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{"created":"2022-01-31T16:24:44.251330+00:00","id":"lit31818","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 23: 155-157","fulltext":[{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n155\nW. belegt seine Ausf\u00fchrungen durch pr\u00e4gnante Krankengeschichten und schliefst differentialdiagnostische Er\u00f6rterungen an. Er betont des \u00f6fteren nnd mit Recht in seiner lesenswerthen klinischen Studie, dafs diese auch einen nicht zu untersch\u00e4tzenden praktischen Zweck habe, weil sie dem Arzte eine sichere Prognostik erm\u00f6gliche.\nErnst Sch\u00fcltze (Andernach).\nB. von Krafft-Ebing. Die zweifelhaften Geisteszust\u00e4nde vor dem Gtvilrichter des Deutschen Reiches nach Einf\u00fchrung des B\u00fcrgerlichen Gesetzbuchs.\nZweite Auflage. Separatabdruck aus des Verf.\u2019s Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie. Dritte Auflage. 2. Ausgabe. Stuttgart, Ferdinand Enke, 1900. 36 8.\nEine klare und \u00fcbersichtliche Darstellung aller der Gesichtspunkte die bei der Beurtheilung von civilrechtlichen Streitf\u00e4llen demn\u00e4chst, wenn das B\u00fcrgerliche Gesetzbuch in Kraft getreten sein wird, f\u00fcr den Richter sowohl wie f\u00fcr den sachverst\u00e4ndigen Arzt von Belang sein werden.\nErnst Sch\u00fcltze (Andernach).\nOttokar Lorenz. Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie. Stammbaum und Ahnentafel in ihrer geschichtlichen, sociologischen und naturwissenschaftlichen Bedeutung. Berlin, Verlag von M. Hertz, 1898. 489 S.\nWenn ein Buch, das anscheinend abseits vom Wege gelegen, mehr durch Zufall in unsere H\u00e4nde kommt, dann zu einer Quelle der Anregung nnd des Genusses wird, so sind wir diesem Zufall dankbar. Auf gleiche Dankbarkeit glaube ich rechnen zu d\u00fcrfen, wenn ich diesmal die Rolle des Znfallee \u00fcbernehme, und den Leser mit dem vorliegenden Buche bekannt mache. Denn das Lehrbuch verdient in der That, in weiteren Kreisen bekannt zu werden. Bisher hatte die Geschichtswissenschaft von der Lehre von der Vererbung erworbener Eigenschaften wenig Notiz genommen, und dafs Lorenz diese Frage als Erster nicht nur aufgeworfen, sondern in einer Reihe von gr\u00fcndlichen Untersuchungen die technischen Grundlagen gelegt hat, auf denen eine L\u00f6sung des Probl\u00e8mes allein m\u00f6glich erscheint, das m\u00fcssen wir ihm zum Verdienste anrechnen.\nIndem er die Beziehungen der Genealogie mit den anderen Wissen sch\u00e4ften und insbesondere mit den Naturwissenschaften behandelt, er\u00f6ffnet er nach allen Richtungen hin unverhoffte Ausblicke und neue Bahnen, nnd wenn er sich auch vorsichtig innerhalb der Grenzen seiner engeren Wissenschaft zu halten sucht, so liefert er doch allen anderen Wissenschaften ein massenhaftes Material zu neuen Arbeiten, und gar manches, das mehr oder weniger als feststehend galt, werden wir auf Grund seiner Ausf\u00fchrungen einer neuen Pr\u00fcfung und wahrscheinlich auch einer neuen Bewerthung unterziehen m\u00fcssen. Dies gilt vor Allem von der Lehre von der Erblichkeit, nnd wenn er weiter nichts gethan h\u00e4tte, als dafs er dem Gespenste der erblichen Uebertragung geistiger St\u00f6rungen einen t\u00fcchtigen \u00dftofs versetzt, so w\u00fcrde das allein schon ein grofses Verdienst bedeuten.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nI\u00c0teraturbericht.\nDabei machte erst der hohe Stand der heutigen Naturwissenschaft auch f\u00fcr die genealogische Forschung einen ganz anderen Grad der Sicherheit und des Verst\u00e4ndnisses m\u00f6glich, als dies fr\u00fcher der Fall war.\nLorenz begr\u00fcfst von dem Standpunkte des Genealogen die neuere Anschauung von der Gleichwertigkeit der beiden, von den geschlechtlich verschiedenen Individualit\u00e4ten ausgehenden, Keimkeme mit Genugthuung, da er f\u00fcr die v\u00e4terliche und m\u00fctterliche Ahnenreihe ebenfalls volle Gleichberechtigung fordern und sie als die Grundelemente aller Betrachtungen des Individuums sowohl, als der Familie, des Stammes und des Volkes betrachten mufs.\nDabei legt er seinen Untersuchungen die Ahnentafel zu Grunde, das heilst, er steigt von unten nach oben in die Ascendenz hinauf, wobei er beide Geschlechter ber\u00fccksichtigt. Selbstverst\u00e4ndlich verdoppelt sich hierbei die Zahl der Ahnen in jeder Reihe, so dafs aus den beiden der zweiten Reihe, aus Vater und Mutter, in der zehnten schon 512, in der zw\u00f6lften gar 2048 geworden sind.\nBeim Stammbaum ist dagegen die Darstellung der Descendenz die Hauptsache, er geht von oben nach unten und ber\u00fccksichtigt im Wesentlichen nur die m\u00e4nnliche Descendenz. Bewegen wir uns aber bei unseren Untersuchungen von dem Standpunkte der Ahnentafel aus, so gelangen wir bei der Abw\u00e4gung des erblichen Einflusses zu Behr von unseren jetzigen abweichenden Anschauungen. Der Urgrofsvater kann seinem Enkel wohl Namen, Geld und Stellung hinterlassen, bei der Bemessung der Vererbungsmasse dagegen tritt er nur mit 1/16 in die Berechnung. Bei Onkel und Tanten wird man bis zum gemeinsamen Urquell der Vererbung in die H\u00f6he zu steigen haben, und kann hier der Nachweis nicht erbracht werden, dann hat die Aehnlichkeit kaum einen anderen Werth als den des Zufalles. Ueberhaupt sollte man sich bei seinen Untersuchungen daran gew\u00f6hnen, den Werth nicht darauf zu legen, welche Art selbstverst\u00e4ndlicher Aehnlichkeiten sich in einer Familie hier und da finde, sondern welche Abweichungen sich in der Ahnenreihe nachweisen lassen, denn dafs er keine Aepfel hervorbringe, lehre schon jeder Birnenbaum. Bei der Besprechung der Vererbung pathologischer Eigenschaften geht der Verl, wenn auch mit aller Beschr\u00e4nkung auf sein Fach, so doch mit grofser Entschiedenheit gegen ihre vielfach \u00fcbertriebene Werthsch\u00e4tzung vor, und er verlangt die Revision des Begriffes der erblichen Belastung.\nAm meisten h\u00e4tten sich noch die Psychiater mit genealogischen Studien besch\u00e4ftigt, aber auch ihnen giebt er den Rath, sich vor Ueber-treibungen zu h\u00fcten, da die Ergebnisse der Forschung an der Hand der genealogischen Ahnentafeln weit beruhigendere seien. Und in der That Bind die Schl\u00fcsse, die er aus den Ahnentafeln der Habsburger und anderer vorlegt, ganz andere, als wir sie bisher f\u00fcr die Nachkommen der wahnsinnigen Johanna zu ziehen gewohnt waren. Gleicherweise, wie die erbliche Belastung, bed\u00fcrfe auch der Begriff der Inzucht eine Klarstellung.\nDie Indogermanen seien deshalb die vollkommenste Rasse, weil sie Sich nur unter einander vermischen, und jede Abweichung hiervon r\u00e4che sich durch Minderwerthigkeit. Und ist hierf\u00fcr wohl- ein st\u00e4rkeres Beispiel","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n157\ndenkbar, als die Ahnentafel der Ptolom\u00e4er, die es in einer allerengsten Inzucht von mehr als 200 Jahren zu einer Kleopatra brachten? Hier wirkte die Inzucht veredelnd, wie sie dies \u00fcberall da thun wird, wo die \u00e4hnlichen Erzeuger zugleich die Tr\u00e4ger hervorragender Eigenschaften sind.\nDas Vorliegende ist nur eine kurze Andeutung dessen, was das Werk uns bietet.\nDie Studien des Verf.\u2019s liegen so weit ab von der breiten HeerBtrafse der sonstigen Forschung, dafs es schon deshalb von Interesse ist, sie zu verfolgen. Nicht nur dem Psychiater, sondern dem wissenschaftlichen Forscher auf jedem Gebiete sei deshalb das Buch des Jenenser Historikers empfohlen. Er wird es nicht ohne Belehrung aus der Hand legen.\nPelman.\nG. Palantb. L\u2019esprit de corps: remarques sociologiques. Revue philosophique 48 (8), 135\u2014145. 1899.\nVerf. giebt hier eine ansprechende social-ethische Plauderei \u00fcber den sog. Corps-Geist. Darunter versteht er das Gef\u00fchl der Zusammengeh\u00f6rigkeit, der eine durch gleiche berufliche Interessen, also gleichen Lebenswillen vereinigte K\u00f6rperschaft beseelt und zu gemeinsamem Erweitern des Wirkungskreises und der Bedeutung sowie gemeinsamem Schutz gegen St\u00f6rungen von innen wie von aufsen zusammenh\u00e4lt. W\u00e4hrend der Klassengeist \u00fcber die gemeinsame Vertretung rein wirthschaftlicher Interessen nicht hinausgeht, \u00fcbt der Corpsgeist strenge Contr\u00f4le \u00fcber Haltung und Auftreten der Glieder und r\u00e4cht Verst\u00f6fse, welche dem Ansehen des Ganzen schaden k\u00f6nnten, aufs strengste, sofern es ihm nicht gelingt, dieselben zu verdecken. W\u00e4hrend Dornkr und D\u00fcrkheim den Corpsgeist f\u00fcr ein werthvolles Mittel ansehen, um die Kluft zwischen Staat und Individuum zu \u00fcberbr\u00fccken, findet Verf. darin eine schwere Sch\u00e4digung des Individuums. Auf eine tiefergehende Begr\u00fcndung dieses ethischen Urtheils geht Verf. nicht ein, noch viel weniger auf eine psychologische Erkl\u00e4rung dieses Zusammengeh\u00f6rigkeitsgef\u00fchles. Vielleicht glaubt er durch den von Schopenhauer her\u00fcbergenommenen Begriff des Collectivwillens zum Leben das Problem schon gel\u00f6st. Aber freilich Schlagw\u00f6rter machen eine Begr\u00fcndung keineswegs \u00fcberfl\u00fcssig.\tOffner (M\u00fcnchen).\nHermann Seuffert. Aaarchttotis und Strafrecht. Berlin, Otto Liebmann, 1899. 219 S. Mk. 4.50.\nDie vorliegende Abhandlung iBt auf Veranlassung der schauerlichen That in Genf entstanden, der die Kaiserin von Oesterreich zum Opfer fiel.\nS. berichtet zun\u00e4chst \u00fcber das Wesen des Anarchismus, seine theo Fetischen Begr\u00fcndungen und seine Organisation. Dabei theilt er mit, was wir \u00fcber die Lebensgeschichte Lucheni\u2019b, jenes M\u00f6rders in Genf, wissen. Es ist leider nur sehr wenig, und es ist zu bedauern, dafs wir uns bez\u00fcglich der Genese der anarchistischen Gesinnung von Lucheni nur Vermuthungen hingeben d\u00fcrfen. Diese gehen dahin, \u201edafs das Zusammenwirken der jammervollen Kindheit, ein leidenschaftliches Verlangen nach besseren Verh\u00e4ltnissen, die Lekt\u00fcre anarchistischer Schriften und eine","page":157}],"identifier":"lit31818","issued":"1900","language":"de","pages":"155-157","startpages":"155","title":"Ottokar Lorenz: Lehrbuch des geammten wissenschaftlichen Genealogie. Stammbaum und Ahnentafel in ihrer geschichtlichen, sociolgischen und naturwissenschaftlichen Bedeutung. Berlin, Verlag von M. Hertz, 1898. 489 S","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:24:44.251335+00:00"}