Open Access
{"created":"2022-01-31T16:28:32.808152+00:00","id":"lit31920","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stumpf, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 148-186","fulltext":[{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber das Erkennen von Intervallen und Accorden\nbei sehr kurzer Dauer.\nVon\nC. St\u00fcmpf.\nVerk\u00fcrzung der Dauer von Toneindr\u00fccken kann in manchen Beziehungen Beitr\u00e4ge liefern zur L\u00f6sung theoretischer Fragen. Man hat sie zur Untersuchung der physiologischen Bedingungen des H\u00f6rens, aber auch der psychologischen Vorg\u00e4nge bei der Tonwahmehmung herangezogen. In letzterer Beziehung bleibt allerdings immer zu bedenken, dafs die Kriterien, an die sich der Beobachter im Nothfall wie an einen Strohhalm klammert, nicht nothwendig dieselben sein m\u00fcssen, die unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden die Hauptrolle spielen. Ein Merkmal kann wesentlich sein, aber l\u00e4ngere Zeit gebrauchen, um wirksam zu werden, ein anderes ist vielleicht nur auxili\u00e4r, aber rascher zu erfassen. Eben darum k\u00f6nnen aber solche Versuche dienen, Kriterien, die unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden in einer nicht genau erkennbaren Weise blos mitwirken, isolirt zu beobachten und die Thatsache und Richtung ihrer Wirksamkeit genauer festzustellen.\nDie Aufgaben der Beobachter bei den bisherigen Versuchen waren, soweit psychologische Fragen in Betracht kamen: 1. Schnellste Reaction auf T\u00f6ne verschiedener H\u00f6hen, sobald \u00fcberhaupt ein Ton wahrgenommen oder sobald ein tiefer von einem hohen vorher bekannten unterschieden worden war (Auekbach und v. Kries, G. Martius), 2. Reaction nach Erkennung von Dur- und Molldreikl\u00e4ngen (Tanzi), 3. Erkennen der absoluten Tonh\u00f6he (Abraham und Br\u00fchl), 4. Unterscheidung mehrerer T\u00f6ne und Bestimmung ihrer Reihenfolge und der durch sie gebildeten Melodie bei schnellstem Wechsel (Abraham und K. L. Schaefer) ; 5. Urtheil \u00fcber Einheit oder Mehrheit der geh\u00f6rten T\u00f6ne bei Zweikl\u00e4ngen von verschiedenem Intervall","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber das Erkennen v. Intervallen u. Aceorden bei sehr kurzer Dauer. 149\n(M. Meyer); 6. Schnellste Reaction auf Grund solcher Urtheile (M. Meyer) ; 7. Erkennung des Intervalls bei Zweikl\u00e4ngen, deren tieferer Ton verst\u00e4rkt war (M. Meyer); 8. Urtheil \u00fcber Einheit oder Mehrheit bei harmonischen Zusammenkl\u00e4ngen bis zu 6 T\u00f6nen (R. Schulze); 9. Dasselbe Urtheil bei Zweikl\u00e4ngen von verschiedenem Intervall mit fortschreitender Verk\u00fcrzung der Zeitdauer bis zum Minimum (R. Schulze).1 *\nIn n\u00e4herer Beziehung zu den im Folgenden zu beschreibenden Versuchen stehen nur die zuletzt erw\u00e4hnten 5 Versuchsreihen.3 Und da die Veranlassung zu den meinigen theilweise in Bedenken lag, welchen diese Versuche mir ausgesetzt scheinen, so will ich diesen Bedenken zuerst Ausdruck geben.\nAuf die Folgerungen, welche Meyer an seine Ergebnisse kn\u00fcpft, will ich hierbei nicht zur\u00fcckkommen, da ich das Unlogische darin fr\u00fcher genug gekennzeichnet zu haben glaube. Bez\u00fcglich der Versuche selbst aber scheint es mir ein Fehler, sich mit einem einzigen Beobachter zu begn\u00fcgen. In psychologischen und psychophysischen Dingen sind der individuellen Verschiedenheiten so viele auch unter den Ge\u00fcbten, auch unter den sogenannten Musikalischen, dafs nur die Untersuchung einer gr\u00f6fseren Zahl vor einseitigen und schiefen Theorien sch\u00fctzt Speciell bei Zeitverk\u00fcrzungen zeigt sich, dafs mancher, der sich\n1 Auf welche Versuche Wundt in seinem \u201eGrundrifs der Psychologie\u201c 1896, 8.116 hindeutet, ist mir nicht klar. Nachdem er die Verschmelzungsgrade der Intervalle angef\u00fchrt und sogar der kleinen und der grofsen Terz verschiedene Grade zuerkannt hat, f\u00e4hrt er fort : \u201eEin Maafs f\u00fcr den Grad der Verschmelzung erh\u00e4lt man in allen diesen F\u00e4llen, wenn man w\u00e4hrend einer gegebenen, sehr kurzen Zeit einen Zusammenklang ein wirken und den Beobachter entscheiden l\u00e4fst, ob er blos einen Klang oder mehrere Kl\u00e4nge wahrgenommen hat Wird dieser Versuch \u00f6fter wiederholt, so er-giebt die relative Anzahl der f\u00fcr die Einheit des Klangs abgegebenen Urtheile ein Maafs f\u00fcr den Grad der Verschmelzung.\u201c\nAuf diese Methode als eine zu versuchende habe ich zwar selbst schon 1890 hingewiesen; aber eine so bestimmt hingestellte Behauptung \u00fcber ihre Leistungsf\u00e4higkeit, wonach man sogar den Unterschied in der Verschmelzung der beiden Terzen, der bisher niemals festgestellt wurde, dadurch bestimmen k\u00f6nnte, mufs sich doch wohl auf ausgedehnte Erfahrungen gr\u00fcnden, deren Ver\u00f6ffentlichung demnach zu erwarten steht.\n* Max Meyer. Ueber Tonverschmelzung u. die Theorie der Consonanz. Zeitschr. f. Psychol. 17, 401 f. 1898.\nRudolf Schulze. Ueber Klanganalyse. Wundt's Philosoph. Studien 14, 471 f. 1889.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150 .\nC. Stumpf.\nf\u00fcr musikalisch h\u00e4lt und es in der gew\u00f6hnlichen Praxis auch wirklich ist, gegen anscheinend weniger Musikalische zur\u00fcck' tritt Ueber Meyers Versuchsperson G., von ihm als \u201egut musikalisch gebildeter und vielfach bew\u00e4hrter Beobachter\u201c bezeichnet, will ich nur erw\u00e4hnen, dafs ich denselben gleichfalls nebenbei zu den unten zu beschreibenden Versuchen heran-gezogen habe. Es fand sich, dafs er in einer Versuchsreihe mit sehr kurzen Zeiten, wo die Aufgabe gestellt war, das geh\u00f6rte Intervall zu bezeichnen, unter 19 F\u00e4llen nur 3 richtige Urtheile abgab (sie fielen jedesmal auf die Terz), w\u00e4hrend ein wirklich gut musikalischer und ge\u00fcbter Beobachter unter genau gleichen Umst\u00e4nden unter 17 F\u00e4llen nur 3 verfehlte. Die sonstige Beobachtungsf\u00e4higkeit dieses unseres gesch\u00e4tzten Mitarbeiters wird dadurch nat\u00fcrlich nicht bestritten. Auch war Meyer\u2019s Fragestellung leichter (nur \u201eEinheit oder Mehr heit?\u201c) und die Zeiten l\u00e4nger. So werden wir denn auch Mehreres aus seinen Ergebnissen best\u00e4tigt finden, w\u00e4hrend Anderes mit den erweiterten Erfahrungen im Widerspruch steht Aber eben die Entscheidung dar\u00fcber, was ein individueller und was ein allgemeinerer Zug ist, l\u00e4fst sich nur durch Vermehrung der Versuchspersonen gewinnen. Und dabei zeigen sich doch auch noch andere mehr formelle Unterschiede : in Hinsicht der Constanz der Ergebnisse, der Durchsichtigkeit der Tabellen \u00fcberhaupt, endlich auch Unterschiede in der F\u00e4higkeit und den Ergebnissen der Selbstbeobachtung der Einzelnen w\u00e4hrend der Versuche, die f\u00fcr die nachherige Verwerthung von grofser Bedeutung werden k\u00f6nnen.\nDurch Meyer\u2019s Publikationen wurde R. Schulze veranlagt, Versuchsreihen zu ver\u00f6ffentlichen, welche er bereits 1891\u201493 im Leipziger psychologischen Institut auf Grund \u00e4hnlicher Fragestellungen gemacht hatte. Auf diese mufs ich etwas n\u00e4her ein-gehen.\nIn der ersten Versuchsreihe wurden Zusammenkl\u00e4nge einfacher T\u00f6ne (von Gabeln), welche im Verh\u00e4ltnis der ersten sechs harmonischen Theilt\u00f6ne zu einander standen, in verschiedenen Combinationen (bald nur einer davon, bald drei vier etc.) in wechselnder Anordnung angegeben. Der Eindruck dauerte jedesmal 2 Secunden. Drei Beobachter, darunter ein sehr musikalischer, hatten die Aufgabe, zu sagen, ob sie einen oder","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 151\nmehrere T\u00f6ne h\u00f6rten (nicht aber, wie viele und welche). In den Tabellen werden die Urtheile \u201eEin Ton\u201c zusammengestellt.\nSchulze zieht nun aus diesen Tabellen in erster Linie den Schlafs, dafs ein Zusammenklang blos zweier T\u00f6ne, z. B. der T\u00f6ne 1:6 oder 5:6, durch allm\u00e4liche Hinzuf\u00fcgung der \u00fcbrigen harmonischen Theilt\u00f6ne immer einheitlicher werde. In der That zeigt zum Beispiel die Abthe\u00fcung 3 der zweiten Tabelle beim Zusammenklang der f\u00fcnf T\u00f6ne von den Verh\u00e4ltnifezahlen 2 : 3 : 4 : 5: 6 folgende Urthe\u00fcszahlen der drei Beobachter: 4, 13, 18 (so oft erkl\u00e4rte also jeder den Zusammenklang f\u00fcr Einen Ton). Dagegen beim Zusammenklang der sechs T\u00f6ne 1: 2 :3: 4: 5 : 6 waren die bez\u00fcglichen Urtheilszahlen : 48, 17, 22. So erheblich stieg also durch blofse Hinzuf\u00fcgung des Grundtons die Schwierigkeit, den Zusammenklang als eine Mehrheit von T\u00f6nen zu erkennen.\nNun aber dr\u00e4ngen sich starke Einwendungen bez\u00fcglich der ganzen Versuchseinrichtung auf. Zun\u00e4chst ist eine nicht unbetr\u00e4chtliche Ungleichheit unter den gebrauchten Intervallen in Hinsicht der Tonregion. Die Octave geh\u00f6rt noch der tiefen Region an (A\u2014a). Die Terzen liegen schon in der mittleren (a1\u2014cts2, eis2\u2014e-). Das macht einen Unterschied in Bezug auf die Analysirbarkeit, der nichts mit dem Intervall als solchem zu thun hat. Ferner \u2014 und das erweckt am meisten Bedenken \u2014 ist nirgends in der ganzen Abhandlung von der Intensit\u00e4t und von den Mitteln, genau gleiche Intensit\u00e4ten herzustellen, die Rede. Es heilst nur: \u201eDer Experimentator schl\u00e4gt zwei oder mehrere Stimmgabeln an und giebt dann ein Klingelzeichen, worauf der Reagent (Beobachter) den Gummischlauch dem Ohr n\u00e4hert\u201c Wer b\u00fcrgt nun daf\u00fcr, dafs die sechs Gabeln mit gleicher St\u00e4rke, und zwar nicht nur mit gleicher physischer St\u00e4rke, sondern so, dafs gleiche Ton st\u00e4rke resultirte, angeschlagen wurden? Bei T\u00f6nen verschiedener H\u00f6he ist es schwer genug, auch nur zu sagen, ob ihre St\u00e4rke als Empfindung genau gleich ist oder nicht. Noch viel schwieriger ist es nat\u00fcrlich, sie durch Anschlag mit freier Hand gleich stark f\u00fcr die Empfindung zu erzeugen. Dazu kommt weiter, dafs Gabeln von so betr\u00e4chtlicher H\u00f6he ungleich schnell verklingen, selbst wenn sie auf Resonanzk\u00e4sten stehen. Das Experiment begann immer erst 2 Sec. nach dem Anschl\u00e4gen der Gabeln und dauerte seinerseits auch noch 2 Sec. W\u00e4hrend 4 Sec. k\u00f6nnen sich aber solche Unter-","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nC. Stumpf.\nschiede des Verklingens schon geltend machen. Ferner kommt es auf die Stellung der Gabeln zur Schallr\u00f6hre an und auf die Fortpflanzung innerhalb derselben, in welcher Beziehung auch Unterschiede sein k\u00f6nnen. Endlich sind die Stimmgabeln jedenfalls nach einander angeschlagen worden; denn 6 Gabeln gleichzeitig anzuschlagen und dazu gleich stark, das wird keinem gelingen. Aber beim Anschl\u00e4gen nach einander ist die erste doch schon einigerma\u00dfen schw\u00e4cher geworden, wenn die letzte angeschlagen wird. Es ist also auch die Dauer des Abklingens nicht die gleiche, und es wird sehr darauf ankommen, welche zuletzt angeschlagen wurde.\nSolange nichts angegeben wird, wie alle diese \u2014 nach meiner Meinung unter den angegebenen Umst\u00e4nden theilweise geradezu un\u00fcberwindlichen, bei Gabeln etwa nur durch elektrische Erregung l\u00f6sbaren \u2014 Schwierigkeiten experimentell beseitigt wurden, solange bleiben die Versuche ohne alle Beweiskraft, und man kann sehr leicht sich eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die angegebenen Resultate ausdenken, die mit psychologischen Dingen gar nichts zu thun h\u00e4tte.\nVerfasser zieht aber aus seinen Tabellen aufser dem obigen allgemeinsten Ergebnifs auch die Folgerung, dafs gewisse Personen leichter durch die ungeradzahligen, andere durch die geradzahligen Theilt\u00f6ne zu Einheitsurtheilen verleitet werden, dafs es also f\u00fcr jedes Individuum einen Normal-Obertonklang gebe, d. h. einen, welcher die gr\u00f6fsten Schwierigkeiten der Analyse bietet. Ich kann nicht finden, dafs die daf\u00fcr herangezogenen Zahlen der Tabelle ELI hinreichend starke Unterschiede zeigen, um diese merkw\u00fcrdige Folgerung zu st\u00fctzen. Aus Tabelle IV aber geht \u00fcberhaupt nichts derartiges hervor, sie lehrt nur, dafs Vergr\u00f6fserung des Intervalls die Einheits-urtheile verringert, was sich ja leicht versteht.1\n1 Wenn \u00fcbrigens derVerf. S. 472 sagt: \u201eVon solchem Verhalten ist keinem Musiker oder Tonpsychologen etwas bekannt\u201c, so darf ich wohl auf meine Tonpsychologie II, 319 f. verweisen, wo als erste unter den Bedingungen f\u00fcr die Analyse gleichzeitiger T\u00f6ne ihre Distanz angef\u00fchrt ist, wie es auch sonst bei jeder Gelegenheit von mir betont wurde.\nAufserdem ist es aber ein grofses Mifsverst\u00e4ndnifs der Helmholtz\u2019 sehen Lehre vom Mechanismus des H\u00f6rens, dafs aus dieser die genannte Folgerung fliefse, die erst der Verf. best\u00e4tigt zu haben glaubt. Nach Helmholtz wird, wie jeder weifs, der Zusammenklang nur dann \u201egest\u00f6rt1\u201d,","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber das Erkennen v. Intei-vallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 153\nIn Schulze\u2019s zweiter Versuchsreihe wurden immer nur zwei T\u00f6ne zugleich angegeben, dagegen die Zeitdauer immer mehr verk\u00fcrzt, und zwar von 0,14\" bis auf 0,004\". Es wurden s\u00e4mmt-liche Intervallarten der chromatischen Leiter innerhalb der eingestrichenen Octave vorgelegt. Hier functionirte nur Ein Beobachter, der aber an Feinheit des musikalischen Geh\u00f6rs den fr\u00fcheren noch \u00fcberlegen war. Er versuchte immer zuerst den Klang nachzusingen und gab dann an, ob es ein oder zwei T\u00f6ne waren. In den Tabellen (VII und VIII) werden nun die Zahlen der falschen Urtheile (Ein Ton) zusammengestellt und daraus geschlossen, dafs die wachsende Entfernung der T\u00f6ne von einander haupts\u00e4chlich die Analyse erleichtert, w\u00e4hrend die Verwandtschaft nur eine untergeordnete Rolle spielt.\nNun ist es richtig, dafs die kleine Seeunde 45 falsche F\u00e4lle aufweist, die Octave nur 7. Aber dazwischen ist der Gang der entsprechenden Zahlen f\u00fcr die Intervalle mit fortschreitender Vergr\u00f6fserung dieser: 12, 18, 12, 8, 10, 12, 7, 10, 9, 8 (unter je 60 F\u00e4llen). Ich kann hierin keine irgendwie regelm\u00e4fsige Abnahme erkennen. Das einzige Bemerken swerthe an der ganzen Reihe ist die grofse Zahl bei der kleinen Seeunde, aber dieses Intervall liegt ja eben nahe an der Unterscheidungsschwelle f\u00fcr gleichzeitige T\u00f6ne \u00fcberhaupt und kann nicht aus demselben Gesichtspunkte wie die \u00fcbrigen Intervalle betrachtet werden.\nIn einer weiteren Tabelle (IX) sind die Zeiten zusammengestellt, in denen das Zweiheitsurtheil \u00fcberhaupt unm\u00f6glich wurde. \u201eDiese Tabelle zeigt\u201c \u2014 nach dem Verfasser \u2014, \u201edafs die kleine Seeunde e\u2014f [sc. e1\u2014f1] bereits bei einer Einwirkungsdauer von 0,14 Secunden nicht mehr analysirt werden konnte, w\u00e4hrend erst bei 0,007 Secunden ... die F\u00e4higkeit aufh\u00f6rte, die Octave c\u2014c1 [sc. c1\u2014c2] zu anafysiren.\u201c Aber eine genauere Besichtigung zeigt, dafs eine deutliche Abnahme \u00fcberhaupt nur stattfindet bis zur grofsen Terz. Von da an bis zur Octave bewegen sich die Zeiten zwischen 0,009 und 0,006 unregelm\u00e4Jfeig hin und her, und obendrein sind dies doch Unterschiede, die rein\nwenn die T\u00f6ne sehr nahe beisammen liegen. Ueber diese Grenze hinaus hat die Entfernung der Fasern von einander, bez. ihre Gr\u00f6fsendifferenz, als solche mit der Leichtigkeit oder Schwierigkeit der Analyse nach Helmholtz absolut nichts mehr zu schaffen.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nC. Stumpf.\nzuf\u00e4llig d. h. durch die unvermeidlichen Schwankungen der ob* jectiven Zeitmessung bedingt sein k\u00f6nnen.\nGanz unverst\u00e4ndlich ist mir aber die Behauptung des Vor fassers, dafs die Schwebungen bei diesen Versuchen eine wichtige Rolle f\u00fcr die Analyse gespielt h\u00e4tten, insofern die Versuchsperson daraus auf das Vorhandensein zweier T\u00f6ne geschlossen h\u00e4tte. Er berechnet die Anzahl der Schwebungen, die bei jedem der gebrauchten Intervalle noch in den erw\u00e4hnten Minimalzeiten stattfanden. Sie hegt zwischen 3,1 und 0,6 Schwebungen und nimmt mit der Erweiterung des Intervalls zun\u00e4chst ab, dann wieder zu (kleine Secunde 3,1, Quarte 0,6, Octave 1,8).\nDa nun der Gang der Schwebungszahlen hiernach nicht correspondirt mit dem der Minimalzeiten selbst, und noch weniger mit der Regel, dafs die weiteren Intervalle leichter analysirt werden sollen, so sieht man nicht ein, wie er daf\u00fcr als Erkl\u00e4rung dienen soll. Vollends in der eigens beigef\u00fcgten Rubrik, wo die Schwebungen auf ganze Zahlen abgerundet sind, werden ja beinahe alle Intervalle einander hierin gleich, indem sie bis auf vier unter ihnen sammt und sonders Eine Schwebung liefern.\nFerner werden Schwebungen in dieser Region, in der eingestrichenen Octave, \u00fcberhaupt nur bis zu etwa 150 in der Secunde noch vernommen ; und an dieser Grenze nat\u00fcrlich nur unter den g\u00fcnstigsten Umst\u00e4nden, namentlich bei l\u00e4ngerer Tondauer, bei starkt\u00f6nenden, unmittelbar ans Ohr gehaltenen Gabeln, als eine letzte Spur von Rauhigkeit.1 Nun sollten aber hier selbst bei der Sexte dl h\\ wo sie 198 betragen, ja bei der Octave cl c\\ wo sie 264 betragen, noch Schwebungen vernommen werden; und dies noch dazu bei T\u00f6nen, die durch eine R\u00f6hre geleitet waren, und innerhalb eines so winzigen Bruchtheils einer Secunde, dafs nur 1\u20142 dieser raschen Schwebungen, ja \u00d6fters nicht einmal eine ganze Schwebung (0,6 etc.) ins Ohr gelangen konnte. Der Beobachter mag sehr musikalisch und sehr ge\u00fcbt gewesen sein. Aber um dies zu vollbringen, m\u00fcfste er schon fast das Gras wachsen h\u00f6ren.\n1 Herr Dr. K. L. Schaefeb hat die kleine und die eingestrichene Octave auf meinen Wunsch in dieser Hinsicht durchgepr\u00fcft. In der klein\u00ab liegt die Grenze etwa bei 70 Schwebungen.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 155\nWenn nun auch, nach der sogleich zu begr\u00fcndenden Ver-muthung, die Empfindungsdauer thats\u00e4chlich l\u00e4nger gewesen sein d\u00fcrfte, als es der Verfasser annimmt: immer bleibt es doch unm\u00f6glich, so rasche Schwebungen in dieser Tonregion \u00fcberhaupt wahrzunehmen. Man mag die reine Octave c1 c2 beobachten, bis einem H\u00f6ren und Sehen vergeht : sie ist glatt wie polirter Marmor.\nDafs die Versuchsperson \u00f6fters angab, den Ton \u201emit einem Vorschlag\u201c geh\u00f6rt zu haben, und zwar besonders bei der Octave, mag jeden anderen Grund haben, auf Schwebungen kann es sich nicht beziehen. Nur in einem einzigen Falle m\u00f6gen sie eine Rolle gespielt haben, n\u00e4mlich wieder bei dem Intervall des Halbtons, wo auf 0,14 Sec. 3 Schwebungen kamen. Sie scheinen hier aber die Analyse vielmehr erschwert zu haben, denn gerade hier ist die Minimalzeit, bei welcher Analyse nicht mehr m\u00f6glich war, wesentlich gr\u00f6fser als bei allen \u00fcbrigen Intervallen.\nAuf die an die Versuche gekn\u00fcpfte Theorie der Ton Verwandtschaft, die auch in sich betrachtet der Schw\u00e4chen genug enth\u00e4lt, will ich nun nicht mehr eingehen. Dagegen sei ein Bedenken erw\u00e4hnt, das sich an die Zeitangaben kn\u00fcpft. Zeiten wie 4 oder auch 7 oder 9 Tausendstel einer Secunde sind so kurz, dafs hier jede Art von Ton Wahrnehmung an der Grenze anlangt. Es fanden ja nur 1 bis 2 Schwingungen w\u00e4hrenddessen statt. Bei Einer Schwingung h\u00f6rt man \u00fcberhaupt keinen Ton sondern h\u00f6chstens ein knallartiges Ger\u00e4usch. Bei zweien kann eine Geh\u00f6rsempfindung entstehen, die von einem ganz exceptio-nellen Geh\u00f6r (0. Abraham) sogar als Ton von bestimmter absoluter H\u00f6he erkannt wird. Aber dafs ein gleichzeitiges Tongemisch von einer und zwei Schwingungen oder von einer und 1% Schwingungen noch analysirt, ja sogar die T\u00f6ne in vielen F\u00e4llen richtig nachgesungen w\u00fcrden, wie hier behauptet wird, ist eine kaum glaubliche Leistung. Man sieht sich daher auf die Vermuthung gef\u00fchrt, welche M. Meyer bereits \u00e4ufserte (Zeitschr. f. Psychol. 20, 446) und auch Prof. K\u00fclpe mir m\u00fcndlich aussprach, dafs die chronographisch gemessene Oeffnungszeit des Schlauches nicht zusammenfiel mit der wirklichen Empfindungsdauer, dafs vielmehr durch Reflexion in den R\u00f6hren die Dauer der Tonempfindung verl\u00e4ngert wurde. Wir werden weiter unten bei unseren eigenen Versuchen Best\u00e4tigungen daf\u00fcr finden. War dies aber der Fall, dann verlieren die Zeitunterschiede der","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nC. Stumpf.\nSchlauch\u00f6ffnung und die weiter daraus berechneten Schwebungs-unterschiede f\u00fcr die verschiedenen Intervalle vollends jede Basis. Denn man kann nat\u00fcrlich nicht voraussetzen, dafs diese physikalischen Nachwirkungen in genauer Proportion zur Zeit der Schlauch\u00f6ffnung selbst stehen.\nSonach mufs ich diese Untersuchung in ihren Haupttheilen f\u00fcr verfehlt halten, wenn auch Einzelnes zu beachten bleibt Ich rechne dahin die letzte Tabelle XI, worin angegeben wird, wie oft jedes Intervall richtig nachgesungen wurde (Verfasser unterscheidet die Analyse \u00fcberhaupt oder das Mehrheitsurtheil und die \u201egenaue Analyse\u201c, d. h. das richtige Heraush\u00f6ren und Nachsingen der T\u00f6ne). Die gr\u00f6fste Zahl weist in dieser Hinsicht die Octave auf. Dann folgen in merklichen Abstanden die \u00fcbrigen Intervalle, unter denen allerdings eine bemerkenswerthe Reihenfolge, etwa eine mit dem Consonanzgrad oder dem Ton* abstand \u00fcbereinstimmende, nicht zu erkennen ist Die Octave zeigte sich also als das Intervall, welches am leichtesten zu erkennen war, sobald \u00fcberhaupt zwei T\u00f6ne darin unterschieden wurden. Dies werden wir best\u00e4tigt finden, wie es denn auch aus der \u00fcberragenden musikalischen Bedeutung der Octave ohne Weiteres zu verstehen ist. Das heilst aber nicht so viel, dafs sie am leichtesten zu analysiren w\u00e4re; in welcher Beziehung vielmehr das Gegentheil stattfindet, da sie am \u00f6ftesten mit dem Einklang verwechselt wird. \u2014\nIch habe nun im Sommer 1899 zwei Versuchsreihen mit \u00e4hnlichen Fragestellungen gemacht, doch wurde nicht die Frage nach Einheit oder Mehrheit \u00fcberhaupt gestellt, sondern die bestimmtere Frage nach dem Intervall zweier gleichzeitiger T\u00f6ne in der einen Serie, und nach der AnzahlundOrdnungs-zahl der augenblicklich geh\u00f6rten unter 6 vorherbestimmten T\u00f6nen in der anderen Serie. Die Frage nach Einheit oder Mehrheit sollte man in so unbestimmterWeise \u00fcberhaupt nur bei sehr unmusikalischen Menschen stellen, bei denen billigerweise nicht mehr zu verlangen ist. Bei Musikalischen ist es zweckm\u00e4fsig, die Frage concreter zu formuliren, um ihren Be-wufstseinszustand so vollst\u00e4ndig als m\u00f6glich zu \u00fcbersehen.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 157\nErste Untersuchung:\nBestimmung des Intervalls gleichzeitiger T\u00f6ne.\nVon drei in einer Flucht liegenden Zimmern dienten die beiden \u00e4ufseren als Tonerzeugungs-, beziehungsweise Tonbeobachtungszimmer, das grofse mittlere zur Durchleitung des Schalles vermittelst weiter K\u00f6hren und zur Regulirung der Zeitdauer. Die letztere versuchten wir auf sehr verschiedenen Wegen, gelangten aber schliefslich zu dem Princip, dessen sich auch R. Schulze bedient hatte : es wurde ein Hahn in der Schallleitung auf kurze Zeit ge\u00f6ffnet. Um die Herstellung der n\u00f6tigen Einrichtungen, die sich mit vielen Schwierigkeiten verkn\u00fcpft zeigten, haben sich die Herren Dr. F. Schumann und Dr. K. L. Schaefer verdient gemacht, der letztere \u00fcberdies durch die grofse Geduld Und Genauigkeit, mit welcher er w\u00e4hrend s\u00e4mmtlicher Versuche die Ausl\u00f6sung besorgte.\nEs wurde in die Schallleitung ein Metallr\u00f6hrenst\u00fcck von U/2 cm Durchmesser eingesetzt, das einen sehr leicht drehbaren Hahn enthielt. An dem Hahngriff war eine d\u00fcnne Stange befestigt. Diese trug vermittelst eines kleinen Hakens an einer daran befestigten \u00fcber eine Rolle laufenden Schnur ein Gewicht. Wurde die Stange, die Dr. Schaefer vor jedem Versuch fest-hielt, losgelassen, so drehte das fallende Gewicht den Hahn und wurde dann, um jedes st\u00f6rende Ger\u00e4usch zu vermeiden, von Dr. Sch. mit der Hand aufgenommen. Kurz vorher und nachher gab er dem Tonerzeuger und den Beobachtern die n\u00f6thigen Signale. Die Oeffnungsdauer wurde durch das Chronoskop gemessen, indem bei jeder der beiden Stellungen der Stange, die dem Beginn und Schlufs der R\u00f6hren\u00f6ffnung durch den Hahn entsprachen, elektrische Contacte angebracht wurden, die den durch das Chronoskop gehenden Strom \u00f6ffneten und schlossen.\nDer Ton mufs nun allerdings in Folge der Bewegung des Hahnes w\u00e4hrend der kurzen Dauer noch anschwellen und abnehmen, und insofern liegen die Bedingungen f\u00fcr das Urtheilen nicht ganz so g\u00fcnstig, als wenn er w\u00e4hrend der vollen Zeit die ganze St\u00e4rke h\u00e4tte, doch kommt es hier ja \u00fcberhaupt nur darauf an, sehr kleine Zeiten zu erhalten und sie w\u00e4hrend einer Versuchsreihe m\u00f6glichst unver\u00e4ndert beiz\u00fcbehalten.\nBis zur vierzehnten Versuchsreihe betrug die Dauer 0,225 Sec., von da wurde sie auf 0,150, endlich bei einer Reihe, bei der","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nC. Stumpf.\nnur ich allein beobachtete, auf 0,075, und bei einer letzten Reihe noch darunter durch Verengung des Schlauches und des Hahnes verringert. Die Messung ergab Schwankungen innerhalb einer Reihe bis zu 0,01 Sec. Die Constanz darf also als eine befriedigende gelten.\nBei der Verringerung der Zeit zeigte sich nun aber keine Verschlechterung des Urtheils, im Gegentheil waren die Ergebnisse in den zwei letzten Reihen gerade besonders gut Unter den 30 Urtheilen bei 0,075 Sec. waren nur 9 falsche, und unter den 30 bei weniger als 0,075 Sec. nur 7 falsche : eine so geringe Zahl, wie ich sie nur sehr selten erreichte. Nat\u00fcrlich kommt in Betracht, dafs die Uebung gewachsen, vielleicht auch die Disposition besonders gut war, aber h\u00f6chst wahrscheinlich war die wirkliche Empfindungsdauer \u00fcberhaupt nicht k\u00fcrzer geworden. Ich hatte auch subjectiv diesen bestimmten Eindruck (obschon ja daraus allein nichts zu schliefsen w\u00e4re). Hier d\u00fcrften die obenerw\u00e4hnten Reflexionen in der Leitung in Betracht kommen. Es kann aber auch angenommen werden, dafs die subjective Nachdauer eines Toneindruckes unabh\u00e4ngig sei von seiner ob-jectiven Dauer und somit bei sehr kurzen Eindr\u00fccken relativ grofs sei, so dafs die Fortsetzung \u00fcber eine gewisse Grenze hinaus \u00fcberhaupt keinen merklichen Einflufs mehr auf die Empfindung* dauer gew\u00e4nne.\nAls Tonquelle diente die fr\u00fcher schon \u00f6fters benutzte Flaschenorgel, auf welcher innerhalb der mittleren Regionen eine gr\u00f6fsere Anzahl von T\u00f6nen sorgf\u00e4ltig ausgesucht und n\u00f6thigenfalls noch adaptirt wurden, so dafs sie m\u00f6glichst genau ansprachen und gleich stark in dem Beobachtungsraum vernommen wurden. Der letztere Punkt mufs immer besonders gepr\u00fcft werden, weil oft genug zwei T\u00f6ne, die im Erzeugungsraum gleich stark scheinen, in Folge ungleicher Fortpflanzungsverh\u00e4ltnisse in den Schallr\u00f6hren im Beobachtungsraum nicht gleich stark vernommen werden. Auf diesen Punkt ist auch in der Durchf\u00fchrung der Versuche best\u00e4ndig in erster Linie Bedacht genommen worden, indem immer wieder von den Beobachtern die T\u00f6ne, welche kurzdauernd geh\u00f6rt werden sollten, zwischendurch auch mit l\u00e4ngerer Dauer auf ihr St\u00e4rkeverh\u00e4ltniis gepr\u00fcft wurden, sowohl einzeln als auch in verschiedenen Com* binationen mit einander.\nDie T\u00f6ne wurden im Schallerzeugungszimmer durch einen","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen w. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 159\nSchalltrichter in die 3 cm weite R\u00f6hre geleitet, welche in den Beobachtungsraum f\u00fchrte. Hier endigte die Leitung in einen eben so weiten Gummischlauch, an welchem vier rechtwinklige eben so weite Ans\u00e4tze von gleicher L\u00e4nge angebracht wurden, so dafs bis zu f\u00fcnf Beobachter gleichzeitig den 'Eindruck empfangen konnten. Wir versicherten uns, dafs an jeder der f\u00fcnf Oeffnungen die T\u00f6ne gleich m\u00e4fsig gut zum Vorschein kamen. Eine solche Multiplication, mit der geh\u00f6rigen Vorsicht durchgef\u00fchrt, kann bei akustischen Versuchen dieser Art nicht genug empfohlen werden, nicht nur, weil man dadurch eine gr\u00f6fsere Anzahl von Beobachtungsreihen auf einmal erh\u00e4lt, sondern auch, weil man sicher ist, dafs sie bei ganz gleichen Reizeinwirkungen gemacht sind, und weil \u00fcberdies mehr Chancen gegeben sind, dafs einer der Beobachter irgend einen \u00fcbersehenen Nebenumstand bemerkt, der zu Modificationen in weiteren Versuchen Anlafs giebt.\nEs w\u00e4hrte lange, bis die Einrichtung so gelungen war, dafs die T\u00f6ne einerseits nicht unabh\u00e4ngig von der Leitung hin\u00fcberdrangen, andererseits stark genug durch die Leitung kamen, um nicht schon durch die Schw\u00e4che Unsicherheit des Urtheils zu bewirken. Aber schliefslich wurden diese beiden Bedingungen doch in befriedigendem Maafs\u00a9 erf\u00fcllt.\nDie Erzeugung der Toncombinationen an der Orgel besorgte mit dankenswerther Ausdauer und Sorgfalt Herr Dr. Schweitzer abwechselnd mit Herrn stud. Pfungst. Die einzelnen Serien um-fafsten 20\u201430 Versuche. Es wurden benutzt: grofse Terz, Quarte, \u00fcberm\u00e4fsige Quarte, Quinte, kleine und grofse Sexte, kleine Septime, Octave, grofse None, grofse Decime, Undecime, \u00fcberm\u00e4fsige Un-decime und Duodecimo, aufserdem aber auch F\u00e4lle mit nur Einem Ton eingeschaltet Mit dem Intervall, aber auch mit der absoluten H\u00f6he der T\u00f6ne wurde innerhalb der mittleren Region (zwischen a und g2) und unter den vorher ausgesuchten gleichstarken T\u00f6nen best\u00e4ndig gewechselt Bis zur 7. Serie fehlten die Sexten, Septime und Undecime, von da ab wurden s\u00e4mmtliche genannten Intervalle gebraucht Die Beobachter hatten in einem Heft zu jeder Versuchsnummer ihr Urtheil \u00fcber das geh\u00f6rte Intervall hinzuschreiben. Sie wufsten, was f\u00fcr Intervalle \u00fcberhaupt vorkamen. Zuweilen glaubten sie dennoch, andere Intervalle zu h\u00f6ren, z. B. statt der grofsen die kleine Terz, was dann nat\u00fcrlich ebenfalls registrirt wurde. Die Hauptbeobachter waren Prof. Dr. Krigar-Menzel (K.), als physikalischer Beobachter von beson-","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nC. Stumpf.\nderer Genauigkeit durch seine langj\u00e4hrigen Messungen \u00fcber die Erdschwere bekannt, aber auch ausgezeichnet als Musiker, Prof. Heinrich Barth (B.), der ber\u00fchmte Clavierk\u00fcnstler, und ich selbst (St.). Krigar-Menzel hat 21 Serien mitgemacht (alle bis auf die zwei letzten), Barth Serie 1\u20148, 12\u201414, ich selbst Serie 3\u201411 und 13\u201423. Ich bin diesen beiden Herren f\u00fcr ihre langwierige M\u00fchewaltung besonders dankbar. Aufserdem wirkten bei einzelnen Reihen mit: Dr. Schweitzer, von hervorragender musikalischer und experimenteller Begabung, Dr. Abraham, durch sein ungew\u00f6hnliches Geh\u00f6r und eigene akustische Beobachtungen bereits bekannt, Frl. Hutzelmann und stud. M\u00fcnnich, beide bereits als gut musikalische Beobachter erprobt Die Ergebnisse dieser Beobachter werde ich aber wegen ihrer geringeren Anzahl nur in zweiter Reihe heranziehen.\nK. notirte regelm\u00e4fsig, Dr. Abraham meistens nicht blos das Intervall, sondern auch die absolute H\u00f6he der geh\u00f6rten T\u00f6ne. Abraham giebt an, dafs er bei gr\u00f6fseren Intervallen durch sein ausgepr\u00e4gtes absolutes Tonbewufstsein auch in der Sch\u00e4tzung des Intervalls beeinflufst wird, indem er aus den beiden absoluten H\u00f6hen eben das Intervall bestimmen kann. K. stellt f\u00fcr seine Person eine solche Beeinflussung durchaus in Abrede. Das absolute H\u00f6henurtheil stellt sich ihm gleichzeitig mit dem Inter-vallurtheil ein, aber jedes unabh\u00e4ngig vom anderen, wie denn auch das eine richtig und das andere unrichtig sein konnte.\nIch gebe nun im Folgenden in Tabelle A zun\u00e4chst in extenso die Uebersicht der Urtheile K.\u2019s, dessen Aufzeichnungen sowohl der Menge nach, als der Form und der systematischen Durchf\u00fchrung nach die anderen \u00fcberragen. Seine Tabelle ist als die am meisten typische und maafsgebende zu betrachten. Es sind hierbei alle 21 Reihen zusammengerechnet, obschon von der 15. an die Ton-(Reiz-)Dauer auf 0,15 Sec. reducirt wurde, da dieser Umstand auf das Ergebnifs keinen Einflufs hatte. Horizontal \u00fcber der Tabelle stehen die Bezeichnungen der gebrauchten Intervalle (die kleinen Intervalle sind mit arabischen Ziffern ausgedr\u00fcckt), vertical links die Bezeichnungen derjenigen, welche der Beobachter zu h\u00f6ren glaubte. Die erste Horizontalreihe giebt also die Verwechslungen mit dem Einklang, die zweite die Verwechslungen mit der Terz, u. s. w. Die F\u00e4lle, in welchen Verwechslungen mit einem nicht unter unseren Versuchsintervallen vorkommenden Intervall stattfanden, sind besonders eingetragen.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"ter das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. X\u00dfl\nTabelle A.\n(Absolute Urtheilszahlen f\u00fcr Kkioak - Menzel.)\nl kl. 1 None\n> z. B. die Quarte wurde 2 mal f\u00fcr Einen Ton, 4 mal f\u00fcr die se Terz, Imal f\u00fcr die \u00fcberm\u00e4fsige Quarte gehalten, 35 mal tig beurtheilt. \u201e mal\u201c kommt dadurch heraus, dafs in manchen en (bei K. in ziemlich vielen, bei anderen nur in wenigen) ein rvall f\u00fcr eins von zweien erkl\u00e4rt wurde, z. B. f\u00fcr None oder time, in welchem Falle das Urtheil beiden zur H\u00e4lfte zu-\n*H*chrift f\u00fcr Psychologie 27.\t\\\\","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nG. Stumpf.\ngerechnet wurde. Das verschiedenen Zahlen angef\u00fcgte Komma bedeutet gleichfalls */*\u2022 Zw (zweifelhaft) sind die F\u00e4lle, in denen \u00fcberhaupt kein Urtheil zu Stande kam, obschon \u00abder Klang-eindruck deutlich vernommen wurde.\nTab. B ist aus Tab. A gebildet Sie enth\u00e4lt statt der ab soluten Zahlen Procentzahlen und stellt zugleich die richtigen, falschen und zweifelhaften F\u00e4lle \u00fcbersichtlich zusammen. Die Rubrik f\u00fcr den Einklang ist weggelassen, da er ja ausnahmslos richtig erkannt wurde. Die Anzahlen der richtigen Urtheile \u00fcber jedes Intervall stehen in der Horizontalreihe r, die F\u00e4lle der Verwechslung mit kleineren Intervallen in der Reihe k, die der Verwechslung mit gr\u00f6fseren Intervallen in der Reihe g.\nTab. C giebt das N\u00e4mliche f\u00fcr den Beobachter Stcxpf, Tab. D f\u00fcr Barth. In Tab. E sind die Ergebnisse der ersten 14 Reihen, wo gleiche Reizdauer stattfand, f\u00fcr diese drei Beobachter zusammengerechnet. Tab. F endlich stellt die Ergebnisse aus allen Reihen aller Beobachter in Procenten zusammen.\nTabelle B.\n(Procente f\u00fcr Krioab-Menzrl,.}\nUr- theile\tIII\tIV\tjjiv\tV\t6\tVI\t7\tVIII\tIX\tX\tXI\t\txn\tSummt'\nKinTon\t6\t- o\t5\t17\t5\t7\t2\t33\t9\t10\t23,\t9\t16\t148\nk\t26\t10\t30\t20\t33\t33\t8\t9 ->\t5\t10,\t19.\ti3\t11\t2-21,\nr\t63\t83\tS. V OD\t63\t65\t56\t88\t62\t84\t67\t38\t48\t73\t835\nU\t1 5\t2\t10\t0\t7\t1\t2\t0\t0\t9\t16\t25\t0\t80\nzw\t\u00b0\t0\t0\t0\t0\t0\t0\t9\t2\t3\t3\t5\t0\t15,\n\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t1300\n(wirkliche Summe = 519!\nTabelle C.\n(Procente f\u00fcr Stumpf.)\nUr theile (\tIII\tIV\tj?IV\tV\t6\tVI\t7\tVIII\tIX\tX\tXI\tfcxi\tXJ1\tSumme\nKinTon\ti 12\t5\t6\t9\t4\t8\t0\t3\t9\t3\t16\t0\t5\t73\nk\t1 17\t17\t19\t18\t33\t27\t24\t0\t12\t6\t24\t59\t18\t264\nr\t64\t59\t49\t66\t42\t53\t71\t94\t57\t58\t50\t29\t77\t769\ng\t1 17\t19\t26\t7\t21\t12\t5\t0\t27\t33\t10\t12\t0\t189\nzw\t1 0\t0\t0\t0\t0\t0\t\u00dc\t3\t2\t\u00fc\t0\t\u00d4\t0\t5\n\tl\u00fcOj\t100\t100\t100\t100\t100\t100\tl\u00ab)\t100\t100\t100\t100\t100\t1300\n(wirkliche Summe = 536)","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"TJeber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden hei sehr kurzer Dauer. 103\nTabelle D.\n(Procente f\u00fcr Barth.)\nOr- theile\tIII\tIY\t\u00dfiv\tV\t6\tYI\t7\tVIII\tIX\tX\tXI\tjfxi\tX M hH\tSumme\nEinTon\t21\t4\t19\t26\t34,\t7\t14\t67\t33\t23\t5,\t14\t26\t294\nk\t16\t9\t62\t22\t34,\t63\t77\t0\t5\t27\t63\t50\t38\t466,\nr\t58\t73\t19\t40\t25\t30\t4,\t22\t62\t20\t21\t23\t36\t433,\ng\t5\t14\t0\t8\t6\t0\t4,\t11\t0\t30\t5,\t9\t0\t93\nzw\t0\t0\t0\t4\t0\t0\t0\t0\t0\t0\t5\t4\t0\t13\n\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t1300\n(wirkliche Summe = 246)\nTabelle E.\n(Procente f\u00fcr K. -J- St. -j- B. aus den 14 ersten Reihen.)\nUr- theile\tIII\tIY\tt\u2014i <1\tY\t6\tYI\t7\tVIII\tIX\tX\tXI\t\tXII\tSumme\nEinTon\t10\t3\t6\t15\t13\t9\t4\t38\t13\t15\t26\t9\t' 21\t182\nk\t18\t9\t40\t20\t33\t45\t33\t2\t11\t18\t34\t40\t20\t323\nr\t68\t77\t47\t60\t39\t37\t60\t55\t67\t49\t28\t37\t59\t678\ng\t9\t11\t7\t4\t15\t9\t3\t3\t8\t18\t10\t12\t0\t109\nzw\t0\t0\t0\t1\t0\t0\t0\t2\t1\t0\t2\t2\t0\t8\n\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t1300\n(wirkliche Summe = 826)\nTabelle F.\n(Procente f\u00fcr s\u00e4mmtliche Beobachter.)\nUr- theile\tIII\tIV\t#IV\tV\t6\tVI\t7\tVIII\tIX\tX\tXI\tj[XI\tXII\tSumme\nEinTon\t12\t3\t7\t16\t8\t5\t3\t24\t11\t8\t13\t6\t11\t127\nk\t12\t12\t28\t18\t32\t31\t27\t3\t10\t10\t32\t31\t20\t266\nr\t67\t70\t53\t59\t51\t53\t66\t66\t65\t62\t42\t42\t69\t765\ng\t9\t15\t11\t6\t9\t8\t4\t5\t12\t18\t11\t19\t0\t127\nzw\t0\t0\t1\t1\t0\t3\t0\t2\t2\t2\t2\t2\t0\t15\n\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t100\t1300\n(wirkliche Summe \u2014 1814) 11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nC. Stumpf.\nWir wollen nun die Ergebnisse, welche theils aus diesen Tabellen hervorgehen, theils sonst in den Versuchen hervortraten, zusammenstellen.\n1.\tDer einfache Ton wurde als solcher fast ausnahmslos richtig erkannt und fast niemals mit einem Intervall verwechselt. Wie in Tab. A bei K., so verh\u00e4lt es sich \u00e4hnlich in allen anderen UrtabeUen. Es sind insgesammt, alle Beobachter zusammengerechnet, 93 Beobachtungen f\u00fcr den Einklang angestellt, und unter diesen sind 89 richtig, 3 falsch (einmal gleich Quinte, einmal gleich Septime und einmal gleich None) : offenbar Producte einer zuf\u00e4lligen Unaufmerksamkeit, wie sie selbst bei den sichersten Urtheilen in l\u00e4ngeren Reihen nicht fehlen. Bei Unmusikalischen w\u00fcrde dies anders gewesen sein. Sie pflegen schon bei l\u00e4ngerer Tondauer nicht selten einen einfachen Ton f\u00fcr eine Mehrheit zu erkl\u00e4ren. Auch Herrn G., mit dem Meyer experimentirte, und der bei der Klangdauer von 0,265 Sec. unter 70 F\u00e4llen in 16 F\u00e4llen 2 T\u00f6ne zu h\u00f6ren angab, k\u00f6nnen wir daher nicht mehr zu den wirklich musikalisch H\u00f6renden rechnen.\n2.\tBetrachten wir die F\u00e4lle, in denen ein Intervall f\u00fcr Einen Ton erkl\u00e4rt wurde, also die erste Querreihe unserer Tabellen, so f\u00e4llt sogleich die besondere Stellung der Octave in die Augen. K., der sonst die besten Leistungen hat, erkl\u00e4rte sie in Vg aller F\u00e4lle f\u00fcr einen Ton, w\u00e4hrend er sie in fast allen \u00fcbrigen F\u00e4llen, wo er sie \u00fcberhaupt analysirte, richtig als Octave erkannte. Bei den \u00fcbrigen Beobachtern ist das Verh\u00e4ltnifs theil-weise noch ung\u00fcnstiger. B. hat unter 18 F\u00e4llen die Octave 12 mal f\u00fcr einen Ton erkl\u00e4rt und nur 4 mal richtig erkannt. St. dagegen hat 33 richtige, nur 1 falsches und 1 zweifelhaftes Urtheil. Bei ihm, ebenso bei M\u00fcnnich, Abraham, Schweitzer enth\u00e4lt die horizontale Rubrik \u201eEin Ton\u201c \u00fcberhaupt nur sehr wenige F\u00e4lle. In Tab. E und F sind diese individuellen Unterschiede ausgeglichen (sie sind in keinem anderen Punkte so grofs, sonst w\u00fcrde sich auch das Zusammenrechnen nicht rechtfertigen). Man mufs hier also die erste Rubrik haupts\u00e4chlich auf den Einflufs von K. und B. beziehen.\nDiese Unterschiede erkl\u00e4ren sich daraus, dafs die zuletztgenannten Individuen und besonders ich selbst durch die fortgesetzten akustischen Studien, bei denen die Analyse eine Hauptrolle spielt (und man ist nat\u00fcrlich gerade, weil man die Gefahr bei der Octave kennt, besonders darauf bedacht gewesen, sich","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen u. Aecorden bei sehr kurzer Dauer. 165\nvon ihr zu emancipiren), hierin eine solche Fertigkeit erlangt haben, dais T\u00e4uschungen auf ein Minimum reducirt werden. Die \u201eVerschmelzungu der Octave bewirkt ja nicht immer und \u00fcberall ihre Nichtunterscheidung. Aber dafs sie selbst bei aufser-ordentlich musikalischen Menschen die Analyse in viel h\u00f6herem Grade als bei den \u00fcbrigen Intervallen verhindert, zeigt uns besonders das Beispiel B.s, aber auch das K.\u2019s.\nDie \u00fcbrigen Intervalle bilden keine ganz deutlich hervortretende Reihe in Hinsicht ihrer Verwechslung mit dem Einklang. Es ist wohl nicht zu verkennen, dafs die consonanteren im Allgemeinen g\u00fcnstiger gestellt sind (siehe besonders die Gesammt-tabelle F : die h\u00f6chsten Zahlen bei der Octave, Quinte, Undecime, Terz, Duodecimo, ebenso f\u00fcr K. in Tabelle B bei der Octave, Undecime, Quinte, Duodecimo, in dieser Reihenfolge). Aber es sind zu bedeutende individuelle Abweichungen, um mit irgend welcher Genauigkeit eine Reihenfolge der Verschmelzungen hieraus zu erschliefsen. Bei St., der sonst wenig Einheitsurtheile f\u00e4llt, hat die Undecime relativ viele, bei B. die None auffallend viele Einheitsurtheile u. s. w. Und es machen sich dann diese Abnormit\u00e4ten in den Gesammtzahlen geltend. Man m\u00fcfste die Versuche auf noch viel mehr Individuen ausdehnen, damit sie sich gen\u00fcgend ausglichen, aber die M\u00fche w\u00e4re zu grofs, als dafs sie sich lohnte. Bei der Undecime scheint es \u00fcbrigens nach den beigef\u00fcgten Bemerkungen im Protokoll \u00f6fters an einer wirklichen Ungleichheit der Tonst\u00e4rke gelegen zu haben, so sehr wir bem\u00fcht waren, sie fern zu halten. Auch K. zeigt hier ungew\u00f6hnlich viel falsche Urtheile.\nMan kann fragen, ob nicht die Gr\u00f6fse der Distanz eineu Unterschied macht. In gew\u00f6hnlichem Falle wirkt vergr\u00f6fserte Distanz g\u00fcnstig f\u00fcr die Analyse, was man besonders bei Un-musikalischen \u00e9clatant beobachten und auch leicht psychologisch begreifen kann. Wenn aber die Zeitdauer so minimal ist, k\u00f6nnte die Distanz eher im umgekehrten Sinne wirken : denn die \u00e4ufserst concentrirte Aufmerksamkeit ist naturgem\u00e4fs auch nur auf ein einzelnes Gebiet der Tonreihe concentrirt. Man stellt hier, wie mir scheint, seine Aufmerksamkeit immer auf eine gewisse mehr oder weniger enge Tonregion ein, innerhalb deren man das Ph\u00e4nomen erwartet, in unserem Falle auf die mittlere Abtheilung innerhalb des gebrauchten Tonbezirkes. Wenn nun ein besonders grofses Intervall, Duodecimo, Undecime, auftritt, so","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nC. Stumpf.\nkann es leicht verkommen, dafs man nur den unteren Ton oder nur den oberen wahmimmt, weil die Aufmerksamkeit nicht so schnell wandern kann. Ich will damit nicht sagen r dafs zur Analyse \u00fcberhaupt ein Wandern n\u00f6thig ist, vielmehr k\u00f6nnen sich bei sonst g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden zwei T\u00f6ne als zwei und als dieses bestimmte Intervall ohne jede Ver\u00e4nderung der Aufmerksamkeitseinstellung auf dr\u00e4ngen. Aber unter so exeeptionellen Umst\u00e4nden k\u00f6nnte die erforderliche Concentration der Aufmerk samkeit geradezu nachtheilig wirken, indem, was dem einen Ton zu gute kommt, dem anderen entzogen und dieser so \u00fcberh\u00f6rt wird.\nOb nun unsere Tabellen wirklich in diesem Sinne sprechen, l\u00e4fst sich nicht unzweideutig erkennen. Bemerkenswerte ist allerdings die Zunahme der zw bei den grofsen Intervallen (aufser XII). Aber in der Einheitsrubrik ist eine deutliche Zunahme, auch wenn man ein Intervall mit seiner Erweiterung (Terz mit Decime, Quinte mit Duodecime etc.) vergleicht, nicht zu constatiren, allerdings auch nicht eine durchg\u00e4ngige Abnahme. Bald findet das eine, bald das andere Statt.\nWichtig ist nun die Frage, was eigentlich im Falle eines Einheitsurtheils wahrgenommen wurde. Bei Unmusikalischen sind wir schlimm daran, sie k\u00f6nnen es eben nicht n\u00e4her angeben. Dagegen sind die Musikalischen h\u00e4ufig dazu im Stande, und zumal K. hat fast immer in seinem Protokoll den geh\u00f6rten Ton namhaft gemacht: es war in der Mehrzahl der F\u00e4lle der tiefere, in einzelnen auch der h\u00f6here, niemals ein zwischenliegender. Hierbei sehe ich davon ab, dafs er bei der Tonbezeichnung fast immer um einen halben Ton nach der H\u00f6he fehlging, denn dieser constante Fehler lag offenbar an einer etwas tieferen Abstimmung seines absoluten Tonbewufstseins gegen\u00fcber unserer Klangquelle.\n3. Wenn wir nun die erste Horizontalrubrik bei Seite lassen und uns also nur an die F\u00e4lle halten, wo die Urtheilenden ein Intervall zu h\u00f6ren glaubten, so k\u00f6nnen wir zun\u00e4chst die Anzahl der richtigen im Verh\u00e4ltnis zu den falschen Urtheilen ins Auge fassen, unter den falschen (f) also jetzt verstanden die g -f- k (die wenigen zw k\u00f6nnen wir hier bei Seite lassen). Zweierlei kommt hier in Betracht:\na) die grofse Sicherheit des Urtheils \u00fcberhaupt, welche sich hieraus ergiebt, und die individuellen Unterschiede hierin.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 167\nMan sieht sogleich aus den Tabellen, dafs die r bei K. weitaus, auch bei St. noch bedeutend die f tiberwiegen. Bei B. allerdings sind mehr f als r. Aber in den Gesaminttabellen tiberwiegen wieder die r. Bei K. findet sich dieses Uebergewicht auch f\u00fcr jedes einzelne Intervall, nur bei der Undecime ist eine minimale Abweichung. Bei St. findet es sich gleichfalls \u00fcberall, nur mit Ausnahme zweier Intervalle (kleine Texte und \u00fcberm\u00e4\u00dfige Undecime).1\nHierbei ist nun noch zu bedenken, dafs der Fall nicht so liegt wie etwa, wenn man \u00fcber die Frage zu urtheilen h\u00e4tte: welcher von zwei aufeinanderfolgenden T\u00f6nen ist der h\u00f6here? Denn hier w\u00e4ren \u00fcberhaupt nur zwei Urtheile m\u00f6glich (vom zweifelhaften und vom Gleichheitsurtheil abgesehen). Der zweite ist der h\u00f6here, oder er ist der tiefere. Dagegen, wo es sich um die richtige Benennung eines Intervalls handelt, sind nat\u00fcrlich mindestens so viele falsche Urtheile m\u00f6glich, als andere Intervalle vorgelegt werden. Eigentlich aber noch mehr, da auch die \u00fcbrigen musikalisch gebr\u00e4uchlichen Intervalle wenigstens bis zur Duodecimo in Frage kommen und zuweilen auch wirklich genannt wurden. W\u00e4hrend also dort, bei der H\u00f6henvergleichung zweier aufeinanderfolgender T\u00f6ne, das Verh\u00e4ltnifs r : f == 50 :50% ein absolutes Schwanken, reine Zuf\u00e4lligkeit des Urtheils bedeutet und mindestens 75 % r verlangt werden m\u00fcssen, um dem Urthe\u00fc einen anst\u00e4ndigen Grad von Sicherheit zuzuschreiben, aus dem sich etwas schliefsen l\u00e4fst, bedeutet hier Gleichheit der r und f schon eine erhebliche Sicherheit des Urtheils. Hiernach betrachte ich beispielsweise B.\u2019s Leistung, obschon die f sogar schon \u00fcberwiegen, immer noch als ein Zeichen bemerkenswerther Urteilsf\u00e4higkeit.\n1 Man k\u00f6nnte es f\u00fcr richtig halten, bei der Z\u00e4hlung der r and f die Duodecimo aufser Betracht zu lassen, da hier g-Urtheile ohnedies ausgeschlossen seien, insofern die Urtheilenden wufsten, dafs kein gr\u00f6fseres Intervall vorkam. Doch w\u00fcrden sich die Ergebnisse dadurch nicht irgend wesentlich ver\u00e4ndern. Auch ist zu erinnern, dafs hiernach ebenso bei der grofsen Terz die k-Urtheile ausgeschlossen w\u00e4ren, w\u00e4hrend doch factisch \u00f6fters die kleine Terz als das geh\u00f6rte Intervall bezeichnet wurde, ferner dafs auch sonst zuweilen Intervalle von den Urtheilenden angegeben warden, von denen sie recht wohl wufsten, dafs sie nicht zu den vorgelegten geh\u00f6rten, z. B. Secunde, kleine None.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nC. Stumpf.\nb) Die Unterschiede unter den Intervallen in Bezug auf ihre Erkennbarkeit\nVergleichen wir das Verh\u00e4ltnis der r und f bei den verschiedenen Intervallen. Folgende Reihenfolge der Intervalle in Bezug auf die Gr\u00f6fse des Quotienten ergiebt sich aus Tab. B, C, E und F (denen mit gr\u00f6fseren absoluten Zahlen).\nTab.\tB:\tVHI,\tIX, 7, IV, XII, V; X, III,\tVI,\t#IV, 6, #XI, XL\n\u201e\tC :\tVIII,\tXII, m, V, 7, IV; X, XI,\tIX,\tVI, #IV, 6, #XL\n\u201e\tE:\tVIII,\tIV, IX, XII, V, III; 7, X,\t#IV, 6, #XI, VI, XL\n\u201e\tF:\tVIII,\tXII, III, IX, IV, V; 7, X,\tVI,\t#IV, 6, XI, ((XL\nDurchg\u00e4ngige Constanz zeigt sich nur, insofern \u00fcberall und immer die Octave, und zwar weitaus, an der Spitze bleibt Man kann sagen, dafs sie so gut wie immer richtig beurtheilt wird, wenn sie \u00fcberhaupt als Intervall, als Zweiheit von T\u00f6nen erkannt wird. Hierin stimmen auch M. Meyeb\u2019s und R. Schulze\u2019s Ergebnisse mit den meinigen \u00fcberein.1 2\nIm Uebrigen aber ist eine ganz bestimmte Reihenfolge nicht aufzustellen. Dies h\u00e4ngt theilweise an gewissen Abnormit\u00e4ten oder besser individuellen Eigenth\u00fcmlichkeiten, die sich auch an den besten Beobachtern finden. So stehen namentlich bei K. die None und Septime auffallend g\u00fcnstig, was dann auch bei der grofsen Anzahl von K.\u2019s Urtheilen auf die Summentabellen E und F erheblichen Einflufs gewinnt.\nNur soviel l\u00e4fst sich noch deutlich erkennen, dafs in der ersten H\u00e4lfte der Intervallreihe aufser der Octave allgemein auch die Duodecime, Quarte und Quinte zu stehen kommen.* Man kann darin einen Einflufs der Consonanz, beziehungsweise Verschmelzung erkennen ; aber es w\u00e4re, wie man sieht, verfehlt, aus Versuchen dieser Art den Consonanzgrad \u00fcberhaupt bestimmen zu wollen. Wahrscheinlich hat aufser Zuf\u00e4lligkeiten und individuellen constanten Eigenth\u00fcmlichkeiten (die auf habituellem Merk-lichkeits- oder Gef\u00fchls\u00fcbergewicht gewisser Intervalle f\u00fcr eine Person\n1\tMeyer a. a. 0. 407, Schulze a. a. 0. 487 (Tab. XI).\n2\tAuch in einer Versuchsreihe Meyer\u2019s, bei welcher die Aufgabe einer Benennung des Intervalls gestellt, das Urtheil \u00fcberdies dadurch, daft der tiefere Ton immer st\u00e4rker als der h\u00f6here angegeben wurde, erschwert, dagegen die Zeitdauer auf 0,52 Sec. verl\u00e4ngert war, ergab sich, daft die dissonanten Intervalle weniger gut erkannt wurden. Doch enth\u00e4lt die Tabelle nur geringe Versuchszahlen (a. a. 0. 408).","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Vcber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 169\nberuhen m\u00f6gen) besonders auch der Umstand Einflufs, ob ein Intervall in harmonischer Beziehung einen mehroder weniger ausgesprochenen Charakter tr\u00e4gt. Die Un-decime und die \u00fcberm\u00e4fsige Undecime haben wenig mit Accord-bildungen zu thun. Man kann wohl von einem Undecimen-accord reden, aber er geh\u00f6rt zu den seltensten Bildungen. Dagegen spielen die Septime und None als Begrenzung von Accorden eine bedeutende Rolle. Damit mag ihre erleichterte Erkennbarkeit namentlich bei K. Zusammenh\u00e4ngen.\nOb die Distanz der Intervallt\u00f6ne auch einen maafsgebenden Einflufs hat auf ihre Erkennbarkeit (Analyse \u00fcberhaupt vorausgesetzt), l\u00e4fst sich nach diesen Zusammenstellungen nicht sagen, wenn man auch im Allgemeinen vermuthen mag, dafs gr\u00f6fsere Intervalle schwerer erkennbar werden.\n4. Vergleichen wir endlich die falschen Urtheile untereinander, so bieten sich zwei wichtige Z\u00fcge dar.\na) Die Verwechselungen betreffen in den weitaus meisten F\u00e4llen benachbarte Intervalle, solche, die sich nur um einen halben oder ganzen Ton, auch wohl um zwei Tonstufen vom wirklich geh\u00f6rten Intervall unterscheiden.\nMan sieht dies in der Tabelle A, aber auch in den hier nicht in extenso mitgetheilten Urtabellen von St. und B. Bei den \u00fcbrigen Personen zerstreuen sich die Verwechselungen mehr, aber diese haben eben geringere absolute Urtheilsziffern ; bei der Zusammenrechnung l\u00e4fst sich auch hier einigermaafsen dasselbe erkennen.\nEs geht hieraus hervor, dafs unter solchen Versuchsumst\u00e4nden die Distanz der Intervallt\u00f6ne f\u00fcr die Erkennungsehr wesentlich seinmufs. Denn nach dem reinen Consonanzprincip h\u00e4tte man erwarten m\u00fcssen, dafs die Verwechselung vorzugsweise die in der Consonanzreihe benachbarten Intervalle betr\u00e4fen; dass also z. B. Sexten mit Terzen verwechselt w\u00fcrden, Dissonanzen unter sich, nicht aber mit Consonanzen. Hier wurde hingegen, um besonders markante Beispiele aus den Urtabellen anzuf\u00fchren, von B. die Septime 13mal mit der VI verwechselt, 2mal mit der 6, und nur je einmal mit drei nichtbenachbarten Intervallen. Die XI verwechselte B. 8 mal mit der X, 2 mal mit der IX, und nur je einmal mit zwei anderen nichtbenachbarten (viel kleineren) Intervallen. Die $ IV wurde von demselben 10 mal mit der IV ver-","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nC. Stumpf.\nwechselt, niemals mit irgend einem anderen Intervall Die $ XI wurde von St. 18 mal mit der XI, 5 mal mit der XII, 3 mal mit der X verwechselt, und nur je einmal mit drei anderen nicht-benachbarten Intervallen. Das n\u00e4mliche Intervall wurde von K. 4 mal mit der XI, IO1/',, mal mit der XII, einmal mit der X und niemals mit einem der anderen Intervalle verwechselt Von demselben Beobachter wurde die $ IV 11 mal mit der IV, 4 mal mit der V verwechselt, einmal mit der III, sonst mit keinem Intervall. Ebenso verwechselte Schweitzer die \u00a3 XI 6 mal mit der XII und nur einmal mit einem nichtbenachbarten Intervall, M\u00fcnnich die XI 4 mal mit der X, und nur je einmal mit drei nichtbenachbarten Intervallen. U. s. f.\nMan sieht zugleich, dafs die auffallendsten Beispiele meist Dissonanzen betreffen und besonders die \u00fcberm\u00e4fsige Quarte und ihre Octavenerweiterung (\u00fcberm. Undecime). Dies h\u00e4ngt indessen wohl damit zusammen, dafs bei diesen Intervallen \u00fcberhaupt besonders viele falsche Urtheile stattfinden (s. u.).\nAuch dieses Ergebnifs stimmt \u00fcberein mit Befunden Meyer\u2019s an dem Beobachter G, welche ich damals auch schon an mir selbst gelegentlich mehrfach best\u00e4tigt fand.1 Aber es ist nun in gr\u00f6fserem Umfang bei ausgesuchten Beobachtern festgestellt und mufs als eine allgemeing\u00fcltige Eigent\u00fcmlichkeit der Tonurtheile unter solchen Umst\u00e4nden gelten.\nTheoretisch ist es unstreitig von Interesse. Man kann es nachtr\u00e4glich verstehen, konnte es aber apriori nicht erwarten. Verstehen: denn ein bestimmtes Intervall besitzt zwar im Allgemeinen nicht eine ganz bestimmte Distanz seiner T\u00f6ne, wohl aber gilt dies innerhalb eines gewissen relativ engen Tonbezirks. Die Quinte c\u2014g und die Quinte d\u2014a unterscheiden sich hinsichtlich der Distanz ihrer T\u00f6ne nat\u00fcrlich nur \u00e4ufserst wenig, und in unseren Versuchen wurden ja wenigstens die gr\u00f6fseren Intervalle nur unter sehr geringen Ver\u00e4nderungen der absoluten\n1 Meyer a. a. 0. 407: \u201eDie Fehler bestanden gew\u00f6hnlich darin, dafs Intervalle von wenig verschiedener Distanz mit einander verwechselt wurden ; so die Quarte mit der Quinte oder die grofse Terz mit der Quarte. Aeufserst merkw\u00fcrdig jedoch ist, dafs der schauerlich dissonante Tritonus sehr h\u00e4ufig als Quarte oder Quinte bezeichnet wurde, sehr selten als Tri tonus. Diese Beurtheilung des Tritonus als Quarte oder Quinte zeigte sich auch bei Prof. Stumpf, als dieser unter denselben Versuchsumst\u00e4nden (mit etwa\u00ab l\u00e4ngerer Klangdauer) einige Beobachtungen machte.\u201c","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"TJ\u00e9ber das Erkennen r. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 171\nH\u00f6he angewandt. Begreiflich ist also das Ergebnifs wohl und ohne Widerspruch mit meinen fr\u00fcheren Aufstellungen, zumal da der Einflufs des Distanzprincips sich gerade in Verwechselungen, also falschen Urtheilen zeigt Aber unerwartet war es dennoch, weil man apriori nicht wissen konnte, dafs das Consonanzmerkmal bei so starker Zeitverk\u00fcrzung so sehr an Wirksamkeit verlieren w\u00fcrde. Unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden werden z. B. Terzen und Sexten in der That eher miteinander verwechselt, als Sexten und Septimen (ich erinnere mich entsprechender Erfahrungen), obwohl Verwechselung von Intervallen bei musikalisch Gebildeten \u00fcberhaupt selten vorkommt\nMan mufs hieraus, scheint mir, schliefsen, dafs das Consonanzmerkmal, obgleich es das prim\u00e4re und essentielle f\u00fcr die Definition des Intervallbegriffs ist, eine gr\u00f6fsere Zeit gebraucht, als wir sie anwandten, um f\u00fcr das Urtheil als untr\u00fcglicher Leitfaden zu dienen, w\u00e4hrend das Distanzmerkmal weniger von der Zeitverk\u00fcrzung beeinflufst wird.\nDies kann man wohl daraus erkl\u00e4ren, dafs wir uns in der Musik in den Consonanzcharakter eines isolirten Intervalls um so mehr vertiefen, auch seine Gef\u00fchlswirkung um so intensiver erleben, je l\u00e4nger der Eindruck dauert. Bei allzu kurzen Eindr\u00fccken, wo das Bewufstsein schon durch die Aufgabe, die T\u00f6ne \u00fcberhaupt auseinanderzuhalten, stark in Anspruch genommen ist, bleibt uns so zu sagen nur so viel intellectuelle Kraft \u00fcbrig, als eben hinreicht, um noch den Abstand der T\u00f6ne, ihren rein qualitativen Unterschied, ann\u00e4hernd zu erfassen.\nDoch zeigt immerhin die relativ grofse Zahl der r gegen\u00fcber den f namentlich bei K. und St. und vor Allem in den F\u00e4llen der Octave, dafs der Consonanzcharakter auch hier keineswegs ganz verloren geht und bei der vollkommensten Consonanz sogar sehr wesentlich mitwirkt.\nb) Die Verwechslungen erfolgen in weit h\u00f6herer Anzahl gegen\u00fcber kleineren als gegen\u00fcber gr\u00f6fse-ren Intervallen.\nIn allen unseren Tabellen springt dieser Zug ohne Weiteres in die Augen. Auch die hier nicht mitgetheilten Tabellen von M\u00fcnnich und von Schweitzer ergeben denselben Zug : M. hat 30 k, 112 r, 16 g, Schw. hat 41 k, 135 r, 27 g. Bei Fri. H. und Dr. A. halten sich k und g allerdings die Wage, aber diese Bf\u2019 hatten \u00fcberhaupt nur sehr kleine Urtheilszahlen.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nC. Stumpf.\nAuch dies ein Ergebnifs, das man nicht h\u00e4tte Voraussagen k\u00f6nnen, sicherlich nicht in diesem Maafse. Eine \u00fcberzeugende Erkl\u00e4rung hierf\u00fcr weifs ich nicht zu geben. Man kann ja anf\u00fchren, dafs im Allgemeinen die kleineren Intervalle die gew\u00f6hnlicheren sind. Aber dies gilt doch vor Allem f\u00fcr den melodischen Gebrauch, f\u00fcr die Aufeinanderfolge, w\u00e4hrend wir hier gleichzeitige T\u00f6ne hatten.\nF\u00fcr die gleichzeitigen T\u00f6ne kann man nur etwa so argumen-tiren. Da die Accorde sich aus Terzen und Secunden aufbauen, so kommen diese Intervalle notlrwendig in Accorden \u00f6fter vor als alle anderen. Aber auch Quarten kommen \u00f6fter vor als Sexten, Septimen \u00f6fter als Nonen, und diese \u00f6fter als Unde-cimen: weil das folgende Intervall immer durch Hinzuf\u00fcgung einer neuen Terz in den Accord hineinkommt und also das fr\u00fchere immer schon mit dabei ist (ausgenommen, wenn Elision stattfindet). Es ist m\u00f6glich, dafs hierin die Erkl\u00e4rung liegt Aber in Ermangelung weiterer st\u00fctzender Anhaltspunkte \u2014 die Selbstbeobachtung und die Erinnerung bei den \u00fcbrigen Herren giebt mir hier\u00fcber keinen n\u00e4heren Aufschlufs \u2014 wage ich sie nicht f\u00fcr sicher auszugeben.\nSoviel ist gewifs, dafs es sich nicht um ein allgemeines Gesetz f\u00fcr die Sch\u00e4tzung von Tondistanzen handelt. Denn bei sehr kleinen Tonunterschieden (unter einer halben Tonstufe) sind vielmehr Uebersch\u00e4tzungen die Regel. Man kann beide F\u00e4lle insofern unter einen Gesichtspunkt bringen, als man auch hier wieder die Sch\u00e4tzung nach der Seite des Gew\u00f6hnlichen erfolgen l\u00e4fst ; was dann zugleich als eine Art theoretischer Best\u00e4tigung der eben versuchten Erkl\u00e4rung dienen k\u00f6nnte. Auch an das Ergebnifs unserer Versuche \u00fcber Reinheitsurtheile k\u00f6nnte man hierbei zur\u00fcckdenken, wonach man bei Verstimmungen f\u00fcr Verkleinerung eines Intervalls empfindlicher ist als f\u00fcr Ver-gr\u00f6fserung. Doch glaube ich nicht, dafs eine wirkliche Beziehung unseres gegenw\u00e4rtigen Falles zu diesem besteht. \u2014\nIch f\u00fcge noch einige gelegentliche Bemerkungen hinzu, welche sich bei diesen Versuchen auf dr\u00e4ngten:\nBesonders viel h\u00e4ngt bei Versuchen mit sehr kurzen Eindr\u00fccken von der nerv\u00f6sen Disposition, Frische oder Erm\u00fcdung u. s. w. ab; wie ich dies an meinen eigenen Reihen constatiren konnte.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen \u00ab. Aecorden bei sehr kurzer Dauer. 173\nAber auch die momentane zuf\u00e4llige Richtung und Bereitschaft der Aufmerksamkeit bei jedem einzelnen Versuch ist von besonderem Einflufs. Es kam vor, dafs einer einen Eindruck ganz \u00fcberh\u00f6rte, welchen die anderen so deutlich wie immer vernommen hatten. Die Aufmerksamkeit brauchte nicht \u00fcberhaupt abgelenkt zu sein, sie war vielleicht nur auf eine andere Octave eingestellt\nFerner zeigten sich hier wie bei anderen Versuchsreihen eigen-th\u00fcmiiche Str\u00f6mungen des Urtheils, nicht blos derart, dafs z. B. 14mal hintereinander nur richtige, 6mal hintereinander nur falsche Urtheile abgegeben wurden, was nat\u00fcrlich mit der nerv\u00f6sen Disposition zusammenh\u00e4ngt, sondern auch derart, dafs eine tempor\u00e4re Vorliebe f\u00fcr die Angabe irgend eines Intervalls eintrat, dessen Wortbild oder Tonbild gerade im Bewufstsein in den Vordergrund getreten war, oder endlich so, dafs bestimmte Verwechslungen zeitweise das Uebergewicht hatten ; wie z. B. K. in der Serie 13 und 14 regelm\u00e4fsig die Decime als None be-urtheilte, sonst niemals.\nDie Urtheilsbildung erfolgte erst nach dem Eindruck und bedurfte einer gewissen Zeit, w\u00e4hrend deren keine St\u00f6rung durch Sprechen eines Anderen u. s. w. stattfinden durfte, ohne dafs alle M\u00f6glichkeit der Urtheilsbildung aufgehoben wurde. Alle stimmten darin \u00fcberein, dafs das Urtheil sich an dem \u201eErinnerungsbild\u201c vollzieht, wie man \u00fcbrigens dieses auch n\u00e4her definiren mag. In schwierigeren F\u00e4llen nahm ich ein inneres Nachsingen zu H\u00fclfe, fand dann allerdings auch hierbei Schwierigkeiten.\nEinmal war ein Tonreiz durch einen Versuchsfehler zu lange gerathen : diese unerwartete Dauer setzte uns alle so in Best\u00fcrzung, dafs sie das Urtheil verhinderte. Ebenso wurde das Urtheil nicht gef\u00f6rdert, sondern gest\u00f6rt, wenn einmal einer der T\u00f6ne schon vorher h\u00f6rbar war. Nat\u00fcrlich wurde in solchen F\u00e4llen der Versuch nicht gerechnet.\nMehrere Beobachter hatten ein ausgesprochenes Gef\u00fchl subjectiver Leichtigkeit gegen\u00fcber der Terz. Nur sie wurde zugleich in der ersten Reihe als angenehm empfunden, \u201ewie eine Oase in der W\u00fcste\u201c (K.) In sp\u00e4teren Reihen auch noch die Decime und die beiden Sexten. Sonst war von Annehmlichkeits-Unterschieden bei diesen kurz dauernden Eindr\u00fccken und der auf das Erkennen gerichteten Gern\u00fcthsVerfassung nichts zu bemerken.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nC. Stumpf.\nZweite Untersuchung:\nBestimmung von Accord t\u00f6nen.\nDiese Untersuchung wurde mit der ausdr\u00fccklichen Absicht der Nachpr\u00fcfung von Schulze\u2019s Resultaten angestellt Ich w\u00fcnschte mir ein Bild von den dabei vorkommenden experimentellen und psychologischen Verh\u00e4ltnissen zu machen und zu sehen, ob nicht das eine oder andere von seinen Ergebnissen sich auch unter einwandfreieren Versuchsumst\u00e4nden doch bewahrheitete.\nWundt\u2019s Theorie von der einsmachenden Kraft des Tones 1 und seine Ableitung der Verschmelzungsthatsachen aus der Gew\u00f6hnung an die harmonischen Obert\u00f6ne (Nachklang der Helm-HOLTz\u2019schen Lehre von der psychologischen Klangzerlegung, die Helmholtz aber sp\u00e4ter selbst aufgegeben) habe ich fr\u00fcher als eine unbegr\u00fcndete bezeichnet. Ich w\u00fcrde aber nat\u00fcrlich, wenn Versuche etwas davon best\u00e4tigten, nicht z\u00f6gern, es anzuerkennen. Es wurden daher wie bei Schulze die 6 ersten harmonischen Theilt\u00f6ne eines Klanges als Tonmaterial ben\u00fctzt. Diese wurden in verschiedener Anzahl und verschiedenen Combinationen vorgelegt und die Aufgabe dahin formulirt: bei kurzdauernden Eindr\u00fccken zu sagen, welche von den 6 T\u00f6nen im gegebenen Fall in dem Tongemisch vorhanden waren. Die Beurthe\u00fcenden wufsten, dafs es sich nur um diese T\u00f6ne handle, und hatten sie vor den Versuchen einzeln geh\u00f6rt\nDie Aufgabe war also erheblich schwerer gestellt als bei Schulze, wo sie nur zu sagen hatten, ob sie einen oder mehrere T\u00f6ne \u00fcberhaupt h\u00f6rten, nicht einmal wie viele. Es hat aber, wie schon bemerkt, keinen rechten Zweck, bei sehr musikalischen Menschen \u2014 und nur solche k\u00f6nnen unter so erschwerten Umst\u00e4nden einigermaafsen \u00fcbersichtliche Resultate geben \u2014 die Frage so unbestimmt zu stellen, weil bei der Zeitdauer von einer Secunde und dar\u00fcber wirklich musikalische Individuen thats\u00e4chlich genauere Urtheile abzugeben in der Lage sind, vorausgesetzt dafs es sich um gleich starke T\u00f6ne handelt\nEs wurden nicht so kurze Zeiten angewendet wie bei der vorangehenden Untersuchung, aber auch nicht so lange wie bei Schulze, der die Eindr\u00fccke 2 Secunden lang wirken liefs. Die Dauer betrug etwa eine Secunde und wurde regulirt durch ein Pendel von entsprechender L\u00e4nge, welches den Hahn drehte.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber das Erkennen v. Intervallen u. Aecorden bei sehr kurzer Dauer. 175\nAls Klangquelle benutzte ich zuerst wie Schulze Stimmgabeln auf Resonanzk\u00e4sten, um zu probiren, ob nicht auf irgend eine Weise doch m\u00f6glichst gleich bleibende und unter sich gleiche Intensit\u00e4ten herzustellen w\u00e4ren. In die Resonanzk\u00e4sten der Gabeln von 100, 200, 300, 400, 500, 600 Schwingungen wurden Schl\u00e4uche geleitet, welche durch ein System von dreiarmigen Glasr\u00f6hren zuletzt in den Hauptschlauch m\u00fcndeten, der den Klang in das Beobachtungszimmer leitete. Durch langes Probiren wurde diejenige Lage der Schlauchendigungen in jedem Kasten ermittelt, welche f\u00fcr jede Gabel unter Voraussetzung eines gleich starken Anschlages eine m\u00f6glichst gleich starke Tonst\u00e4rke im Beobachtungszimmer ergab. Aber alles half nichts. Wir mufsten darauf verzichten, durch angeschlagene Gabeln zu Aecorden von hinreichend gleicher St\u00e4rke der T\u00f6ne zu gelangen.1\nHierauf w\u00e4hlte ich als Klangquelle wieder unsere Flaschenorgel und zwar die T\u00f6ne c, c1, gl, c2, e2, g2 (nebst einigen dissonanten Zusammenstellungen). Durch einen grofsen Schalltrichter, der einige Schritte vor der Orgel stand, wurde der Klang in die R\u00f6hre geleitet, die zum Beobachtungszimmer f\u00fchrte. Jeder dieser T\u00f6ne wurde durch kleine Ver\u00e4nderungen an dem Anblaser\u00f6hrchen zu einer m\u00f6glichst gleichen St\u00e4rke mit den \u00fcbrigen gebracht, und zwar zu einer gleichen St\u00e4rke im Beobachtungszimmer an der R\u00f6hrenm\u00fcndung. Vollkommen ist dieses Ziel freilich auch hier kaum zu erreichen, aber es fanden jetzt wenigstens keine gr\u00f6beren Ungleichheiten statt.\nNun ist aber noch ein Uebelstand in Hinsicht der St\u00e4rke, der bei solchen Versuchen \u00fcberhaupt nicht ausgeschlossen werden kann, so lange man T\u00f6ne von diesen Verh\u00e4ltnifszahlen w\u00e4hlt, den man also nur eben bei der Interpretation der Ergebnisse ber\u00fccksichtigen mufs. F\u00fcgen wir zum Ton 1 die T\u00f6ne 2 und 3 hinzu, so bilden diese unter sich einen Differenzton 1, verst\u00e4rken also den Ton 1. Ebenso 3 und 4, 4 und 5, 5 und 6. Ebenso\n1 Bei Versuchen \u00fcber Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr aufeinanderfolgende T\u00f6ne kann man, geh\u00f6rige Uebung des Experimentators voraus-\ngesetzt, mit angeschlagenen Gabeln auskommen, weil jeder mifslingende Fall, wo nur die geringste 8tftrkeungleichheit zu bemerken ist, durch einen anderen ersetzt werden kann. Gegen\u00fcber 6 T\u00f6nen aber, die gleichzeitig gleichstark erklingen sollen, ist der Experimentator nicht in der Lage, den Erfolg seiner Bem\u00fchung in jedem Einzelfall zu controliren und Mifs-lingendes auszuschalten.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nC. Stumpf.\nwird auch 2 verst\u00e4rkt, sobald es durch andere T\u00f6ne, wie 3 und 5, 4 und 6, als Differenzton miterzeugt wird. Kurz, es werden mannigfache Verst\u00e4rkungen entstehen, die den tieferen T\u00f6nen mehr als den h\u00f6heren zu Gute kommen, weitaus am meisten aber dem Ton 1. Das ist ein Umstand, der immer noch an Schulzes merkw\u00fcrdigen Ergebnissen Schuld sein kann, wenn auch sonst alle Vorsichtsmafsregeln getroffen w\u00e4ren. Es scheinen allerdings Differenzt\u00f6ne eine gewisse kurze Zeit zu gebrauchen, um \u00fcberhaupt im Ohr aufzutreten (nicht blos, um wahrgenommen zu werden). Aber bei zwei Secunden H\u00f6rdauer, wie er sie anwandte, d\u00fcrfte diese Zeit schon \u00fcberschritten sein.\nAls Versuchspersonen dienten bei diesen Versuchen haupts\u00e4chlich Herr Pastor Fehl, seit mehreren Semestern Theilnehmer unserer Uebungen, und Herr stud. H. Beide sind nicht so hervorragend musikalisch wie die Versuchspersonen der vorher-\nTabelle I.\nVorgelegte Toncombinationen\na)\t1\nb)\t1 6\nc)\t1 2 3 4 5\nd)\t1 2 3 4 5 6\ne)\t2 3 4 5 6\nf)\t1 3 4 5 6\nBeobachter H.\n1. Reihe\n2. Reihe\n3. Reihe\n1\n6\n135 135 2 4 5 13456\n1\nI\nU 6\n1\n16\n25\t^1235\n1345\t;1345\n235\t235\n12345612345\nfl\nJ\n1\n16\n1235\n12345\n235\n1235\n1 1 j 1 6\t16\n! 1 2 3 5\t1235\n13456 j 135 23456(?)' 2345\n1345\n13456$\nVorgelegte Toncombinationen\t\t\tBeobachter F.\t\t\t\n\t1. Reihe\t\t1\t2. Reihe\t\t3. Reihe ii\t\na) 1\t1\t1\t\t1\t1\t1\nb) 1 6\t16\t15\ti 16\t16\t16\t12 f ?i 6\nc) 1 2 3 4 5\t123456\t123\t1235\t1234\t146\t1245\nd) 1 2 3 4 5 6\t125\t124\t; 123456 146\t\t12346\t1234s\ne) 2 3 4 5 8\t134 5\t236\t2 3 46\t12456\t2456\t1 2456\nf) 1 3 4 5 6\t1246\t1 (?) 2 4 5\ti 1456\t13 (?) 4 6\t1456 ,\t1456","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurtet Dauer. 177\nvo vo \u00bbo\t^ r\u00bb\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 87","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nC. Stumpf.\ngehenden Untersuchung, aber immerhin gut ausgebildet Der erste spielt Orgel, Clavier, Violine, der zweite Clavier. Im H\u00f6ren von Obert\u00f6nen war H. nicht ge\u00fcbt Aufserdem betheiligten sich auch wieder Herr Dr. Abbaham und Herr stud. M\u00fcnnich, aber nicht regelm\u00e4f\u00dfig und lange genug, als dafs ihre Ergebnisse verwerthet werden k\u00f6nnten. Die Ergebnisse der beiden ersten Herren dagegen f\u00fchre ich in extenso an.\nIn Tabelle I giebt die erste Rubrik die vorgelegten, mit a) bis f) bezeichneten Toncombinationen, wobei die Ordnungszahlen 1 bis 6 die oben genannten Theilt\u00f6ne bedeuten. Die \u00fcbrigen Rubriken geben die von den Beobachtern wahrgenommenen T\u00f6ne. Analog ist die Einrichtung der Tabelle H, deren letzte Gruppen auch dissonante Zusammenstellungen enthalten. Die einzelnen Toncombinationen wurden in stets wechselnder und unregelm\u00e4fsiger Reihenfolge vorgelegt.\nEin eingeschaltetes Fragezeichen bedeutet, dafs der ihm voranstehende Ton nicht sicher wahrgenommen wurde. Ein freistehendes Fragezeichen bedeutet, dafs der Urtheilende an eben dieser Stelle selbst (also z. B. bei 12 ? jenseits der beiden ersten sicher wahrgenommenen T\u00f6ne nach der H\u00f6he zu) noch einen Ton zu h\u00f6ren glaubte, dessen er aber nicht sicher war oder den er nicht n\u00e4her bestimmen konnte.\nWir verstehen nun im Folgenden unter \u201ewahrgenommenen\u201c T\u00f6nen diejenigen, welche die Beobachter zu h\u00f6ren glaubten. Sie konnten sich t\u00e4uschen und haben sich \u00f6fters get\u00e4uscht Aber im Allgemeinen lehrt schon der Anblick der Tabellen, d&fe es sich nicht blos um Sch\u00e4tzungen auf Grund irgendwelcher mittelbarer Kriterien handeln konnte, sondern dafs der Zusammenklang ihnen als eine wirkliche Mehrheit empfundener T\u00f6ne erschien. Ich w\u00fcfste kein secund\u00e4res Kriterium anzuf\u00fchren, das so genaue Urtheile liefern k\u00f6nnte. Die Beobachter sprachen sich aber auch selbst in diesem Sinne aus.\nDie Betrachtung der Tabellen ergiebt:\n1. Es wurden im Allgemeinen um so mehr T\u00f6ne wahrgenommen,je mehr ihrerda waren; w\u00e4hrend bei Schtlze im Allgemeinen das Umgekehrte stattfand, insofern der Zusammenklang um so \u00f6fter f\u00fcr einen Ton gehalten wurde, je mehr er sich in der Zusammensetzung dem sog. normalen Obertonklang n\u00e4herte. Von solchem Verhalten l\u00e4fst sich hier schlechterdings nichts bemerken.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 179\nBilden wir die Gesammtsumme aller vorgelegten und die aller wahrgenommenen T\u00f6ne bei den verschiedenen Ton-combinationen, so erhalten wir folgende Uebersicht:\nTabelle I:\nVorgelegt:\ta) 12\tb) 24\tc) 60\te) 60\nWahrgenommen :\t\u201e12\t\u201e 23\u201424\t\u201e45\t\u201e 45\u201446\nTabelle II:\nVorgelegt:\ta) 8\tb) 16 c) \u2014 f) je\t24 g) 32\nWahrgenommen:\t\u201e8\t\u201e 13\u201415\t\u201e 16\u2014271\t\u201e\t32\nf) 60\td) 72\n\u201e 50\u201453 \u201e 50\nh) 40\ti) 48\n\u201e35\t\u201e 35\u201436\nMit der Anzahl der vorgelegten T\u00f6ne w\u00e4chst also im Allgemeinen auch die der wahrgenommenen, wenngleich nicht in demselben Grade, sondern abnehmend, was sich leicht versteht.\nSpeciell kann man noch, mit R\u00fccksicht auf die Frage, wie das Hinzutreten des Tones 1 wirkt, die F\u00e4lle e) und d) in der Tab. I, sowie h) und i) in der Tab. II vergleichen. Die Gesammtzahl der w\u2019ahrgenommenen T\u00f6ne erf\u00e4hrt auch hier nicht eine Verminderung, sondern (wenigstens in Tab. I) eine Steigerung, wenn der Ton 1 zu den T\u00f6nen 2 3 4 5 6 hinzukommt. Und dies ist um so beweiskr\u00e4ftiger, als in Folge des schon erw\u00e4hnten Umstandes bei 2 3 4 5 6 nothwendig 1 als starker Differenzton auf-tritt und andererseits bei 12 3 4 5 6 der bereits vorhandene Ton 1 verst\u00e4rkt wird. Dies mufs dahin wirken, dafs im ersten Fall leicht mehr T\u00f6ne, im zweiten leicht weniger T\u00f6ne (in Folge Ueberh\u00f6rens der schw\u00e4cheren) wahrgenommen werden. Trotzdem nimmt selbst hier die Gesammtzahl der wahrgenommenen T\u00f6ne mit der der objectiv vorhandenen zu, wenn auch nicht in gleichem Maafse.\nSondert man die Ergebnisse beider Beobachter, was hier wohl richtiger, so tritt die Zunahme bei H. um so st\u00e4rker in die Erscheinung, w\u00e4hrend diese bei F. in Tab. I fast verschwindet, in Tab. II sich umkehrt. Bei H. steigt die Summe durch Hinzutritt des Tones 1 zu 2 3 4 5 6 in Tab. I von 21 auf 24, in Tab. II von 20 auf 24. Bei F. steigt sie in Tab. I nur von 25 auf 26 und sinkt in Tab. II von 18 auf 14 V2. Dies liegt aber nach Ausweis unserer Tabellen daran, dafs eben F. bei I in 3 von\n1 Hier hat F. \u00f6fters T\u00f6ne hinzugeh\u00f6rt. Bei H. allein ergeben sich f\u00fcr diese Rubriken auf je 12 vorgelegte T\u00f6ne je 8\u201412 wahrgenommene [8 f\u00fcr c), 11-12 f\u00fcr d} \u2014 f)].\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nC. Stumpf.\n6 F\u00e4llen, bei II in 3 von 4 F\u00e4llen den Differenzton 1 zu der Combination 2 3 4 5 6 hinzuh\u00f6rte. Selbst die Ausnahme also wird zur Best\u00e4tigung.\nWenn wir ferner die Reihen c) und d) in Tab. 13 vergleichen, also die Combinationen 12 3 und 2 3 4, so werden allerdings bei d) im Ganzen mehr T\u00f6ne wahrgenommen als bei c). Aber eine vollkommen gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung hierf\u00fcr liegt darin, dafs man die tiefere Octave c1 : c1 (Ton 1 und 2) schwerer auseinanderh\u00e4lt als die h\u00f6here Octave c1 : c* (Ton 2 und 4), und dafs wiederum bei 23 4 der Ton 1 als Differenzton hinzukommt.\nHiernach darf man wohl hoffen, dafs die Legende von der vereinheitlichenden Wirkung des Tones 1 als solchen und von dem Einflufs, den das h\u00e4ufige H\u00f6ren obertonreicher Kl\u00e4nge auf die Analyse von Zusammenkl\u00e4ngen haben soll, nicht weiter fortgepflanzt werde.\n2. Es wurde im Allgemeinen ein um so gr\u00f6fserer Procentsatz der T\u00f6ne \u00fcberh\u00f6rt, je mehr T\u00f6ne gegeben wurden.\nEin Verhalten, das ja gleichfalls sehr leicht begreiflich ist und besondere Versuche nicht erfordert h\u00e4tte, wenn nicht die Paradoxien Schulze\u2019s vorl\u00e4gen. Bez\u00fcglich Tab. I ersieht man dieses Verhalten ohne Weiteres aus der Zusammenstellung auf der vorigen Seite. Bez\u00fcglich Tab. II kommt in Betracht dafs Fehl hier h\u00e4ufig T\u00f6ne hinzuh\u00f6rte, so dafs man nat\u00fcrlich die Zahl der \u00fcberh\u00f6rten nicht aus der Zahl der angeblich geh\u00f6rten erkennen kann. Wenn wir aus den Urtabellen nur ab-z\u00e4hlen, wie viele von den jedesmal vorgelegten T\u00f6nen \u00fcberh\u00f6rt wurden, so ergiebt sich\nf\u00fcr a)\t(1\tTon)\t0\tder Gesammtsumme\n\u201e b)\t(2\tT\u00f6ne)\t%\t\u00bb\n\u00bb c)\u2014f)\t(3\tT\u00f6ne)\t'/.\t\u201e\t*\n\u00bb g)\t(4\tT\u00f6ne)\n\u201e h)\t(5\tT\u00f6ne)\t*/\u00bb\t\u00bb\t\u201e\n\u201e i)\t(6\tT\u00f6ne)\t\u2019/\u00bb\t,\u00bb\t\u00ab\nDie Br\u00fcche nehmen regelm\u00e4fsig zu, nur den Fall g) ausgenommen. Da die Unterschiede in der Zahl der vorgelegte\u00df T\u00f6ne ebenso wie der Versuchszahlen \u00fcberhaupt nur gering sind, kann ja eine solche Ausnahme leicht Vorkommen.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 181\n3. In Bezug auf die Ordnungszahl der \u00fcberh\u00f6rten T\u00f6ne gilt:\na)\tDer jeweilig tiefste Ton eines Zusammenklanges wird nur \u00e4ufserst selten \u00fcberh\u00f6rt\nb)\tIm Uebrigen besteht ein Unterschied zwischen H. und F. in der Art, dafs ersterer mehr die geradzahligen, letzterer mehr die u n g e r a d zahligen T\u00f6ne \u00fcberh\u00f6rt\nad a) In der ganzen Tab. I sind nur 2 F\u00e4lle von Ueber-h\u00f6ren des tiefsten Tones. In Tab. II finden sich unter 81 F\u00e4llen \u2014 die F\u00e4lle a) z\u00e4hlen wir nat\u00fcrlich nicht mit, wohl aber diesmal die F\u00e4lle m) und diejenigen von k) und 1), in denen die Urtheilenden bestimmte T\u00f6ne angegeben haben \u2014 nur 7 dieser Art, wobei aber auch noch zu bemerken ist, dafs F. in einigen dieser F\u00e4lle einen noch tieferen, subjectiv auch vorhandenen, Ton an Stelle des wirklichen angab.\nad b) Wenn wir aus Tab. I Reihe b)\u2014f) und aus Tab. II Reihe b)\u2014i) die Anzahl der Ueberh\u00f6rungen f\u00fcr jeden der 6 ersten Theilt\u00f6ne zusammenstellen, so erhalten wir folgende Uebersicht :\n\tTabelle IIL\t\t\t\tTabelle IV.\t\t\nTon\tkam vor in Tab.I\twurde \u00fcberh\u00f6rt von H.\tvon F.\t\tkam vor in Tab. II\t\twurde \u00fcberh\u00f6rt von H.\tvon F.\t\n1\t24 mal\t2 mal\t0 mal\t12 mal\t\t0 mal\tOmal\n2\t18 \u00ab\t6 *\t1 \u00ab\t24\tn\t10-12 \u201e i\t2 \u201e\n3\t24 \u201e\t2 J \u00ab\t13 \u201e\t24\tn\t1 * \u25a0\t13 \u201e\n4\t24 \u201e\t12 n\tA * *\t24\tn\ti *\t!\t1-2 *\n5\t24 \"\to -\t10 *\t20\tn\to * :\t4 \u201e\n6\t24 \u201e\t13 \u201e\t4 * ri\t12\tn\t1 \u00ab ! t\t6 r\nBesonders die Tabelle III zeigt in auffallender Weise, dafs bei H. vorzugsweise die geradzahligen, bei F. die ungeradzahligen Theilt\u00f6ne \u00fcberh\u00f6rt wurden (nat\u00fcrlich mit Ausnahme des Tones 1, welcher als jedesmal tiefster Ton unter die Regel a; f\u00e4llt;.\nIn Tab. IV ist das N\u00e4mliche nur f\u00fcr die ersten zwei Obert\u00f6ne (Ton 2 und 3; ersichtlich.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nC. Stumpf.\nDies erinnert nun in der That an eine der Aufstellungen Schulze\u2019s. Wenn auch der behauptete Sachverhalt gem\u00e4fs der Verschiedenheit der Fragestellung nicht der n\u00e4mliche ist (denn dort sollen von dem einen Beobachter die aus \u00fcberwiegend geradzahligen, von dem anderen die aus ungeradzahligen Theil-t\u00f6nen bestehenden Theilkl\u00e4nge vorwiegend f\u00fcr einen Ton gehalten werden), und \u00fcberdies der von ihm behauptete Unterschied aus seinen eigenen Tabellen nicht irgend zuverl\u00e4ssig folgt, so scheint doch nach meinen Ermittelungen etwas Wahres daran zu sein.\nDie Ursache dieses interessanten Unterschiedes d\u00fcrfte, wenn er nicht doch zuf\u00e4llig ist, in individuellen Erfahrungen und Gew\u00f6hnungen liegen. Vielleicht dafs Orgelspieler wie F. in Folge der Zusammensetzung gewisser viel gebrauchter Register sich solche Urtheilsdispositionen aneignen. Jedenfalls w\u00e4re es verkehrt, daraus f\u00fcr die allgemeine Theorie der Tonverwandtschaft Schl\u00fcsse ziehen zu wollen. Die Duodecime ist f\u00fcr solche, die den Ton 3 zu \u00fcberh\u00f6ren geneigt sind, doch um deswillen nicht st\u00e4rker verwandt als die Octave. Damit haben diese individuellen Eigenheiten nichts zu thun, und eine Theorie, aus welcher man solche Folgerungen ziehen m\u00fcfste, w\u00fcrde dadurch nur ihre Unm\u00f6glichkeit beweisen.\n4. Die dissonanten Dreikl\u00e4nge d1 p h1 und dl f1 r, wurden fast in allen F\u00e4llen, in welchen \u00fcberhaupt genauere Angaben erfolgten, richtig erkannt, in 7 F\u00e4llen wenigstens, im Allgemeinen als Septimenaccorde bezeichnet. Bei dem dissonanten Dreiklang 4:5:7 wurde von H. regelm\u00e4fsig die Septime \u00fcberh\u00f6rt, von F. fast immer noch ein Ton der Reihe hinzugeh\u00f6rt Hier ist jedoch zu bemerken, dafs der Ton 7 nur schwach durch den Schlauch kam, so dafs ich selbst ihn gar nicht h\u00f6ren konnte. Auch hatte H. keine Kenntnifs davon, dafs dieser Ton in den Versuchen vorkam, w\u00e4hrend F. es wufste.\nEtwas Allgemeineres l\u00e4fst sich bei der geringen Zahl der Versuche in diesen Punkte nicht erschliefsen, ich hatte sie nur der Abwechslung halber eingef\u00fcgt.\nIn fr\u00fcheren Versuchen am Clavier, wobei die Dauer nicht gemessen wurde, aber gleichfalls sehr kurz war, wie sie eben bei einem ganz kurzen Anschlag resultirt, habe ich gefunden, dafs consonante wie dissonante Vierkl\u00e4nge auch von Musikalischen noch leicht als Duraccorde, verminderte Septimenaccorde","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"lieber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 183\nu. s. w. erkannt, und dafs von Solchen, die absolute Tonh\u00f6hen erkennen, auch diese bezeichnet werden, ja sogar leichter, als wenn die T\u00f6ne isolirt erklingen. Auch \u00fcber besondere Leistungen in Hinsicht ganz ungew\u00f6hnlicher, ausgesucht schwieriger Aufgaben habe ich damals berichtet (Tonpsychologie H 369). Versuche dieser Art, wobei auch Beispiele aus der praktischen Musik benutzt werden k\u00f6nnen, w\u00e4ren mit genaueren H\u00fclfs-mitteln, als ich sie damals hatte, durchzuf\u00fchren und zu systematischen Reihen zu erweitern. Ob etwas besonderes dabei herauskommen wird, kann man freilich nicht wissen, aufser etwa, dafs die Grenzen der musikalischen Leistungsf\u00e4higkeit in dieser Hinsicht festgestellt und dafs ermittelt w\u00fcrde, wo secund\u00e4re Kriterien an die Stelle der wirklichen Analyse treten und welcher Art sie sind. \u2014\nSchlie\u00dflich mufs ich aber eine eigent\u00fcmliche Erscheinung erw\u00e4hnen, die sich bei dem Beobachter H. in einigen oben nicht auf genommenen V ersuchsreihen einBtellte und die sich stark den Versuchsergebnissen von Schulze ann\u00e4hert Zwischen den Reihen der Tab. I und denen der Tab. II n\u00e4mlich fanden zwei Versuchsreihen statt, bei denen ich nur unter drei Zusammenstellungen wechselte: 1 2 3456 \u2014 23456 \u2014 1345 6. Jede kam in jeder Reihe viermal vor. Ich gedachte dadurch besonders die in den Reihen der Tab. I hervorgetretene That-sache zu pr\u00fcfen, dafs bei EL mehr die geradzahligen, bei F. mehr die ungeradzahligen Theilt\u00f6ne \u00fcberh\u00f6rt werden. Die beiden Reihen wurden zun\u00e4chst nur H. vorgelegt Die Umst\u00e4nde waren sonst wie vorher. Aber das Ergebnifs war ein sehr unerwartetes: H. glaubte jetzt best\u00e4ndig nur den Ton 1 zu h\u00f6ren. Nur in 3 F\u00e4llen, dem ersten der einen, dem zweiten der anderen Reihe schrieb er noch den Ton 2 (c1) mit einem Fragezeichen hin, in zwei F\u00e4llen das Beiwort \u201evoller\u201c (beide Male war es die Combination 1 3 4 5 6), in einem Falle \u201eschw\u00e4cher\u201c (es war 2 3 4 5 6).\nDaraufhin ging ich zum umgekehrten Verfahren \u00fcber, statt die Anzahl der vorkommenden Zusammenstellungen zu vermindern, sie zu vermehren und auch gelegentlich dissonante Combinationen einzuschalten, wie es in den Reihen der Tab. EE geschehen ist. Denn ich vermuthete, dafs die F\u00e4lle untereinander zu gleichartig gewesen waren ; wie denn auch EL selbst","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nC. Stumpf,\nnach Beendigung der Reihe \u00e4ufserte: \u201eEs ist ja immer dasselbe\u201c. In der That lieferten die nun (Tags darauf) folgenden vier Reihen H.\u2019s die wohlunterschiedenen und \u00fcbersichtlichen Er gebnisse, wie sie oben mitgetheilt wurden.\nDennoch kann dies nicht der einzige Grund gewesen sein. Denn 1. bleibt es unklar, warum schon der erste Fall in den beiden wunderlichen Reihen unanalysirt blieb, w\u00e4hrend bei Zusammenstellungen von 5 T\u00f6nen niemals in den Reihen der Tab. I und II nur Ein Ton von H. aufgezeichnet wurde; 2. habe ich nach den Versuchen der Tab. 13 wieder eine Reihe mit H. allein unternommen, bei welcher ich 6 Zusammenstellungen vorlegte, die aber auch s\u00e4mmtlich aus mindestens 4 und h\u00f6chstens 6 der j harmonischen T\u00f6ne bestanden (immer vom 1. oder 2. anfangend), j die also ebenfalls sehr gleichf\u00f6rmig waren, aber dennoch wohl- i unterschiedene und der wirklichen Zusammensetzung entsprechende Ergebnisse lieferten.\nIn drei weiteren Reihen, die ich nun unternahm, um diesem seltsamen Verhalten n\u00e4her auf die Spur zu kommen, legte ich zuerst wieder nur die 3 obigen Zusammenstellungen vor und erhielt wieder dasselbe Resultat wie in den zwei anormalen\ni\nReihen. Dann aber 12 verschiedene F\u00e4lle, die zwischen 1 Ton und allen 6 in mannigfachen Combinationen wechselten. Auch hier fand sich die n\u00e4mliche Unf\u00e4higkeit: immer wurde der Ton 1 mit oder ohne 2 angegeben, einige Male auch, wo 1 wirk- ' lieh fehlte, nur 2, und einmal 1 und 3 (statt 1 2 3). Eine letzte Reihe endlich enthielt 7 F\u00e4lle, die wiederum zwischen 1 und den volleren Zusammenkl\u00e4ngen wechselten. Diesmal liefe ich auch Herrn F. theilnehmen, um zu sehen, ob nicht ein unbemerkter Versuchsumstand auf ihn in gleicher Weise nivellirend einwirkte. Aber wieder volle Unf\u00e4higkeit bei H., normale j Leistungen bei F., der nur wieder \u00f6fters T\u00f6ne hinzuh\u00f6rte.\nVorgelegte T\u00f6ne:\t1456\t345\t12\t23456\t456\t1\t135\nUrtheile von F. :\t13456\t2345\t1\t12345\t456\t1\t1345\nH \u2022 \u2022J\tV)\tJ~L- \u2022\t1\t1(?)2\t1\t2\t2\t1\t123\nDiesmal machen die Urtheile H.\u2019s sogar den Eindruck des rein Zuf\u00e4lligen.\nEs bleibt also nur noch \u00fcbrig, zu schliefsen, dafs der intelligente Beobachter H. (trefflicher Mathematiker), der von","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber das Erkennen v. Intervallen u. Accorden bei sehr kurzer Dauer. 185\nnerv\u00f6sen Stimmungen auch sonst sehr abh\u00e4ngig ist (er mufste sp\u00e4ter einmal wegen nerv\u00f6ser St\u00f6rungen eine Heilanstalt aufsuchen), zeitweise zur Analyse \u00fcberhaupt unf\u00e4hig wurde. Er analysirte nicht das ein^ Mal besser, das andere Mal schlechter, sondern einmal analysirte er, und zwar besonders sicher und genau, das andere Mal analysirte er n i c h t, wenigstens nicht bei consonanten Zusammenkl\u00e4ngen in der hier angewandten Lagerung. Es ist als wenn \u2014 um mich in einem physiologischen Bild auszudr\u00fccken \u2014 das durch Uebung erworbene gesonderte Functioniren der einzelnen H\u00f6rganglien oder Processe durch einen \u00fcber die ganze H\u00f6rsph\u00e4re ausgebreiteten Hemmungsvorgang beeintr\u00e4chtigt w\u00e4re. Erkl\u00e4rt ist mit physiologischen Bildern freilich nichts, da wir von solchen Mechanismen nichts wissen.\nEs mag dabei noch eine Art Autosuggestion, anders gesagt eine Urtheils- oder Aufmerksamkeitstr\u00e4gheit hinzukommen, die in der gleichen nerv\u00f6sen Disposition wurzelt Wenn einmal im ersten oder in den ersten F\u00e4llen der Eindruck der Einheitlichkeit, vielleicht nur in Folge ungen\u00fcgender Concentration der Aufmerksamkeit, entstanden war, so konnte schon dadurch die Richtung der folgenden Urtheile mit bestimmt werden, wenn dies auch in normaler Verfassung bei einem guten Beobachter nicht der Fall ist Beg\u00fcnstigt mufste dieser Erfolg nat\u00fcrlich werden durch die in den 2 ersten abnormen Reihen angewandten geringen Unterschiede der Toncombinationen.\nIch erinnere noch an ein eigenes Erlebnifs. Als es sich um feinste Abstimmungsverschiedenheiten der Terzen handelte, lag f\u00fcr mich, solange kleine Terzen ausschliefslich vorgelegt wurden, der subjective Reinheitspunkt unterhalb der physikalischen Reinheit Als aber in einer sp\u00e4teren Untersuchung grofse Terzen vorgelegt wurden, bei denen er auf der Plusseite liegt, r\u00fcckte er auch bei der kleinen Terz w\u00e4hrend dieser Zeit auf dieselbe Seite. Von Nervenstimmungen war hierbei nicht die Rede, die erkannten Unterschiede waren auch nicht geringer als vorher. Aber es war doch auch eine Art Autosuggestion entstanden, die sich auf ganze Urtheilsreihen erstreckte.1\nOb nur irgend etwas von dem hier zuletzt Beobachteten und Vermutheten auch auf die Ergebnisse Schulze\u2019s Anwendung findet, will ich dahingestellt lassen, m\u00f6chte es aber eher be-\n1 Zeitschr. f. Psychol. 18, 3401","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nC. Stumpf.\nzweifeln, da die oben erw\u00e4hnten Bedenken in Bezug auf seine Versuchseinrichtungen die Aufsuchung von Erkl\u00e4rungsgr\u00fcnden zun\u00e4chst \u00fcberfl\u00fcssig machen. Es war ja in den abnormen Reihen H.\u2019s auch nicht etwa eine zunehmende Zahl der Einheitsurtheile mit zunehmender Zahl der T\u00f6ne und mit Ann\u00e4herung an den harmonischen Obertonklang aufgetreten, sondern es waren fast nur Einheitsurtheile, es war Unf\u00e4higkeit zur Analyse \u00fcberhaupt eingetreten. Doch ist die M\u00f6glichkeit nicht ausgeschlossen, dais eine \u00e4hnliche Verfassung bei den Beobachtern Schulze\u2019s mitgewirkt habe; in welchem Falle aber die Ergebnisse, auch wenn die Versuchseinrichtung ein wandsfrei w\u00e4re, nicht als Ausdruck der normalen Urtheilsbeschaffenheit musikalischer Menschen gelten d\u00fcrften.\n(Eingegangen den 2. August 1901.)","page":186}],"identifier":"lit31920","issued":"1902","language":"de","pages":"148-186","startpages":"148","title":"Ueber das Erkennen von Intervallen und Accorden bei sehr kurzer Dauer","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:28:32.808158+00:00"}