfe handelt. Beim Lauschen finden mannigfache Contractionen solcher Muskelgruppen statt, die vom Facialis innervirt werden ; es w\u00e4re unnat\u00fcrlich anzunehmen, dafs gerade der Stapedius nicht dabei betheiligt sein sollte. Allerdings darf man nicht an einen Tetanus dieses Muskels denken. Es kann sich vielmehr immer nur um einzelne Zuckungen handeln, die in Momenten besonders intensiver, reflectorischer Anspannung der Aufmerksamkeit eintreten. Verf. konnte die reflectorische Stapediuszuckung beim Aufhorchen durch Trommelfellbeobachtung an einem Hunde deutlich feststellen.\tSchaefer (Gr.-Lichterfelde).\n1.\tE. ter Kuile. Die Uebertragung der Energie von der Grundmembran auf\ndie Haarzellen. Pfl\u00fcger\u2019s Archiv f\u00fcr die ges. Physiologie '79, 146 \u2014157. 1900.\n2.\tE. ter Kuile. Die richtige Bewegungsform der Membrana basilaris. Daselbst 79, 484\u2014509. 1900.\n3.\tMax Meyer. E. ter Kuile\u2019s Theorie des H\u00f6rens. Daselbst 81, 61\u201475. 1900.\nE. ter Kuile zeigt in der ersten Abhandlung, dafs keine klare Vorstellung besteht \u00fcber die mechanische Function der Haarzellen in der","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n369\nCochlea. Die Anschauung, zu der ter Kuile gelangt, ist die folgende, die wohl auch der Wirklichkeit entsprechen oder wenigstens ihr sehr nahe kommen d\u00fcrfte. Der innere Pfeiler eines CoETi\u2019schen Bogens kann durch die Grundmembran kaum direct in Bewegung versetzt werden. Dagegen mufs der \u00e4ufsere Pfeiler die Bewegung der Grundmembran nothwendiger-weise mitmachen. Unter diesen Umst\u00e4nden findet eine Drehbewegung des CoRTi\u2019schen Bogens statt um die Basis des inneren Pfeilers als Drehpunkt. Damit verkn\u00fcpft ist eine Hinundherbewegung des Pfeilerkopfes und eine Zerrung der Haare, deren Spitzen ter Kuile in der Membrana tectoria befestigt denkt. Er macht darauf aufmerksam, dafs ein Vorzug dieser Theorie darin besteht, dafs den Pfeilern keine specifische Function zugeschrieben wird, die bei den V\u00f6geln und Amphibien, die keine Pfeiler haben, ausfallen m\u00fcfste. Die Leistung der \u00e4ufseren Pfeiler wird nach ter Kuile bei denjenigen Wirbelthieren, die keine CoRTi\u2019sche B\u00f6gen besitzen, von den St\u00fctzzellen \u00fcbernommen, die, mit den Haarzellen regel-\nmafsig abwechselnd, die Grundmembran mit dem Niveau der Haarzellenendpl\u00e4ttchen verbinden.\nIn der zweiten Abhandlung zieht ter Kuile zun\u00e4chst die beiden M\u00f6glichkeiten in Betracht, dafs der \u00e4ufsere Pfeiler einfach auf der Grundmembran ruht, oder dafs er eine Zugwirkung auf sie aus\u00fcbt. Er neigt der letzteren Ansicht zu. Sodann betont er, dafs es sich bei der Function des Geh\u00f6rorgans um Massenbewegung der Lymphfl\u00fcssigkeit handelt, nicht um molekulare Schwingungen, d. h. Verdichtungen und Verd\u00fcnnungen, der Fl\u00fcssigkeit. (Die Voraussetzung von Massenschwingungen liegt auch meiner Theorie des H\u00f6rens zu Grunde. M. M.) Nat\u00fcrlich finden auch geringe Verdichtungen und Verd\u00fcnnungen (Molekularschwingungen) in der Fl\u00fcssigkeit statt. Aber diese pflanzen sich relativ so ungeheuer schnell in der kleinen H\u00f6hlung fort, dafs man die Dichtigkeit der Fl\u00fcssigkeit theoretisch als zur gleichen Zeit gleich grofs an allen Orten annehmen mufs. Der complicate Aufbau des Geh\u00f6rorgans w\u00e4re ganz zwecklos, wenn diese Dichtigkeits\u00e4nderungen von functioneller Bedeutung w\u00e4ren. Es w\u00fcrde ja jeder Theil des Organs zu jeder Zeit genau denselben Reiz erfahren wie jeder andere. Eine Zerlegung des Reizes w\u00e4re ausgeschlossen. Functioned kommen nur Massenbewegungen in Frage. So selbstverst\u00e4ndlich dies auch sein sollte, es ist n\u00fctzlich, dafs ter Kuile es betont, da man die gegenteilige Behauptung leider immer wieder gedankenloserweise ausgesprochen findet.\nSchliefslich entwickelt ter Kuile das Princip einer neuen H\u00f6rtheorie. Dies stimmt insofern mit dem von mir bereits vor zwei Jahren ausgesprochenen \u00fcberein, als er annimmt, dafs beim Beginn einer Bewegung des Steigb\u00fcgels die Grundmembran am Anf\u00e4nge, in der N\u00e4he des runden Fensters, sich ausbuchten mufs. In der Durchf\u00fchrung dieses Princips weicht er nun freilich erheblich von mir ab, doch nicht zum Vortheil seiner Theorie. Nach meiner Theorie mufs die Ausbuchtung sich \u00fcber einen Weiteren Bezirk ausbreiten, weil der Anfangstheil (wie jeder Theil) der Membran sich nicht so tief auszubuchten vermag, dafs die ganze durch den Steigb\u00fcgel verdr\u00e4ngte Fl\u00fcssigkeitsmenge in der Ausbuchtung am An-Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.\t25","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nLi ter a turberich t.\nfange Platz finden k\u00f6nnte. E. ter Kuile dagegen nimmt an, dafs keine Begrenzung der Tiefe der Ausbuchtung besteht, dafs die Ausbuchtung vielmehr: in Folge der Elasticit\u00e4t der die Grundmembran spannenden Gewebe sich nach der Spitze der Schnecke zu mit einer gewissen Geschwindigkeit fortpflanze. Tonh\u00f6he und Tonintensit\u00e4t h\u00e4ngen nach ter Kuile von folgenden Bedingungen ab. Die empfundene Tonh\u00f6he ist ganz unabh\u00e4ngig von der Frequenz (!), mit der die sensiblen Nervenzellen ersch\u00fcttert werden Nach ihm ist die Tonh\u00f6he, die man empfindet, abh\u00e4ngig von der L\u00e4nge, der Membranstrecke, \u00fcber die sich die Ausbuchtung fortzupflanzen vermag. Es besteht eine eigenth\u00fcmliche specifische Energie derart, dafs die letzte (distalste) gereizte Zelle f\u00fcr die empfundene Tonh\u00f6he maafsgebend ist. Dagegen entspricht die Tonintensit\u00e4t der mittleren St\u00e4rke des Reizes, der auf alle zwischen Anfang und der distalsten gereizten Zelle dazwischen gelegenen Zellen ausge\u00fcbt wird. Wie diese Bedingungen der Tonh\u00f6he und Tonintensit\u00e4t beim gleichzeitigen H\u00f6ren mehrerer T\u00f6ne zur Wirksamkeit kommen (das eigentliche Problem einer Theorie des H\u00f6rens!), dar\u00fcber macht ter Kuile einige Andeutungen, die aber nicht ganz klar sind.\nIn der dritten (meiner eigenen) Abhandlung f\u00fchre ich aus, was ter Kuile unterlassen hat. Ich wende n\u00e4mlich seine (und meine eigene) Theorie des H\u00f6rens auf einen ganz einfachen speciellen Fall an, den Zusammenklang von zwei T\u00f6nen im Quintenintervall, und zeige, dafs seine Theorie unhaltbar ist, w\u00e4hrend meine eigene mit den Thatsachen \u00fcbereinstimmt. Nach seiner Theorie m\u00fcfste man n\u00e4mlich, wenn die Prim\u00e4rt\u00f6ne 200 und 300 gleichzeitig erklingen, weder 200 noch 300 h\u00f6ren, sondern die drei T\u00f6ne 100, 338 und 391. Wenn man auf dem Clavier g und cV gleichzeitig anschl\u00e4gt, so m\u00fcfste man nach seiner Theorie weder g noch cV h\u00f6ren, sondern G, f\u2018 und g\u2018. Was dann aus der Musik werden w\u00fcrde, k\u00f6nnte man sich leicht ausmalen, wenn die Vorstellung davon nicht zu schrecklich w\u00e4re.\nAufserdem zeige ich noch weitere Widerspr\u00fcche von ter Kuile\u2019s. Theorie mit der Erfahrung und berichtige einige falsche Annahmen. Am wichtigsten ist ter Kuile\u2019s Behauptung, dafs der Steigb\u00fcgel bei dem tieferen von zwei gleich starken T\u00f6nen, deren Schwingungszahlen sich verhalten wie 1 : 8, eine achtmal gr\u00f6fsere Amplitude beschreibe als bei dem h\u00f6heren. Ich zeige, dafs diese Behauptung falsch ist. Die Amplitude der Lufttheilchen ist in solchem Falle bei dem einen Ton allerdings achtmal so grofs als bei dem anderen, aber die Druckunterschiede in der Luft sind bei beiden gleich grofs. Da nun die Amplitude des Steigb\u00fcgels proportional ist den Druckunterschiedep in der Luft (nicht der Amplitude der Lufttheilchen), so folgt, dafs bei gleich starken T\u00f6nen, wie immer die Tonh\u00f6he sein mag, die Amplituden des Steigb\u00fcgels gleich grofs sind. \u201eDie dem tiefen Ton als solchem inh\u00e4rente grofse Amplitude\u201c, von der ter Kuile auf Seite 504 und an anderen Stellen spricht, besteht daher nur in der Einbildung.\nMax Meyer (Columbia, Missouri).","page":370}],"identifier":"lit31776","issued":"1900","language":"de","pages":"368-370","startpages":"368","title":"E. Ter Kuile: Die Uebertragung der Energie von der Grundmembran auf die Haarzellen. Pfl\u00fcger's Archiv f\u00fcr die ges. Physiologie 79, 146-157. 1900. / E. Ter Kuile: Die richtige Bewegungsform der Membrana basilaris. Daselbst 79, 484-509. 1900. / Max Meyer: E. Ter Kuile's Theorie des H\u00f6hrens. Daselbst 81, 61-75. 1900","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:28:40.383565+00:00"}