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{"created":"2022-01-31T16:26:06.909735+00:00","id":"lit31847","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Saxinger","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 23: 234-235","fulltext":[{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nLiteraturbericht.\nWiedergabe im Referat v\u00f6llig unzug\u00e4nglich \u2014 liest, der wird eich des Ge* dankens nicht erwehren k\u00f6nnen, dafs uns hier sehr subjective, theilweiae geradezu phantastische Deutungen als psychologische Analysen gebracht werden, Er\u00f6rterungen, die von Wissenschaftlichkeit recht herzlich weit entfernt sind. Es ist zu bedauern, dafs ein so geistvoller Autor wie Freud unter dem Einflufs seiner \u00fcberwerthigen Idee von der Bedeutung des Sexuellen nun \u00fcberall und immer sexuelle Ursachen und Zusammenh\u00e4nge sucht und sie mit gewaltigen Gedankenspr\u00fcngen da construirt, wo es ihm M\u00fche macht, sie aufzufinden. Wer \u2014 bewufst oder unbewufst \u2014 suggestiv zu fragen versteht, kann aus suggestiblen Naturen Vieles herausholen, was ins System pafst. So mag es kommen, dafs Freud bei seinen Psychoanalysen immer auf Dinge st\u00f6fst, die ein Anderer seltener entdeckt; und schliefslich wirkt dann schon der Name als ein suggestiver Factor im Sinne der erwarteten Resultate.\tGaupp (Breslau).\nMax Went b cher. Zar Theorie des Gewissens. Archiv f\u00fcr systematische Philo* Sophie 5 (2), 216\u2014246. 1899.\nL. Oppenheim. Das Gewissen. Basel, Benno Schwabe, 1898. 50 S.\nDie erste der beiden Abhandlungen stellt sich die Aufgabe, die Erscheinungsformen des Gewissens zu analysiren, ihr gegenseitiges Verh\u00e4ltnis und ihre Bedeutung f\u00fcr die Ethik zu bestimmen. Den individuellen Gewissensregungen liegt eine Vergleichung der Handlung mit einer Pflichtvorstellung zu Grunde, deren psychologische Bedeutung die ist, dafs sie sich aus fr\u00fcheren Willensentscheidungen des Individuums gebildet hat. Das individuelle Gewissen fordert die Uebereinstimmung unseres Verhaltens mit der Pflichtvorstellung; diese selbst bleibt ihrem Inhalte nach unbestimmt. Unter dem \u00f6ffentlichen Gewissen versteht man die Summe der im gemeinen Be-wufstsein lebendigen sittlichen Anschauungen, die inhaltlich bestimmten Rechts- und Pflichtbegriffe eines Volkes. Der Inhalt der Pflichtbegriffe ist ein mit den Bedingungen der historischen Entwickelung wechselnder; es ist keineswegs nothwendig, die Erkl\u00e4rung daf\u00fcr in einer urspr\u00fcnglichen Verschiedenheit der Gewissensanlage zu suchen, sondern sie kann auch in der durch die besonderen Umst\u00e4nde jener Entwickelung bedingten verschiedenen Werthsch\u00e4tzung der in Frage kommenden Momente gefunden werden. Das Gewissen als sittliche Urtheilskraft stellt sich als eine subjective, individuelle Instanz dar, der aber insofern generelle Geltung zukommt, als ihre Aussagen vorwiegend intellectueller Natur sind und als Entscheidungen der Vernunft allgemeine Verbindlichkeit besitzen.\nDie Analyse dieser Art des Gewissens f\u00fchrt den Verf. auf den die Geschichte der Ethik durchziehenden Streit zwischen Empirismus und Apriorismus, von dessen Entscheidung es abh\u00e4ngt, ob das Gewissen im letzteren Sinne als Entwickelungsproduct anzusehen sei, oder ob ihm eine selbst\u00e4ndige Rolle bei aller Entwickelung zukomme. Dafs des Verf.'s Sympathien bei dem Apriorismus stehen, erhellt daraus, dafs er neben den selbstischen auch andere, altruistische Triebanlagen im Individuum als urspr\u00fcnglich vorhanden annimmt.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n235\nDie Er\u00f6rterung des wechselseitigen Verh\u00e4ltnisses der drei Erscheinungsformen des Gewissens giebt dem Verf. Gelegenheit, die Bedingungen der Entstehung und Entwickelung des Gewissens im Einzelwesen n\u00e4her zu beleuchten. Der Verf. geht von der Frage aus, ob das individuelle Gewissen als angeboren oder als Erzeugnifs der Lebenserfahrungen zu betrachten sei. Er entscheidet dahin, dafs Gef\u00fchlsdispositionen, nicht aber inhaltliche Pflichtvorstellungen als angeboren zu denken sind. Der Verf. zeigt sodann, wie die sittlichen Anschauungen der Gemeinschaft dem sich entwickelnden Einzelwesen in den autoritativen Geboten und Verboten des Erziehers nahe gebracht werden, und wie diese sittlichen Begriffe der Gemeinschaft aus dem Zusammenwirken mehrerer Factoren entstehen. An-achliefsend weist der Verf. nach, dafs vom Einzelwesen nicht blos die luJheren Bestimmungen der \u00f6ffentlichen Sittlichkeit, sondern zugleich die darin lebendigen Momente der Kritik und positiven Weiterentwickelung aofgenommen werden. Die urspr\u00fcngliche Forderung des individuellen Ge Wissens, in unserem Handeln mit dem gegenw\u00e4rtigen Pflichtbegriff zu-sammenzu8timmen, wird sich mehr und mehr dahin specificiren : mit der eigenen ethischen Einsicht zusammenzustimmen. So deutet die Gewissensforderung \u00fcber alle durch \u00e4ufsere Autorit\u00e4t gest\u00fctzten Pflichtvorstellungen hinaus und verlegt den obersten Gerichtshof, der \u00fcber gut und b\u00f6se zu entscheiden hati in unsere eigene Ueberzeugung.\nDer Verf. erw\u00e4hnt im Laufe der Darstellung mehrfach der Monographie von Paul R\u00e9e \u00fcber die Entstehung des Gewissens.\nDie zweite Abhandlung giebt den Text eines Vortrages wieder, den der Verf. in London im Deutschen Verein f\u00fcr Kunst u. Wissenschaft (German Athenaeum) gehalten hat. Der Verf. beleuchtet die Entwickelung und Ausbildung des Gewissens im Individuum vom juristischen Standpunkt und er\u00f6rtert die damit im Zusammenhang stehenden Fragen der Function, der Verkehrung, der Autorit\u00e4t und der Wandlung des Gewissens. Erw\u00e4hnenswerth sind insbesondere die Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Erscheinungen des verkehrten Gewissens. Die Verkehrung des Gewissens besteht darin, dafs dasselbe gute Handlungen als schlecht und schlechte als gut bezeichnet. Das Problem des verkehrten Gewissens ist f\u00fcr das Strafrecht von grofser Bedeutung, weil die Frage entsteht, ob wir f\u00fcr Handlungen, die aus einem verkehrten Gewissen entspringen, verantwortlich sind. Nach der Ansicht des Verf.\u2019s haben wir die Verkehrung des Gewissens zu verantworten, weil unsere Vernunft die Ausspr\u00fcche des Gewissens zu controliren vermag. Damit wird ein Problem ber\u00fchrt, welches nicht blos f\u00fcr den Juristen, sondern auch f\u00fcr den Psychologen von Interesse ist. Was die Auffassung der psychologischen Natur des Gewissens anbelangt, so schliefst sich der Verf. an das Buch von Elsenhans, \u201eWesen und Entstehung des Gewissens, eine Psychologie der Ethik\u201c, an.\tSaxinger (Linz).\nJ. Rehkke. Trieb und Wille im menschlichen Handeln. Rein's \u201eEncyklop\u00e4dischcs Handbuch der P\u00e4dagogik\u201c. 1899.\nDer Begriff \u201eHandeln\u201c f\u00e4llt unter den allgemeinen Begriff \u201eTh\u00e4tig-keit\u201c und bedeutet ein Wirken der Seele, d. i. ein Bedingungsein der Seele f\u00fcr das Auftreten einer Ver\u00e4nderung an einem anderen Einzelwesen.","page":235}],"identifier":"lit31847","issued":"1900","language":"de","pages":"234-235","startpages":"234","title":"Max Wentscher: Zur Theorie des Gewissens. Archiv f. systematische Philosophie 5 (2), 215-246. 1899 / L. Oppenheim: Das Gewissen. Basel, Benno Schwabe, 1898. 50 S","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:26:06.909741+00:00"}