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{"created":"2022-01-31T16:26:04.017588+00:00","id":"lit31856","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Storch","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 23: 312-313","fulltext":[{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nLiteraturbericht\nCh. Kicket. La vibration nerveuse. Revue scientifique 12 (26), 801\u2014811. 1899.\nVerf. steht auf dem Standpunkte, dale die Vorg\u00e4nge in unserem Nervensystem ale Wellenbewegungen der stofflichen Elementartheilchen aufzu-fassen seien. Ein Theil dieser Bewegungsform, der sich in der Grofshirn-rinde abspiele, sei das Aequivalent von Bewufstseinsvorg\u00e4ngen, ein anderer Theil, der im peripherischen Nervensystem verl\u00e4uft-, und sich nach seinem dynamischen Charakter von ersterem principiell nicht unterscheiden d\u00fcrfte, tritt nicht in unser Bewufstsein ein.\nDer Ablauf dieser Wellenbewegung nach Zeit und Form ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Reizte Verf. durch gleichstarke elektrische Schl\u00e4ge in gleichen Intervallen einen und denselben Ort der Grofshirnrinde des Hundes, so fand er, dafs stundenlang der Effect der gleiche blieb \u2014 eine Muskelzuckung von stets gleicher Form und Gr\u00f6fse. Verkleinerte er die Zwischenzeiten zwischen den einzelnen Reizen aber bis auf 0.1 Sec. und weniger, so antwortete nunmehr der Muskel nicht ipehr auf jeden Reiz mit der gleichen Zuckung, sondern es liefs sich beobachten, dafs einer normalen Zuckung stets eine kleinere folgte, ja, es kam bei g\u00fcnstig gew\u00e4hltem Intervall vor, dafs immer nur der zweite Reiz von einer Zuckung begleitet wurde. Folgten die Reize einander sehr rasch, in Pausen von weniger als 0,01 Sec., so trat eine neue Erscheinung zu Tage: noch ehe die erste Zuckung ihre H\u00f6he erreicht hatte, trat eine zweite Zuckung ein, die sich zur ersten hinzuaddirte.\nHieraus schliefst Verf.: Die Zeit einer Erregungswelle in der Hirnrinde verl\u00e4uft innerhalb von 0,1 Sec.; denn nach Ablauf dieser Zeit ist die Hirnrinde in den Zustand ihrer fr\u00fcheren Erregbarkeit, in die Ruhelage zur\u00fcckgekehrt. Diese Zeit von 0,1 Sec., die psychologische Zeiteinheit, verl\u00e4ngert sich auf das Sechsfache, wenn man die Temperatur des Versuchs-thieres k\u00fcnstlich herabsetzt.\nDa die Erregbarkeit nach applicirtem Reiz in den folgenden 0,01 Sec. steigt, dann aber rasch sinkt, um in einem gewissen Moment v\u00f6llig zu erl\u00f6schen und dann langsam zur Norm wieder anzusteigen, versinnbildlicht Verf. die Form der Nervenerregung als Curve; die steil von der Abscissen-axe ansteigt, ebenso steil wieder zum Nullpunkt abf\u00e4llt und sich nun unterhalb der Abscissenlinie bewegt, der sie sich nach Ueberschreitung des flacheren negativen Gipfels asymptotenartig n\u00e4hert; dieser Endverlauf, welcher zur Folge hat, dafs das Nervensystem nach keinem Reize wieder ganz in seinen fr\u00fcheren Zustand zur\u00fcckkehrt, sondern ihm nur unendlich nahe kommt, ist nat\u00fcrlich nur eine Theorie, die Verf. aus den mathematischen Eigenschaften der Wellenlinien erschliefst, und so ist es denn auch weiter nichts als Speculation, wenn Verf. dieses ewige Fortklingen der Nervenwellen zum materiellen Substrate des bewufsten Ged\u00e4chtnisses stempeln will.\nIm Anschl\u00fcsse an seine Untersuchungen f\u00fchrt Verf. aus, wie jeder i8olirte Bewufstseinsvorgang, jede isolirte Wahrnehmung, jede willk\u00fcrliche Bewegung, immer als Minimum ihres Ablaufes 0,1 Sec. beanspruchen.\nIn der That stimmen die Beobachtungen \u00fcber die Zeit, welche zwischen zwei Reizen liegen mufs, damit diese gesondert empfunden werden, hiermit ziemlich gut \u00fcberein.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n313\nInwieweit freilich bei solchen Zeiten der Ablauf der Erregung in den Sinnesorganen mitspricht, wird vom Verf. nicht er\u00f6rtert, aber es d\u00fcrfte nicht wahrscheinlich sein, dafs hier ein schnellerer Ablauf der Erregbarkeit Statt hat, als im Centralorgan, da letzteres ja solche rascher verlaufenden Wellen nicht verwerthen k\u00f6nnte.\nZum Schlufs die Bemerkung, dafs Verf. mit seiner Curve nat\u00fcrlich nicht die Form der nerv\u00f6sen Welle darstellt, wie er meint, sondern nur die verschiedenen Erregbarkeitszust\u00e4nde des Nervensystems, wie sie sich nach Anbringung eines Reizes gegenseitig abl\u00f6sen. Ob beide Erscheinungen sich durch die gleiche Curve darstellen lassen, ist mindestens zweifelhaft.\nStorch (Breslau).\nM. J. Renaut. Le neurone et la m\u00e9moire cellulaire. Rww scientifique 12 (il), 321\u2014332. 1899.\nEin Vortrag, der mit einem grofsen Schwall von Worten in blumenreicher Sprache eine Reihe \u00e4lterer und neuerer Theorien zusammenstellt, ohne etwas Neues zu bringen.\tSchr\u00f6der.\nJ. Babinski. De Tasynergio c\u00e9r\u00e9belleuse. Revus neurologique 7 (22), 806\u2014816. 1899.\nBei einem 35j\u00e4hrigen Kranken entwickelten sich ziemlich rasch Erscheinungen, welche befriedigend durch die Annahme eines Krankheitsherdes auf der rechten Seite der Br\u00fccke und des verl\u00e4ngerten Markes er kl\u00e4rt werden. Diese Symptome interessiren hier nicht weiter. Aufserdem zeigte der Kranke bei wohl erhaltener Muskelkraft eigent\u00fcmliche Bewegungsst\u00f6rungen. Lag er, und sollte er sich aufrichten, ohne die H\u00e4nde zu H\u00fclfe zu nehmen, so gelang das nicht; er erhob einfach die Beine, w\u00e4hrend der Oberk\u00f6rper liegen blieb. Soll die verlangte Bewegung zu Stande kommen, so m\u00fcssen die Beine durch die Muskeln an der R\u00fcckseite des Beckens festgestellt werden, w\u00e4hrend die Beckenbeuger sich zusammenziehen. Dieses Zusammenwirken der beiden Muskelgruppen versagte bei dem Kranken. Stand der Kranke und sollte er den Rumpf nach hinten beugen, so fiel er bei diesem Versuche einfach hinten \u00fcber. Soll diese R\u00fcckw\u00e4rtsbewegung gelingen, so mufs, damit der Schwerpunkt des K\u00f6rpers innerhalb der Standfl\u00e4che bleibt, zugleich mit der R\u00fcckw\u00e4rtsbeugung der Wirbels\u00e4ule das Becken nach vorne gebracht werden. Letzteres unterblieb bei dem Kranken.\nGehen konnte er nur mit Unterst\u00fctzung. Die dazu n\u00f6tigen Beinbewegungen f\u00fchrte er wohl aus, aber er brachte den Rumpf dabei nicht nach vorne. Am ehesten gl\u00fcckte noch das Gehen, wenn man den Kranken an beiden H\u00e4nden fafste, und durch Zug bei jedem Schritte dem Rumpfe den n\u00f6thigen Antrieb nach vorne ertheilte. Auch hierbei eine sehr ausgesprochene St\u00f6rung der Synergie einzelner Muskelgruppen.\nEine 25 Jahre alte Patientin bot ganz \u00e4hnliche Bewegungsst\u00f6rungen. Nach ihrem Tode fand sich eine Geschwulst, die auf das Kleinhirn dr\u00fcckte, und aufserdem ein hochgradiger Hydrocephalus.\nVerf. benennt die geschilderte Bewegungsst\u00f6rung als cerebellare Asynergie und erblickt in ihr ein f\u00fcr die Diagnose verwerthbares Symptom.","page":313}],"identifier":"lit31856","issued":"1900","language":"de","pages":"312-313","startpages":"312","title":"Ch. Richet: La vibration nerveuse. Revue scientifique 12 (26), 801-811. 1899.","type":"Journal Article","volume":"23"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:26:04.017594+00:00"}