Open Access
{"created":"2022-01-31T16:23:04.400807+00:00","id":"lit31827","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Gaupp","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 23: 220-221","fulltext":[{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nLiteraturbericht.\nEtwas besser steht es um die Beziehung der einzelnen geistigen Qualit\u00e4ten zu Verschiedenheiten im Gehirnbau, aber auch da ist die Ausbeute wenig ergiebig.\tE. Schultze (Andernach).\nG. Marinesco. Recherches s\u00abr U Biologie de la cellule nerveuse. Archiv f\u00fcr Physiologie (1 u. 2), 89\u2014111. 1899.\nMarinesco schildert zun\u00e4chst den Bau der Nervenzelle. Er unter-scheidet an ihr drei wesentliche Bestandteile : 1. das chromatophile Element; 2. ein geformtes achromatisches Element; 3. ein amorphes achromatisches Element, die Grundsubstanz. Die geformte achromatische Substanz zeigt nicht einen reinen fibrill\u00e4ren (Bbthe), sondern einen netzf\u00f6rmigen Bau; sie dient der \u201etransmission de l\u2019influx nerveux\u201c. Die chromatophilen Elemente gelten dem Verf. nicht als einfache Reservenahrungsstoffe, sondern er sieht in ihnen eine Substanz von hoher chemischer Spannung, in der sich die Erscheinungen der \u201eint\u00e9grations et d\u00e9sint\u00e9grations continues\u201c abspielen; daher seine Benennung \u201eKineto-plasma\u201c. Eine Best\u00e4tigung seiner Hypothese sieht er in der Thatsache, dafs bei experimenteller Hyperthermie eine progressive Aufl\u00f6sung der chromatophilen Elemente statthat, welcher eine zunehmende Schw\u00e4che der nerv\u00f6sen Functionen entspricht. Die chromatophilen Elemente der Zellen befinden sich in einem labilen Gleichgewicht. Nach Durchschneidung eines motorischen Nerven treten in den zugeh\u00f6rigen Vorderhirnzellen charakteristische Ver\u00e4nderungen auf: Anschwellung des Zellleibes, excentrische Lagerung des Kernes, feinere Granulirung der chromatophilen Substanz durch Hydratation. Den Vorgang der Regeneration hat Marinesco am Hypoglossuskern genauer studirt. Der Zellleib wird dunkler, die Zelle w\u00e4chst an Volum, die chromatophilen Elemente nehmen immer mehr zu, erscheinen in verschiedenen Zonen des Zellk\u00f6rpers zu verschiedenen Zeiten, schliefslich Restitutio ad integrum. Ein \u00e4hnliches Verhalten zeigen die Zellen der Spinalganglien nach Durchschneidung eines sensiblen Nerven.\nDie Nervenzelle erscheint dem Autor als eine Energiequelle, als ein Centrum f\u00fcr die Ern\u00e4hrung der Gewebe. Er acceptirt die bekannte WEioERT\u2019sche Lehre von dem nutritiven und formativen Gleichgewicht von Nervenparenchym und Gliagewebe; wo Nervenparenchym schwindet, hypertrophirt bezw. wuchert die Glia. Im normalen Zustand soll nun nach der Ansicht des Verf.\u2019s das Ern\u00e4hrungsgleichgewicht zwischen den verschiedenen Bestandtheilen des Nervensystems durch die Wirkung gewisser von der Nervenzelle produeirter toxischer Substanzen aufrecht erhalten werden ; diese Substanzen sollen die excessive Entwickelung der sehr ' wachsthumskr\u00e4ftigen Gliazellen hintanhalten.\nWichtiger als diese recht fragw\u00fcrdigen theoretischen Er\u00f6rterungen sind die Ausf\u00fchrungen des Verf.'s \u00fcber die Wechselwirkung der Neurone^ Unter dem Einfiufs peripherer Reize steht der normale trophische Tonus; er ist n\u00f6thig f\u00fcr die anatomische Integrit\u00e4t der Gewebe und wichtig f\u00fcr das normale Vonstattengehen der vegetativen und psychischen Vorg\u00e4nge. Eine Leitungsunterbrechung in einer sensiblen R\u00fcckenmarksfaser f\u00e4hrt zu langsamem Ern\u00e4hrungsr\u00fcckgang im zugeh\u00f6rigen Neuron (atrophie neurale","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t.\n221\nprimaire) and schliefslich auch zu allm\u00e4hlicher leichter Atrophie im h\u00f6her gelegenen Neuron (atrophie neurale secondaire). Es besteht also nicht nur Solidarit\u00e4t der einzelnen Theile des Neurons, sondern auch eine Zusammengeh\u00f6rigkeit verschiedener Neurone. Die anatomische und functionelle Unversehrtheit des Neurons h\u00e4ngt also zugleich von der Intactheit aller seiner Theile und von der Integrit\u00e4t der Neurone ab, welche ihm seine func-tionellen Erregungen liefern. \u201eDas Neuron lebt von seiner Function.\u201c\nGaupp (Breslau).\nBkbnhabd Holl\u00e4ndeb. Die Localisation der psychischen Th&tigkeiten im Gehirn. Ergebnisse der Experimental-Physiologie, von Sectionsbefnndea, von anatomischen nnd klinischen Beobachtungen, verwerthet Ihr die Locallsationslehre and Psychiatrie. Berlin, \u00c4ug. Hirschwald, 1900. 82 S.\nDie absolute Gr\u00f6fse des Gehirns ist kein MaafsBtab blofser intellectueller Kraft, da auch die moralischen Gef\u00fchle, die Leidenschaften und Triebe hierbei ber\u00fccksichtigt zu werden verdienen. Der Stimlappen ist vielmehr der Sitz der intellectuellen F\u00e4higkeiten; gegen deren Localisation in dem Hinterhauptslappen sind mancherlei Einw\u00e4nde zu machen.\nH. er\u00f6rtert des Weiteren die Lage des Centrums f\u00fcr die Sprache, den Musiksinn, das Zahlenged\u00e4chtnifs, den Farbensinn, f\u00fcr die Bewegung der Gesichtsmuskeln, der Beine, des Rumpfes und der oberen Gliedmaafsen, des Centrums f\u00fcr die optischen Erinnerungsbilder, den Geschmacksinn und den Geschlechtssinn, und bespricht die Bedeutung der einzelnen motorischen und sensorischen Centren f\u00fcr die einzelnen geistigen Th\u00e4tigkeiten und Eigenschaften, besonders nach der pathologischen Seite hin. Verf. will so dem Psychiater erm\u00f6glichen, \u201ebestimmte Formen und Anfangsstadien von Seelenst\u00f6rungen direct zu erkl\u00e4ren durch St\u00f6rung bestimmter Rindengebiete.\u201c So giebt er u. a. an die Lage des Krankheitsherdes der \u201emono-manie gaie\u201c, der \u201emonomanie triste\u201c, der \u201efolie furieuse\u201c.\nEs erscheint begreiflich, dafs H. bei seinen Angaben vielfach auf Gall\u2019s Ansichten Bezug nimmt, f\u00fcr den er sehr warm eintritt. Mit Recht hebt H. hervor, dafs man, wenn der Name Gall auftaucht, sofort und auch wohl nur an das phrenologische System, an die Organologie denkt, w\u00e4hrend Gall sich in erster Linie mit der Anatomie und Physiologie des Gehirns befafste und zur Vergleichung von Kopfformen nur da \u00fcberging, wo die Untersuchung des Gehirns nicht m\u00f6glich war. Ausdr\u00fccklich und namentlich werden die anatomischen Entdeckungen Gall's hervorgehoben, von denen die Leser dieser Zeitschrift interessiren werden die Entdeckung des wirklichen Ursprungs des Geruchs- und des Sehnerven, die Localisation des N. oculomotorius und des N. abducens. Indes irrt sich darin H. sehr, wenn er meint, dafs dies \u201eder Gall sei, den er kenne, den er entdeckt habe und hiermit der heutigen Gelehrtenwelt vorf\u00fchre\u201c. Offenbar sind Verf. die anziehenden Ausf\u00fchrungen von P. J. M\u00f6bi\u00fcs \u00fcber Gall in den ScHWDT'schen Jahrb\u00fcchern der ges. Med win 262 entgangen.\nBez\u00fcglich der Genese der Psychosen und ihrer klinischen Auffassung werden wohl wenige Psychiater mit H. \u00fcbereinstimmen ; aber da\u00bb hier aus-zufQhren w\u00fcrde den Rahmen dieser Zeitschrift \u00fcberschreiten.\nE. Schtjltze (Andernach).","page":221}],"identifier":"lit31827","issued":"1900","language":"de","pages":"220-221","startpages":"220","title":"G. Marinesco: Recherches sur la Biologie de la cellule nerveuse. Archiv f\u00fcr Physiologie (1 u. 2), 89-111. 1899","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:23:04.400813+00:00"}