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{"created":"2022-01-31T16:29:49.562161+00:00","id":"lit31804","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 24: 458-465","fulltext":[{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nLiteraturbericht.\nim Verein mit den nacheilenden Bewegungen des Auges den Eindruck der Continuit\u00e4t hinreichend erkl\u00e4ren. Die Fixation eines ruhenden Punktes l\u00e4fst n\u00e4mlich bereits den kleinsten Phasenausfall erkennen, w\u00e4hrend noch eine ziemliche Raumgr\u00f6fse des letzteren f\u00fcr die gew\u00f6hnliche Beobachtungsweise bei hinreichender Umlaufsgeschwindigkeit unbemerkbar bleibt. Durch Beobachtung einer im Dunkeln kreisenden Gl\u00fchlampe wird endlich der n\u00e4mliche Gegensatz auch f\u00fcr die theilweise Verdeckung eines bewegten wirklichen Gegenstandes nachgewiesen.\tWirth (Leipzig).\nMargaret Keiver Smith. Rhythmus und Arbeit. (Aus dem Psychologischen Institut von Prof. E. Mettmann in Z\u00fcrich.) Philos. Stud. 16(1), 71\u2014133; (2), 197-305. 1900.\nDie in der vorliegenden umfangreichen Abhandlung mitgetheilten Untersuchungen wurden unter der Leitung und Mith\u00fclfe von Prof. Neumann ausgef\u00fchrt. Es wird hier zum ersten Male der Versuch gemacht, den in dieses Gebiet fallenden Thatsachenbestand experimentell zu bestimmen und \u201eeinige Erkl\u00e4rungen als wahrscheinlich zu beglaubigen\u201c. Die Versuche \u201ewollen nur einen ersten Vorstofs in der Richtung des Themas machen\u201c ; die Verf. hebt aber hervor, dafs in der Frage der Beziehungen zwischen Rhythmus und Arbeit ein grofses Forschungsgebiet vorliegt, das nach vielen Seiten den psycho-physiologischen Untersuchungen neue Materialien und neue Fragen bringen wird, und dafs sich bei der Auswahl ihrer Arbeitsgebiete \u201ezahlreiche Ber\u00fchrungspunkte mit Fragen der Psychophysik und der Psychologie des Ged\u00e4chtnisses ergeben haben\u201c.\nIn einer einleitenden Vorbemerkung entwickelt die Verf. den Plan ihrer Arbeit, den wir in seiner allgemeinen Bedeutung mit ihren eigenen Worten wiedergeben: \u201eEs wurde eine Stufenfolge von Arbeiten hergestellt, die wir kurz als niedere und h\u00f6here bezeichnen k\u00f6nnen, und welche jedesmal mit und ohne Rhythmus ausgef\u00fchrt wurden. Die niedrigste Stufe bildete die blofse Muskelarbeit, die auf psychischer Seite nichts als4 die richtige Vertheilung und Abstufung der Bewegungsimpulse erfordert. Von hier aus sollte der psychische Antheil an der \u00bbArbeit\u00ab allm\u00e4hlich ein immer gr\u00f6fserer werden.\u201c Nach diesem Princip erstreckte sich die Durchf\u00fchrung im Einzelnen auf f\u00fcnf Versuchsreihen. Von diesen wurde in der 1. mit dem Ergographen gearbeitet, in der 2. das rhythmische Schreiben untersucht. Die 3. betraf Gewichtsversuche, die 4. Ged\u00e4chtnifsversuche und die 5. umfafste Pr\u00fcfungen \u00fcber die Wirkung, die der Rhythmus auf eine geistige Arbeit von m\u00f6glichst wenig motorischem Charakter aus\u00fcbt. In einem Schlufscapitel werden dann die Ergebnisse discutirt und in einem Nachtrag noch weitere Besonderheiten hervorgehoben.\nWir folgen hier der Anordnung, die die Verf. ihrer Arbeit selbst gegeben hat.\nI. Versuche mit dem Ergographen. Der verwendete Ergograph war ein verbesserter Apparat nach Kr\u00e4pelin. Die Hebungen wurden einmal ganz beliebig und sodann in vorgeschriebenem Rhythmus und Tempo ausgef\u00fchrt. Die Verf. betrachtet diese Art der Arbeit als die niedrigste, da","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n459\nhier eine Qualit\u00e4t der Arbeit h\u00f6chstens nur soweit in Frage komme, \u201eals das Gewicht nach M\u00f6glichkeit gleich hoch gehoben werden mufs, und die Curve der Hubh\u00f6hen keinen wirklich unregelm\u00e4fsigen Verlauf zeigen darf\u201c, die Versuchspersonen somit nichts anderes zu thun hatten, als einfach die einzelnen Hebungen und Senkungen auszuf\u00fchren. Dieser Theil der Arbeit ist der am wenigsten gelungene. Er ist auch recht unvollst\u00e4ndig. Es fehlen genauere Angaben, und es wird nur im Allgemeinen hervorgehoben, dafs \u201eein eigentlicher Vergleich zwischen rhythmischer und unrhythmischer Arbeit am Ergographen fast ausgeschlossen scheint\u201c, da die einzelnen Versuchspersonen auch ohne Metronom nach den ersten Hebungen bereits \u201emit grofser Gleichm\u00e4fsigkeit\u201c arbeiten, \u201ewobei der Rhythmus, der durch die abwechselnde Hebung und Senkung des Gewichts entsteht, sofort als Reiz zu vollkommen tactm\u00e4fsiger Folge der Bewegung wirkt\u201c. Es wird aber hinzugef\u00fcgt, dafs sich beim Arbeiten mit und ohne Metronom trotzdem gewisse Unterschiede zeigten. \u201eDie Arbeit bei gegebenem Rhythmus\u201c, schreibt die Verf., \u201eist etwas gleichm\u00e4fsiger, und wenn die Versuchsperson f\u00fcr Rhythmus empf\u00e4nglich ist, pflegt f\u00fcr sie bei einem bestimmten Tempo, das individuell \u00fcbrigens aufserordentlich verschieden ist, die quantitativ g\u00fcnstigste Arbeitsleistung einzutreten.\u201c So zeigte eine weibliche Versuchsperson bei einem Tempo von 100 Metronomschl\u00e4gen und einer Belastung von 3 kg \u201eeine bedeutend h\u00f6here Arbeitsleistung als ohne Rhythmus; bezw. bei den ersten, selbstgew\u00e4hlten Hebungszeiten\u201c. Die Verf. hebt die \u201eUnbestimmtheit des Ergebnisses\u201c selbst hervor und verweist auf eine von Mettmann vorgeschlagene Modification der Versuche, \u00fcber die er in Kurzem berichten will.\nII. Versuche mit Schreib\u00fcbungen. Diese Versuche, bei denen die Qualit\u00e4t der Leistung bereits mehr in Frage kam, und die aufserdem eine weit 'gr\u00f6fsere geistige Anspannung erforderten, erstreckten sich auf sieben einzelne Versuchsreihen. In einer 1. wurde eine Figur geschrieben, die, ohne die Feder abzusetzen, vier einzelne Bewegungen erforderte ( Ql). Die Figur diente als Einheit der Arbeit. Es wurden die Versuchspersonen aufserdem angewiesen, die einzelnen Figuren immer gleich hoch zu schreiben (ca. 12 mm) \u201eund dem mittleren geschlossenen Oval in halber H\u00f6he den gr\u00f6fsten Quadratdurchmesser zu geben, der den beiden Abst\u00e4nden der seitlichen auf- und absteigenden Linien entsprechen sollte\u201c, wobei die ganze Figur ungef\u00e4hr halb so breit als hoch sein mufste. \u201eDiese Proportionen immer beizubehalten, machte das Ziel aus, nach dessen Erreichung die Versuchsperson immer strebte\u201c. Die Aufgabe bestand darin, \u201ezu finden, ob das Schreiben mit einem bestimmten Tacte leichter w\u00e4re als ohne Tact, und ob die Quantit\u00e4t oder Qualit\u00e4t der Leistung unter den verschiedenen Zust\u00e4nden dabei beeinflufst w\u00fcrde.\u201c Die w\u00e4hrend einer Dauer von 10 Tagen durchgef\u00fchrten Versuche wurden in der Weise angestellt, dafs an jedem Tage zwei Uebungen von je 10 Minuten Dauer vorgenommen wurden, die eine mit, die andere ohne den Gebrauch des Metronoms. Zwischen je zwei Uebungen lag eine Pause von ebenfalls 10 Minuten. Die Ergebnisse dieser Reihe fafst die Verf. selbst wie folgt zusammen:","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\nLiteraturbericht.\n\u201e1- Jede Person hat ihr eigenes Tempo zur Schreibbewegung, welches zwischen gewissen Grenzen ver\u00e4nderlich ist.\n2.\tDer angewendete Tact ist geeignet, die Tr\u00e4gheit und die Erm\u00fcdung zwischen gewissen Grenzen zu compensiren, indem er die Quantit\u00e4t der Leistung garantirt.\n3.\tEs ist zweifelhaft, ob der Rhythmus direct auf die Qualit\u00e4t der Arbeit wirkt. Auf die Quantit\u00e4t derselben ist er direct wirksam und zwar aus dem unter 2 angegebenen Grunde.\n4.\tAlle regelm\u00e4fsigen, schnell wiederkehrenden Bewegungen desselben Gliedes des K\u00f6rpers haben die Tendenz, tactm\u00e4fsig zu werden, und k\u00f6nnen Anlafs zur Perception bestimmter Rhythmen sein.\n5.\tIn den Tabellen tritt der Einflufs des Rhythmus auf die Qualit\u00e4t der Leist\u00fcng nicht hervor. Dieser ist aber nicht minder bemerkenswert!!, als die quantitative Steigerung der Schreibleistung. In den meisten F\u00e4llen wird die Qualit\u00e4t der Buchstaben verschlechtert, ihre Ausf\u00fchrung ist weniger genau ; die Qualit\u00e4t nimmt sehr ab, sobald das Tempo f\u00fcr die Versuchsperson irgend zu schnell ist, sie scheint dabei dem Zwange zur Erreichung eines durch den Rhythmus bedingten Quantums geopfert.\nEs wird Aufgabe der anderen Experimente sein, diese Ansichten zu best\u00e4tigen oder-zu verneinen.\u201c\nDie 2. Reihe verfolgte den gleichen Zweck. Die Anordnung war aber hier insofern ver\u00e4ndert, als an den ersten f\u00fcnf Tagen ohne, an den n\u00e4chsten aber mit Metronom geschrieben wurde. Die Verf. suchte auf diese Weise \u201eden Einflufs des Metronoms auf die Uebungen, die ohne Metronom ausgef\u00fchrt wurden, zu vermeiden\u201c.\nIm Allgemeinen wurden bei dieser Anordnung die gleichen Ergebnisse erhalten. Eine gelegentlich hervortretende Verbesserung der Qualit\u00e4t der Schrift h\u00e4lt die Verf. f\u00fcr \u201eeine individuelle Eigenth\u00fcmlichkeit der Versuchsperson, die sehr der Disciplin bedurfte\u201c.\nBei den Versuchen der 3. Reihe bildete die Arbeitseinheit der grofse Buchstabe _D, der ohne die Feder aufzuheben mit 6 Bewegungen und in 6 Sec. geschrieben wurde. Es wurde 6 Tage lang bei einer t\u00e4glichen Uebung von 15 Min. gearbeitet. \u201eDie gr\u00f6fste m\u00f6gliche Leistung bei diesen \\ ersuchen war 150 Einheiten.\u201c \u201eBei diesen Versuchen wurde die Qualit\u00e4t der Arbeit bedeutend verbessert. Es ist aber wahrscheinlich, dafs die Quantit\u00e4t derselben dabei etwas verloren hat.\u201c Die allgemeinen Erfahrungen, die die Verf. bei dieser Reihe gewann, waren die folgenden:\n\u201e1. In seinem Effect auf die Gef\u00fchlslage des Arbeitenden giebt es einen bestimmten Unterschied zwischen dem Rhythmus, der durch den akustisch gegebenen Tact, und dem Rhythmus, der durch die freien Bewegungen des K\u00f6rpers bei selbstgew\u00e4hltem Tempo verursacht ist. Der erste kann auch einen ersch\u00f6pfenden Einflufs auf den K\u00f6rper haben, w\u00e4hrend der letzte ein Mittel der k\u00f6rperlichen Erfrischung sein kann.\n2.\tDafs die Geschicklichkeit eine Bedingung der g\u00fcnstigen Wirkung des Rhythmus ist, ist bei dieser Reihe von Versuchen klarer zu sehen als bei der vorigen.\n3.\tDer physische Zustand hat Vieles mit der F\u00e4higkeit, den Rhythmus eicht zu percipiren, zu thun. Sobald der Tact nicht mit der nat\u00fcrlichen","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n461\nZeitfolge der motorischen Innervationen im Einklang steht, entsteht ein unangenehmes Gef\u00fchl, und der Rhythmus ist nutzlos, oder wirkt in hohem Grade erm\u00fcdend.\u201c\nIn den n\u00e4chsten vier Reihen wurden das erw\u00e4hnte Oval mit seiner Umkehrung, das Wort \u201eCommand\u201c und das umgekehrte Oval allein geschrieben, wobei das Metronom statt 60 Mal 72 und zum Theil 80 Mal schlug. Die Einzelergebnisse sind hier wie bei den vorigen Reihen in \u00fcbersichtlichen Tabellen numerisch zusammengestellt und ebenso die Aus sagen der Versuchspersonen ausf\u00fchrlich wiedergegeben. Wir beschr\u00e4nken uns auf die Wiedergabe der Schlufsbemerkungen, die die Verf. der 1. Reihe angef\u00fcgt hat. Sie schreibt hier: \u201eIn Bezug auf die Untersuchung \u00fcber den Effect des angewendeten Tactes auf das Schreiben ist zu sagen, dafs die Verf. auf keine Weise die Resultate f\u00fcr definitiv entscheidend h\u00e4lt. Am Anfang war es ihre Absicht, die Versuche nur als Mittel zum praktischen Studium des Rhythmus \u00fcberhaupt zu brauchen. Ihre Erfahrung hat sie \u00fcberzeugt, dafs es in diesem Gebiete Gelegenheit giebt f\u00fcr eine Reihe von vortheilhaften Versuchen mit der Absicht, den Werth des tactm\u00e4fsigen Schreibens in der Schule zu bestimmen.\nDie Punkte, die man zu ber\u00fccksichtigen hat, sind:\n1.\tDer Vortheil des Unificirens (durch den Tact) der Arbeit der Kinder.\n2.\tDie Genauigkeit und Regelm\u00e4fsigkeit, die durch den Tact gesichert ist.\n3.\tDie Zeitersparnifs.\n4.\tDer disciplinirende Werth des Rhythmus \u00fcberhaupt.\n5.\tDer musikalische Werth der Entwickelung der Rhythmusempf\u00e4nglichkeit.\nGewichtsversuche. Diese Versuche standen wiederum eine Stufe h\u00f6her als die Schreibversuche, insofern es hierf\u00fcr bereits eines bedeutenden Maafses geistiger Concentration bedurfte. Sie wurden im Anschlufs an Fechner\u2019s Versuche \u00fcber die Anwendung der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle auf die Vergleichung gehobener Gewichte ausgef\u00fchrt, waren aber wesentlich modificirt. Wie die Verf. hervorhebt, kam es bei dieser Vergleichung nicht auf die Hebungsgeschwindigkeit, sondern auf die kin-\u00e4sthetischen Empfindungen an. Die Verf. suchte hierbei \u201eden Einflufs zu ermitteln, welchen der angewandte Tact bei den Gewichtshebungen a) auf die Leistung (n\u00e4mlich das Urtheil \u00fcber die relative Schwere der verglichenen Gewichte), b) auf die Aufmerksamkeit aus\u00fcbt\u201c. Es wurden 8 Gewichte verwendet, von denen eines constant als Normalgewicht diente. Die Gewichte wraren eigens f\u00fcr diesen Zweck angefertigt. Im Uebrigen entsprachen die Anordnungen im Ganzen der von L. Martin und E. M\u00fcller bei ihren Untersuchungen \u00fcber die Unterschiedsempfindlichkeit benutzten. Man bediente sich ferner eines Metronoms und einer Secundenuhr zur Controlle. \u201eDas Metronom wurde abwechselnd angewandt, wodurch zwei Gruppen von Uebungen bedingt waren, deren Resultate mit einander verglichen wurden\u201c. Die Versuche wurden derart variirt, dafs sie sich auf 8 Einzelreihen erstreckten, bei denen meistens eine, zum Theil auch zwei Versuchspersonen Verwendung fanden. Die Ergebnisse sind auch hier in Tabellen zusammengestellt und aufserdem die Aussagen der einzelnen Ver-","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nLiteraturberich t.\nsuchspersonen ziemlich w\u00f6rtlich wiedergegeben. Da es unm\u00f6glich ist, auf alle Einzelheiten dieser Verh\u00e4ltnisse einzugehen, so beschr\u00e4nken wir uns auf eine verk\u00fcrzte Wiedergabe der allgemeinen Aussagen der Versuchspersonen, die auf Befragen erhalten wurden, und die die Verf. der Beschreibung jeder Einzelreihe nachgestellt hat. Wir entnehmen denen, die nach der 1. Reihe erhalten wurden, bei der die Versuche sich auf 15 Tage ausdehnten und bei einem Normalgewicht von 500 gr angestellt wurden, Folgendes :\nDie Versuchsperson hatte weder Erm\u00fcdung noch Langeweile versp\u00fcrt. Das Urtheil wTar w\u00e4hrend der zweiten Uebung gebildet. Die Gewichte waren nie erkannt worden. Ein Tempo von 80 bis 100 Metronomschl\u00e4gen per Minute war das g\u00fcnstigste. Die Empfindung der Schwere wurde in die Gelenke des rechten Armes verlegt, die des Unterschieds schien fast nur im Handgelenk zu Stande zu kommen.\nDie Verf. berichtet hierzu, dafs diese Mitteilungen weniger wegen directer Beziehungen zum Rhythmus als wegen solcher zu psychophysischen Fragen von Interesse seien.\nAus den allgemeinen Ergebnissen der 2. Reihe, die an einer anderen Versuchsperson unter \u00e4hnlichen Bedingungen ausgef\u00fchrt wurde, sei erw\u00e4hnt, \u201ec^afs der angewandte Tact keinen bestimmten g\u00fcnstigen Einflufs auf die Urtheile gezeigt hat, wenngleich auch keine ung\u00fcnstige Wirkung zu constatiren war\u201c, sowie ferner dafs ein und dasselbe Gewicht bald schwerer, bald leichter erschien. Die Gef\u00fchle waren indifferent, Erm\u00fcdung und Langeweile nicht zu constatiren.\nBei der 3. Reihe von Versuchen, an der zwei Personen theilnahmen, konnte bei einer constatirt werden, dafs \u201eder Tact ihr immer ein Zwang war, der sie zu neuer Aufmerksamkeit trieb\u201c.\nBei der 4. Reihe wrurde die Anordnung insofern ver\u00e4ndert, als neun Tage lang ohne Metronom und darauf ebenso lange Zeit mit Metronom gearbeitet wurde, wobei das Tempo oft variirt wurde. Aus diesem letzten Umstande ergab sich, dafs die Versuchsperson in Folge der Anstrengung* die f\u00fcr die Anpassung an die neuen Verh\u00e4ltnisse n\u00f6thig war, leicht erm\u00fcdete.\nDie 5. Versuchsreihe, welche in 16 Tagen an einer Versuchsperson anfangs ohne, dann mit Metronom durchgef\u00fchrt wurde, ergab im Allgemeinen Aehnliches wie die vorigen Reihen. Es wurde auch hier der Tact durch die Aufmerksamkeit concentrirt, die Gef\u00fchle w7aren stets angenehm, die Uebungen erm\u00fcdeten nicht etc.\nDie 6. Reihe von Versuchen erstreckte sich auf 28 Tage. Die hierbei verwandte Versuchsperson arbeitete lieber ohne Metronom, da dasselbe ihr unangenehm war.\nBei der n\u00e4chsten Reihe wurde der Einflufs des Rhythmus als g\u00fcnstig wirkend gefunden. Bei 100\u2014120 Metronomschl\u00e4gen per Minute war die Wirkung am angenehmsten. Die Empfindungen der Schwere und des Unterschieds wurden in die Hand mit Einschlufs des Handgelenks verlegt.\nBei der letzten, in 10 Tagen durchgef\u00fchrten Reihe waren die allgemeinen Resultate \u00e4hnliche, doch traten hier im Oberarm und Ellenbogen-","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"Litera tur bericht.\n463\ngelenk Erm\u00fcdungsempfindlingen auf, namentlich in den ersten Tagen der Uebungen.\nDen bei weitem umfangreichsten Theil der Arbeit bilden,\nIV, Die Ged\u00e4chtnifsversuche. Diese Versuchsreihe ergab wohl auch die gesichertesten Resultate. Es galt auch hier das Verh\u00e4ltnifs zwischen Rhythmus und Arbeit zu untersuchen. Die Verf. fafst ihre Aufgabe in die Frage zusammen : \u201eWelches ist der Einflufs des Rhythmus beim Lernen und beim Reproduciren von Buchstaben und sinnlosen Silben?\u201c Wir \u00fcbergehen die ausf\u00fchrliche Beschreibung der zahlreichen durch verschiedene Reihen und in verschiedenem Vers-mafs durchgef\u00fchrten Versuche und heben aus den allgemeinen Resultaten nur Folgendes hervor: Alle Versuchspersonen zeigten eine Tendenz, \u201evon dem einfachen Rhythmus zu einer Art von Versmafs \u00fcberzugehen und dabei zu bleiben. Das Versmafs war f\u00fcr alle zum Auswendiglernen g\u00fcnstiger als der einfache Rhythmus, gerade weil er die Gruppirung erlaubt, und so die Anzahl der Einzelglieder verminderte. Der Accent des Versmafses lieferte einen neuen Impuls zur Erneuerung der Aufmerksamkeit.\u201c Nicht f\u00fcr alle Personen war ein und dasselbe Versmafs am g\u00fcnstigsten. Einige arbeiteten am besten beim Troch\u00e4us, andere beim Jambus, wiedere andere beim Anap\u00e4st u. s. w. \u201eBei allen Versuchspersonen hat der Rhythmus einen starken motorischen Charakter gezeigt.\u201c Ebenso erzeugte derselbe mit einer einzigen Ausnahme beim Lesen bei Allen ein angenehmes Gef\u00fchl. \u201eIn den meisten F\u00e4llen schien der Rhythmus beim Lesen eine St\u00fctze der Aufmerksamkeit zu sein.\u201c \u201eWegen der Tendenz zu Associationen war die reine Wirkung des Rhythmus auf das Ged\u00e4chtnifs bei diesen Versuchen nicht zu sehen \u201c Die verschiedenen Meinungen der Versuchspersonen \u00fcber den speciellen Dienst des Rhythmus lauten:\n,,a) Der Rhythmus ist ein Mittel zur Vereinigung der einzelnen Componenten, also zur Verminderung der Zahl der Einheiten. Er erleichtert dadurch die Auffassung der ganzen Reihe.\nb)\tEr unterst\u00fctzt die Aufmerksamkeit, indem er ihr durch den Tact immer einen neuen Impuls giebt.\nc)\tdie Wirkung des Rhythmus auf das Gef\u00fchl ist f\u00fcr das Lernen g\u00fcnstig; indem er eine Bereitschaft f\u00fcr das Kommende bewirkt.\u201c\nIn einem Anhang zu diesem Theil der Arbeit berichtet die Verf. \u00fcber eine von Me\u00fcmann angegebene Modification der Versuche, die den Zweck hatte, zu erfahren, ob ein rein visuelles Lesen m\u00f6glich sei und ob auch hierbei der Rhythmus in Frage komme. Es wurden zu diesem Zweck einfache ca. 2 cm hohe und ebenso breite Figuren gew\u00e4hlt, die aus geraden und geschwungenen Linien bestanden. Um Associationen auszu-schliefsen, wurden hier bekannte geometrische Figuren vermieden, sp\u00e4ter aber zu Vergleichsversuchen herangezogen. Von diesen Figuren wurden ebenfalls Reihen gebildet (die wTie bei den Versuchen mit sinnlosen Silben) auf eine Kymographientrommel geklebt wTaren. Sobald diese rotirte, konnten die einzelnen Figuren dem Auge der Versuchsperson in mefsbarer Zeit dargeboten werden. In je einer Reihe wurden jedoch \u201estets nur zwei lineare Elemente in mannigfaltiger Abwechselung verwendet\u201c. \u201eDer best\u00e4ndige Wechsel der H\u00e4kchen in der Lage, Richtung und der rechten und","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":"464\nLiteraturbericht.\nlinken Seite machte eine Wortbezeichnung w\u00e4hrend des Lesens unm\u00f6glich. Die Versuchsperson war zu rein visuellem Lernen gezwungen.\u201c\nObwohl \u00abauch diese Versuche leider nicht abgeschlossen werden konnten, so dafs die Verf. zu keinem entscheidenden Urtheil gelangte, ergaben sie doch einige interessante Ergebnisse. So berichtete eine Versuchsperson, \u201edafs, obgleich der Stoff zum Sehen allein eingerichtet war, sie am Anfang das Sprechen kaum habe unterdr\u00fccken k\u00f6nnen\u201c. Dieses Sprechen bestand in Ausdr\u00fccken, wie ,.nach oben\u201c, \u201enach unten rechts\u201c u. s. w. Erst am 6. Tage trat eine Erleichterung ein. \u201eDurchg\u00e4ngig hat die Versuchsperson nach ihrer eigenen Aussage ohne jeden Rhythmus gelernt. In vieler Hinsicht war dieses visuelle Lernen dem Lernen der sinnlosen Silben \u00e4hnlich.\u201c \u201eDie Aufmerksamkeit ist sehr ungleich th\u00e4tig. Anfangs besteht gew\u00f6hnlich ein Uebermaafs von Spannung, es wird in Folge dessen schlecht gelernt . . . Dann folgt eine beste Periode . . . Dann folgt ein Nachlassen, das stets dadurch eingeleitet wird, dafs man sich ausschliefslich mit den unsicheren Stellen der Reihe besch\u00e4ftigt, wobei man den \u00fcbrigen Theil der Reihe wieder vergifst, Darauf wird der vorher schon besser gelernte Theil der Reihe wieder aufgenommen und mit den unsicheren Stellen wieder erlernt, bis die Reihe ganz bekannt ist.\u201c Leider sind diese Perioden der Aufmerksamkeit nicht gemessen worden. Eine andere Versuchsperson wrar sich beim Lernen des Rhythmus immer bewufst gewesen, der aber nach Verf. wohl auf eigenth\u00fcmliche Kehlkopfinnervationen in Form eines *hm\u00ab, die hier auftraten, zur\u00fcckzuf\u00fchren waren, weshalb auch das Erlernen in diesem Fall kein rein visuelles war u. s. f.\nV. Deutung der Versuchsergebnisse und theoretische Discussion des Rhythmus.\nDie Verf. hebt nochmals hervor, dafs es sich bei den beschriebenen Versuchen um zweierlei Leistungen handelt, um vorwiegend physische (Versuche mit dem Ergographen und Schreib\u00fcbungen) und um vorwiegend geistige (Gewichtsversuche, bei denen es auf das richtige Urtheil ankam und Ged\u00e4chtnifsversuche, bei denen die Leistung des Ged\u00e4chtnisses selbst in Frage kam). In Bezug auf den Rhythmus spricht die Verf. auf Grund ihrer Erfahrungen die Vermuthung aus, \u201edafs der Rhythmus in allen F\u00e4llen einen directen Einflufs auf die Aufmerksamkeit und die Gef\u00fchle hat\u201c. \u201eEben deswegen d\u00fcrfte die Beobachtung eines Rhythmus speciell mit zweckvoller Th\u00e4tigkeit Zusammenh\u00e4ngen. So verschiedenartig die oben beschriebenen Versuche waren, so liefern sie doch wegen dieses gemeinsamen Momentes eine Anzahl \u00fcbereinstimmender Resultate\u201c. Als solche Momente der Uebereinstimmung wird besonders \u201edie Wirkung der Schnelligkeit des Tactes\u201c betont. Ein Tempo von 80\u2014100 Schl\u00e4gen per Minute zeigte sich im Allgemeinen f\u00fcr die Leistungen am g\u00fcnstigsten. Bei k\u00f6rperlichen Bewegungen hat jede Norm im Einzelnen ihr eigenes, nur innerhalb gewisser Grenzen ver\u00e4nderliches Tempo. \u201eWegen der Aehnlichkeit im K\u00f6rperbau mufs jedoch ein ziemlich constantes Durchschnittstempo der Bewegung existiren, von welchem sich die pers\u00f6nlichen Differenzen nicht weit entfernen. Es ist durch die obigen Versuche wahrscheinlich gemacht worden, dafs jedes Glied des K\u00f6rpers sein eigenes g\u00fcnstigstes Tempo zur Bewegung hat, und dafs ein mathematisches Verh\u00e4ltnifs zwischen den ver-","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turberich t.\n465\nschiedenen Tempi der verschiedenen Glieder zn deren L\u00e4nge und Masse gefunden werden kann.\u201c Wiederholte Bewegungen werden tactm\u00e4fsig. \u201eEs giebt also ebenso einen Zwang zu motorischer Rhythmisirung fortgesetzter Bewegungen, wie zum subjectiven Rhythmisiren von Schalleindr\u00fccken, die in gleichen kurzen Zeiten (weniger als 2 Sec.) aufeinander-folgen.\u201c\nIn Bezug auf das Verh\u00e4ltnifs des selbstgew\u00e4hlten Rhythmus zum gegebenen wdrd ausgef\u00fchrt, dafs \u201ein seinem Einflufs auf die emotionellen Verh\u00e4ltnisse der gegebene Tact von dem selbstgew\u00e4hlten bedeutend verschieden ist, ausgenommen den Fall, wo der gegebene Rhythmus dem nat\u00fcrlichen gerade entspricht oder nur wenig schneller ist als dieser\u201c. Es wird ferner gezeigt, dafs \u201ebei jeder k\u00f6rperlichen Arbeit, die einen hohen Grad von Genauigkeit und Ausdauer erfordert, der \u00e4ufsjerlich gegebene Tact werthvoll ist, gerade weil er den Zustand strenger Aufmerksamkeit sichert\u201c.\nIn Bezug auf das psychologische Wesen des Rhythmus stimmt die Verf. im Ganzen der bekannten Auffassung von Wundt zu, sucht dieselbe aber in einigen Punkten zu modificiren. Der Ursprung des Rhythmus ist nach ihr \u201ephysiologisch, d. h. die regelm\u00e4fsig wiederholten k\u00f6rperlichen Bewegungen sind die physiologischen Reize, deren geistiges Product der Rhythmus ist\u201c.\nIn dem bereits erw\u00e4hnten Nachtrag geht die Verf. noch auf einige von Meumann angegebene Modificationen ein. Diese richten sich einmal darauf, der mit dem Ergographen geleisteten Arbeit einen mehr qualitativen Charakter zu geben und sodann auf die graphische Messung der Uebungs-zeiten bei den Gewichtsversuchen. Es werden dann einige unter diesen ver\u00e4nderten Bedingungen angestellte Versuche mitgetheilt, deren Ver-werthung zu psychophysischen Zwecken sich Meumann jedoch vorbeh\u00e4lt.\nDie fleifsige Arbeit zeigt aufs Neue, wiel viel in diesem weiten Gebiete noch zu thun ist, bis man zu gesicherten Ergebnissen wird durchgedrungen sein. Es w'ird schliefslich wohl auch hier von der gr\u00fcndlichen Behandlung einzelner Fragen Alles abh\u00e4ngen. Wir sind aber Herrn Professor Meumann zu Dank verpflichtet, dafs er zu dieser Arbeit anregte und sehen den weiteren Ausf\u00fchrungen mit grofsem Interesse entgegen.\nKiesow (Turin).\nForel. Bemerkungen zur Behandlung der Nervenkranken durch Arbeit und zur allgemeinen Psychotherapie. Zeitschr. f. Hypn. 10, 1\u20145. 1900.\n\u2014 Ein wichtiges Verh\u00e4ltnifs des Genies zur Geistesst\u00f6rung. Zeitschr. f. Hypn. 10, 6\u201412. 1900.\nDafs nutzbringende Arbeit, wie Landarbeit, unter Umst\u00e4nden ein wuchtiges Heilmittel bei gewissen Nervenkrankheiten wird, ist bekannt. Wie F. sagt, ist es nicht die Muskelarbeit an sich, welche heilt, sondern es ist vor Allem die centrifugale Concentration der Aufmerksamkeit auf die zielbewufsten Muskelinnervationen einer zweckm\u00e4fsigen den Geist befriedigenden Besch\u00e4ftigung, welche das Gehirn von pathologischen Th\u00e4tig-keiten ablenkt, und so heilend wirkt. Nicht alle Neuropathen eignen sich\nQl\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 24.","page":465}],"identifier":"lit31804","issued":"1900","language":"de","pages":"458-465","startpages":"458","title":"Margaret Keiver Smith: Rhythmus und Arbeit. (Aus dem psychologischen Institut von Prof. E. Meumann in Z\u00fcrich.) Philos. Stud. 16 (1), 71-133; (2), 197-305. 1900","type":"Journal Article","volume":"24"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:29:49.562167+00:00"}