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{"created":"2022-01-31T16:26:05.468065+00:00","id":"lit31936","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wirth","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 215-218","fulltext":[{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Itiitmturbericht\n215\nGeobgks I>o\u00bba*. fm tristesse et la joie. Biblioth\u00e8que de philosophie con-ttmpmrmne. Paris, Alcan, 1900. 436 S. 7,50 Frcs.\nDiese Monographie d\u00fcrfte die B\u00fccher der modernen romanischen Psychologie in Manchem \u00fcbertreffen. Zwar strebt Verf. als Mediciner auch gleich wieder auf die Erfassung des ganzen psychophysiologischen Lebenszusammenhanges hinan\u00ab und kehrt daher \u00fcberall den physiologischen Gesichtspunkt besonders hervor. Doch erstrebt er daneben in bewufst methodischer Weise einen rein psychologischen Ausgangspunkt der Analyse von Vorstellungen und Gef\u00fchlen als solchen. Die allgemeinsten Gesetze des Gef\u00fchlslebens will er erst nach einer \u00e4hnlichen monographischen Behandlung anderer specieller Gem\u00fctsbewegungen, wie Zorn, Furcht etc. geben, doch ist auch schon diese Schrift nicht ein amusant zu lesendes Allerlei, sondern \u00fcberall auf jenen letzten Endzweck systematisch zuge-spitzt Deshalb wird man ihr auch nicht zum Vorwurf machen, dafs an psychologischer Detailanschauung trotz der Methode der ausf\u00fchrlichen Einzelbeobachtung und des Experimentes nichts wesentlich Neues gefunden werden konnte. Wie u. a. vor Allem aus dem letzten Capitel und dem Schlufs hervorgeht, haben auch dem Verf. die \u201eL\u00fccken\u201c der Langk-Jakbs'-schen Theorie die Wichtigkeit jener psychologischen Analyse besonders nahe gebracht. In dieser Hinsicht will er in dem Streit jener Physiologen gegen die sog. \u201eIntellectualisten\u201c der HsEBABT\u2019schen Schule auf Seiten der Letzteren stehen. Wenn er auch zugiebt, dafs wenigstens die \u201epassiven\u201c Stimmungen nur Correlate, nicht Ursachen der von jener Theorie genannten physiologischen Vorg\u00e4nge sind, so fragt er doch, wie solche unter sich direct entgegengesetzte Abweichungen von einer Mittellage gerade durch bestimmte Vorstellungsthatbest\u00e4nde ausgel\u00f6st werden und sucht (im 4. Cap.) den psychologischen \u201eGrundmechanismus von Trauer und Freude\u201c daraufhin zu analysiren. Zur Erkl\u00e4rung mufs auf die letzten \u201eTendenzen\u201c zur Activit\u00e4t zur\u00fcckgegangen werden, auf deren freiem Spiel die Freude und auf deren Hemmung die Unlust beruhe. Die verschiedenen M\u00f6glichkeiten der Befriedigung oder Hemmung angeregter Tendenzen werden durch Aufstellung einer negativen, positiven und gemischten Form zu classificiren gesucht Ganz im Geiste Leibniz\u2019s wird zur richtigen Auffassung von jenen Tendenzen ein hypothetisches Hinausgehen \u00fcber das \u201eklare\u201c Beim fstsein gefordert. Die Wichtigkeit des Dispositioneilen wird auch bei Erkl\u00e4rung der Ueberraschungswirkung anerkannt, wie sie jeden neuen Gef\u00fchlsthatbestand einleitet und nicht etwa intellectualistisch aus bereits bewufsten Associationen erkl\u00e4rt werden kann. Dieses erste Stadium, welches die Unterscheidung der Lust und Unlust noch nicht enthalte, m\u00fcsse von dem sp\u00e4teren speciellen Gef\u00fchlsverlauf ausdr\u00fccklich unterschieden werden, der unter dem Begriffe des \u00e9motion-choc h\u00e4ufig mit ihm eonfnndirt werde, soweit es sich um acut verlaufende Gem\u00fctsbewegungen handelt. Verf. selbst aber will aus methodischen Gr\u00fcnden vor Allem die Form des \u00e9motion-sentiment, d. h. den l\u00e4ngeren stimmungsartigen Verlauf bearbeiten. Diese Absicht unterst\u00fctzt noch sein psychiatrisches Vorurteil im Sinne Ribot\u2019s, wonach er sich vor Allem an die pathologischen F\u00e4lle ti\u00e4lt, die gerade jenen Verlauf am h\u00e4ufigsten zeigen. Eine \u00f6fters vor-commende Vermischung der Begriffe des Gef\u00fchles und der Ursache des*","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nZ\u00c2teratwrberickt.\n\u2022eiben zeigt dabei seine Behauptung, dais auf dem Gebiete de* Gef\u00fchlslebens die Grenze zwischen Normal und Abnorm \u00fcberhaupt viel schwerer m ziehen sei. Allerdings treten innerhalb des Baches selbst \u00f6fters zach die eigenen Klagen hervor* dais der geistige Zustand des Kranken dis Exactheit der Analyse erschwere, w\u00e4hrend andererseits gerade der er' w\u00e4hnte \u201eGrundmechanismus\u201c vom Normalen abgeleitet wird. Werthvoll ist daneben wenigstens sein Princip, einige wenige Personen m\u00f6glichst eontinuirlich in den verschiedenen Stimmungslagen zu beobachten. \u2014 Eine principielle Unklarheit \u00fcber das Wesen des Gef\u00fchles \u00fcberhaupt verbirgt sich in der oftmals wiederkehrenden Gegen\u00fcberstellung von douleur, bezw. plaisir physique, organique etc. einerseits and moral* mental etc, andererseits. Beide Gef\u00fchlsarten seien nicht ihrem Wesen, sondern nur der Ursache nach verschieden. Die erstere sei eine Art von Verschmelzung peripherer Empfindungsmomente, die Letztere entstehe auch unter Mit* Wirkung der Vorstellungen unmittelbar in den centralen Regionen als sensation centrale. So komme ihnen auch eine verschiedene Stellung zur Localisation zu, indem die erstere geradezu peripher, die letztere nur \u201evage im Gehirn\u201c localisirt wird. Diese Unterscheidung wird nun von Bedeutung in der Analyse der verschiedenen Unterarten der \u201eTraurigkeit\u201c und \u201eFreude\u201c; f\u00fcr beide, insbesondere aber f\u00fcr die erstere ist n\u00e4mlich der Gegensatz des \u201epassiven\u201c und \u201eactiven\u201c Zustandes durchgef\u00fchrt, der einem Zustande der Depression und der Excitation entspricht. Er macht sich schon bei douleur, bezw. plaisir physique geltend und wird auf verschiedene Grundanlagen der Erregbarkeit, Reactionsf\u00e4higkeit oder Empfindlichkeit zur\u00fcckgef\u00fchrt. Tristesse morbide passive unterscheidet sich von T. m. active vor Allem durch douleur morale und Deliriumsvorstellungen, wie Selbstanklagen etc., und wird dieser ganze Unterschied wiederum im Engeren auf das Vorhandensein von douleur morale (souffrance) zur\u00fcck-gef\u00fchrt, wodurch das Delirium selbst erst entstehe. Auch bei Joie morbide ist die ruhigere Form mit einfachem Gef\u00fchl des Wohlbefindens von einer activen Form, die allerdings in Folge der Activit\u00e4t der Freude \u00fcberhaupt schwerer abtrennbar ist, vor Allem durch den Mangel an Projectmacherei, Wahnvorstellungen etc. unterschieden. Dabei soll aber nun das \u201eDelirium\u201c der Melancholie von dem letzteren dem ganzen psychologischen Mechanismus nach verschieden sein. Bei ersterem soll eine im Anschlufs an Griesinger noch sehr intellectualistisch formulirte Synthese vorliegen, wonach der Kranke anf Grund des seelischen Schmerzes (d. mor.) sich abqu\u00e4lt und \u00fcber die Ursache nachsinnt; es sei nicht etwa ein \u201eautomatisches\u201c Auftreten von Vorstellungen auf Grund des Associationsmechanismus, wie es f\u00fcr das Delirium des freudig bewegten Zustandes zugegeben wird, bei dem nur aus den automatisch beistr\u00f6menden Vorstellungen \u201eausgew\u00e4hlt\u201c zu werden brauche. Es ist aber nat\u00fcrlich positiv unrichtig, dafs bei dem erregten Melancholiker nicht auch ein Herzudr\u00e4ngen von Angstvorstellungen auf Grund der n\u00e4mlichen Aehnlichkeitsassociation stattfinde, und aulser-dem ist die ganze Unterscheidung zwischen bewufst und unbewufst vorbereiteter Synthese niemals eine principielle. Ein Verst\u00e4ndnifs f\u00fcr die Allgemeinheit der Aehnlichkeitsassociation h\u00e4tte auch sonst Manches vereinfacht. Diese Detailbeschreibung der pathologischen Erscheinungen an der","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"LiteraturbcrickL\n217\nHand yon Krankengeschichten, experimentellen Untersuchungen etc. bringt den Verl, an die \u201e\u00e4nfserste Grenze, bis zu der die Psychologie Oberhaupt fuhren .kann,\u201c Die eigentliche Physiologie dieser Gef\u00fchle schildert dann die bekannten sphygmographischen (Mabhy), pneumographi\u00dfchen (Markt), spirometrischen (Dupobt), plethysmographischen (Luft-Pl. nach Hajllios-Comte, doch ein Raum f\u00fcr alle Finger zugleich) manometrischen Untersuchungen. Die zuletzt genannten Blutdruckmessungen wurden durch Aufdr\u00fccken eines Luftschlauches auf die Radialis vorgenommen (Ab\u00e4nderung der Methode Bloch-Chkbbon auf Mabey\u2019s Rath). Nach der erw\u00e4hnten Feststellung von douleur physique ohne douleur morale bei tristesse passive soll sich nun rein periphere Vasoconstriction ohne wesentliche Ver\u00e4nderung der Herzth\u00e4tigkeit finden lassen, so dafs hier auch innerhalb des Kreislaufs jene Trennung von physique und morale wiederholt wird. Zwischen trist, pass, und joie bestehen die bekannten symptomatischen Gegens\u00e4tze, hingegen ist tr. a. bei entsprechend hohen Graden von joie nach dieser Hinsicht kaum zu unterscheiden. Aufserdem best\u00e4tigen sich die Gleichartigkeit der Symptome f\u00fcr den \u00e9motion-choc im engsten Sinne, sowie der vor Allem von Lehmjlnn gefundene Unterschied f\u00fcr die acuten Gef\u00fchlsverl\u00e4ufe der Lust und Unlust. Aufserdem folgen Messungen der Secretion und der Zahl der Blutk\u00f6rper. Die sog. Psychophysique bringt in einer ganz anderen als der gew\u00f6hnlichen FscHNEB\u2019schen Bedeutung die secund\u00e4ren Momente jener physiologischen Variationen, wie Temperatur, Farbe und sogar Geruch. In der Psychomechanik folgen dann die bekannten dynamometrischen Experimente \u00fcber die Muskelleistung in den verschiedenen Stimmungen, ohne Best\u00e4tigung der M\u00fcNSTERBKBo\u2019schen Unterscheidung hinsichtlich der Beuger und Strecker. Betont ist dabei die vermittelnde Bedeutung der verschiedenen Lebhaftigkeit des Vorstellungslebens \u00fcberhaupt auf die speciell motorischen Vorstellungen. Besonders wichtig ist dem Verf. das 6. Kap. \u00fcber \u201ePsychochimie\u201c d. h. \u00fcber die nutritiven Verh\u00e4ltnisse, Gewichtsver\u00e4nderungen etc. bei den beiden Gef\u00fchlen. Hier wird vor Allem die physiologische Unterscheidung der in den \u00fcbrigen Aeufserungen schwerer unterscheidbaren Zust\u00e4nde der tr. active und joie in dem bekannten R\u00fcckgang des Ern\u00e4hrungszustandes bei der Melancholie gewonnen, wobei die active die passive naturgem\u00e4fs auch noch \u00fcbertrifft. In der bekannten Art der Verallgemeinerung wird dann das Spiel der nutritiven Verh\u00e4ltnisse mit Beziehung auf das in der psychologischen Analyse gewonnene Material \u00fcberhaupt als das entsprechendste physiologische Correlat betrachtet. Hinsichtlich der symptomatischen Aeufserungen des Gef\u00fchles werden schliefslich die peripheren und centralen Vorg\u00e4nge, welche schon zu Anfang als vollst\u00e4ndig correlativ bezeichnet wurden, von den eigentlichen und wirklich von Gef\u00fchl causal abh\u00e4ngigen Aeufserungen unterschieden, welche eine charakteristische Eigenth\u00fcmlichkeit eben der activen Formen der Gem\u00fcthsbewegungen ausmachen. Diese Auffassung des Schreiens, H\u00e4nderingens etc. beim activen Melancholiker als activer Reaction gegen sein Leiden bringt also endlich auch noch die strebungsartige, voluntarische Gef\u00fchlsf\u00e4rbung ausdr\u00fccklich mit in die Analyse herein, welche neben dem mehr quantitativen Moment der Depression und Erregung vorher fortw\u00e4hrend unanalysirt mitgedacht war. So w\u00e4re denn \u00fcberhaupt wohl noch","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nI\u00c0teratwrbericht.\nmehr Einheitlichkeit und System in das Ganze gekommen, wenn der ph\u00e4nomenologische Gesichtspunkt, der im letzten Kapitel gelegentlich der Frage nach der Allgemeinheit, bezw. Abstractheit oder speciellen Concret-heit fn Tnari^keit und Freude beil\u00e4ufig gestreift wurde, von vorne hemin die Frage der Analyse von Qaf\u00fchLaa -noch mehr pikf rt\nWibth (Leipzig).\nHenbt Hughes. Die Mimik des Menschen auf Grand volantarischer Psychologie.\nFrankfurt a. M., Joh. Alt, 1900. 42\u00f6 S. Mk. 14.\u2014.\nDie Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Mimik, welche auch die P&ntomimik zu umfassen bestrebt sind, k\u00f6nnen von der Behandlung der \u201evoluntarischen Grundlage\u201c, dem Versuche einer ganzen Gef\u00fchls- und Willenspsychologie, leicht abgetrennt werden. Von kurzen Hinweisen abgesehen, erf\u00fcllen dieselben zun\u00e4chst 8. 88\u2014209, wo die einzelnen Bewegungen des Gesichtes und des \u00fcbrigen K\u00f6rpers an der Hand der Muskelanatomie beschrieben werden, ferner den Schlufs des Buches S. 343\u2014419, wo die eigentliche Psychologie der Mimik behandelt wird und die Gern\u00fcthsbewegungen als Eintheilungsgrund f\u00fcr die typischen Ausdrucksformen festgehalten sind. Zahlreiche Abbildungen, vor Allem die bekannten nach Pidbbit etc. sind besonders in diesen letzten Theil eingef\u00fcgt. Der Werth des Buches d\u00fcrfte vor Allem in der zuerst genannten Gruppe zu suchen sein. Wenn auch nichts Neues geboten wurde, so ist doch alles wesentliche Material an Ausdrucksbewegungen systematisch geordnet. Zun\u00e4chst werden die einzelnen Muskelgruppen der Sinneswerkzeuge, der \u00fcbrigen k\u00f6rperlichen Organe und Glieder in ihrer urspr\u00fcnglichen, \u00e4ufserlichsten Function dargelegt und dann bereits die \u201eVerinnerlichung\u201c, d. h. die eigentliche mimische Bedeutung der \u00e4hnlichen Combinationen angeschlossen; es wird also bereits, nur unter einem anderen Gesichtspunkt, dem letzten Theile vorgegriffen. Als Erklftrung8princip gilt hier vor Allem im Anschlufs an Wundt die Gef\u00fchlsverwandtschaft des dargestellten Seelenzustandes einerseits und der darstellenden Bewegung bei jener urspr\u00fcnglichen Function andererseits. Doch scheint Verf. bei dem Bestreben, m\u00f6glichst viele unter sich verschiedene Gem\u00fcthsbewegungen verschiedenen Coordinationen ein und der n\u00e4mlichen Muskelgruppe eindeutig zuzuordnen, vor Allem bei den Augenbewegungen nach Schema S. 138 zu weit zu gehen. Bei der Mimik des Mundes darf die rein asthenische Oeffnung in Folge von Ueberraschung und anderweitiger Besch\u00e4ftigung der Aufmerksamkeit kaum, wie auf S. 151, mit der willk\u00fcrlichen Oeffnung des Mundes zur Aufnahme von Speise in Zusammenhang gebracht werden. Die Verschiebung des psychologischen Thatbestandes wird noch klarer im letzten Theile S. 372. Verf. setzt hier bei dem \u201eErstaunen\u201c nicht die Absorption der Energie durch das Neue und die hiermit gegebene Hemmung anderweitiger Functionen dem Oeffnen des Mundes parallel, sondern ein zweites Stadium der positiven Ergreifung des Neuen, um jene Analogie mit der Aufnahme von Speise zu erlangen. Doch betont Verf. selbst auch, dafs jenes Offenstehen des Mundes nur bei relativer Schw\u00e4che vorkomme. Noch schwieriger wird die Zur\u00fcckf\u00fchrung nat\u00fcrlich bei den Reflexbewegungen, und d\u00fcrfte z. B. die angedeutete Be-","page":218}],"identifier":"lit31936","issued":"1902","language":"de","pages":"215-218","startpages":"215","title":"Georges Dumas: La tristes et la joie. Biblioth\u00e8que de philosophie contemporaine. Paris, Alcan, 1900. 426 S","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:26:05.468070+00:00"}