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{"created":"2022-01-31T16:26:03.502925+00:00","id":"lit31873","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Hess, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 1-17","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnifs\ndes Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\nVon\nProf. C. Hess in W\u00fcrzburg.\n(Mit 1 Fig.)\nI. Eine bisher unbekannte Nachbilderscheinung.\nBewegt man eine ca. 20 cm lange, 1 mm breite, rothgelbe Lichtlinie \\ die in ihrem mittleren Theile auf einer Strecke von 1 2 cm unterbrochen ist, in einem Abstande von 30\u201450 cm mit m\u00e4fsiger Schnelligkeit vor dem ohne Fixirobject geradeaus gerichteten Auge vor\u00fcber, so sieht man leicht Folgendes (S. Abbildung 1):\nZun\u00e4chst erscheinen (Phase 1 ; vergl. auch Capitel II) zwei rothgelbe Linien, durch einen dunklen Zwischenraum von einander getrennt; danach folgt (Phase 2) eine schmale, dunkle Strecke, die unter den einen Bedingungen continuirlich erscheint, unter anderen Verh\u00e4ltnissen aber an der der Unterbrechung des prim\u00e4ren Bildes entsprechenden Stelle einen r\u00f6thlichen Fleck\n1 Zur Herstellung dieser Linie benutzte ich einen 20 cm langen Kohlegl\u00fchfaden, dessen Glash\u00fclse von einem schwarzen Blechmantel umschlossen war ; aus letzterem war parallel zum Gl\u00fchfaden ein ca. 20 cm langer, 1 mm breiter Schlitz ausgeschnitten, der mit weifsem Papier hinterlegt wurde; der Schlitz erschien dann als gleichm\u00e4fsig helle Linie, deren Lichtst\u00e4rke durch einen passend angebrachten Rheostaten innerhalb ziemlich weiter Grenzen beliebig variirt werden konnte. Ueber die Mitte des Schlitzes wurde ein schwarzer Reif gelegt, dessen Breite gleichfalls beliebig variirbar war und im Mittel ca. */2 cm betrug. Es wurde zum Theile mit farbigen Gl\u00e4sern beobachtet, zum Theile ohne solche.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 27.\t\\","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nC. He\u00df.\nzeigt (im Folgenden \u201eKopf\u201c genannt), der heller als die seitliche Umgebung ist. (Genaueres siehe weiter unten); es folgt Phase 3 als ein blaugr\u00fcner Streif, der entsprechend der Unterbrechung des prim\u00e4ren Bildes eine meist deutliche dunkle L\u00fccke zeigt, die aber unter gewissen Versuchsbedingungen zum Theile von einem r\u00f6thlichen Nachbilde eingenommen werden kann (s. u.). Phase 4 stellt sich als ein um sehr viel breiteres dunkles Intervall dar; entsprechend der Unterbrechung im prim\u00e4ren Bilde tritt hier fast unmittelbar nach Abklingen der Phase 3 ein schmaler heller Streif auf, dessen Helligkeit zun\u00e4chst eine nicht unbetr\u00e4chtliche ist, nach r\u00fcckw\u00e4rts aber allm\u00e4hlich abnimmt, so dafs er eine gewisse Aehnlichkeit mit einem Kometenschweife erh\u00e4lt. Seine F\u00e4rbung ist im Allgemeinen zu jener des Reizlichtes complement\u00e4r, doch trifft dies nicht in so ausgesprochener Weise zu, wie f\u00fcr die Phase 3. In der That unterscheidet sich dieser \u201eKomet\u201c (wie wir der K\u00fcrze halber das fragliche inducirte oder Contrast-nachbild nennen wollen) in seiner Farbe meist merklich von jener der Phase 3. Er ist aufserdem etwas weniger hell als diese Phase, seine Farbe weniger ges\u00e4ttigt. Bei gelbrothem Reizlicht fand ich den Kometen meist leicht gelblich gr\u00fcn, bei leuchtend rothem Reizlichte gr\u00fcnlich. Bei Benutzung der weniger ges\u00e4ttigten gelben und gr\u00fcnen Gl\u00e4ser war die F\u00e4rbung des Kometen zu wenig ausgesprochen, um eine sichere Beurtheilung zu gestatten. Der Komet erscheint etwa 4\u20148 mal so lang als Phase 3. Indem seine Helligkeit best\u00e4ndig abnimmt, entwickelt sich aus ihm schliefs-lich eine tiefdunkle Furche, die in etwas hellerer Umgebung sehr deutlich sichtbar ist; diese hellere Umgebung entspricht der Phase 5 auf den vom Reizlichte getroffenen Netzhautstellen. Mit abnehmender Helligkeit dieser Phase wird auch die mittlere Furche dauernd unsichtbar.\nDieser Komet und die ihm folgende Phase sind so leicht zu sehen, dafs mehrere Laien, welchen ich den Versuch zeigte, sie sofort wahrnahmen. Etwas schwieriger ist die Beobachtung der dem Kometen vorausgehenden Phasen, die der Unterbrechung der leuchtenden Linie entsprechen. Bei passender Helligkeit und geeigneter Breite dieser L\u00fccke seht ich vor Auftreten des gegenfarbigen Kometen eine kurze, ziem lieh helle Strecke von \u00e4hnlicher F\u00e4rbung, wie das Reizlicht. E ist schwer, genauer den Zeitpunkt des Auftretens dieses Nach bildes zu bestimmen. Es wird meist etwas fr\u00fcher sichtbar al","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnifs des Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\n3\ndie Phase 3, so dafs es zum Theil in dem der Phase 2 entsprechenden dunklen Intervall erscheint. Ob es von dem gegenfarbigen \u201eKometen\u201c regelm\u00e4fsig durch eine dunkle Strecke getrennt ist oder continuirlich in sie \u00fcbergeht, konnte ich nicht immer sicher unterscheiden. Bei etwas h\u00f6heren Lichtst\u00e4rken schien ersteres, bei geringeren letzteres der Fall zu sein.\nBei sehr geringer Lichtst\u00e4rke eines r\u00f6thlichen Heizlichtes sehe ich inscheinend in unmittelbarem Anschl\u00fcsse an die Phase 3 einen schwach dnnkelrothen, ziemlich kurzen Schweif, der schon dicht bei der L\u00fccke der Phase 3 sichtbar ist und ca. 2\u20143mal so lange dauert als diese Phase.\nDas Wesentliche der ganzen Erscheinung besteht nach dem Geschilderten darin, dafs eine von keinem Lichtreize getroffene Netzhautstelle etwa J/4\u2014% Secunde nach Erregung benachbarter Stellen durch m\u00e4fsig helles Licht, eine Lichtempfindung von ansehnlicher Helligkeit und Dauer vermitteln kann.\nMan kann die Unterbrechung der leuchtenden Linie so breit nehmen, dafs bei geeigneter Bewegung derselben diese Unterbrechung den fovealen Bezirk ann\u00e4hernd oder vollst\u00e4ndig deckt Ich fixirte ein feinstes, schwach leuchtendes P\u00fcnktchen im Dunkelzimmer und bewegte in 25 cm Abstand die Lichtlinie, deren Unterbrechung 1 cm breit war, so am Auge vor\u00fcber, dafs die Mitte der letzteren \u00fcber das Fixirp\u00fcnktchen glitt. Unter solchen Umst\u00e4nden wird foveale Netzhaut gar nicht oder h\u00f6chstens nahe ihren \u00e4ufsersten (nasalen und temporalen) Grenzen vom Reizlichte getroffen: Trotzdem sind der gleichfarbige kurze Kopf und der gegenfarbige Komet auch jetzt mit der fovealen Netzhaut deutlich und ohne Unterbrechung zu sehen.\nIm Hinblicke auf etwaige sp\u00e4tere theoretische Er\u00f6rterungen bebe ich hervor, dafs also auch der foveale Bezirk ohne selbst durch objectives Licht erregt zu sein, lediglich nach kurz dauernder Reizung der Umgebung ein helles, zum Reizlichte gegenfarbiges Nachbild von merklicher Dauer zu vermitteln vermag, das einen Bruchtheil einer Secunde nach der Reizung auf-tritt. Ebenso hat die Adaptation keinen wesentlichen Einflufs auf die Erscheinung, sofern selbstverst\u00e4ndlich der gesteigerten Erregbarkeit des dunkeladaptirten Auges durch Verminderung der Lichtst\u00e4rke des Reizlichtes Rechnung getragen ist. Die zur Erzeugung des fraglichen Nachbildes geeignetesten Lichtst\u00e4rken","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nC. Hefs.\nsind im Grofsen und Ganzen die gleichen \u2014 verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig geringen \u2014 die zur Erzeugung einer deutlichen Phase 3 hin-reichen. W\u00e4hrend aber diese letztere bei zunehmender Lichtst\u00e4rke oft weniger klar und deutlich wird, kann man den rKometenw auch dann noch in seiner charakteristischen Form sehen, wenn die Lichtst\u00e4rke des Reizlichtes eine betr\u00e4chtlichere geworden ist. Zur thunlichen Vermeidung von Mifsverst\u00e4nd-nissen betone ich aber, dafs er auch bei geringer Lichtst\u00e4rke des Reizlichtes schon deutlich hervortritt. Am sch\u00f6nsten fand ich die Erscheinung, wenn die Unterbrechung der Gl\u00fchlinie bei einem mittleren Abstande von 25\u201430 cm vom Auge ca. 12 cm breit war; doch sah ich sie einerseits noch bei einer Breite der Unterbrechung von nur 1\u20142 mm andererseits auch bei einer solchen von mehr als 1 cm.\nNach v. Helmholtz sollen die hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen auf \u201eUrtheilst\u00e4uschungen\u201c zur\u00fcckzuf\u00fchren sein und es giebt noch immer Anh\u00e4nger dieser Erkl\u00e4rungsweise. Gerade f\u00fcr sie d\u00fcrfte der vorstehend beschriebene Versuch besonders lehrreich sein, da wohl bei wenigen Erscheinungen jene psychologische Deutung so vollst\u00e4ndig versagt, wie hier: Zu einer Zeit, wo, nach v. Kries, der Erregungsvorgang bereits vollst\u00e4ndig abgeklungen sein soll ('s. d. folgenden Abschnitt) tritt an Sehfeldstellen, die \u00fcberhaupt von keinem objectiven Lichtreize getroffen waren, eine Erregung auf, welche als lichter Streif in dunkler Umgebung zum Ausdrucke kommt.\nUnter Ber\u00fccksichtigung der Lehre von der Wechselwirkung der Sehfeldstellen (Hering, Mach) wird die eigenartige Erscheinung leicht verst\u00e4ndlich.\nII. Ueber die Nachbilder und die sogenannte\nv. KRiEs\u2019sche Theorie.\nIm 25. Bande dieser Zeitschrift (S. 239) macht v. Kries einige Bemerkungen \u00fcber eine Arbeit von mir, die den Ablauf des Erregungsvorganges nach kurzdauernder Reizung des Sehorgans beim Normalen und beim total Farbenblinden zum Gegenstand hatte. (Arch. f. Ophth. 51 (2), 225.)\nDa die v. KRiEs\u2019schen Bemerkungen dem mit meinen Arbeiten nicht Vertrauten ein vielfach unzutreffendes Bild der Sachlage geben und da meine in den letzten 7 Jahren \u00fcber diesen Gegen^ stand ver\u00f6ffentlichten Abhandlungen alle in einer anderen Zeit\u2014","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnifs des Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\n5\nschrift1 erschienen sind, so halte ich es f\u00fcr nothwendig, auch dem Leser dieser Zeitschrift einen kurzen Ueberblick \u00fcber die wichtigsten Punkte in dieser Frage zu geben.\nAls \u201ev. KaiEs\u2019sche Theorie\u201c sind in der letzten Zeit vielfach Anschauungen bezeichnet worden, welchen dieser Name in keiner W eise zukommt. Diese Theorie setzt sich aus 2 von einander unabh\u00e4ngigen und wohl zu sondernden Annahmen zusammen :\nDie erste Annahme ist die, dafs die St\u00e4bchen die Empfindung farbloser Helligkeit vermitteln sollen und dafs die Farbenempfindung nur durch die Zapfen vermittelt werde. Diese Annahme ist es insbesondere, die oft als .,v. KaiEs\u2019sche\u201c bezeichnet wird. Sie ist wohl discutirbar, stammt aber nicht von v. Kuies, sondern wurde zuerst 1866 von Max Schultze aufgestellt, sp\u00e4ter wiederholt, so von K\u00fchne und von Haab, dann von Parinaud '1881\u201484) in einer der v. KRiEs\u2019schen auffallend \u00e4hnlichen Form und grofsentheils auf Grund der gleichen Thatsachen wie sp\u00e4ter von v. Kbies eingehend er\u00f6rtert und physiologisch zu begr\u00fcnden gesucht. (Die bez\u00fcglichen Angaben der genannten Forscher habe ich in der Einleitung zu meiner Arbeit \u201eExperimentelle und kritische Untersuchungen \u00fcber die Nachbilder rasch bewegter leuchtender Punkte\u201c (Arch. f. Ophth. 44, 3) zusammengestelit.)\nDie zweite Annahme hat v. Kries selbst zum Urheber. Nach ihr soll die Erregung in den Zapfen sich im Sinne der Youxcf-HELMHOLTz\u2019schen Theorie abspielen. Danach soll also unter Anderem die Empfindung Weifs auf 2 verschiedene Arten zu Stande kommen, es soll zweierlei Weifs geben, ein seiner Entstehung nach einfaches (wie es auch die Theorie der Gegenfarben annimmt) und ein in Gem\u00e4fsheit der Youn\u00fc-Helmholtz-schen Theorie entstehendes \u201etrichromatisches\u201c Weifs. Die Unvereinbarkeit dieser v. KRiEs\u2019schen Hypothese mit einer Reihe wichtiger Thatsachen ist wiederholt betont worden; sie ergiebt sich auch aus der Untersuchung der Nachbilder nach kurzdauernder Reizung des Sehorgans. Als \u201ev. KRiEs\u2019sche Theorie\u201c schlechtweg ist im Folgenden nur diese letztere Annahme bezeichnet, w\u00e4hrend die erstere richtiger als Max ScHui/rzE\u2019sche Theorie zu bezeichnen ist.\nSeine Annahme sucht v. Kries unter Anderem durch einige Beobachtungen zu st\u00fctzen, die er bei Untersuchung der Nachbilder bewegter farbiger Lichter gemacht hatte.\n1 Archiv f. Ophthalm. 40 (2), 1804 ; 44 (3), 1807 ; 51 (2), 1000.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nC. Refs.\nWird eine farbige, nicht zu helle Lichtquelle am Auge vor\u00fcbergef\u00fchrt, so folgt der prim\u00e4ren Erregung (Phase 1) ein kurzes dunkles Intervall (Phase 2), darauf eine complement\u00e4r gef\u00e4rbte helle Strecke (Phase 3), dann ein l\u00e4ngeres dunkles Intervall (Phase 4), danach eine langdauernde helle, zur prim\u00e4ren Erregung gleichfarbige Strecke (Phase 5) und darauf wieder ein l\u00e4ngeres dunkles Intervall (Phase 6).\nIch hatte nun in meiner letzten Abhandlung den Nachweis geliefert, dafs v. Kries bei seinen Untersuchungen die ganzen, bei m\u00e4fsiger Lichtst\u00e4rke meist mehrere Secunden lang dauernden Phasen 4, 5 und 6 v\u00f6llig \u00fcbersehen hat. v. Krie9 sucht dies zu bestreiten mit der Behauptung: \u201eDie gesammten Erscheinungen, deren Uebersehen Hess mir vorwirft, sind unter den von mir eingehaltenen Beobachtungsbedingungen in der That nicht vorhanden.\u201c Indem v. Kries dem Leser vorenth\u00e4lt, dafs ich die Irrigkeit einer solchen Annahme schon in meiner letzten Abhandlung mit schlagenden Beweisen dargethan habe, n\u00f6thigt er mich, meine Widerlegungen zum Theil wenigstens eingehender zu er\u00f6rtern:\nBei einem Theile der v. KRiEs\u2019schen Beobachtungen schlofs sich die Versuchsanordnung \u201efast genau\u201c der von Bidwtell ge\u00fcbten an. Von einer runden Th\u00fcr\u00f6ffnung, die mittels einer elektrischen Bogenlampe mit weifsem oder, durch Entwertung eines reellen Spectrums, mit farbigem Lichte erleuchtet werden konnte, wurde auf einem weifsen Schirme mittels Objectiv und Spiegel ein reelles Bild entworfen, das bei Rotation des Spiegels auf dem Schirme eine kreisf\u00f6rmige Bahn durchlief. Bei solcher Versuchsanordnung ist nach Bidwell ein (der Phase 5 entsprechender) langer lichter Schweif sichtbar, der fast die ganze Bahn ausf\u00fcllt. Nun giebt v. Kries aber ausdr\u00fccklich an, dafs er \u201eum die Farben von gr\u00f6fserer Lichtst\u00e4rke zu erhalten\u201c \u201ein vielen F\u00e4llen auch farbige Gl\u00e4ser unter Verzicht auf die spectrale Zerlegung verwendet habe\u201c. Da mit zunehmender Lichtst\u00e4rke Dauer und Deutlichkeit der Phase 5 zunehmen, so geht schon hieraus mit Sicherheit hervor, dafs v. Kries die Phasen 4, 5 und 6 wirklich ganz \u00fcbersehen hat. Seine vorher citirte Behauptung war um so unvorsichtiger, als jeder Anf\u00e4nger sich leicht von ihrer Irrigkeit \u00fcberzeugen kann, so z. B. mittels des folgenden, auf S. 242 und 243 meiner letzten Arbeit ausf\u00fchrlich geschilderten Versuches: Durch allm\u00e4hliche Abschw\u00e4chung der Lichtst\u00e4rke des als Reizlichti","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntni\u00df des Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\n7\ndienenden Milchglasgl\u00fchl\u00e4mpchens mittels Rheostaten suchte ich die geringste zur Erzeugung einer deutlich sichtbaren Phase 3 n\u00f6thige Lichtst\u00e4rke auf; bei sehr geringer Lichtst\u00e4rke erscheint diese Phase 3 deutlich sichtbar, aber farblos. Ich konnte leicht feststellen, dafs \u201eselbst bei den geringsten f\u00fcr das Sichtbarwerden der dritten Phase eben hinreichenden Lichtst\u00e4rken stets auch die drei folgenden Phasen sichtbar sind, und dafs ihr Ablauf auch jetzt noch mehrere Secunden in Anspruch nimmt. Damit diese dritte Phase deutlich gegenfarbig gesehen werde, sind h\u00f6here Lichtst\u00e4rken n\u00f6thig; dann sind aber die drei letzten Phasen betr\u00e4chtlich l\u00e4nger sichtbar, sofern das Auge vor weiterem Lichteinfall gesch\u00fctzt wird.\u201c Diese letztere, eigentlich selbstverst\u00e4ndliche Vorsichtsmaafsregel hat v. Kries ganz aufser Acht gelassen, trotzdem ich ihn wiederholt auf deren Wichtigkeit aufmerksam gemacht habe. Denn er l\u00e4fst die einzelnen Reize in Intervallen von 1,5\u20142 Secunden auf einander folgen; zudem sind Reiz- und Fixirlicht best\u00e4ndig sichtbar. Es ist wohl verst\u00e4ndlich, dafs v. Kries die fraglichen 3 Phasen (4, 5 und 6) in Folge dieses Fehlers \u00fcbersehen hat. Dafs sie aber bei den von ihm im Allgemeinen benutzten Lichtst\u00e4rken thats\u00e4chlich vorhanden waren, geht schon aus den oben erw\u00e4hnten Versuchen schlagend hervor. (Dafs eine qualitative Aenderung des Reizlichtes bei seiner Abschw\u00e4chung f\u00fcr das Typische der Erscheinung bei den fraglichen Versuchen nicht in Betracht kommen kann, ist selbstverst\u00e4ndlich, soll aber im Hinblick auf einen von v. Kries erhobenen Einwand weiter unten eingehender dargethan werden).\nAuch die folgende irrige Angabe von v. Kries ist darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs er die fraglichen 3 Phasen ganz \u00fcbersehen hat. Er schreibt: \u201eDas g\u00fcnstige Stadium f\u00fcr die Beobachtung des Springens, f\u00fcr die Bestimmung der Farbe, f\u00fcr die Vergleichung der St\u00e4rke bei verschieden gef\u00e4rbtem prim\u00e4ren Bilde u. s. w. ist jenes, in dem das secund\u00e4re Bild noch kurz ist, h\u00f6chstens wie es etwa die von mir gegebene Abbildung zeigt .... In diesen F\u00e4llen dauert also der ganze Effect der Reizung etwa 12 Secunde oder noch weniger und nicht wie Hess f\u00fcr die von mir benutzten Lichter ausrechnet, 3\u20144 Secunden.\u201c Diese letzte Behauptung ist durchaus unrichtig. Selbst bei so^lichtschwachen Reizlichtern, bei welchen die Phase 3 nur ganz schwach u\u2019nd farblos gesehen wrird, dauert \u201eder ganze Effect der Reizung\u201c schon mehrere Secunden. Bei solcher Erscheinungsweise aber,","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nC. He\u00df.\nwie sie v. Kries abgebildet hat, (wo die Phase 3 deutlich gegenfarbig erscheint), dauert dieser Effect meist noch mehrere Secunden l\u00e4nger. Die viel zu rasche Aufeinanderfolge der einzelnen Reize bei den v. KRiEs\u2019schen Versuchen macht also die Beobachtung des ganzen Verlaufes unm\u00f6glich, v. Kries schreibt ferner: \u201eBez\u00fcglich der sonstigen, yon H. erhobenen Einw\u00e4nde sei erw\u00e4hnt, dafs die Wiederholung der Reizung durch den rotirenden Apparat sicher nicht in der von ihm angenommenen Weise als Fehlerquelle zu betrachten ist; denn es versteht sich ja von selbst, dafs man die Erscheinung auch sofort bei Fixirung der Marke nach zuvor abgewandtem Auge, also bei erstmaligem Vor\u00fcbergang des Lichts beobachten kann.\u201c Auch dieser Irrtum erledigt sich durch das vorher Gesagte, v. Kries kann bei der Wiederholung der Reizung die Phase 3 wohl wahrnehmen, nicht aber die 3 folgenden Phasen, die einen integrirenden Bestandtheil des ganzen Nachbildverlaufes bilden und unter keinen Umst\u00e4nden bei der theoretischen Betrachtung von den ersten Phasen getrennt werden d\u00fcrfen.\nEs ist unverst\u00e4ndlich, wie v. Kries immer wieder den Versuch machen kann, die Verschiedenheit unserer Versuchsergebnisse durch die Annahme der Benutzung zu hoher Lichtst\u00e4rken meinerseits zu erkl\u00e4ren, angesichts der Thatsache, dafs ich durch systematische Abschw\u00e4chung der Lichtst\u00e4rke des Reizlichtes bis zu solchen Stadien gekommen bin, bei welchen die Phase 3 nicht mehr farbig, sondern farblos gesehen wird, w\u00e4hrend die v. KRiEs\u2019schen Angaben sich auf solche Stadien beziehen, in welchen die Phase 3 farbig erschien, wozu doch betr\u00e4chtlich h\u00f6here Lichtst\u00e4rken n\u00f6thig sind, als zu Erzeugung einer farblosen Phase 3. Einen thats\u00e4chlichen Irrthum enth\u00e4lt auch die folgende Behauptung von v. Kries : \u201eHess hat aus der von Samojlow gegebenen Beschreibung eines von ihm und \u00fcberhaupt in meinem Institut benutzten Apparates geschlossen, dafs ein Milchglas, aus einer Entfernung von ca. 50 cm durch 2 oder 3 Auerbrenner transparent beleuchtet eine f\u00fcr unsere Beobachtungen angemessene und von uns im Allgemeinen benutzte Lichtst\u00e4rke darbiete.\u201c Meine Abhandlung giebt nirgends einen Anhalt f\u00fcr die Aufstellung einer solchen, nur aus sehr fl\u00fcchtiger Lekt\u00fcre zu erkl\u00e4renden Behauptung; der aufmerksame Leser wird sich leicht von ihrer Irrigkeit \u00fcberzeugen, v. Kries scheint sich auf einen Versuch zu beziehen, den ich unter vielen anderen","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnifs des Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\n9\nangestellt habe, um zu sehen, wie bei den h\u00f6chsten mit dem Samojloff\u2019sehen Apparate erh\u00e4ltlichen Lichtst\u00e4rken die Nachbilder sich verhalten. Dafs ich ausf\u00fchrlich Versuchsreihen geschildert habe, bei welchen nur ein einziger Auerbrenner benutzt wurde, sowie solche, bei welchen farbige Gl\u00e4ser (mit Milchglas) mit 2 oder 3 Auerbrennern benutzt wurden, und dafs ich diese Versuche ausdr\u00fccklich als die wichtigeren bezeichnet habe, \u2014 das unterl\u00e4fst v. Kries anzuf\u00fchren und giebt durch diese partielle Erw\u00e4hnung meiner Beobachtungen dem Leser ein unzutreffendes Bild der Thatsachen. Nun konnte ich aber zeigen, dafs auch bei diesen geringeren Lichtst\u00e4rken der Ablauf der Erregungsvorg\u00e4nge 4\u20147 Secunden und mehr in Anspruch nimmt, sofern nur die Fehler der v. KRiEs\u2019schen Versuchsanordnung vermieden sind.\nDafs v. Kries auch bei den Versuchen mit adaptirtem Auge vermuthlich verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig h\u00f6here Lichtst\u00e4rken angewendet hat, als ich, geht u. A. daraus hervor, dafs er auf die gesteigerte Lichtempfindlichkeit des dunkeladaptirten Auges R\u00fccksicht zu nehmen nicht f\u00fcr n\u00f6thig gefunden hat, w\u00e4hrend ich diesem Umstande selbstverst\u00e4ndlich stets Rechnung getragen habe.\nv. Kries hatte angegeben, dafs die Phase 3 auf der Fovea fehle und hatte dies \u2014 auff\u00e4lligerweise \u2014 mit seiner Hypothese in Einklang gefunden. Bei Vermeidung der Fehlerquellen der v. KRiEs\u2019schen Versuchsanordnung konnte ich mich von dem angeblichen Ausf\u00e4lle jener Phase im fovealen Bezirke nicht \u00fcberzeugen, v. Kries \u00fcbt nun an verschiedenen der von mir angegebenen Versuchsanordnungen Kritik, ohne diese einer Nachpr\u00fcfung unterworfen zu haben. Wenn er sich der kleinen M\u00fche unterzogen h\u00e4tte, die einfachsten meiner Versuche zu wiederholen, so w\u00fcrde er es z. B. nicht \u201ef\u00fcr zweifelhaft halten\u201c k\u00f6nnen, dafs es m\u00f6glich ist, \u201edie selbst nicht sichtbare Mitte\u201c zwischen zwei leuchtenden Fixirzeichen \u201emit gen\u00fcgender Sicherheit zu fixiren, zumal wenn ein relativ helles Object im Gesichtsfeld bewegt wird\u201c. Etwas eingehender mufs ich den folgenden Einwand besprechen: v. Kries sagt: \u201eF\u00fcr empfehlenswerth kann ich auch die von Hess versuchte Methode nicht halten, eine l\u00e4ngere Lichtlinie als Object zu benutzen, deren mittleres St\u00fcck \u00fcber die Fovea l\u00e4uft und nun zu sehen, ob im Nachbild die Linie unterbrochen erscheint. Es ist doch klar, dafs man hier mit all den bekannten Schwierigkeiten zu rechnen hat, die der","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nC. Hefs.\nsubjectiven Wahrnehmung eines kleinen Scotoms immer entgegenstehen. Wenn man eine Lichtst\u00e4rke herstellt, die central nicht gesehen wird, bei der man also ein kleines Object zum centralen Verschwinden bringen kann, und dann eine gr\u00f6fsere Fl\u00e4che von derselben Helligkeit betrachtet, so weifs man, wie schwer es ist, die centrale L\u00fccke sicher wahrzunehmen. Es gelingt wohl, wie Hess selbst angiebt, im ersten Moment der Beobachtung; aber selbst diese Beobachtung erfordert schon grofse Aufmerksamkeit und eine gewisse Hebung. Was will es also besagen, wenn man die centrale Unterbrechung eines Nachbildes nicht constatiren kann.\u201c\nGegen diese Argumentirung ist eine Reihe von Einw\u00e4nden zu erheben. Zun\u00e4chst erscheint es unzul\u00e4ssig, die Verh\u00e4ltnisse bei Beobachtung einer hellen Fl\u00e4che ohne Weiteres auf jene bei Beobachtung einer Lichtlinie zu \u00fcbertragen. Ein einfacher Versuch zeigt ferner, dafs eine noch viel kleinere Unterbrechung der Nachbildlinie, als dem fovealen Bezirke entsprechen w\u00fcrde, deutlich und leicht wahrnehmbar ist.\nIch schiebe \u00fcber die Mitte der zur Reizung benutzten leuchtenden Linie (s. die vorhergehende Abhandlung) einen mattschwarzen Ring von 5 mm Breite. Bewege ich nun die Richtlinie in :\u00ee/4\u20141 m Abstand vor dem Auge vorbei, so f\u00e4llt im Vor-wie im Nachbilde die betreffende Strecke aus; dieser Ausfall ist als deutliche Unterbrechung der Nachbildlinie auff\u00e4llig sichtbar. Nun betr\u00e4gt nach den fr\u00fcheren Angaben von v. Kries der horizontale Durchmesser des dem st\u00e4bchenfreien Netzhautbezirke entsprechenden Gesichtsfeldbezirkes, auf I m Abstand projicirt, 35\u201438 mm f\u00fcr das Auge eines seiner Sch\u00fcler, 55 mm f\u00fcr sein eigenes Auge. Nehmen wir nur 36 mm f\u00fcr diesen Durchmesser an, so m\u00fcfste bei den fraglichen Versuchen (wenn die Linie z. B. von oben nach unten am Auge vor\u00fcbergef\u00fchrt wird) die foveale dunkle Unterbrechung der Nachbildlinie mehr als 5-, bezw. 7 mal l\u00e4nger sein als jene bei Benutzung des Ringes von 5 mm Breite ; da im letzteren Falle die Nachbildunterbrechung noch mit voller Deutlichkeit sichtbar ist, wird man nicht wohl einwenden k\u00f6nnen, es sei zu schwer, die 5\u20147 mal l\u00e4ngere Unterbrechung im ersteren Falle wahrzunehmen. Noch \u00fcberzeugender ist der folgende Versuch: Wenn man einen Draht von weniger als ]/s inm Durchmesser \u00fcber den leuchtenden Schlitz legt, so sieht man selbst jetzt bei Bewegung des Rohres an der dem Drahte entsprechen-","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Eenntnif8 de# Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\n11\nden Stelle des Nachbildes deutlich eine dunkle Unterbrechung; man kann die Lichtst\u00e4rke des Reizlichtes so w\u00e4hlen, dafs die Unterbrechung der Vorbildlinie durch den Draht in Folge der Irradiation kaum oder gar nicht bemerkt wird ; so ist dem etwaigen Einwande vorgebeugt, dafs die sichtbare Unterbrechung des Vorbildes die Sichtbarkeit jener des Nachbildes erleichtern k\u00f6nne. Im Nachbilde ist bei diesem Versuche die Unterbrechung deutlich sichtbar und doch ist ihr Durchmesser kaum den siebzigsten Theil so grofs als die angebliche, dem fovealen Bezirke entsprechende Unterbrechung, von der v. Kbjes meint, dafs sie bei diesen Versuchen zu leicht \u00fcbersehen werden k\u00f6nne!\nFerner l\u00e4fst v. Kries aufser Acht, dafs bei meinen Versuchen die Beobachtung des fovealen Theiles der Nachbildlinie leicht und sicher genug ist, um in vielen F\u00e4llen festzustellen, dafs das foveale Nachbild eine kurze Zeit sp\u00e4ter auftritt, als das extra-foveale, was sich in einer entsprechenden schwachen Einbuchtung der vorderen Grenzlinie des fovealen Nachbildtheiles kund giebt. Solche Erscheinungen kann man doch wohl nur wahrnehmen, wenn der fragliche Nachbildtheil wirklich sichtbar ist.\nEndlich m\u00f6ge mir v. Kries gestatten, darauf aufmerksam zu machen, dafs er selbst das jetzt von ihm so scharf verr urtbeilte Princip der bewegten Lichtlinie empfohlen hat, um die von ihm behauptete foveale Unterbrechung des Nachbildes nachzuweisen, und dies sogar in einem Falle, wo die Wahrnehmung der Erscheinung schwieriger ist als gew\u00f6hnlich. Er schreibt im XII. Bande dieser Zeitschr. S. 93, bei Besprechung der mit sta\u00e7k dunkeladaptirtem Auge wahrnehmbaren Erscheinungen : \u201eDas Fehlen an der Stelle des deutlichsten Sehens ist freilich hier, wo der Schweif sich dem prim\u00e4ren Bilde unmittelbar anschliefst, schwieriger zu sehen. Doch kann man sich auch davon ganz wohl \u00fcberzeugen. Ich fand es dazu am vortheilhaftesten, dem laufenden Lichtbilde die Gestalt eines Streifens zu geben1, der z. B. horizontal liegt und den Fixationspunkt vertical auf steigend passirt. Ueberdies h\u00e4lt man zweckm\u00e4fsig einen Schirm mit seinem oberen horizontalen Rande derart vor die Augen, dafs der blaue Streifen erst dicht am Fixationspunkte dahinter auftaucht. Alsdann sieht man recht gut, dafs das blaue Bild rechts und links zwei weifse Schw\u00e4nze hinter sich herzieht,\n1 Bei v. Kries nicht gesperrt gedruckt.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nC. Hefe.\nwelche gegen den Fixationspunkt zu unscharf begrenzt sind, diesen aber selbst frei lassen. Erst etwas \u00fcber dem Fixationspunkte erstreckt sich der weifse Schein von rechts nach links conti nuirlich.\u201c\nv. Kri ks hat hier den (bei dem Principe der leuchtenden Linie besonders leicht zu vermeidenden) Fehler begangen, einen leuchtenden Fixirpunkt zu benutzen und sich die Beobachtung durch den vorgeschobenen Schirm unn\u00f6thig erschwert. Trotzdem hat ihm die Methode gute Dienste geleistet. Wir begegnen also der bemerkenswerthen Thatsache, dafs v. Kries ein Unter-suchungsprincip als besonders vortheilhaft empfiehlt, wenn die damit gewonnenen Ergebnisse seine Anschauungen zu st\u00fctzen scheinen, dafs er aber dieses Princip scharf verurtheilt, wenn damit Ergebnisse erzielt werden, die seinen Ansichten nicht entsprechen.\nMan kann gegen das Gesagte nicht einwenden, dafs die Einzelheiten des Versuches bei v. Kries etwas andere waren als bei mir. Die Benutzung eines Schirmes sowohl, wie die eines Fixirpunktes machen die Beobachtung nur schwieriger. Denn wenn der blaue Streifen erst dicht am Fixationspunkte hinter dem Schirme auftaucht, so kann ein mehr oder minder grofser Theil des fovealen Bezirkes durch den Schirm ausgeschaltet sein, ein eventueller Ausfall des Nachbildes also immer in kleinerer Ausdehnung statthaben, als ohne Schirm. Ein leuchtender Fixirpunkt ist auch hier durchaus zu verwerfen, da der foveale Bezirk dadurch erm\u00fcdet wTird und da die dauernde Sichtbarkeit dieses Lichtpunktes die Wahrnehmung des fovealen Nachbildes st\u00f6ren mufs. Der Vorzug der Beobachtung mit bewegter Lichtlinie ist ja eben, dafs ein Fixirpunkt ganz \u00fcberfl\u00fcssig ist. Dafs die hier von v. Kries erw\u00e4hnten blauen Lichter wegen der macularen Absorption f\u00fcr diese Versuche vorzugsweise ungeeignet sind, sei nur bei l\u00e4ufig erw\u00e4hnt.\nv. Kries erhebt gegen die von mir angegebenen Methoden noch den folgenden sonderbaren Einwand : \u201eInsbesondere ist die Regulirung der Lichtst\u00e4rke durch Rheostaten ein \u00e4ufserst bedenkliches Verfahren, weil man stets mit der St\u00e4rke des Lichtes auch seine Qualit\u00e4t resp. Zusammensetzung in erheblichstem Maafse \u00e4ndert .... Ohne Anwendung von Rauchgl\u00e4sern u. dergl. ist in der That die Gl\u00fchlampe, wie es scheint, zu diesen Beobachtungen ganz vorzugsweise ungeeignet, weil bei der Abschw\u00e4chung des Gl\u00fchens das Licht roth wird; es ist wohl denkbar, dafs ein f\u00fcr die Beobachtungen qualitativ und quantitativ geeignetes Licht auf keinem Punkte der Gl\u00fchst\u00e4rke erreicht wird.*\u00a3 Es ist unverst\u00e4ndlich, was dieser Einwand soll:","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnif8 des Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\n13\nDie fragliche Versuchsanordnung erf\u00fcllt ihren Zweck vollst\u00e4ndig, sobald sie die Phase 3 deutlich zur Anschauung bringt. Eine Abschw\u00e4chung und damit verbundene Aenderung der Zusammensetzung des Reizlichtes kann doch h\u00f6chstens eine Aenderung in der Farbe oder bei gen\u00fcgender Abschw\u00e4chung ein Farblos- oder Y\u00f6lliges Unsichtbarwerden der 3. Phase zur Folge haben.\nSolange man die Phase 3 auf ihre Farbe, ihr Verhalten im fovealen Bezirke oder bei Dunkeladaptation untersucht, wird man selbstverst\u00e4ndlich nicht das Reizlicht bis zum Unsichtbarwerden der Phase abschw\u00e4chen. Solange sie aber sichtbar ist, kommt die Qualit\u00e4ts\u00e4nderung des Reizlichtes, insoferne durch sie nur die Farbe der dritten Phase ge\u00e4ndert wird, f\u00fcr unsere Er\u00f6rterungen gar nicht in Betracht; v. Kries hat bisher nichts dar\u00fcber angegeben, dafs die Phase 3 bei verschiedener F\u00e4rbung derselben sich auf der Fovea, im adaptirten Auge etc. verschieden verhalte, solange sie \u00fcberhaupt sichtbar ist. (Das von mir benutzte Licht war auch bei der \u00e4ufsersten Abschw\u00e4chung, die ich anwandte, noch deutlich ge 1 broth; die brechbareren Strahlen waren also stets in f\u00fcr unsere Zwecke zureichendem Maafse vorhanden.)\nDieser v. K\u00dfiEs\u2019sche Angriff, dessen Unhaltbarkeit durch das Gesagte schon gen\u00fcgend dargethan ist, mufs um so seltsamer erscheinen, wenn man sich erinnert, dafs v. Kries selbst bei seinen Versuchen zur Abschw\u00e4chung des Reizlichtes Rauchgl\u00e4ser etc. benutzt. Sollte es ihm wirklich ganz unbekannt sein, dafs die gebr\u00e4uchlichen Rauchgl\u00e4ser keineswegs nur auf die Quantit\u00e4t einer Lichtquelle von Einflufs sind, sondern im Allgemeinen auch die Qualit\u00e4t merklich ver\u00e4ndern? Der spectro-skopische Vergleich einer beliebigen Lichtquelle bei directer Betrachtung und bei Betrachtung durch einige rauchgraue Gl\u00e4ser gen\u00fcgt zum Nachweise dieser \u00fcbrigens wohl allgemein bekannten Thatsache. Was also der Einwand gegen die von mir benutzte Methode der Abschwr\u00e4chung des Reizlichtes soll, ist nicht einzusehen.\nEs ist einleuchtend, dafs f\u00fcr systematische Versuche die Methode der allm\u00e4hlichen Abschw\u00e4chung des Reizlichtes in jeder Hinsicht den Vorzug verdient vor der v. K\u00dfiEs\u2019schen Abschw\u00e4chung mittels Rauchgl\u00e4sern; denn die letzteren gestatten doch immer nur eine eng begrenzte Zahl von Abstufungen der Lichtst\u00e4rken.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nC. He\u00df.\nUeber den Einflufs der Adaptation auf die fraglichen Nachbilderscheinungen finden wir bei v. Kries dreierlei mit einander in Widerspruch stehende Angaben: In seinen ersten Aufs\u00e4tzen gab er an, dafs das fragliche Nachbild (Phase 3) \u201ebei dunkel-adaptirtem Auge bei Weitem am sch\u00f6nsten zu sehen sei\u201c. In den folgenden Aufs\u00e4tzen hiefs es im Gegentheil, dafs \u201edie sch\u00f6nste und eleganteste Erscheinungsweise bei hell- oder schwach dunkeladaptirtem Auge gesehen werde\u201c, ja dafs durch lange Dunkeladaptation die Phase 3 \u201ewirklich fortf\u00e4llt\u201c. Nachdem ich die Unrichtigkeit dieser letzteren Angaben in einer besonderen Untersuchungsreihe mit langdauernder Dunkeladaptation nachgewiesen hatte, wurde der fragliche Punkt, obschon ihn v. Kries fr\u00fcher als \u201ebesonders wichtig\u201c bezeichnet hatte, in einer gegen meine Untersuchungen gerichteten Abhandlung eines v. KRiEs\u2019schen Sch\u00fclers (Samoiloee) vollst\u00e4ndig mit Stillschweigen \u00fcbergangen. In seiner letzten Arbeit wiederum macht v. Kries \u00fcber den Einflufs der Adaptation folgende Angaben:\n\u201eDas secund\u00e4re Bild (sc. Phase 3), welches ca. a/.5 Sec. nach dem prim\u00e4ren beginnt, zeigt eine mit zunehmender Dunkeladaptation best\u00e4ndig zunehmende L\u00e4nge, ist aber zuerst ganz kurz, um sich erst allm\u00e4hlich in einen l\u00e4ngeren und l\u00e4ngeren Schweif auszuziehen. Von der Lichtst\u00e4rke h\u00e4ngt es ab, ob das secund\u00e4re Bild sogleich nach Verdunkelung des Beobachtungsraumes sichtbar ist oder erst nach k\u00fcrzerem oder l\u00e4ngerem Dunkelaufenthalt sichtbar wird. Nach l\u00e4ngerer Adaptation ist der Schweif so lang, dafs die ganze Peripherie mit einem Lichtnebel erf\u00fcllt erscheint.\u201c\nNach diesen \u00a7o verschiedenen Angaben kann kein Leser sich ein Bild davon machen, welches nun eigentlich v. Kries\u2019 Ansicht \u00fcber den Einflufs der Adaptation ist, noch viel weniger von den Thatsachen selbst. Es ist daher vielleicht nicht \u00fcberfl\u00fcssig, wenn ich betone, dafs der Typus des Verlaufes der Nachbilder bei allen Graden von Dunkeladaptation der gleiche ist, wie imhell-adaptirten Auge, sofern nur der gesteigerten Lichtempfindlichkeit des dunkeladaptirten Auges durch entsprechende Minderung der Lichtst\u00e4rke des Beizlichtes Rechnung getragen ist. Auch diese Vorsichtsmaafsregel hat v. Kries aufser Acht gelassen; ich mufs es dahingestellt sein lassen, ob hierauf seine von den meinigen abweichenden Angaben bezogen werden k\u00f6nnen. Jedenfalls kann man oft beobachten, dafs bei einer f\u00fcr das helladaptirte","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnifs des Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\n15\nAuge passenden Lichtst\u00e4rke des Reizlichtes das gut dunkel-adaptirte die Phase 3 nicht mehr deutlich wahrnimmt, dafs aber dann eine entsprechende Verminderung dieser Lichtst\u00e4rke gen\u00fcgt, um die fragliche Phase wieder mit voller Deutlichkeit hervortreten zu lassen. Auch die Angabe, dafs \u201enach l\u00e4ngerer Adaptation der Schweif so lang sei, dafs die ganze Peripherie von einem Lichtnebel erf\u00fcllt erscheint\u201c beweist, dafs v. Kries hier zu hohe Lichtst\u00e4rken benutzt hat, jedenfalls viel h\u00f6here als ich bei meinen Versuchen mit adaptirtem Auge. Denn wenn man der gesteigerten Lichtempfindlichkeit entsprechend die Lichtst\u00e4rke des Reizlichtes mindert, so erscheint auch nach viel-st\u00fcndiger Dunkeladaptation die Form der Phase 3 im Wesentlichen genau so, wie dem helladaptirten Auge bei gleicher Geschwindigkeit der Bewegung, nicht aber in einen langen Schweif ausgezogen. Die Dauer der Sichtbarkeit dieser Phase \u00fcbertrifft auch im adaptirten Auge jene der Sichtbarkeit des Vorbildes nur wenig.\nEndlich hatte ich in meiner Arbeit den Nachweis geliefert, dafs die v. KaiEs\u2019schen Beobachtungen, selbst wenn sie richtig w\u00e4ren, nicht als St\u00fctze f\u00fcr die von ihm gemachte Annahme aufgef\u00fchrt werden k\u00f6nnten, wonach sich die Erregung in den Zapfen in Gem\u00e4fsheit der Youxo-HELMHOLTz\u2019schen Theorie abspielen soll und dafs die Erkl\u00e4rung in einer anderen als der von v. Kries gewollten Richtung gesucht werden m\u00fcsse. Als Beispiel f\u00fchrte ich (unter eingehender Begr\u00fcndung) an, nach seiner Theorie w\u00e4re zu erwarten, dafs die Phase 3 im fovealen, st\u00e4bchenfreien Bezirke nicht ausfiele, sondern dafs hier eine sehr ges\u00e4ttigte farbige Strecke, dunkler als die Umgebung, sichtbar werden m\u00fcfste und dafs ein Gleiches, aus anderen Gr\u00fcnden, f\u00fcr das dunkeladaptirte Auge zu vermuthen w\u00e4re.\nv. Kries fafst in seiner Entgegnung seine Ansicht noch einmal dahin zusammen, \u201edafs eine eigenartige Function nachgewiesen werden kann, hinsichtlich deren auch bei schwach oder gar nicht dunkeladaptirtem Auge die Reizwerthe der verschiedenen Lichter sich wie die D\u00e4mmerungswerthe verhalten und dafs diese Function in einem centralen Bereich fehlt . . . Ueber ihre (sc. dieser Constatirung) theoretische Bedeutung weiter zu streiten, d\u00fcrfte kaum von Nutzen sein.\u201c\nIch bedauere auch hier einen von dem v. KmEs\u2019schen durchaus verschiedenen Standpunkt einnehmen zu m\u00fcssen. Solange","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nC. He\u00df.\nman eine Theorie vertritt, sollte man, wie mir scheint, auch bem\u00fcht sein, auff\u00e4llige Widerspr\u00fcche zwischen dieser und einer Reihe fundamentaler, leicht zu constatirenden Thatsachen zu erkl\u00e4ren, wenn letztere urspr\u00fcnglich zur St\u00fctze der Theorie herangezogen worden waren. Denn wer auf eine L\u00f6sung solcher Widerspr\u00fcche verzichtet, kann leicht in den Verdacht kommen, eine befriedigende Erkl\u00e4rung der Thatsachen nicht geben zu k\u00f6nnen.\nDie Hypothese, die von Kries vertheidigt, stellt insofern eine wesentliche Ann\u00e4herung an die von Hering seit langer Zeit vertretenen Anschauungen dar, als sie eine von der farbigen mehr oder weniger unabh\u00e4ngige farblose Empfindungsreihe annimmt. In seinen ersten Abhandlungen machte v. Kries diese Annahme nur f\u00fcr die extrafoveale Netzhaut, sp\u00e4ter, auf die von Hering, Tschermak, mir u. A. gemachten Einwendungen hin, hat er die M\u00f6glichkeit einer solchen von der farbigen mehr oder weniger unabh\u00e4ngigen farblosen Empfindungsreihe auch f\u00fcr den fovealen Bezirk zugegeben, wo der \u201eDunkelapparat\u201c \u201emir in \u00e4ufserst reducirtem Maafse\u201c vorhanden sein soll. v. Kries nimmt also hier nur noch quantitative Unterschiede zwischen fovealem und extrafovealem Gebiete an. In seiner letzten Abhandlung aber spricht er wieder von dem \u201eFehlen\u201c der fraglichen Function in einem centralen Bereich. Es ist also auch hier schwer zu ersehen, welches eigentlich die v. KRiEs\u2019sche Ansicht ist ; f\u00fcr die Theorie ist dies insofern gleichg\u00fcltig, als die Thatsachen mit der einen wie mit der anderen Fassung der Hypothese in Widerspruch stehen.\nAus meinen Beobachtungen geht hervor, dafs v. Kries in Folge der mehrerw\u00e4hnten Fehler seiner Untersuchungsmethoden die drei der Zeit nach l\u00e4ngsten Phasen des nach kurzdauernder Reizung des Sehorgans wahrnehmbaren Nachbildverlaufes ganz \u00fcbersehen hat, die einen integrirenden Bestandtheil des Ph\u00e4nomens bilden, bei den von ihm in der Regel benutzten Lichtst\u00e4rken stets vorhanden und bei richtiger Versuchsanordnung leicht wahrnehmbar sind ; ferner, dafs seine Angaben \u00fcber das Fehlen der Phase 3 im fovealen Gebiete und bei l\u00e4ngerer Dunkeladaptation den Thatsachen nicht entsprechen. Weiter zeigte sich, dafs die fraglichen von mir mitgetheilten Thatsachen und Beobachtungen an Normalen wie an total Farbenblinden","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnif8 des Ablaufes der Erregung im Sehorgan.\t17\nin Widerspruch stehen mit der v. KaiEs\u2019schen Hypothese so- N wohl in deren \u00e4lterer, wie in der neueren Fassung, insoweit diese Hypothese neu und v. Kbies eigenth\u00fcmlich ist\nErkl\u00e4rung der Abbildung.\nIn der Figur habe ich versucht, eine ann\u00e4hernde Vorstellung der vorstehend geschilderten Erscheinungen zu geben, wie sie bei in\u00e4faiger Lichtst\u00e4rke des Reizlichtes wahrnehmbar sind. Der mit solchen Versuchen Vertraute weife, wie schwierig es ist, eine so fl\u00fcchtige Erscheinung natur* getreu wiederzugeben; ich betone daher ausdr\u00fccklich, dafs die Abbildung vorwiegend zu dem Zwecke angefertigt wurde, das Verst\u00e4ndnifs der Beschreibung zu erleichtern und f\u00fcr Nachpr\u00fcfungen einen Anhaltspunkt zu geben. Ich habe von den Nachbildern des bewegten gelbrothen Objectes nur die ersten 5 Phasen wiedergegeben ; der Phase 5 folgt an den von objectivem Lichte getroffenen Stellen stets (auch bei sehr geringen Lichtst\u00e4rken des Reizlichtes) eine 6. Phase als sehr dunkles Band in weniger dunkler Umgebung, das meist mehrere Secunden lang sichtbar, und ebenso wie Phase 4 und \u00f6 von v. Kribs ganz \u00fcbersehen worden ist.\n(Eingegangen am 15. Juni 1901.)\n*\nZeitschrift fdr Psychologie 27.","page":17},{"file":"p0144s0001table1.txt","language":"de","ocr_de":"\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie, Bd. 27.\nTafel L\nC.JZess.\nZith. C.Kirst \u25a0\u00a3 CP Leipzig.","page":0}],"identifier":"lit31873","issued":"1902","language":"de","pages":"1-17","startpages":"1","title":"Zur Kenntni\u00df des Ablaufs der Erregung im Sehorgan","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:26:03.502931+00:00"}