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{"created":"2022-01-31T16:27:43.253477+00:00","id":"lit31943","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Nagel, W. A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 277-281","fulltext":[{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Zwei optische T\u00e4uschungen.\nNach Beobachtungen von Prof. Danilewsky\nmitgetheilt von\nProf. Dr. W. A. Nagel in Freiburg i. Br.\n(Mit 3 Fig.)\nBei seinem Aufenthalte in Freiburg i. Br. im Sommersemester 1901 zeigte mir Herr Prof. Danilewsky zwei optische Erscheinungen, die man unter den Begriff der \u201eoptischen T\u00e4uschungen\u201c rechnen m\u00fcssen wird und die ich, seinem Wunsche entsprechend, hier mittheile und zu erkl\u00e4ren versuche.\nL Der eine Versuch stellt eine Erg\u00e4nzung einer bekannten Beobachtung von S. Thompson dar.\nWenn man auf weifser Papierfl\u00e4che eine Anzahl concentri-scher Ringe mit dicken schwarzen Strichen und in nicht zu grofsem gegenseitigen Abstande gezeichnet hat und nun der ganzen Scheibe eine leichte Drehbewegung ertheilt (wobei das Centrum der Scheibe einen Kreis von etwa 1 cm Durchmesser beschreibt und die ganse Scheibe stets sich selbst parallel ver-schoben wird (Thompson\u2019s rinsing movement), so hat man bekanntlich den deutlichen Eindruck, dafs sich auf der Scheibe ein heller Streifen uhrzeigerartig dreht. Der Zeiger geht durch den Mittelpunkt der Scheibe und an beiden Seiten bis an deren Rand. Seine Drehungsrichtung ist derjenigen der ganzen Scheibe gleich.\nHerr Prof. Danilewsky hat nun beobachtet, dafs, wenn man zwei derartige Scheiben A und B neben einander legt, den Mittelpunkt von A fixirt und nun diese Scheibe A bewegt, die Zeigerdrehung sowohl auf der bewegten wie auf der ruhenden Scheibe B in gleicher Weise sichtbar ist. Wird dagegen A fixirt, aber B bewegt, so erscheint die Zeigerdrehung nur auf der (ir","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nW. A. Nagel.\ndirect gesehenen) Scheibe B. Wird durch eine vor das Gesicht (sagittal) gehaltenen Scheidewand daf\u00fcr gesorgt, dafs das eine Auge nur die eine, das andere Auge die andere Scheibe sieht, so \u00e4ndert das an der beschriebenen Erscheinung nichts.\nDie Erkl\u00e4rung dieser Beobachtung ist einfach und kn\u00fcpft an die Erkl\u00e4rung der THOMPSOx\u2019schen T\u00e4uschung an.1 Letztere kommt bekanntlich dadurch zu Stande, dafs das Auge dem rinsing movement der Scheibe nicht rasch genug folgen kann und in Folge dessen das Bild der Kreise auf der Netzhaut fortw\u00e4hrend Verschiebungen erleidet Diese haben wiederum zur Folge, dafs nur diejenigen Partien der Ringe schwarz und scharfbegrenzt wie bei ruhender Scheibe erscheinen, die ann\u00e4hernd in der Bewegungsrichtung liegen; bei Bewegung des Kreises A BCD (Fig. 1) der in Richtung C A w\u00e4ren dies die Stellen D und B. Die anderen Kreispartien m\u00fcssen bei gen\u00fcgend rascher Verschiebung\ndes Netzhautbildes mehr oder weniger verschwommen erscheinen, am meisten die Stellen A und C. Umgekehrt, bei Bewegung der Figur in der Richtung DB, scheinen D und B am meisten verschwommen. Bei der Kreisbewegung der Scheibe nun l\u00e4uft diese hellste Stelle der Kreisperipherie rund um den ganzen Kreisumfang und bei Combination mehrerer con-centrischer Ringe in der Thompson\u2019sehen Figur entsteht der Eindruck eines sich drehenden Zeigers.\nDafs nach Danilewsky\u2019s Beobachtung nicht nur eine direct betrachtete bewegte, sondern auch gleichzeitig eine excentrisch gesehene stillstehende Thompson'sehe Scheibe die Zeigerdrehung zeigt, erkl\u00e4rt sich offenbar daraus, dafs das Auge der bewegten Scheibe zwar nicht v\u00f6llig folgen kann (daher die THOMPsoN\u2019sche T\u00e4uschung), aber auch nicht v\u00f6llig stille zu stehen vermag, sondern ihre Bewegungen in verkleinertem Maafsstabe mitmacht; daher verschiebt sich auch das Bild der stillstehenden Scheibe auf der Netzhaut, und auch diese scheint sich zu drehen.\nFixirt man andererseits die stillstehende Scheibe, so ist der\n1 Vgl. H. P. Bowditch and Stanley Hall. Optical Illusions of Motion. Joum. of Physiology 3, 297. 1880-1882.\nFig. 1.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Zxcei optische T\u00e4uschungen.\n279\nEinfluTs der im peripheren Gesichtsfeld wahrgenommenen bewegten Scheibe nicht stark genug, um auch das Auge zu Bewegungen zu zw\u00fbngen. Die fixirte Scheibe zeigt keine Zeigerdrehungen, sondern nur die excentrisch gesehene bewegte Figur.\nNicht ohne Weiteres ist zu sagen, wie der Eindruck sein mufs, wenn man die eine Scheibe rechts herum und die andere links herum bewegt und eine von beiden zu fixiren sucht Ich sehe in diesem Falle auf der Scheibe, die ich ansehe, deutlich die Zeigerbewegung, auf der anderen dagegen fehlt sie v\u00f6llig, diese sieht verwaschen grau aus.\nHerr Professor Danilewsky beobachtet folgende Erscheinung, die f\u00fcr mich nicht wahrnehmbar ist : Fixirt man einen zwischen zwei THOMPSON\u2019schen Scheiben gelegenen Punkt und bewegt die eine derselben, am besten nur in kurzen Kreisbewegungen bald rechts, bald links herum, so tritt jeweils auf der anderen Scheibe die entgegengesetztgerichtete Zeigerdrehung auf.\nIch sehe in diesem Falle auf der ruhenden Scheibe entweder \u00fcberhaupt keine Bewegung oder nur undeutliche Bewegungen, an denen ich eine bestimmte Richtung nicht erkennen kann.\nII. Die zweite von Professor Danilewsky beobachtete und unseres Wissens bis jetzt nicht beschriebene Erscheinung ist die folgende: Wird eine recht stark schwingende Stimmgabel durch eine mit radi\u00e4ren Schlitzen versehene (einem Episkotister \u00e4hnliche) Scheibe beobachtet, die mit passender Geschwindigkeit rotirt, so sieht man unter gewissen Umst\u00e4nden die Zinken der Stimmgabel wellenf\u00f6rmig gekr\u00fcmmt, wie es Fig. 2 veranschaulicht.\nDie n\u00e4here Untersuchung der frappanten Erscheinung zeigt zun\u00e4chst, dafs das Bild der Stimmgabel sich wesentlich ver\u00e4ndert, je nachdem man die rotirende Scheibe dicht vor das Auge bringt oder von demselben weiter entfernt. Im ersteren Falle sind die einfachen Bedingungen der Stroboskopie gegeben, und man sieht dann bei passendem Verh\u00e4ltnifs der Umdrehungs-periode der Scheibe zur Schwingungsperiode der Gabel die letztere ihre Schwingungen in verlangsamtem Tempo ausf\u00fchren, eventuell in irgend einer Phase Stillstehen.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nW. A. Nagd.\nEntfernt man dagegen di\u00e9 rotirende Schlitzscbeibe weiter vom Auge, so sieht man die Stimmgabel durch den Spalt hin-durch nicht nur w\u00e4hrend eines einzigen bestimmten Momentes in jeder Umdrehungsperiode, sondern w\u00e4hrend eines gr\u00f6fseren Bruchtheiles der gesammten Umdrehungszeit Da nun w\u00e4hrend dieser Zeit die Stimmgabel selbst sich bewegt, mufs sie durch die Scheibe hindurch nothwendigerweise gekr\u00fcmmt erscheinen.\nFig. 3.\nNehmen wir beispielsweise eine Scheibe wie in Fig. 3, mit zwei radi\u00e4ren Schlitzen, die in ihrer gegenseitigen Verl\u00e4ngerung liegen und setzen wir voraus, dafs die Umdrehungsperiode der Scheibe und die ganze Schwingungsperiode der Stimmgabel gleich lang seien, so werden wir auf dem hinter der Scheibe gelegenen St\u00fcck der Stimmgabelzinken gerade eine halbe Sinues-Schwingung sehen. Wenn in dem Augenblick, in dem die Spalten AB und CD horizontal stehen, die Stimmgabelzinke gerade durch ihre Ruhelage geht, wird die letztere unter den gemachten Voraussetzungen sich im Maximum ihres Ausschlages befinden, wenn die Scheibe sich um 90\u00b0 weiter gedreht hat; nach weiteren 90\u00b0 Drehung sehwingt die Gabel wieder durch die Ruhelage u. s. w.\nIst die Umdrehungszahl der Scheibe halb so grofs, wie die Schwingungszahl der Stimmgabel, so kommt auf eine Scheibenbreite eine ganze Sinusschwingung ; auf diese Art h\u00e4ngt in leicht ersichtlicher Weise die Gestalt der gekr\u00fcmmten Stimm-gabelzinken von der Periodenl\u00e4nge der beiden reellen Bewegungs-Vorg\u00e4nge ab.\nBei geeignetem Abstand von Auge, Scheibe und Stimmgabel kann man beide Zinken der Stimmgabel wellenf\u00f6rmig gekr\u00fcmmt sehen, wie es Fig. 2 veranschaulicht\nIst die Geschwindigkeit der Scheibendrehung eine wechselnde, so sieht man an der Gabel fortschreitende Wellen.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Zwei optische T\u00e4uschungen.\n281\nNat\u00fcrlich kann man \u00e4hnliche Bilder bei jeder anderen oscillirenden Bewegung erhalten. Besonders frappant ist die Erscheinung bei kleinen Dampfmaschinen mit oscillirendem Cylinder und recht langer Kolbenstange. Hier sieht man durch die Schlitzscheibe die Kolbenstange und den Cylinder in der seltsamsten Weise schlangenf\u00f6rmig gekr\u00fcmmt. Die Erscheinung ist hier noch auffallender als bei der Stimmgabel, weil die Ausschl\u00e4ge der oscillirenden Kolbenstange weit gr\u00f6fsere sind, als bei einer Stimmgabel.\nUm die ganze Erscheinung deutlich sichtbar zu machen, empfiehlt es sich, auf den oscillirenden K\u00f6rper (Stimmgabelzinke, oder Kolben) einen Streifen weifsen Papiers aufzukleben und die Schlitzscheibe zu schw\u00e4rzen, so dafs sie kein Licht reflectirt\n(Eingegangen am 18. October 1901.)","page":281}],"identifier":"lit31943","issued":"1902","language":"de","pages":"277-281","startpages":"277","title":"Zwei optische T\u00e4uschungen","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:27:43.253482+00:00"}