Open Access
{"created":"2022-01-31T16:27:14.774607+00:00","id":"lit31883","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 108-111","fulltext":[{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nLiteraturbericht.\nNutzlosigkeit des Alkohols eine Einigung in diesem h\u00f6chst unn\u00f6thigen Streite wohl zu erzielen sei. Es komme vor Allem mehr auf die Energie als auf die letzte Absicht des Handelns an, mehr auf das positive Thun des einzelnen Streiters als auf sein Verhalten. Verf. theilt auch seine Antwort auf die ihm darauf gewordenen Entgegnungen mit. Er betont darin, dafs die Nutzlosigkeit der M\u00e4fisigkeit bisher noch nicht erwiesen sei, und beweist, warum davon keine Bede sein kann, dafs es ebensowenig sicher gestellt sei, dafs die M\u00e4fsigen die Verf\u00fchrer abg\u00e4ben, dafs vielmehr die Trinksitten und die Unwissenheit des Volkes in erster Linie schuld sind an der weiten und weiteren Verbreitung der Trunksucht.\nErnst Schultze (Andernach).\nJ. Orchansky. Le m\u00e9canisme des ph\u00e9nom\u00e8nes nervenz. R\u00e9sum\u00e9 et conclusions g\u00e9n\u00e9rales (Ouvrage publi\u00e9 par l\u2019Acad. des Sciences de St. Petersbourg). Annalen der Unie. Charkow. 38 S. 1898.\nVerf. versucht eine allgemeine chemisch-physikalisch-biologische Theorie der Erregungsvorg\u00e4nge im Nervensystem zu construiren. Als vielleicht erw\u00e4hnenswerth und charakteristisch f\u00fchre ich folgende Einzels\u00e4tze dieser Theorie an. Verf. nimmt neben den chemischen Processen physikalische (ondes, vibrations) an. Die H\u00f6he der Erregbarkeitsschwelle soll dem Durchmesser der gereizten Nervenfasern umgekehrt proportional sein. Das Ged\u00e4chtnifs bezw. die Uebung und Association beruht auf der Verl\u00e4ngerung (und damit Verschm\u00e4lerung) der Endver\u00e4stigungen der Fasern und Zellen und auf der tempor\u00e4ren Bildung neuer Ver\u00e4stigungen. Das Hinzukommen eines psychischen Parallelprocesses h\u00e4ngt nicht allein von der Intensit\u00e4t des Reizes (H\u00f6he der Reizschwelle), sondern namentlich auch von den zeitlichen Verh\u00e4ltnissen und der speciellen Form der Erregungswelle ab. Bewufst wird der Procefs dann, wenn alle Erregungs-Wellen zu einem Ganzen vereinigt werden, und die neue Erregungswelle mit allen alten verbunden wird ; deshalb ist das Bewufstsein vor Allem an eine gewisse Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung in den Centren gekn\u00fcpft u. s. f.\nln einem Anhang versucht Verf. eine mathematische Ableitung der Beziehungen zwischen Reiz, Erregung und Empfindung zu geben. Der Hauptfehler der Ableitung liegt in der Escamotage des Functionszeichens (S. 29 unten).\tZiehen (Utrecht).\nR. M\u00fcller. Ueber Mosso\u2019b Ergogr&phen mit R\u00fccksicht auf seiie fljrt\u00ae-logischen and psychologischen Anwendungen. Wund Vs Philos. Studien 17 (1), 1\u201429. 1901.\nIn dieser werthvollen und sehr interessanten Studie unterwirft der Verf. auf Grund von Beobachtungen, die in Wundt\u2019s Institut ausgef\u00fchrt wurden, die Leistungsf\u00e4higkeit des Mosso\u2019schen Ergographen einer eingehenden Kritik. Er f\u00fcgt seiner Darstellung hinzu, dafs die Verantwortlichkeit f\u00fcr ihren polemischen Inhalt ausschliefslich auf ihn allein falle.\nDer Verf. sucht zun\u00e4chst zu zeigen, \u201edafs nicht ein Muskel odereine kleine scharf bestimmte Muskelgruppe bei der Entstehung des Ergogramms","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n109\nthfttig sind, sondern eine ganze Anzahl von Muskeln\u201c und rdafs Mosso\u2019s Annahmen \u00fcber die physiologischen Vorg\u00e4nge bei der Fingerbeugung und \u2022Stockung theils unzul\u00e4nglich, theils falsch sind\u201c. \u201eDemjenigen, der zum ersten Male ohne gen\u00fcgende Vorsicht und Vorkenntnisse an die Benutzung des Ergographen herantritt, k\u00f6nnte es scheinen, .... als ob das Werthvolle der Versuchstechnik mit dem Ergographen darin bestehe, dafs die Isolirung der langen Fingerbeuger durchgef\u00fchrt sei, dafs also die Verh\u00e4ltnisse in der Weise vereinfacht seien, wie wenn man an einem isolirten Froschgastrocnemius arbeite. Dem ist aber nicht so.\u201c\nBei aufmerksamer Beobachtung des Handr\u00fcckens w\u00e4hrend der Arbeit mit dem Ergographen wurden Bewegungen in den Interstitien der Metacarpalknochen bemerkt, die der Verf. auf eine Betheiligung der Interossei zur\u00fcckf\u00fchrt. Er erinnert an die bekannten Arbeiten von Duchenke (Physiologie der Bewegungen, \u00fcbersetzt von C. Webnicke 1885) und f\u00fchrt aus, dafs die Extens. dig. und die langen Fingerbeuger wohl nicht alle Phalangen gleichm\u00e4fsig bewegen, ja gewisse Phalangen sich der Th\u00e4tigkeit dieser Muskeln ganz entziehen und dafs gerade auf die Wirkung der anderen eingreifenden Muskeln die gr\u00f6fste Bedeutung zu legen sei. \u201eDabei handelt es sich nicht nur um die Betheiligung eigentlicher Beuger, sondern auch um synergistische und wohl auch antagonistische Bewegungsvorg\u00e4nge.\u201c Es wird ferner gezeigt, dafs bei jeder Volarflexion der Grundphalange des belasteten Mittelfingers auch die Extensoren und Flexoren der Handwurzel \u201emit immer wachsenden Betr\u00e4gen\u201c mitwirken und dafs sich dieselben Verh\u00e4ltnisse bei der Streckung wiederholen, \u201eindem die Beugemuskeln der Hand gegen den Vorderarm bei der willk\u00fcrlichen Contraction des Extensor communis und der Extensores digitor. proprii eine synergistische Function zu erf\u00fcllen haben, die derjenigen vollkommen entspricht, welche die Streckmuskeln der Hand gegen den Vorderarm bei der willk\u00fcrlichen Contraction des Flexor digitorum comm. sublimis und profundus zu leisten haben (Duchenne).\u201c Der Verf. sucht dann weiter die Function der beiden langen Fingerbeuger festzustellen und gelangt zu dem Ergebnifs: \u201eDie Interossei wirken nicht nur nebens\u00e4chlich mit, sondern sie sind beinahe die wichtigsten Muskeln f\u00fcr die Entstehung des Ergogramms\u201c, und er f\u00fcgt hinzu, dafs auch durch eine n\u00e4here Untersuchung der Sehnenverh\u00e4ltnisse die Behauptung einer physiologischen Isolirung der langen Fingerbeuger hinf\u00e4llig werde.\nDie bei fortschreitender Erm\u00fcdung angestellten Beobachtungen ergaben dann weiter, dafs auch die langen Daumenmuskeln, der Brachial is internus, die Tricepsgruppe und der Biceps bei der Bewegung mitwirkten, ja dafs die ganze Schultermuskulatur bis zum Omohyideus daran betheiligt sein kann und dafs bei hohen Belastungen, die mit Anstrengung ausgef\u00fchrt werden m\u00fcssen, sogar Bewegungen in den Wirbelgelenken stattfinden. \u201eDas Ergogramm ist also kurz gesagt, die Resultante einer Reihe sich superponirender Wirkungen verschiedener Muskelgruppen, die in ganz verschiedener Weise erm\u00fcdet werden.\u201c Diese Thatsache, dafs der Erm\u00fcdungszustand der einzelnen mitwirkenden Muskeln bei Aufnahme eines Ergogramms ein ungleicher","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nLiteraturbericht.\nsein mufis, klar erkannt und gezeigt zu haben, ist ein nicht geringes Verdienst des Verf.\u20198.\nDie Verwendbarkeit des Apparates in der experimentellen Schulpsychologie wird vom Verf. \u2014 und zwar mit vollem Recht \u2014 verworfen. Der Ergograph ist zur Gewinnung von Erm\u00f6dungscurven nach Mclub immerhin brauchbar, aber die Deutung der Curven kann in zuverl\u00e4ssiger Weise nur von Jemand unternommen werden, dem die genauere Anatomie und die Mechanik des Bewegungsapparates hinreichend bekannt sind.\nInteressant sind die Faradisirungsversuche des Verf.\u2019s. Mosso hatte geschrieben : \u201eL\u2019excitation \u00e9lectrique t\u00e9tanisante du nerf, continu\u00e9e jusqn\u2019 \u00e0 l\u2019\u00e9puisement de la force du muscle, laisse encore chez celui-ci un reste d\u2019\u00e9nergie, qui peut \u00eatre utilis\u00e9e par la volont\u00e9, et vice versa, la volont\u00e9 laisse un reste de force qui peut \u00eatre utilis\u00e9e et mise en action par l\u2019\u00e9lectricit\u00e9.\u201c Dagegen zeigt M\u00fcller, dafs in beiden F\u00e4llen verschiedene Muskeln erm\u00fcdet werden, indem die bei willk\u00fcrlicher Contraction in Wirksamkeit tretenden Interossei bei der Faradisirung vom Medianus aus (wie im Mosso-sehen Fall) unbetheiligt bleiben. Durch gleichzeitige Erm\u00fcdung der langen Fingerbeuger und der Interossei durch den faradischen Strom erhielt der Verf. Curvenbilder, die von den Mosso\u2019schen abwichen. Verf. glaubt, dafe hierdurch auch die Mosso\u2019sche Folgerung widerlegt werde: \u201eD\u2019apr\u00e8s ce> recherches la fatigue centrale ou nerveuse apparait avec \u00e9vidence. Nom voyons en effet, que durant le repos de la volont\u00e9 la fonction des morne-ments volontaires s'am\u00e9liore; et l\u2019am\u00e9lioration ne peut \u00eatre p\u00e9riph\u00e9rique parce que nous ne laissons pas au muscle le temps de se reposer.\u201c\nDurch ein n\u00e4heres Eingehen auf die muskelphysiologischen Arbeiten von Mosso, Wedenski, Maschek, Bowditch, Funke, Marey, Rollett, W\u00fcxdt, Volkmann, Magoiora, Kronecker, Hermann, Tiegel, Rossbach und Hartkack sucht der Verf. weiter zu zeigen, wie complicirt diese Verh\u00e4ltnisse sind und welche Factoren hier vor Allem mitwirken und in Betracht zu ziehen sind.\nIn einem zweiten Theile der Arbeit sucht der Verf. dann auf einige vorwiegend psychologische Gesichtspunkte hinzuweisen, die f\u00fcr die Beurtheilung des Ergogramms von Bedeutung sind, hebt aber hervor, dzfe diese Ausf\u00fchrungen nicht ersch\u00f6pfend sein k\u00f6nnen (\u2014- es sind die letzten f\u00fcnf Seiten der Arbeit \u2014), sondern dafs in denselben nur auf das f\u00fcr die Kritik des Ergogramms Wichtige aufmerksam gemacht werden soll. Ea wird des Weiteren daneben ausdr\u00fccklich betont, dafs an der in dieser Beziehung in der Psychologie eingetretenen Begriffsverwirrung Mosso unbetheiligt und v\u00f6llig schuldlos ist.\nDiese Ausf\u00fchrungen lassen sich kurz vielleicht folgenderma\u00dfen wiedergeben : Es sind vorl\u00e4ufig alle jene Theorien zu verwerfen, welche zwischen der centralen Erm\u00fcdung und der im Ergogramm zum Ausdruck kommenden peripheren irgendwelche Relation herzustellen suchen. Verwendbar ist der Ergograph zur Zeit allenfalls \u201enur f\u00fcr die Muskelphysio-logie, zum Studium der Muskelerm\u00fcdung und der diese beeinflussenden Factoren. Dabei sind wieder die allgemeinen Stoffwechselverh\u00e4ltnisse defl Muskels ebenso zu ber\u00fccksichtigen, wie die besonderen in den Versuchen zu variirenden Factoren der Belastung, des Tempos u. a. m.u Nicht unbe-","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\nIll\nachtet bleiben darf das Eingreifen subjectiver Vorg\u00e4nge, wie Erm\u00fcdungsempfindungen und die rhythmische Betonung und Gruppirung der das Arbeitstempo markirenden Sinnesreize. Die subjectiven und die physiologischen Erm\u00fcdungserscheinungen stehen zwar in enger Beziehung mit einander, aber sie sind keinesfalls zu identifie!ren. Als rein psychologische Fragestellungen bleiben die folgenden bestehen: \u201e1. Wie verhalten sich die Erm\u00fcdungsempfindungen bei der Muskelerm\u00fcdung zu andersartigen Erm\u00fcdungsvorg\u00e4ngen (etwa der Erm\u00fcdung durch intellectuelle Th\u00e4tigkeit)? und 2. wie verh\u00e4lt sich der als Anstrengung bezeichnete Complex von Empfindungs- und Willensvorg\u00e4ngen (?) zu den Componenten in den Erm\u00fcdungsempfindungen, sind diese selbst verst\u00e4rkte Innervationsempfindungen (?) oder von der Peripherie aus bedingt?\u201c \u201eMit dieser zweiten Frage ist dann unmittelbar die verkn\u00fcpft, ob die Erm\u00fcdungsempfindungen eine Ver\u00e4nderung von Bewegungsempfindungen erhalten.\u201c\nEs ist wohl das erste Mal, dafs die Analyse des Ergogramms und der dasselbe bedingenden Verh\u00e4ltnisse in so klarer und \u00fcberzeugender Weise durchgef\u00fchrt wurde. Ohne die Verdienste des Erfinders des Ergographen in irgend einer Weise vermindern zu wollen, wird man diese Arbeit Robert M\u00fcller\u2019s nur mit Dank und Genugthuung lesen k\u00f6nnen. Es mag mir erlaubt sein, schon hier auf eine demn\u00e4chst erscheinende umfangreiche ergo-graphische Arbeit aufmerkam zu machen, die von meinem Collegen Z. Tbeves ausgef\u00fchrt wurde, dessen Anschauungen und Ergebnisse sich mannigfach mit denen des Verf.\u2019s ber\u00fchren.\tKiesow (Turin).\nA. Binet. Houvelles recherches sur la consommation dn pain, dans ses rapports avec le travail intellectuel. \u00c2nnce psychologique 6, 1\u201473. 1900.\nIm vierten Jahrgang der Ann\u00e9e psychologique hatte Binet eine Statistik des Brotconsums in einigen Lehrerseminaren gegeben, aus welcher sich, wie er meinte, eine Abh\u00e4ngigkeit dieses Consums von der Intensit\u00e4t der geistigen Leistungen ergab: in den Monaten angestrengter Examensarbeit war der Consum ein geringerer. Da eingewandt wurde, dafs hier andere Factoren mit von Einflufs gewesen sein k\u00f6nnten, so nimmt Binet dies Mal die Untersuchung, auf einer viel specialisirteren statistischen Grundlage auf und sucht s\u00e4mmtliche Factoren, die Einflufs auf den Brotconsum haben k\u00f6nnten, gesondert zu bestimmen.\n' Das Material wurde geliefert von einem Pariser Seminar mit etwa 120 Sch\u00fclern, in welchem ein Jahr hindurch Tag f\u00fcr Tag einerseits das Gewicht des consumirten Brotes, andererseits Temperatur, Barometerdruck, Speisezettel und besondere physische oder psychische Leistungen der Sch\u00fcler (wie Spazierg\u00e4nge und Examensarbeiten) registrirt wurde. Die Tabellen f\u00fcllen allein 20 Seiten der Arbeit. Verwerthet sind die Zahlen von Januar bis Juli.\nDie Ergebnisse stehen in keinem Verh\u00e4ltnifs zur angewandten M\u00fche. Das Hauptresultat ist eine starke Abnahme des Consums vom Winter zum Sommer hin. Anfang Februar werden pro Tag und Kopf 800 g, Anfang Juli 700 verzehrt. Der letztere Termin bezeichnet in dem Seminar die Pr\u00fcfungen; so dafs in der That der starken Steigerung der intellectuellen Arbeit zum Sommer hin eine Abnahme des Brotverbrauchs parallel l\u00e4uft.","page":111}],"identifier":"lit31883","issued":"1902","language":"de","pages":"108-111","startpages":"108","title":"R. M\u00fcller: Ueber Mosso's Ergographen mit R\u00fccksicht auf seine physiologischen und psychologischen Anwendugen. Wundt's Philos. Studien 17 (1), 1-29. 1901","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:27:14.774612+00:00"}