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{"created":"2022-01-31T16:26:16.173105+00:00","id":"lit31914","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 140-142","fulltext":[{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nLiteraturbericht.\nk\u00fcrlichen Effects bei Abulie beruht auf einer organischen St\u00f6rung desG\u00ab-hirns, deren Art unbekannt ist. Bisweilen kann man den n\u00f6thigen Act nicht erf\u00fcllen, weil der Genufs am gegenw\u00e4rtigen Zustand Einen dam hindert, diesen Zustand zu ver\u00e4ndern. Vollzieht sich ein solcher Kampf \u00f6fters, so entsteht als krankhafter Zustand die Abulie. Jeder von uns tut schon Stunden erlebt, in denen alle \u00e4ufseren und inneren Erregungen, alle Empfindungen und Ideen ohne Action bleiben, uns kalt lassen. Dies sind Anzeichen von Abulie. Zu den psychologischen Ursachen geh\u00f6rt eine heb moralische Depression und ein Ueberdrufs am Leben. Der Kranke hat di\u00ab Idee, dais Alles, was er unternimmt, unn\u00fctz ist. Hierzu gesellt sich all m\u00e4hlich das Gef\u00fchl der Traurigkeit, welches den Zerfall der Sinnesth\u00e4tig-keit bef\u00f6rdert.\nDie mannigfaltigen Ausf\u00fchrungen des Verf.\u2019s bez\u00fcglich der Unm\u00f6glichkeit, andere Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnde anzunehmen, m\u00f6gen im Original nach* gelesen werden. \u2014\nNach Ansicht des Ref. haben alle Arten von Abulie das organische Gef\u00fchl der Unf\u00e4higkeit gemeinsam. Dies bildet bei einer bestimmten Classe, zu welcher der vom Verf. erw\u00e4hnte Fall von dem Stellmacher geh\u00f6rt* bei dem die Abulie eine Folge des Typhus war, und wohin auch die Abulie des Traumzustandes zu rechnen ist, das einzige begleitende seelische Ph\u00e4nomen. Bei einer anderen Classe kommen noch die geschilderten Ph\u00e4nomene hinzu, vor Allem die Abneigung gegen die Ver\u00e4nderung dea gegenw\u00e4rtigen dem Individuum angenehmen k\u00f6rperlichen und seelisch\u00ab\u00bb Zustandes.\tGiessleb (Erfurt).\nA. T. Ormond. The Social Individual. Psychol. Review 8 (1), 27\u201441. 190L\nOrmond stellt sich die Frage, wie das Individuum den Begriff dea Selbst alB eines \u201eSocius\u201c erwerbe. Er illustrirt das Problem durch du Beispiel eines Knaben, der seinem Vater, einem Zimmermann, dessen gewerbliche Th\u00e4tigkeit nachahmt. Zun\u00e4chst besteht hier nur eine Nachahmung von \u00e4ufseren Bewegungen, die zu einem gewissen materiellen Erfolge f\u00fchren. Aber w\u00e4hrend der nachahmenden Th\u00e4tigkeit macht du Kind dieselben inneren Erfahrungen, die der Vater in seiner Th\u00e4tigkeit macht; es wird auf diese Weise bekannt mit dem Bewufstseinszustand eines anderen Individuums in einem bestimmten Fall. Association und Imitation sind die Bedingungen der Entwickelung des socialen Bewu\u00dftseins.\nMax Meyer (Columbia, Missouri).\nE. de Roberty. Morale et psychologie. Rev. philos. 50 (10), 329\u2014345. 1900.\nManche Psychologen legen auf Definitionen und Eintheilungen keinen Werth: Die seelischen Vorg\u00e4nge seien zu innig mit einander verwoben und die Ueberg\u00e4nge von einer Erscheinung zur n\u00e4chst complicirteren zu wenig merkliche. Und doch erfordert der wissenschaftliche Verkehr eine Verst\u00e4ndigung bez\u00fcglich der Grundbegriffe, ohne einen gen\u00fcgenden Ueberblick \u00fcber die zu einer Erscheinung geh\u00f6rigen Ph\u00e4nomene kann eine Bearbeitung derselben nicht auf Gr\u00fcndlichkeit rechnen. Dabei d\u00fcrfte eine von Zeit zu","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n141\nZeit erfolgende Erneuerung solcher Feststellungen f\u00fcr die Wissenschaft von Nutzen sein. In der vorliegenden Abhandlung nun bem\u00fcht sich Verf., f\u00fcr Biologie, Sociologie, Altruismus, Moral und Psychologie die bez\u00fcglichen Begriffsbestimmungen und Festsetzungen der Grenzlinien vorzunehmen. Er entwickelt f olgendermaafsen :\nDie Umwandlung der organischen oder biologischen Vielheit (Art, Race) in eine \u00fcberorganische oder sociale Einheit (Gemeinschaft, Gesellschaft) und die Umwandlung der organischen Einheit (Egoismus, Isolirung, Kampf um das Leben) in eine \u00fcberorganische Vielheit (Altruismus, Zusammenwirken, Moralit\u00e4t) bildet nach B. den Ausgangspunkt der Sociologie. Der Altruismus ist eine neue Complication des Lebens. Man beobachtet ihn auf allen Stufen der biologischen Leiter (als Symbiose, Parasitismus, Commensalismus u. s. w.). Verf. h\u00e4lt daher die Moral und Sociologie f\u00fcr identisch. In beiden F\u00e4llen handelt es sich um s\u00e9ries de conduite. Auch der Charakter ist nur ein aspect de conduite. Die Moral ist eine abstracto Sociologie, sie ist das exacte Correlat der Sitte, Gewohnheiten, Rechte, socialen Beziehungen.\nDie Welt der Ideen entspringt aus zwei Quellen, aus den Gesetzen und Bedingungen des organischen Lebens und aus den Gesetzen und Bedingungen der socialen Existenz. Die Biologie ist die Wissenschaft der Ersteren, die Sociologie und Moral die Wissenschaft der Letzteren. Ueber dieser doppelten Basis erhebt sich die Psychologie, welche mit der Biologie und Sociologie nicht verwechselt werden darf.\nDie Moral einiger niederer Thiere, der Bienen und Ameisen, hat bereits Aehnlichkeit mit der menschlichen. Beim Menschen treten die socialen Gewohnheiten in Beziehung zum Denken. Verf. f\u00fchrt den etwas ungeheuerlichen Ausdruck \u201ecollectiver Psychismus\u201c ein. Bleibt derselbe inactiv, wie bei den meisten Thierspecies und bei allen Pflanzenspecies, so erwacht die Socialit\u00e4t nicht aus ihrem tiefen Schlafe, sie bleibt im Zustande der Tendenz. Wird er dagegen activ, so entstehen Societ\u00e4ten von Individuen.\nDie organische Function ist eine Coordination von unbewufsten Bewegungen, welche zur Erhaltung des Lebens n\u00f6thig sind. Dagegen die sociale Function ist eine Coordination von psychischen Elementen (Vorstellungen, Emotionen, W\u00fcnsche oder Bed\u00fcrfnisse), welche zur Erhaltung der Allgemeinheit n\u00f6thig sind. Indem die sociale Function sich der organischen Function n\u00e4hert, n\u00e4hert sie sich noch mehr dem biologischen Instinct. Aber dank ihrer psychischen Natur vermag sie aus dem unbewufsten Zustande in den bewufsten \u00fcberzugehen. Die seelische Differen-tiirung dient dazu, das Band zwischen den Gliedern der thierischen Gemeinschaften zu befestigen. Zwischen der Wissenschaft von den Associationsph\u00e4nomenen und den Ph\u00e4nomenen der Verwandtschaft, zwischen Sociologie und Chemie giebt es so viele Analogien, dafs man die Sociologie mit einer Chemie des Geistes und die Chemie mit einer Sociologie der Materie vergleichen k\u00f6nnte.\nZum Schlufs kommt Verf. auf die Beziehungen zwischen dem moralischen und intellectuellen Fortschritt zu sprechen. Der Begriff ,.Moral* ist ein ganz unbestimmter. Man kann darunter sowohl den coUeeV\\\\\u00abn","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nLiteraturbericht.\nPsyehismus verstehen als auch die ethischen Concepte, welche das Product der eigentlichen ethischen Erfahrung bilden. Die raschen Fortschritte der intellectuellen Cultur werden vom collectiven Psyehismus erst hervorgebracht. Dabei mufs man bedenken, dafs die ethischen Erfahrungen den biologischen, physico-chemischen und mechanischen Erkenntnissen nicht vorausgehen k\u00f6nnen. Auch die wildeste Gesellschaft besitzt bereits eine rudiment\u00e4re Ideologie. Der intellectuelle und moralische Fortschritt erfolgen nur auf Grund einer Verbesserung der materiellen Existenz.\nGiesslek, (Erfurt).\nNovicow. Les castes et la sociologie biologique. Rev. philos. 50 (10), 361\u2014373.\n1900.\nDie ganze Abhandlung bildet eine Polemik gegen eine Arbeit von Botjgkl\u00e9: Sur la sociologie biologique et le r\u00e9gime des castes (Rev. philos. April 1900). B. hatte die Frage aufgeworfen, ob die Gesellschaften Organismen seien, und ob die Gesetze der Biologie sich auf die Sociologie anwenden liefsen. Er macht darauf aufmerksam, dafs die biologische Entwickelung in der Weise geschieht, dafs die einzelnen Theile eines thierischen Organismus, welche Anfangs in einer gewissen Unabh\u00e4ngigkeit von einander existiren, allm\u00e4hlich sich einheitlich dem Gehirn unterordnen. Umgekehrt verl\u00e4uft die sociale Entwickelung. Urspr\u00fcnglich sind die Individuen eng mit einander vereinigt, mit dem zunehmenden Umfang der Gesellschaften werden die Individuen freier. Ein Organismus ist um so vollkommener, je differentiirter seine Functionen sind. Dies Alles ist richtig. Jedoch darf man nach N. im socialen Organismus Functionen und Kasten nicht verwechseln, wie B. dies thut. Denn die F\u00e4higkeiten, welche die Angeh\u00f6rigen einer Kaste haben, brauchen nicht dieselbe Qualit\u00e4t zu besitzen : z. B. kann sehr leicht ein der Kaste der Priester angeh\u00f6riger Spr\u00f6fsling kaufm\u00e4nnische F\u00e4higkeiten besitzen. Freiheit ist im Grunde nichts Anderes als Differen-tiirung der Function in Unabh\u00e4ngigkeit vom Staate. Der Staat mufs die Bechte seiner B\u00fcrger sch\u00fctzen. B. hat also Unrecht, wenn er behauptet, dafs die organische Theorie sich mit der Freiheit nicht vertr\u00e4gt. Ferner verquickt B. die politische Gleichheit mit der socialen. In einer gut organisirten Gesellschaft mufs politische Gleichheit bestehen. Im Gegensatz hierzu je vollkommener die Gesellschaft ist, um so gr\u00f6fser die sociale Ungleichheit, ebenso die moralische und financielle. N. macht weiterhin darauf aufmerksam, dafs beim menschlichen K\u00f6rper die Arbeitsleistung bis zum \u00e4ufsersten getrieben, die Anpassung der Organe an die Function, ebenso das Gleichgewicht zwischen der centralen Kraft und den einzelnen Theilen vollendet ist. K\u00f6nnten die menschlichen Gesellschaften dieses Modell nachahmen, so w\u00fcrde die Summe des Gl\u00fccks sich verzehnfachen. Auch dies verkennt B.\tGiessler (Erfurt).\nPAlante. Le mensonge de groupe: \u00e9tude sociologique. Rev. philos. 50 (8), 165\u2014173. 1900.\nDie verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig d\u00fcrftige Studie f\u00fchrt im Anschlufs an Schopenhauer 3 Beispiele von gesellschaftlichen L\u00fcgen an: Die optimistische L\u00fcge","page":142}],"identifier":"lit31914","issued":"1902","language":"de","pages":"140-142","startpages":"140","title":"E. De Roberty: Morale et psychologie. Rev. philos. 50 (10), 329-345. 1900","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:26:16.173111+00:00"}