Open Access
{"created":"2022-01-31T16:28:17.817582+00:00","id":"lit31881","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schultze, Ernst","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 106-108","fulltext":[{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nLiteraturbericht.\n.Schwelle aber, mittelbare und unmittelbare Reproduction und die Weiterbildung und eine erhebliche Kl\u00e4rung des Begriffes Apperception ihm allein verdankt, lehnt sie aufs entschiedenste seine Verstellungs-Mechanik und -Dynamik ab. Aehnlicherweise bringt Herbabt in der Lehre von den Gef\u00fchlen manche gl\u00fcckliche und werthvolle Beobachtung, in der theoretischen Deutung und Herleitung der Gef\u00fchle und Affecte jedoch kann ihm die moderne Psychologie nicht folgen. Der letzte Abschnitt endlich ist Herbabt'* Willenslehre gewidmet, in der manch ein bedeutender Grundsatz der modernen Psychologie schon zur Geltung gekommen ist. Abschliefeend kennzeichnet Z. nochmal die Unterschiede, welche trotz vielfacher lieber-einstimmung in wichtigen Punkten die beiden Richtungen trennen. Dabei kann Ref. freilich nicht verhehlen, dafs seines Erachtens Verf. den Werth der Physiologie, von ihrem noch unbefriedigenden Stand ganz abgesehen, f\u00fcr die Psychologie etwas \u00fcbersch\u00e4tzt, die Thatsache aber, dafs die physio-logischerseits beobachteten Vorg\u00e4nge ihre Deutung doch erst erhalten durch die Psychologie, nicht hinreichend w\u00fcrdigt. Mit dem sehr beachtenswerthen Hinweis, dafs auch die grofsen Verdienste Herbart\u2019s um die P\u00e4dagogik kein Grund sein k\u00f6nnen, seine Psychologie der modernen vorzuziehen, einfach deshalb weil sich sein p\u00e4dagogisches System auch mit den letzteren recht gut in Einklang bringen l\u00e4fst, schliefst diese werthvolle, zum gegenseitigen Verst\u00e4ndnifs nicht wenig beitragende Untersuchung.\nOffner (M\u00fcnchen).\nP. J. M\u00f6bius. Stachyologle. Weitere vermischte A\u00fcf&\u00e4tie. Leipzig, J. A. Barth,\n1901. 219 S.\nDie vorliegende \u201eAehrenlese\u201c der wie immer anregend geschriebenen Aufs\u00e4tze widmet Verf. dem Andenken Fechner\u2019s zu seinem demn\u00e4chstigen 100 j\u00e4hrigen Geburtstage. Ein Theil der Aufs\u00e4tze liegt aufserhalb des Rahmens der vorliegenden Zeitschrift; andere wie z. B. der \u00fcber Entartung ist bereits hier referirt. Folgendes m\u00f6ge daher gen\u00fcgen.\nDafs dem Psychiater mit so viel Mifetrauen begegnet wird, liegt nach Verf. unter Anderem daran, dafs er sich zu sehr f\u00fcr sich, fern von der Welt h\u00e4lt. Der Psychiater sollte vielmehr sein Reich ausdehnen und auf Eroberungen ausziehen; er sollte die Literaturbetrachtung in den Kreia seiner Arbeit ziehen und vor Allem weniger die Minderwerthigen als vielmehr die Mehrwerthigen studiren, um so unser Wissen von den Talenten, ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Organisation des Individuums, von dem Einfl\u00fcsse der Vererbung etc. aufzukl\u00e4ren. Das ist der Inhalt seiner Ausf\u00fchrungen \u00fcber \u201ePsychiatrie und Literaturgeschichte\u201c.\nWie sehr die Psychiatrie geeignet ist, uns \u00fcber das Wesen von Pers\u00f6n-lichkeiten aufzukl\u00e4ren, das hat M. selbst mit seiner bekannten Arbeit bewiesen, die die Krankengeschichte Rousseau\u2019s betrifft, von seinen anderen Studien gar nicht zu reden. Hier (\u201eUeber J. J. Rousseau\u2019s Jugend\u201c) berichtet er des Genaueren \u00fcber Rousseau\u2019s Jugend, und beweist damit, dafs seine sp\u00e4tere Paranoia, der wir seine Bekenntnisse verdanken, nur der Ausdruck der ererbten Entartung war. Die Art und Weise, wie Rousseau seine Jugend zubrachte, ebnete den Boden f\u00fcr die sp\u00e4tere Paranoia, aber sie schuf auch die Eigenartigkeit seiner Pers\u00f6nlichkeit.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n107\nIn einem weiteren Aufs\u00e4tze (\u201eUeber das Studium der Talente\u201c) tadelt er die Methode des Vorgehens Lombroso\u2019s bei seinen Studien \u00fcber den genialen Menschen. Verf. verlangt Einzeluntersuchungen und ein Ausgehen von bestimmten F\u00e4higkeiten. Bei der Besprechung des Talents soll die m\u00f6glichst sorgf\u00e4ltige Pr\u00fcfung des Menschen, bei dem das Talent im h\u00f6chsten Grade beobachtet worden ist, den Kern der Arbeit ausmachen. Wie schwierig freilich die Begriffe des Talents und des Genies, die, da sie nur quantitativ verschieden sind, nicht scharf von einander getrennt werden k\u00f6nnen, gegebenenfalls abzugrenzen sind, zeigt Verf. an den Beispielen der Musik, Malerei und Bildhauerkunst, Architektur, Dichtkunst. Auch die Ueberg\u00e4nge m\u00fcssen nat\u00fcrlich studirt werden, sowie Heredit\u00e4t, die Jugendzeit, die anderen Eigenschaften der Begabten. Insofern ist das Talent immer etwas Pathologisches, als es einer St\u00f6rung des normalen Gleichgewichts der geistigen F\u00e4higkeiten entspricht.\nDas Talent zu den bildenden K\u00fcnsten und zur Musik ist, wie M. im folgenden Aufsatze (\u201eUeber die Vererbung k\u00fcnstlerischer Talente\u201c) auseinandersetzt, gleich dem mathematischen Talent angeboren und findet sich oft mehrfach in einer Familie. Die Vererbung gehe in erster Linie vom Vater aus. Die Mutter spiele dabei nur eine untergeordnete Rolle, ohne dafs ihre Beschaffenheit gerade gleichg\u00fcltig w\u00e4re. Das weibliche Talent findet sich nur recht selten. Das k\u00fcnstlerische Talent des Mannes vergleicht er geradezu mit einem secund\u00e4ren Geschlechtszeichen, wie es der Bart ist.\nIn naher Beziehung zu diesen Aufs\u00e4tzen stehen die beiden folgenden Abhandlungen (\u201eUeber einige Unterschiede der Geschlechter\u201c, \u201eUeber den physiologischen Schwachsinn des Weibes\u201c), in denen das Weib wenig gut wegkommt. Worauf er hinaus will, sagt M. selbst mit folgenden Worten: \u201eDie Aufgabe des Mannes ist, zu zeugen, die des Weibes, zu geb\u00e4ren und das Kind zu pflegen. Die m\u00e4nnliche Th\u00e4tigkeit ist sehr rasch erledigt, die weibliche f\u00fcllt einen grofsen Theil des Lebens aus. Es ist daher nicht erstaunlich, wenn auch im geistigen Sinne das Geschlechtliche den Kern und das Wesen des weiblichen Lebens bildet, w\u00e4hrend es f\u00fcr das Bewufst-sein des Mannes eine Episode ist.\u201c Ohne Mann keinen Fortschritt, sondern allgemeine Stagnation. In dem zweiten Aufs\u00e4tze wird die geistige Inferiorit\u00e4t des Weibes im Vergleich zum Manne noch sch\u00e4rfer zum Ausdruck gebracht. Er hebt darin weiter hervor, dafs die dem Weibe karger zubemessenen Geistesgaben viel schneller abblassen als beim Manne. Der Schwachsinn des Weibes ist nicht nur ein physiologisches Factum, sondern auch ein physiologisches Postulat. Daher weg mit dem Intellectualismus des Weibes. Auf die Nachschrift, in der er sich mit seinen Kritikern auseinandersetzt, sei besonders hingewiesen; hier gen\u00fcge nur, die eine Bemerkung mitzutheilen, dafs noch Niemand den Muth gefunden habe, ihm \u00f6ffentlich zuzustimmen. \u2014\nIn einem letzten Aufs\u00e4tze, betitelt \u201eUeber M\u00e4fsigkeit und Enthaltsamkeit\u201c sucht er die Gegens\u00e4tze auszugleichen, die zwischen den zwei Richtungen der directen Bek\u00e4mpfung des Alkoholismus, den M\u00e4fsigen und den Enthaltsamen, bestehen, und den Nachweis zu erbringen, dafs angesichts der Uebereinstimmung beider Parteien \u00fcber die Sch\u00e4dlichkeit und","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nLiteraturbericht.\nNutzlosigkeit des Alkohols eine Einigung in diesem h\u00f6chst unn\u00f6thigen Streite wohl zu erzielen sei. Es komme vor Allem mehr auf die Energie als auf die letzte Absicht des Handelns an, mehr auf das positive Thun des einzelnen Streiters als auf sein Verhalten. Verf. theilt auch seine Antwort auf die ihm darauf gewordenen Entgegnungen mit. Er betont darin, dafs die Nutzlosigkeit der M\u00e4fisigkeit bisher noch nicht erwiesen sei, und beweist, warum davon keine Bede sein kann, dafs es ebensowenig sicher gestellt sei, dafs die M\u00e4fsigen die Verf\u00fchrer abg\u00e4ben, dafs vielmehr die Trinksitten und die Unwissenheit des Volkes in erster Linie schuld sind an der weiten und weiteren Verbreitung der Trunksucht.\nErnst Schultze (Andernach).\nJ. Orchansky. Le m\u00e9canisme des ph\u00e9nom\u00e8nes nervenz. R\u00e9sum\u00e9 et conclusions g\u00e9n\u00e9rales (Ouvrage publi\u00e9 par l\u2019Acad. des Sciences de St. Petersbourg). Annalen der Unie. Charkow. 38 S. 1898.\nVerf. versucht eine allgemeine chemisch-physikalisch-biologische Theorie der Erregungsvorg\u00e4nge im Nervensystem zu construiren. Als vielleicht erw\u00e4hnenswerth und charakteristisch f\u00fchre ich folgende Einzels\u00e4tze dieser Theorie an. Verf. nimmt neben den chemischen Processen physikalische (ondes, vibrations) an. Die H\u00f6he der Erregbarkeitsschwelle soll dem Durchmesser der gereizten Nervenfasern umgekehrt proportional sein. Das Ged\u00e4chtnifs bezw. die Uebung und Association beruht auf der Verl\u00e4ngerung (und damit Verschm\u00e4lerung) der Endver\u00e4stigungen der Fasern und Zellen und auf der tempor\u00e4ren Bildung neuer Ver\u00e4stigungen. Das Hinzukommen eines psychischen Parallelprocesses h\u00e4ngt nicht allein von der Intensit\u00e4t des Reizes (H\u00f6he der Reizschwelle), sondern namentlich auch von den zeitlichen Verh\u00e4ltnissen und der speciellen Form der Erregungswelle ab. Bewufst wird der Procefs dann, wenn alle Erregungs-Wellen zu einem Ganzen vereinigt werden, und die neue Erregungswelle mit allen alten verbunden wird ; deshalb ist das Bewufstsein vor Allem an eine gewisse Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung in den Centren gekn\u00fcpft u. s. f.\nln einem Anhang versucht Verf. eine mathematische Ableitung der Beziehungen zwischen Reiz, Erregung und Empfindung zu geben. Der Hauptfehler der Ableitung liegt in der Escamotage des Functionszeichens (S. 29 unten).\tZiehen (Utrecht).\nR. M\u00fcller. Ueber Mosso\u2019b Ergogr&phen mit R\u00fccksicht auf seiie fljrt\u00ae-logischen and psychologischen Anwendungen. Wund Vs Philos. Studien 17 (1), 1\u201429. 1901.\nIn dieser werthvollen und sehr interessanten Studie unterwirft der Verf. auf Grund von Beobachtungen, die in Wundt\u2019s Institut ausgef\u00fchrt wurden, die Leistungsf\u00e4higkeit des Mosso\u2019schen Ergographen einer eingehenden Kritik. Er f\u00fcgt seiner Darstellung hinzu, dafs die Verantwortlichkeit f\u00fcr ihren polemischen Inhalt ausschliefslich auf ihn allein falle.\nDer Verf. sucht zun\u00e4chst zu zeigen, \u201edafs nicht ein Muskel odereine kleine scharf bestimmte Muskelgruppe bei der Entstehung des Ergogramms","page":108}],"identifier":"lit31881","issued":"1902","language":"de","pages":"106-108","startpages":"106","title":"P. J. M\u00f6bius: Stachylogie. Weitere vermischte Aufs\u00e4tze. Leipzig, J. A. Barth, 1901. 219 S","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:28:17.817588+00:00"}