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{"created":"2022-01-31T15:26:21.651401+00:00","id":"lit31924","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Offner","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 202-203","fulltext":[{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nLiteraturbericht.\nwissenschaftlichung\u201c. Dieser Zug gliedert sich sofort in drei deutlich unterscheidbare Richtungen: die physiologische, die psychophysische und die eigentlich psychologische. An der Spitze einer jeden steht je ein bahnbrechender Forscher : Helmholtz, Fechner, Wundt ; ihr Werk und ihre Lehre f\u00fcllt die zweite H\u00e4lfte des ersten Vortrags.\nDer zweite Vortrag, der die psychologischen Bestrebungen und Leistungen der letzten Jahrzehnte zum Gegenstand hat, verl\u00e4fst die bisherige Betrachtungsweise ; nicht mehr nach einzelnen Psychologen, sondern nach psychologischen Tendenzen, Disciplinen, Methoden und Anschauungen mufste hier der Stoff gegliedert werden. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge wird als die Eigenart der modernen Psychologie constatirt: multum et multa: ungeheure Betriebsamkeit, sch\u00e4rfste Analyse, \u00fcberw\u00e4ltigende Materialf\u00fclle, aber auch ungeheure Buntscheckigkeit, Kleinstaaterei und Zerfahrenheit, Mangel an grofsen Gesichtspunkten und an synthetischer Kraft.\nEs ziehen zun\u00e4chst die einzelnen Unterdisciplinen an uns vor\u00fcber, die physiologische, die genetische (nebst Kindespsychologie) die Gemeinschaften V\u00f6lker- und Social-)Psychologie, die der individuellen Differenzen, die Psychopathologie. Es folgt eine Betrachtung der modernen Behandlungsweisen: die Ausdehnung des Experiments auf immer centr&lere Gebiete der Seele, die Selbstbeobachtung, der scholastische Formalismus (Brentano nebst Schule, Rehmke). Die Schlufsausf\u00fchrungen gelten den theoretischen Grundanschauungen, soweit sie heut die specialwissenschaft liehe Arbeit beeinflussen. Als Hauptscheidungsmerkmal wird hier die Annahme oder Leugnung eines einheitlichen Seelen- oder Subjectsprmcips eingef\u00fchrt; es stehen sich die \u201esubjectlosen\u201c und die \u201eSubject-Psychologen\u201c gegen\u00fcber.\nDa es bisher an einem historischen Abrifs \u00fcber die Psychologie des 19. Jahrhunderts fehlte, so wird die kleine Arbeit vielleicht nicht ganz unn\u00fctz sein, um Studirenden und anderen Interessenten eine orientirende Uebersicht zu gew\u00e4hren.\tL. W. Stern (Breslau).\nW. R. B. Gibson. The Principle of Least Action as a Psychological Principle.\nMind, N. S. 9 (36), 469-495. 1900.\nDas Princip der kleinsten Wirkung (least action, cf. Helmholtz), ein Grundprincip der Mechanik, wurde bekanntlich auch auf die Psychologie ausgedehnt. Mit welchem Recht, das will der Verf. pr\u00fcfen. Die mathematische Fassung des Gesetzes ist ebenso verschieden wie sein Name. Im Allgemeinen wird damit die Thatsache bezeichnet, dais ein K\u00f6rper, der sich von einem Punkt zu einem anderen bewegt, auf dem Weg sich bewegt, welcher die geringste Gesammtsumme von Wirkung einschliefst, wobei Wirkung (action) in LEiBNiz\u2019schem Sinne als Product von Masse, Geschwindigkeit und Weg verstanden ist.\nDieses mechanische Princip, \u00fcber dessen ganze Tragweite und entsprechenden Rang in der Reihe der Principien die Physiker keineswegs eins sind, wurde gelegentlich mutatis mutandis auch zu einem psychologischen Principe erhoben und zwar in drei Fassungen, als Princip kleinst-","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbelicht.\n203\nm\u00f6glicher Arbeit (inertia), als Princip abnehmender Arbeit (facilitation), als Princip gr\u00f6fstm\u00f6glichen Arbeitserfolges (economy).\nIn der ersten Form, als principium inertiae, vertritt es Ferbkbo angeregt durch Lombboso: das allgemeine menschliche Streben geht dahin, m\u00f6glichst wenig geistige wie k\u00f6rperliche Anstrengung zu leisten. Abgesehen von der unhaltbaren Voraussetzung, dafs das Gehirn in absoluter Unth\u00e4tig-keit ruhe, wenn \u00e4ufsere Reize fehlen, widerspricht Febkebo\u2019s Auffassung die Thatsache der spontanen Bewegungen. Sie m\u00fcfste sich mindestens eine ganz erhebliche Umformung gefallen lassen, etwa: geistiger Fortschritt h\u00e4ngt ab von dem Ausschlufs aller derjenigen Interessen, welche den Interessen feme liegen, die dem geistigen Leben Einheit verleihen; das menschliche Streben geht also dahin, m\u00f6glichst wenig zweck- oder werth-lose Arbeit zu leisten. \u2014 Auch in der zweiten Fassung, als Princip der Arbeitserleichterung, kommt ihm nicht dieselbe Bedeutung zu, wie seinem physikalischen Vorbild im Gebiete des Mechanischen. Die Thatsache, dafs durch Ausscheidung des minder Wichtigen und Herausarbeitung des Wichtigen, die Denkprocesse sich verk\u00fcrzen, die Denkarbeit sich vermindert, giebt nach Ansicht des Verf. noch kein Recht zu der Annahme, dafs s\u00e4mmtliche geistigen Processe auf eine Verminderung der Denkarbeit hinzielen. Nur als ein werthvoller Gesichtspunkt zur Zusammenfassung bestimmter, empirisch gefundener Thatsachen \u2014 Verf. verweist auf die Ver\u00e4nderungen der Sprachen hin \u2014 kann es dienen. Endlich auch in der dritten Fassung, als Princip der Oekonomie, in welcher es Mach und Avenabtus zum Grundprincip alles wissenschaftlichen Denkens erhoben und H. Counelics wie James es aufgenommen haben, spricht ihm Gibson nur untergeordnete Bedeutung zu. So sieht der sehr kritische Verf. in diesem Princip nur ein Princip zweiten Ranges, ein Ergebnifs, das uns lebhaft erinnert an die Streitfragen, wie etwa, ob Herr X. hochwohlgeboren ist oder nur wohlgeboren.\tOffneb (M\u00fcnchen).\nF. v. Lusciiau. Ueber kindliche Vorstellungen bei den sogen. Raturv\u00f6lkern.\nZcitschr. f. p\u00e4dag. Psychol, u. Pathol. 3 (2), 89\u201496. 1901.\nDer im Verein f\u00fcr Kinderpsychologie gehaltene Vortrag ist vor Allem eine Kritik der Kritiklosigkeit, mit der h\u00e4ufig \u201ePsychologie der Naturv\u00f6lker* getrieben wird. So ist auch die Behauptung, dafs der psychische Habitus der Naturmenschen dem des Kindes gleiche, in vielen F\u00e4llen nur Folge falscher Beobachtung, verfehlter Ausfragung und ungerechtfertigter Deutung. L. illustriert dies an zwei Eigenschaften, die man den Naturv\u00f6lkern zugeschrieben hat: der Schw\u00e4che im abstracten Denken und der Unf\u00e4higkeit zu z\u00e4hlen.\tW Stern (Breslau)\nA. Moll. Ueber eine wenig beachtete Gefahr der Pr\u00fcgelstrafe bei Kindern.\nZcitschr. f. p\u00e4dag. Psychol, u. Pathol. 3 (3), 215\u2014219. 1901.\nM. f\u00fchrt in die Discussion \u00fcber die Pr\u00fcgelstrafe den sehr bemerkens-werthen Gesichtspunkt ihrer sexuellen Gefahr ein. Diese Gefahr ist eine dreifache. 1. Es sind F\u00e4lle beobachtet wrorden, in denen Lehrer und Lehrerinnen in der Pr\u00fcgelstrafe ein Mittel sehen, sich sinnliche Erregung zu verschaffen. 2. Bei dem geschlagenen Sch\u00fcler k\u00f6nnen Schl\u00e4ge (nament-","page":203}],"identifier":"lit31924","issued":"1902","language":"de","pages":"202-203","startpages":"202","title":"W. R. B. Gibson: The Principle of Least Action as a Psychological Principle. Mind, N. S. 9 (36), 469-495. 1900","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:26:21.651410+00:00"}