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{"created":"2022-01-31T16:25:23.219795+00:00","id":"lit31934","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Krueger","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 210-213","fulltext":[{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nLiteraturbericht.\nals momentane Reiznngsvorg\u00e4nge in bestimmten Gentren sich erweisen, entsprechen dem, was wir Ich, Selbst nennen, das nicht als Vorstellungs-Inhalt gegeben ist. Seine Eigenart ist bedingt, begr\u00fcndet durch die Nachwirkung fr\u00fcherer Erlebnisse, solcher der Vorfahren wie eigener, und durch eine von Individuum zu Individuum wechselnde besondere Wirksamkeit der Centren in dieser oder jener Richtung. Dieses Ich tritt in die Erscheinung als eine Summe von instinctiven Gef\u00fchlen und gewinnt so auf unser concretes Denken, Urtheilen und Handeln gro\u00dfen Einflu\u00df, oft im Widerspruch mit den im Moment gegebenen Bewu\u00dftseinsinhalten.\nOffnes (M\u00fcnchen).\nR. Eisler. Das Bewafstsein der Anfsenwelt. Grundlegung za einer Erkenntnistheorie. Leipzig, D\u00fcrr, 1901. 106 S.\nDer Verf. untersucht zun\u00e4chst das Verh\u00e4ltnis von Empfindung und Wahrnehmung (deren Plus er in assimilirten Elementen fr\u00fcherer Wahrnehmungen erblickt), dann den Gegenstand der Wahrnehmung, die Kategorie der Dingheit (Dingheit ist ein Reflex der Ichheit, also Introjections-Leistung) und die KANT\u2019schen Kategorien, endlich den naiven und kritischen Realismus und die Beziehung von Bewufstsein und Sein (\u201eSein\u201c heilst in letzter Linie: sich wie ein Ich verhalten). Als Ergebnis seines wissenschaftlichen Nachdenkens bezeichnet der Verf. einen kritischen Realismus und Positivismus. \u2014 Die dem Haupttexte beigef\u00fcgten Anmerkungen sind Zeugnisse eines seltenen Flei\u00dfes und verleihen dem B\u00fcchlein einen speciellen Gebrauchswerth als Orientirungsbehelf. In der Problemstellung und L\u00f6sung selbst scheint dem Ref. die Arbeit einen eigentlichen Fortschritt nicht zu begr\u00fcnden.\tKreibig (Wien).\nA. Bagin8ky. Ueber Saggestion bei Kindern. Zeitschr. f. p\u00e4dag. Psychol, u. Pathol. 3 (2), 97-103. 1901.\nDer im Verein f\u00fcr Kinderpsychologie gehaltene Vortrag beschreibt eine Reihe von klinischen Beobachtungen, in welchen Kinder von zum Theil recht schweren pathologischen Zust\u00e4nden auf rein suggestivem Wege geheilt wurden.\tW. Stern (Breslau).\nC. Stumpf. Tonsystem and Hasik der Siamesen. Mit einer Beilage: Partitur and Melodie eines siamesischen Orchesterst\u00fccks. Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwis8emchaft (3), 69\u2014138. 1901.\nA. J. Ellis hatte im Jahre 1885 beil\u00e4ufig mitgetheilt, da\u00df der siamesischen Musik eine Leiter von 7 gleich grofsen Stufen zu Grunde liege. Die principielle Wichtigkeit dieser Angabe veranla\u00dfte Stumpf zu einer Nachpr\u00fcfung, wozu die Anwesenheit eines guten siamesischen Orchesters in Berlin Gelegenheit bot. Seine umfassenden Untersuchungen beschr\u00e4nkten sich nicht auf die (best\u00e4tigende) Feststellung jener 7 stufigen Tonleiter; sie erstreckten sich auf alle Instrumente der Truppe, auf das musikalische Geh\u00f6r der K\u00fcnstler, auf die producirten Musikst\u00fccke; sie f\u00fchrten zu einer Analyse und psycholog\u00dfchen Interpretation der siamesischen Musik \u00fcberhaupt. \u2014 Die regelm\u00e4\u00dfig und zugleich benutzten Instrumente","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n213\nunangenehm, der Duraccord angenehm, \u201eund zwar umsomehr, je mehr sich die Zusammenstellung derjenigen der harmonischen Theilt\u00f6ne eines Klanges n\u00e4herte\u201c. An der Geige vermochte er hei gleichzeitigem Streichen der beiden oberen Saiten die reine Quinte genau zu bestimmen. \u2014 Die Proben und Analysen siamesischer Musik best\u00e4tigen vielfach fr\u00fchere Be1 obachtungen auch an anderen exotischen Tonwerken: die stetige Beschleunigung des Tempo im Verlaufe der St\u00fccke, das ritardando am Schlufs; die ausschliefsliche Herrschaft des 4/4- bezw. 2/4-Tactes; den aus1 \u2022giebigen Gebrauch der Schlaginstrumente; die Betonung schlechter Tact1 theile; die Vorliebe f\u00fcr Wiederholungen und Nachahmungen der kurzen Motive; das h\u00e4ufige Vorkommen des Sextenschlusses. Der melodische Gesammteindruck war regelm\u00e4fsig der des Durgeschlechtes. Der letzte Ton oder Accord eines St\u00fcckes fiel stets auf das 1. oder 3. Viertel. Dynamische Unterschiede liefs die Natur der Instrumente nur in geringem Umfange zu. Beim Studium der mitgetheilten Notenbeispiele ist zu beachten, dafs die f\u00fchrenden Instrumente, also \u201edie Banats und Kongs jede l\u00e4ngere Note, vom Viertel angefangen durch ein Tremolo wiedergeben\u201c. Die Musik der Siamesen besteht durchweg aus kurzen T\u00f6nen und kurzen Zusammenkl\u00e4ngen. Diese Thatsache scheint mir keineswegs gleichg\u00fcltig zu sein f\u00fcr die Frage nach der Entstehung des siamesischen Tonsystems und der \u00fcberraschend geringen Bedeutung, die der Consonanz und Dissonanz dabei zukommt. \u2014 Bein musikgeschichtliche Er\u00f6rterungen, zu denen einige der St\u00fccke Anlafs geben, k\u00f6nnen hier \u00fcbergangen werden. Die zunehmende Verbreitung europ\u00e4ischer Einfl\u00fcsse l\u00e4fst auch auf musikalischem Gebiete die Feststellung des eigenw\u00fcchsigen Fremden doppelt w\u00fcnschenswerth erscheinen. Den Schlufs der reichhaltigen Monographie bilden methodische Bathschl\u00e4ge f\u00fcr die Erforschung exotischer Musik, die Beschaffung des Materials (wozu der Phonograph empfohlen wird) und seine Uebersetzung in unsere musikalischen Vorstellungen. Die vorliegende Untersuchung ist ein Muster solcher methodisch sicheren Forschung, deren Nothwendigkeit und Werth dem Psychologen und Aesthetiker ebenso einleuchten mufs wie dem Musikhistoriker und dem Ethnologen.\tKrueger (Kiel).\nYrj\u00f6 Hirn. The Psychological and Sociological Study of Art. Mind, N. S. 9 (36), 512\u2014522. 1900.\nEinleitend erinnert der Verf. dieses sehr ansprechenden Artikels an die wechselnde Werthsch\u00e4tzung, welche die Aesthetik erfahren hat. Bald nachdem sie durch Baumgarten im Kreise der Wissenschaften einen Platz\n> 'r '\nerrungen, gelangte sie rasch zu hohem Ansehen, besonders seitdem sie von Kant in der \u201eKritik der Urtheilskraft\u201c als Vermittlerin zwischen Vernunft und Sinnlichkeit bestimmt worden war. Als aber dieser Gegensatz als keineswegs unl\u00f6sbar erkannt und der Dualismus durch den Monismus \u00fcberwunden war, bedurfte man dieser Vermittlerin nicht mehr und die Aesthetik sank in der Achtung der Metaphysiker. Die Kunst aber, die zu Baumgarten\u2019s Zeit gewissermafsen abgeschlossen schien und darum zum Aufstellen abstracter Gesetze wohl geeignet war, gewann bald wieder neue Lebenskraft und wuchs derart, dafs sie die aus viel Deduction und wenig Induction gewonnenen Gesetze der Aesthetik zu Schanden machte und","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nLiteraturbericht.\nauf diesem Gebiete sind nicht so eindeutig wie die von Paars\u00bb und seinen Nachfolgern mitgetheilten.\nNach Stumpf gilt also fttr die urspr\u00fcngliche, von harmonischer Gew\u00f6hnung freie Auffassung qualitativer Tonabst\u00e4nde Fbchxxb\u00ab logarithmische Formel ; nur in der Begr\u00fcndung weicht Stump\u00bb von der psychophysischen Ansicht Wbbxb's und Fbchksb\u2019s ab, wie er auch deren apriorische Verallgemeinerung ablehnt. Bei der Entstehung der gleichstufigen Leitern mufs in gewissem Umfang auch das Consonant bewufstsein mitgewirkt haben: neben der Octave kommen in der Musik der Siamesen simultane Quarten h\u00e4ufig vor, \u2014 die freilich gegen die unserige erheblich vergr\u00f6\u00dfert sind ; auch die Quarte hat einen besonderen Namen, und sie wird zum Abstimmen der Instrumente gebraucht. Es k\u00f6nnte, vermuthet Stumpf, durch den reinen Quartenzirkel zun\u00e4chst eine Leiter von pythagoreischer Stimmung in Siam entstanden und allm\u00e4hlich durch die \u201eTendenz nach Gleichstufigkeit\u201c umgebildet worden sein. Alle gleichstufigen Leitern haben ja f\u00fcr den Gebrauch den Vortheil, dais jede Melodie ohne Aenderung ihres Charakters mit jedem beliebigen Tone beginnen kann ; und thats\u00e4chlich fand Stumpf Transpositionen als etwas sehr Gew\u00f6hnliches in der siamesischen Musikpraxis. Die scheinbar willk\u00fcrlich gew\u00e4hlte Zahl von 7 (bei den Javanern 6) Tonstufen innerhalb der Leiter f\u00fchrt er auf die Heiligkeit, die religi\u00f6se Bedeutung dieser Zahlen f\u00fcr die asiatischen V\u00f6lker zur\u00fcck. Diese Motive der Leiterbildung einmal angenommen, sei die weitere Entwickelung des siamesischen Tonsystems \u2014 Analoges gilt f\u00fcr Java \u2014 so zu denken: das Abstandsurtheil verfeinerte sich immer mehr, im Sinne der Gleichstufigkeit; zugleich gew\u00f6hnte man sich mehr und mehr an die nothwendig gewordene Temperirung (Ver-gr\u00f6f\u00dferung) der Quarte, und es entwickelte sich ein specifisches Reinheitsgef\u00fchl f\u00fcr die neuen Intervalle, besonders f\u00fcr die vergr\u00f6fserte Quarte und f\u00fcr die einfache Tonstufe des gleichstufigen Systems. Im Gebrauche der so entstandenen Leitern macht sich das Consonanzprincip, das f\u00fcr ihr\u00ae Entstehung eine so durchaus secnnd\u00e4re Bedeutung hat, noch dahin geltend, dafs die Melodief\u00fchrung sich im Wesentlichen auf gewisse, dem Con-sonanzbewufstsein weniger anst\u00f6fsige Intervalle beschr\u00e4nkt, die st\u00f6rendsten dagegen \u2014 in Siam die Quarte und Septime \u2014 fast nur als Durchgangspunkte verwendet.\nAkustische Versuche, die der Verf. mit den siamesischen Musikern anstellte, hatten, wie die von Ellis, keinen befriedigenden Erfolg. Aufgefordert, am Tonmesser ihre Leiter herzustellen, w\u00e4hlten sie die einfachen Tonstufen zu klein, so dafs 8 T\u00f6ne statt 7 herauskamen; stimmten auch die Octave ziemlich unrein ab. Vor einer Guitarre und einer Zither versagten sie v\u00f6llig. Zur Erkl\u00e4rung verweist Stumpf auf das Ungewohnte der Instrumente und vermuthet eine gr\u00f6fsere Bedeutung der absoluten Tonh\u00f6he f\u00fcr das siamesische als f\u00fcr unser Geh\u00f6r. Die beiden Terzen und die Quarte unseres Tonsystems, successive angegeben, wurden als unsch\u00f6n empfunden ; es gelang aber den Musikern, unsere einfachsten Duraccorde nachzusingen. Einer der begabtesten erkannte an dem gewohnten Ranat mit Sicherheit eine Mehrzahl (bis 4) gleichzeitig angeschlagener T\u00f6ne. Von verschiedenen Zusammenkl\u00e4ngen des Claviers war ihm der Mollaccord regelm\u00e4fsig","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n213\nunangenehm, der Duraccord angenehm, \u201eund zwar umsomehr, je mehr sich die Zusammenstellung derjenigen der harmonischen Theilt\u00f6ne eines Klanges n\u00e4herte\u201c. An der Geige vermochte er hei gleichzeitigem Streichen der beiden oberen Saiten die reine Quinte genau zu bestimmen. \u2014 Die Proben und Analysen siamesischer Musik best\u00e4tigen vielfach fr\u00fchere Be1 obachtungen auch an anderen exotischen Tonwerken: die stetige Beschleunigung des Tempo im Verlaufe der St\u00fccke, das ritardando am Schlufs; die ausschliefsliche Herrschaft des 4/4- bezw. 2/4-Tactes; den aus1 \u2022giebigen Gebrauch der Schlaginstrumente; die Betonung schlechter Tact1 theile; die Vorliebe f\u00fcr Wiederholungen und Nachahmungen der kurzen Motive; das h\u00e4ufige Vorkommen des Sextenschlusses. Der melodische Gesammteindruck war regelm\u00e4fsig der des Durgeschlechtes. Der letzte Ton oder Accord eines St\u00fcckes fiel stets auf das 1. oder 3. Viertel. Dynamische Unterschiede liefs die Natur der Instrumente nur in geringem Umfange zu. Beim Studium der mitgetheilten Notenbeispiele ist zu beachten, dafs die f\u00fchrenden Instrumente, also \u201edie Banats und Kongs jede l\u00e4ngere Note, vom Viertel angefangen durch ein Tremolo wiedergeben\u201c. Die Musik der Siamesen besteht durchweg aus kurzen T\u00f6nen und kurzen Zusammenkl\u00e4ngen. Diese Thatsache scheint mir keineswegs gleichg\u00fcltig zu sein f\u00fcr die Frage nach der Entstehung des siamesischen Tonsystems und der \u00fcberraschend geringen Bedeutung, die der Consonanz und Dissonanz dabei zukommt. \u2014 Bein musikgeschichtliche Er\u00f6rterungen, zu denen einige der St\u00fccke Anlafs geben, k\u00f6nnen hier \u00fcbergangen werden. Die zunehmende Verbreitung europ\u00e4ischer Einfl\u00fcsse l\u00e4fst auch auf musikalischem Gebiete die Feststellung des eigenw\u00fcchsigen Fremden doppelt w\u00fcnschenswerth erscheinen. Den Schlufs der reichhaltigen Monographie bilden methodische Bathschl\u00e4ge f\u00fcr die Erforschung exotischer Musik, die Beschaffung des Materials (wozu der Phonograph empfohlen wird) und seine Uebersetzung in unsere musikalischen Vorstellungen. Die vorliegende Untersuchung ist ein Muster solcher methodisch sicheren Forschung, deren Nothwendigkeit und Werth dem Psychologen und Aesthetiker ebenso einleuchten mufs wie dem Musikhistoriker und dem Ethnologen.\tKrueger (Kiel).\nYrj\u00f6 Hirn. The Psychological and Sociological Study of Art. Mind, N. S. 9 (36), 512\u2014522. 1900.\nEinleitend erinnert der Verf. dieses sehr ansprechenden Artikels an die wechselnde Werthsch\u00e4tzung, welche die Aesthetik erfahren hat. Bald nachdem sie durch Baumgarten im Kreise der Wissenschaften einen Platz\n> 'r '\nerrungen, gelangte sie rasch zu hohem Ansehen, besonders seitdem sie von Kant in der \u201eKritik der Urtheilskraft\u201c als Vermittlerin zwischen Vernunft und Sinnlichkeit bestimmt worden war. Als aber dieser Gegensatz als keineswegs unl\u00f6sbar erkannt und der Dualismus durch den Monismus \u00fcberwunden war, bedurfte man dieser Vermittlerin nicht mehr und die Aesthetik sank in der Achtung der Metaphysiker. Die Kunst aber, die zu Baumgarten\u2019s Zeit gewissermafsen abgeschlossen schien und darum zum Aufstellen abstracter Gesetze wohl geeignet war, gewann bald wieder neue Lebenskraft und wuchs derart, dafs sie die aus viel Deduction und wenig Induction gewonnenen Gesetze der Aesthetik zu Schanden machte und","page":213}],"identifier":"lit31934","issued":"1902","language":"de","pages":"210-213","startpages":"210","title":"C. Stumpf: Tonsystem und Musik der Siamesen. Mit einer Beilage: Paritur und Musik eines siamesischen Orchesterst\u00fcckes. Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft (3), 69-138. 1901","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:25:23.219800+00:00"}