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{"created":"2022-01-31T16:22:48.916975+00:00","id":"lit31846","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Gaupp","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 23: 233-234","fulltext":[{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n283\nAehnliche Ergebnisse (wie unter 3.) erhielten fr\u00fcher Prof. Tschisch1, bei Untersuchung von Geh\u00f6rswahrnehmungen, sowie neuerdings Dr. Schu-kowsky* * bei passiven Bewegungen.\nM. Maljabewbxy (St. Petersburg).\nSigmuxd Fkeud. lieber Deckerinnerungen. Monatsschr. f. Psychiatrie u. Neurologie 6, 215\u2014230. 1899.\nEs ist schwer, ja unm\u00f6glich, diese Abhandlung kurz zu referiren. Denn sie kann \u00fcberhaupt nur verstanden werden, wenn man sie Wort f\u00fcr Wort s tu dirt, den darin enthaltenen Dialog gewissermaafsen noch weiter analysirt, als es der Verf. bereits thut. Fkbud hat bekanntlich den Verglich gemacht, f\u00fcr die Entstehung mancher Formen functioneller Nervenleiden sexuelle Erlebnisse der Kindheit verantwortlich zu machen. Er ist bei der psychoanalytischen Behandlung solcher Kranker (z. B. Hysterischer) auf die Beobachtung gestofsen, dafs manchen Personen Bruchst\u00fccke von Erinnerungen aus den ersten Kinderjahren im Gedftchtnifs bleiben, welche allt\u00e4gliche und anscheinend gleichg\u00fcltige Dinge zum Inhalt haben, die auch beim Erleben auf das Kind keine starke Affectwirkung entfalten konnten. Er glaubt nun nachweisen zu k\u00f6nnen, dafs diese Gleichg\u00fcltigkeit des erinnerten Inhalts doch nur eine scheinbare ist, d. h. dafs dieser Inhalt nur einen Torso eines Erlebnisses darstellt, das als Ganzes bedeutungsvoll war. Die weggelassenen Elemente des Erlebnisses seien eben die wichtigen \u25a0gewesen. Warum werden aber sie weggelassen? Fbeud sagt: \u201eZwei psychische Kr\u00e4fte sind an dem Zustandekommen dieser Erinnerungen be-theiligt, von denen die eine die Wichtigkeit des Erlebnisses zum Motiv nimmt, es erinnern zu wollen, die andere aber \u2014 ein Widerstand \u2014 dieser Auszeichnung widerstrebt. Die beiden entgegengesetzt wirkenden Kr\u00e4fte heben einander nicht auf; es kommt nicht dazu, dafs das eine Motiv das andere \u2014 mit oder ohne Einbufse \u2014 \u00fcberw\u00e4ltigt, sondern es kommt eine Compromifswirkung zu Stande, etwa analog der Bildung einer Besultirenden\nim Kr\u00e4fteparallelogramm........\u201c \u201eDer Erfolg des Conflictes ist also der,\ndafs anstatt des urspr\u00fcnglich berechtigten ein anderes Erinnerungsbild zu Stande kommt, welches gegen das erstere um ein St\u00fcck in der Association verschoben ist.\u201c Also aus Conflict, Verdr\u00e4ngung, Ersetzung unter Compromifs-bildung resultirt dann der Effect, dafs von einem Erlebnifs der Kindheit nicht die wichtigsten Elemente, sondern begleitende Umst\u00e4nde sp\u00e4ter erinnert werden. Unter \u201eDeckerinnerung\u201c wird also eine solche verstanden, \u201edie ihren Ged\u00e4chtniswerth nicht dem eigenen Inhalt, sondern dessen Beziehung zu einem anderen unterdr\u00fcckten Inhalt verdankt.\u201c Was damit gemeint ist, sucht Fbeud durch ausf\u00fchrliche Mittheilung eines Dialogs zwischen sich und einem Patienten klarzumachen. Wer diesen Dialog \u2014 sein Inhalt ist einer\n1 Tschisch. Experimentelle Studien \u00fcber das Ged\u00e4chtnifs von Geh\u00f6rswahrnehmung. v. Bechtkbew\u2019s Zeitschrift d. Psychiatrie etc. (1). St. Petersburg 1896.\n* Schukowsky. Experimentelle Studien \u00fcber das Ged\u00e4chtnifs von passiven Bewegungen, v. Bechtbbbw\u2019s Zeitschrift d. Psychiatrie (6). St. Petersburg 1899.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nLiteraturbericht.\nWiedergabe im Referat v\u00f6llig unzug\u00e4nglich \u2014 liest, der wird eich des Ge* dankens nicht erwehren k\u00f6nnen, dafs uns hier sehr subjective, theilweiae geradezu phantastische Deutungen als psychologische Analysen gebracht werden, Er\u00f6rterungen, die von Wissenschaftlichkeit recht herzlich weit entfernt sind. Es ist zu bedauern, dafs ein so geistvoller Autor wie Freud unter dem Einflufs seiner \u00fcberwerthigen Idee von der Bedeutung des Sexuellen nun \u00fcberall und immer sexuelle Ursachen und Zusammenh\u00e4nge sucht und sie mit gewaltigen Gedankenspr\u00fcngen da construirt, wo es ihm M\u00fche macht, sie aufzufinden. Wer \u2014 bewufst oder unbewufst \u2014 suggestiv zu fragen versteht, kann aus suggestiblen Naturen Vieles herausholen, was ins System pafst. So mag es kommen, dafs Freud bei seinen Psychoanalysen immer auf Dinge st\u00f6fst, die ein Anderer seltener entdeckt; und schliefslich wirkt dann schon der Name als ein suggestiver Factor im Sinne der erwarteten Resultate.\tGaupp (Breslau).\nMax Went b cher. Zar Theorie des Gewissens. Archiv f\u00fcr systematische Philo* Sophie 5 (2), 216\u2014246. 1899.\nL. Oppenheim. Das Gewissen. Basel, Benno Schwabe, 1898. 50 S.\nDie erste der beiden Abhandlungen stellt sich die Aufgabe, die Erscheinungsformen des Gewissens zu analysiren, ihr gegenseitiges Verh\u00e4ltnis und ihre Bedeutung f\u00fcr die Ethik zu bestimmen. Den individuellen Gewissensregungen liegt eine Vergleichung der Handlung mit einer Pflichtvorstellung zu Grunde, deren psychologische Bedeutung die ist, dafs sie sich aus fr\u00fcheren Willensentscheidungen des Individuums gebildet hat. Das individuelle Gewissen fordert die Uebereinstimmung unseres Verhaltens mit der Pflichtvorstellung; diese selbst bleibt ihrem Inhalte nach unbestimmt. Unter dem \u00f6ffentlichen Gewissen versteht man die Summe der im gemeinen Be-wufstsein lebendigen sittlichen Anschauungen, die inhaltlich bestimmten Rechts- und Pflichtbegriffe eines Volkes. Der Inhalt der Pflichtbegriffe ist ein mit den Bedingungen der historischen Entwickelung wechselnder; es ist keineswegs nothwendig, die Erkl\u00e4rung daf\u00fcr in einer urspr\u00fcnglichen Verschiedenheit der Gewissensanlage zu suchen, sondern sie kann auch in der durch die besonderen Umst\u00e4nde jener Entwickelung bedingten verschiedenen Werthsch\u00e4tzung der in Frage kommenden Momente gefunden werden. Das Gewissen als sittliche Urtheilskraft stellt sich als eine subjective, individuelle Instanz dar, der aber insofern generelle Geltung zukommt, als ihre Aussagen vorwiegend intellectueller Natur sind und als Entscheidungen der Vernunft allgemeine Verbindlichkeit besitzen.\nDie Analyse dieser Art des Gewissens f\u00fchrt den Verf. auf den die Geschichte der Ethik durchziehenden Streit zwischen Empirismus und Apriorismus, von dessen Entscheidung es abh\u00e4ngt, ob das Gewissen im letzteren Sinne als Entwickelungsproduct anzusehen sei, oder ob ihm eine selbst\u00e4ndige Rolle bei aller Entwickelung zukomme. Dafs des Verf.'s Sympathien bei dem Apriorismus stehen, erhellt daraus, dafs er neben den selbstischen auch andere, altruistische Triebanlagen im Individuum als urspr\u00fcnglich vorhanden annimmt.","page":234}],"identifier":"lit31846","issued":"1900","language":"de","pages":"233-234","startpages":"233","title":"Sigmund Freud: Ueber Deckerinnerungen. Monatschr. f. Psychiatrie u. Neurologie 6, 215-230. 1899","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:22:48.916980+00:00"}