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{"created":"2022-01-31T16:27:55.949031+00:00","id":"lit31790","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 387-390","fulltext":[{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n387\nschieht dies in einer dem psychophysischen Gesetz analogen Weise. Die Lust und Unlustwirkung eines Ganzen geht der Quantit\u00e4t des Ganzen parallel. Der ziffernm\u00e4fsige Nachweis, dafs die Aufmerksamkeit von einem ungegliederten Ganzen in geringerem Maafse in Anspruch genommen wird als vom gegliederten, bildet den Schlufs des Aufsatzes.\nGeigeb (M\u00fcnchen).\nA. Ohlert. Das Studium der Sprachen und die geistige Bildung. Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der p\u00e4dagogischen Psychologie und Physiologie von Schiller und Ziehen 2 (7). 50 S. 1899.\nIn der Zeit der Preufsisehen Schulreformen verdient die vorliegende Arbeit besondere Beachtung, um so mehr, da Verf. bem\u00fcht ist, seine p\u00e4dagogischen Demonstrationen auf psychologischem Grunde aufzubauen.\nDie Arbeit verbreitet sich zun\u00e4chst \u00fcber die Bildungsgesetze der Sprache und ihre Leistungen : \u201eDie Beziehung des Sprachbegriffs und der sprachlichen Beziehungsformen zu dem durch sie vertretenen sachlichen Inhalt ist durchaus einseitig, derart, dafs dem sprachgeformten Beziehungsmerkmal eine fast unbegrenzte Menge sachlicher Merkmale gegen\u00fcbersteht, die sprachlich nicht ausgedr\u00fcckt sind.\u201c Einmal geformt und einmal in Gebrauch genommen, werden solche Spraehformen und Sprachbeziehungen als blofse Symbole, d. h. ohne Kenntnifs der den Sprachbegriffen anhaftenden Merkmale, d. h. v\u00f6llig unbewufst angewendet. Die Sprache geh\u00f6rt also der psychologischen Gruppe der geistigen Leistungen an, denn jeder logische Act ist ein bewufster Denkact.\nDie psychischen Vorg\u00e4nge beim Sprechen und Verstehen sind das Ergebnifs einer im Unbewufsten wirkenden Association: \u201eDie Namengebung geschieht in der Weise, dafs bei einer zusammengesetzten sinnlichen Erscheinung das am meisten in die Augen fallende Merkmal apper-cipirt und diese Erscheinung zum ersten Male durch einen eigenartigen, jenem in die Augen fallenden Merkmale entsprechenden Laut von der \u00fcbrig bleibenden Summe der Erscheinungen abgesondert werde.\u201c \u201eDurch die Verkn\u00fcpfung des Namens mit dem sinnlichen Merkmal entstand der Begriff.\u201c Also die Begriffsbildung erfolgte einseitig. Aus der Gesammt-vorstellung wird je ein hervortretendes Merkmal hervorgehoben. Dadurch entsteht der sprachliche Satz. Die Differenzirung der Satzglieder erfolgt stets in Doppelgliedern (bin\u00e4re Verbindung nach Wundt).\nDie Volkssprache, Umgangssprache entsteht auf urw\u00fcchsige Weise, bei der \u201eGemeinsprache\u201c l\u00e4fst sich die Einwirkung bewufster Ueberlegung nachweisen. Die Culturform besitzt ein systematisch gereinigtes Lautsystem. Die allm\u00e4hlich entstandene literarische Kunstform ist aber nicht Erfolg des logischen Denkens. Die st\u00e4rksten Beeinflussungen seitens der Cultur haben die Begriffe erfahren bez\u00fcglich ihrer virtuellen Bedeutung, d. h. bez\u00fcglich der Summe der hinter dem Namen verborgenen Merkmale.\nDie Leistungen der Sprache bestehen darin, dafs sie \u201edie Continuit\u00e4t des geistigen Fortschritts, eine Steigerung des Denkens und des Gedachten ins ungemessene m\u00f6glich macht.\u201c Die Namengebung verleiht den Begriffen Haltbarkeit und Klarheit. Ohne Sprache ist kein h\u00f6heres geistiges Leben denkbar: Denken und Sprache stellen gleichsam zwei Seiten derselben\n26*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nLitera turberich t.\ngeistigen Urform dar. \u2014 Diesen Leistungen der Sprache gegen\u00fcber ist festzustellen, \u201edafs die Sprache gegen\u00fcber dem sachlichen Inhalt der Er-scheinungs- und Gedankenwelt eine durchaus beschr\u00e4nkte Leistung zu verzeichnen hat.\u201c Sprachkenntnifs hat mit Sachkenntnifs nichts zu thun. \u201eDer den Begriffen beiwohnende, verschieden abgestufte Gef\u00fchlswerth ist durch die Sprache nicht ausdr\u00fcckbar.\u201c\nIm zweiten Theile der Schrift wirft Verf. die Frage auf, welche seelischen Th\u00e4tigkeiten und Fertigkeiten \u00fcberhaupt der Ausbildung f\u00e4hig sind und welche nicht. Er untersucht daraufhin drei Gebiete: 1. die Leistungen der Sinne, 2. den sachlichen Inhalt der Sprachformen, 3. die Verkn\u00fcpfung von Sprache und Saehinhalt. Von den auf die Sinne wirkenden Reizen kommt nur ein kleiner Theil zum Bewufstsein und wird als Gesammtanschauung aufgefafst, welche wenige hervorstechende Merkmale enth\u00e4lt. Durch Aufmerksamkeit und Uebung wird die Menge der bewufst werdenden Sinneseindr\u00fccke sowie die Zahl der hervortretenden Merkmale gesteigert. Auch wird durch Aufmerksamkeit und Uebung die Reactions-zeit verk\u00fcrzt. \u201eDie Schule hat die Pflicht, ihre Z\u00f6glinge nicht nur zu umfangreichem, aufmerksamem Sehen, sondern auch zu \u201ebewusstem\u201c, ver-st\u00e4ndnifsvollem Sehen (Schauen) des Kunstsch\u00f6nen heranzuziehen.\u201c' Die Ausbildung des Sch\u00fclers mufs sich erstrecken auf den Sinn f\u00fcr Entfernung,, auf Richtung und k\u00f6rperliches Sehen, sowie auf bewufstes Sehen vom. \u00e4sthetischen und geschichtlichen Standpunkte aus. Die nat\u00fcrliche Sinnes-th\u00e4tigkeit ist verworren, unklar und unvollst\u00e4ndig: auf dieser Grundlage entstehen verworrene und undeutliche Anschauungen und Vorstellungen : die Folge wiederum sind unklare und falsche Begriffe. Systematische Uebung steigert die Sinnesth\u00e4tigkeit in hohem Maafse: auf dieser Grundlage entstehen klare und deutliche Anschauungen und Vorstellungen: die Folge wiederum sind klare und deutliche Begriffe. \u2014 Bisher wurde in den Lehrstunden ein rein formales Sprachstudium getrieben. Es kommt aber f\u00fcr den Sch\u00fcler darauf an, den mit den Begriffen verbundenen Sach-inhalt kennen zu lernen und die syntactischen Beziehungen und Beziehungsformen an sachlichem Anschauungsstoffe zu studieren. Verf. bezeichnet es als Ziel f\u00fcr die sprachliche Ausbildung des J\u00fcnglings, dafs derselbe bef\u00e4higt wird, \u201edas sprachliche Bild seines metaphorischen Charakters zu entkleiden\u201c und mit jedem spraehgeformten Culturbegriff die Kenntnifs seiner Einseitigkeit wie die Kenntnifs der ihm anhaftenden sachlichen Merkmale zu verbinden.\u201c \u2014 Es kommt also auf die begriffliche Kenntnifs, d. h. auf das Wissen der sachlichen Merkmale an. Das Studium derselben ist aber beim Uebersetzen l\u00fcckenhaft. Der fremdsprachliche Unterricht hat auf die Uebung der Sinne gar keinen Einflufs. \u201eDie systematische Aneignung eines sachlichen Wissens wird durch den fremdsprachlichen Unterricht nur in einem verschwindend kleinen Verh\u00e4ltnifs gef\u00f6rdert.\u201c \u201eDie Verkn\u00fcpfung der Begriffe und der ihnen entsprechenden Sprachformen sowie das Studium der zwischen wichtigen Culturbegriffen bestehenden geschichtlichen Beziehungen wird durch den fremdsprachlichen Unterricht gar nicht ber\u00fchrt.\u201c \u2014 Das, worauf man bisher immer grofsen Werth legte, n\u00e4mlich die unmittelbare Einf\u00fchrung in die griechische und","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n389\nlateinische Literatur, kann nach Verf. durch eine gute Uebersetzung und \u00abine sich daran anschliefsende sachliche Erkl\u00e4rung ersetzt werden.\n\u201eDie Thatsache, dafs der fremdsprachliche Unterricht die zwei wesentlichen Bedingungen, an die jede h\u00f6here geistige Bildung gekn\u00fcpft ist, nanezu vernachl\u00e4ssigt (die Ausbildung der Sinne und den systematischen Sachunterricht) macht es unm\u00f6glich, ihn wie bisher als Vermittler der h\u00f6heren Geistesbildung zu verwenden.\u201c \u201eDer Kernpunkt einer psychologisch \u25a0einwandfreien Bildung liegt in der Aneignung einer umfangreichen sach-licnen Kenntnifs und ihrer Verkn\u00fcpfung mit den Begriffen der Muttersprache. ,,Dahei bilden die Naturwissenschaften und die Muttersprache die Grundlagen des h\u00f6heren Unterrichts.\u201c \u201eDer fremdsprachliche Unterricht ist also berufen, eine bereits vorhandene Bildung nach einer bestimmten Richtung zu vertiefen, darf aber nicht mehr als Tr\u00e4ger und Vollender der Geistesbildung angesehen werden.\u201c \u2014\nVerf. schickt der eigentlichen Behandlung des Themas eine gesichtete Zusammenstellung einiger wichtiger Punkte aus der Psychologie und Logik voraus. Dies ist insofern anzuerkennen, als viele Schulm\u00e4nner die Wandlungen und Kl\u00e4rungen in der Auffassung psychologischer Begriffe nicht Jj;i\t211 behalten pflegen. Unter den angef\u00fchrten einschl\u00e4gigen\nScnriften vermisse ich das Werk von Lazarus (Leben der Seele, zweiter leil. Geist und Sprache), der gerade auf dem vorliegenden Gebiete Bedeutendes geleistet hat. Das Aufstellen der neuen Ideale f\u00fcr den Schul-umeilicht seitens des Verf.\u2019s verdient alle Anerkennung. Hierzu erlaube ich mir Folgendes zu bemerken: Das Menschliche im Menschen auszu-bi kl en und ihn zur Erkenntnifs des Menschlichen zu f\u00fchren, dazu ist das Betreiben der alten Sprachen mehr geeignet als jeder andere Unterricht. Ihre ausgedehnte Formenlehre, Syntax und Phraseologie, der eurythmische Bau der Perioden in ihren rednerischen Darstellungen, die Sch\u00f6nheit ihrer \u25a0dichterischen Erzeugnisse bewirken, dafs jede verarbeitete Stelle des gelesenen Schriftstellers ein reges Spiel des Verstandes, der Reproduction lind des Gef\u00fchls hervorruft; das Anschauen der antiken Idealgestalten begeistert den J\u00fcngling f\u00fcr alles Hohe und Edle. Da nun f\u00fcr die h\u00f6heren\nBerufsarten, namentlich f\u00fcr Theologen, Juristen und Lehrer Jahrhunderte lang die Ausbildung und Erkenntnifs des Menschlichen als Vorbildung von hervorragender Wichtigkeit war, so gen\u00fcgte die auf dem Gymnasium ei langte [Bildung als \"Vorbildung vollkommen. In Folge Anwachsens der Cultui jedoch sind eine grofse Anzahl neuer Wissensgebiete, Institutionen und Berufsbranchen aufgetaucht, von denen auch die h\u00f6heren Berufsarten Notiz nehmen m\u00fcssen, falls sie den f\u00fcr sie n\u00f6thigen Ueberblick sich beit fi-hi en v ollen. Die Schule k\u00f6nnte durch Einf\u00fchrung ihrer Z\u00f6glinge in Oie Cultuibegriffe einen Theil der Arbeit leisten, welche sonst der Selbst-ai DCit der Mannesjahre zufallen w\u00fcrde. Nun ist nicht zu leugnen, dafs das formelle Studium der alten Sprachen einerseits zu viel Zeit in Anspruch nimmt, so dafs die Einf\u00fchrung in die Culturbegriffe darunter leidet, und oam andererseits die wichtigeren neueren Culturbegriffe gar nicht im Gesichtskreise der alten Sprachen erscheinen. Auf letztere st\u00f6fst man vielmehr bei der Besch\u00e4ftigung mit der neueren Literatur. Ref. w\u00fcrde daher a oi schlagen, dafs der Unterricht in einer alten Sprache, etwa im Lateini-","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nLiter aturbericht\nsehen, in vollstem Umfange erhalten bliebe zur Pflege der humanistischen Bildung in der bisherigen Weise, dafs dagegen der Unterricht im Griechischen m\u00f6glichst eingeschr\u00e4nkt werde bezw. in Wegfall k\u00e4me. Es w\u00fcrden dadurch auch Gefahren vermindert werden, welche das Studium der alten Sprachen mit sich bringt, n\u00e4mlich die \u00e4sthetische Ueberbildung und der Hang zum Phrasendrechseln, also das Erzeugen einer \u00fcberm\u00e4fsigen Functionsf\u00e4higkeit ohne ausreichendes Darbieten von Inhaltlichem. Dafs von den neueren Sprachen wieder die Muttersprache mehr geeignet ist zur Einf\u00fchrung in die Culturbegriffe, mufs zugegeben werden. Durch viele Unterhaltungen mit Sch\u00fclern beider h\u00f6herer Lehranstalten hat Ref. festgestellt, dafs die Realgymnasiasten weit mehr in die Culturbegriffe eingef\u00fchrt sind als die humanistischen Gymnasiasten, w\u00e4hrend letztere sich mehr durch die F\u00e4higkeit zu formuliren, zu organisiren sowie im Allgemeinen durch eine edlere Gesinnung auszeichnen.\tGiessler (Erfurt).\nN. Alechsieef. Reactionszeiten bei Durchgangsbeobachtungen. Philos. Studien, 16 (1), 1\u201460. 1900.\nI.\tEinleitung: Der Verf. giebt zun\u00e4chst einen Ueberblick \u00fcber die Geschichte der Durchgangsbeobachtungen und der pers\u00f6nlichen Gleichung, aus dem folgende Plauptmomente hervorgehoben werden m\u00f6gen: Angeregt durch die bekannte Mittheilung Maskelynes vom Jahre 1795 entdeckt Bessel die pers\u00f6nliche Gleichung. Er findet weiter, dafs die pers\u00f6nlichen Unterschiede bei pl\u00f6tzlichen Erscheinungen kleiner sind als bei langsamen Durchg\u00e4ngen. Yon Airy wurde dann festgestellt, dafs diese Unterschiede bei verschiedenen Beobachtern verschieden grofs sein k\u00f6nnen. 1838 verwendet Repsold zum ersten Male eine Registrirmethode. 1851 theilt Bond mit, dafs die Unterschiede bei Benutzung der neuen Methode kleiner ausfallen als bei der fr\u00fcheren. Prazmowski und Hartmann zeigen den Einflufs der Uebung. Letzterer sucht neben anderen Momenten haupts\u00e4chlich die wirkliche physiologische Zeit zu bestimmen. Er kommt zu der Ueberzeugung, dafs die pers\u00f6nliche Gleichung ihren Grund in ungleicher Sch\u00e4tzung u. s. w. habe. 1861 sucht Wolf (bei nochmaliger Verwendung der Auge- und Ohrmethode) zu zeigen, dafs die Fehler durch Uebung auf ein Minimum reducirt werden k\u00f6nnen und dann constant bleiben, und dafs die zuf\u00e4lligen Schwankungen in der Erm\u00fcdung, der Bewegungsrichtung des Sternes, der Stellung des Beobachters, der Schnelligkeit der Bewegung, der Vergr\u00f6fserung des Oculars u. s. w. ihren Grund haben. 1869 constatirt Argelande den Einflufs der Lichtst\u00e4rke. 1879 findet Backhysen, dafs eine Verringerung der Helligkeit des Sternes die pers\u00f6nlichen Unterschiede vergr\u00f6fsere. Bei allen diesen Versuchen sind, wie A. ausf\u00fchrt, die psychologischen Bedingungen aufser Acht geblieben. Der Verf. sieht die gr\u00f6fseren Differenzen mit W\u00fcndt aus der Nichtbeachtung der verschiedenen Reactionsformen entstanden. Er stellt sich daher die Aufgabe, \u201edie psychologischen Bedingungen bei Durchgangsbeobachtungen m\u00f6glichst genau zu untersuchen.\u201c Die Arbeit wurde unter Wundt\u2019s Leitung in dessen Institut ausgef\u00fchrt.\nII.\tApparate und Anordnung der Versuche. Die Anordnung der Versuche unterscheidet sich von der bei gew\u00f6hnlichen Lichtreactionen","page":390}],"identifier":"lit31790","issued":"1900","language":"de","pages":"387-390","startpages":"387","title":"A. Ohlert: Das Studium der Sprachen und die geistige Bildung. Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der p\u00e4dagogischen Psychologie und Physiologie von Schiller und Ziehen 2 (7). 50 S. 1899","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:27:55.949036+00:00"}