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{"created":"2022-01-31T16:37:31.595683+00:00","id":"lit31960","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"M\u00fcller, Aloys","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 40: 74-101","fulltext":[{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\n\u00dcber den Einflufs der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes.\nVon\nALOYS M\u00fcller.\nI.\nMit dem Problem der Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes geht es \u00e4hnlich, wie mit manchen anderen Problemen der exakten und spekulativen Wissenschaften : sie scheinen eine befriedigende L\u00f6sung gefunden zu haben, die sich dem Zusammenhang der betreffenden Disziplin harmonisch einordnet; aber nachtr\u00e4glich, nach gr\u00f6fserer oder kleinerer Zeit zufriedener Ruhe, stellen sich allerhand Bedenken ein, oft gerade in bezug auf die fundamentalsten Methoden jener L\u00f6sung.\nDas Problem der Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes schien durch Reihann, Zoth, Filehne u. a. gl\u00fccklich und zufriedenstellend gel\u00f6st. Der Winkelwert von 22 0 f\u00fcr den halben Bogen Zenit-Horizont stand fest und das ganze damit zusammenh\u00e4ngende T\u00e4uschungssystem am Himmel, wie es etwa Pernter in seiner \u201eMeteorologischen Optik\u201c (Wien 1902,1. Abschn.) darlegte, schien widerspruchslos aufgebaut, wenn man auch noch einige L\u00fccken f\u00fcllen mufste und \u00fcber den tiefsten physiologischen oder psychologischen Grund noch nicht ganz einig war. Neuerdings aber wenden sich immer mehr Stimmen gerade gegen die grundlegenden Untersuchungen Reimanss. Tats\u00e4chlich bieten die REiMANNschen Resultate und Methoden f\u00fcr Angriffe manche schwache Seiten. Was mir an ihnen haupts\u00e4chlich verfehlt erscheint, fasse ich in folgende drei Punkte zusammen, auf die teilweise zwar schon von anderen hingewiesen wurde, die aber wie mir, so auch jedem, der schon mit physiologischen T\u00e4uschungen gearbeitet hat und von einschl\u00e4gigen Wissenschaften einige Vorstellungen besitzt, sofort auffallen m\u00fcssen.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflu\u00df der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 75\n1. Reimann hat sich \u00fcber die tats\u00e4chlichen Zust\u00e4nde bei bedecktem Himmel und die daraus f\u00fcr seine Resultate sich ergebenden Folgen keine Klarheit verschafft.\nBei bew\u00f6lktem Himmel ist die Erscheinung einer Kalotte keine T\u00e4uschung, sondern Wirklichkeit, wenn die Bedeckung nur den Eindruck eines zusammenh\u00e4ngenden Ganzen macht, wobei aber eiu auch nur optischer Zusammenhang in der Bew\u00f6lkung nicht zu bestehen braucht. Reimanns Werte f\u00fcr ^4 a gehen zwar bei wolkiger Atmosph\u00e4re herab und erreichen das Minimum bei v\u00f6lliger Bedeckung. Das alles wufste man auch bisher. Es l\u00e4fst sich aber weiterhin zeigen, dafs seine Werte f\u00fcr bedeckten Himmel falsch sind. In Fig. 1 sei DCB ein St\u00fcck\nC\nFig. 1\ndes Wolkenhimmels \u00fcber dem Punkte A der Erde. Bezeichnen wir die H\u00f6he der Wolken mit h, die Strecke AD mit s, den\nErdradius mit r, so ergibt sich f\u00fcr das Verh\u00e4ltnis ^ in einfacher Weise die folgende Gleichung:\nh\t1\noder in einfacherer, aber ewas ungenauer und f\u00fcr die praktische Rechnung auch unbequemer Form\nh = V~h\ns y-rj\nBerechnet man nun dieses Verh\u00e4ltnis f\u00fcr einige H\u00f6hen, stellt man es zugleich nach Rexmanns Beobachtungen mit Hilfe","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nAloys Muller.\nder KXsTNEHschen Gleichung dar, dann ergibt eich folgende Tabelle f\u00fcr die gen\u00e4herten Werte.\nTabelle I.\n\u2014 berechnet 8\nf\u00fcr Stratus, mittlere H\u00f6he\n1000 m...................= \u2018/ns\nf\u00fcr Cirrus, mittlere H\u00f6be\n9000 m...................= Yi\u00ab\nf\u00fcr die prakt. Grenze der\nAtmosph\u00e4re, 64 km H\u00f6he = Via f\u00fcr die h\u00f6chste Grenze der Atmosph\u00e4re, 300 km H\u00f6he \u2014\n\u2014 nach Reimanns Beobachtungen\nbei wolkigem Wetter (a = 20 \u00aeJ = V* bei v\u00f6llig heiterem Wetter\n(\u00ab = *3\u00b0)\t...........\nDa in die Richtigkeit des Weges, auf dem die Resultate der linken Seite erhalten wurden, kein Zweifel gesetzt werden kann,\nh\nso sind, man mag an den berechneten - noch so viele Korrek-\ns\nturen im positiven Sinn anbringen, Reimanns Werte f\u00fcr ^ bei\nbedecktem Himmel zu grofs. Sie sind schon zu grofs, wenn ich, wie ich es blofs zum Vergleich getan habe, die gr\u00f6fsten Atmosph\u00e4renh\u00f6hen zur Rechnung benutze, geschweige denn, worauf es hier allein ankommt, die Wolkenh\u00f6hen; man m\u00fcfste denn die verschrobene Annahme machen, die T\u00e4uschung sei beim bedeckten umgekehrt als beim heiteren Himmel. Wenn man nun noch beachtet, dafs die Resultate der linken Seite noch zu grofs sind, indem ja der Einflufs der Blickrichtung noch angerechnet werden mufs, dann sind Reimanns Werte f\u00fcr bew\u00f6lkten Himmel als v\u00f6llig falsch zu bezeichnen. Die berechneten Resultate geben auch wohl die Deutung f\u00fcr eine Erscheinung, wie ich sie manchmal auf der Heide und auf Hochebenen beobachtete, dafs n\u00e4mlich der Wolkenhimmel geradezu auf einem zu lasten scheint und neben der wirklich vorhandenen psychischen sogar eine scheinbare physische Depression erzeugt.\nEs folgt zun\u00e4chst, dafs der Mittelwert f\u00fcr a, den Reimann aus allen Beobachtungen zieht, a \u2014 21,47\u00b0 + 0,08, falsch ist. Es folgt aber noch etwas Weiteres, etwas Wichtigeres. Wenn\nReimann so exzessiv falsche Werte f\u00fcr 4 beobachtete, welche\ns","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflufs der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 77\nZuverl\u00e4ssigkeit verb\u00fcrgen dann noch seine Messungen am heiteren Himmelsgew\u00f6lbe? Nicht als ob ich in seine Beobachtungskunst irgend welchen Zweifel setzte: es scheint etwas Wesentliches an seiner Methode nicht zu stimmen. Was das ist, legen vielleicht die beiden folgenden Punkte dar.\n2.\tDa die Gesichtsfeldgrenze f\u00fcr Weifs (nach Hirscbbero) ungef\u00e4hr 50 \", f\u00fcr Blau ungef\u00e4hr 30\u00b0 betr\u00e4gt, so erhebt sich beim Visieren des Zenites die Blickebene f\u00fcr gew\u00f6hnlich noch \u00fcber die Gesichtsfeldgrenze f\u00fcr Blau und bleibt nicht weit von der f\u00fcr Weifs. Es scheinen sich infolgedessen, nicht nur auf dem Boden einer exklusiven Blickrichtungstheorie, sondern auch auf dem experimentellen der Versuche Zoths und Filehnes, aus dem Halbieren des Bogens Zenits Horizont wegen der Kopfhaltung Fehlerquellen zu ergeben, die in keiner Weise auch beim sorgf\u00e4ltigsten Beobachten zu vermeiden sind und die die Resultate unbestimmt machen.\n3.\tWer einmal experimentell in physiologischen T\u00e4uschungen gearbeitet hat, der wird den Einflufs erfahren haben, den das Wissen um die T\u00e4uschung oder das Erwarten eines bestimmten Resultates auf die Beobachtungen aus\u00fcbte. Wenn schon im gew\u00f6hnlichen Leben, wie die sch\u00f6nen Forschungen von W. Stern u. a. ergeben haben, die Suggestion jeder Art einen unheimlichen Einflufs besitzt, welche suggestive Wirkung wird es dann erst aus\u00fcben, wenn die Aufmerksamkeit sich ausschliefslich auf ein bestimmtes, von dem gewohnheitsgemftfa vorausgesetzten Objektiven sich scharf abhebendes Faktum konzentriert und sich damit zugleich der Wunsch verbindet, etwas Neues zu entdecken, oder sogar die bestimmte und nie bezweifelte Erwartung verkn\u00fcpft, das, was wirklich Tradition ist oder was man daf\u00fcr h\u00e4lt, wiederzufinden i Und obgleich F\u00e4lle Vorkommen k\u00f6nnen, wo ein solches Wissen oder Erwarten die Beobachtungen bei gewissenhafter Selbstzucht nicht beeinflufst, was man in diesen F\u00e4llen gew\u00f6hnlich nach den Resultaten selbst entscheiden kann, sollte doch prinzipiell bei T\u00e4uschungsforschungen das nichtwissentliche Verfahren eingeschlagen werden. Dafs er das nicht getan hat, darin liegt nach meinem Empfinden der Hauptfehler Reimanns. Zwei Tatsachen aus seinen Mitteilungen m\u00f6gen das beweisen. Die meisten Sch\u00e4tzungen hat Reimann selbst vorgenommen und fand das vorhin schon angegebene Mittel a = 21,47 \u00b0. Die Sch\u00e4tzungen, die er von anderen hat vor-","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nAloys M\u00fcUcr.\nnehmen lassen, ergaben als Mittel 29,4\u00b0. Da zeigt sich doch deutlich der Unterschied zwischen dem, der unter der sicheren Erwartung der von fr\u00fcher der Gr\u00f6fse nach schon bekannten T\u00e4uschung stand, und denen, die teils unerfahren waren, teils eine dunkle Vorstellung von der Tatsache einer T\u00e4uschung im allgemeinen hatten. Noch deutlicher ist folgendes. Unter den Versuchspersonen Reimakms stellten von zwei (mathematisch gebildeten) die eine anfangs auf 40 die andere noch \u00fcber 400 ein, als sie den Bogen Zenit-Horizont halbieren sollten. \u201eLetzterer ist, teilt nun Reimann w\u00f6rtlich mit, in seinen Sch\u00e4tzungen allm\u00e4hlich herabgegangen, nachdem ich ihn aufmerksam gemacht hatte, um was es sich handelt.\u201c Da haben wir doch das klarste Beispiel einer unter suggestivem Einflufs gemachten Beobachtung.1\nDiese drei Gr\u00fcnde zeigen m. E. zur Gen\u00fcge, dafs den REiMANNschen Werten das bisherige uneingeschr\u00e4nkte Vertrauen nicht mehr entgegengebracht werden darf. Die m\u00fchsamen Beobachtungen lehren uns, was im Grunde auch schon die einfache Erfahrung sagte, dafs eben eine T\u00e4uschung bestehe. \u00dcber die Gr\u00f6fse der T\u00e4uschung sagen sie nichts Sicheres aus und k\u00f6nnen sie nichts Sicheres aussageu, solange nicht gewisse Vor-sichtsmafsregeln getroffen sind, um die Fehlerquellen auf ein Minimum des Wirkens herabzusetzen.\nII.\nEine von der REiMAUNsehen v\u00f6llig abweichende, bisher wenig beachtete und bekannte Methode zur Bestimmung der Figur des Himmelsgew\u00f6lbes benutzte Prof. Deichm\u00fcllek in Bonn (in Verbindung mit Prof. Fuchs). Eine erste Mitteilung dar\u00fcber gab er auf der Naturforscherversammlung in D\u00fcsseldorf; * eine gr\u00f6fsere, umfassendere Arbeit, in die er mir Einblick gestattete und die manche interessante Punkte enthielt, wollte er noch herausgeben ; der Tod hat ihn daran gehindert. Wenn Deichm\u00fclleb meinte, mit Hilfe seiner Methode die absolute Gr\u00f6fse des scheinbaren Himmelsgew\u00f6lbes finden zu k\u00f6nnen, so beruht das auf der irrigen Voraussetzung, dafs wrir die Sterne oder andere Himmelsk\u00f6rper\n1 Wahrscheinlich ist es ebenfalls suggestive Wirkung, wenn Reihakn bei sich und seinen Gehilfen keinen Einflufs der Blickrichtung auf die Gr\u00f6fsensch\u00e4tzuDg konstatieren konnte.\n! Ber. der 70. Vers, der Ges. d. Naturf. u. \u00c4rzte zu D\u00fcsseldorf 1898. Abt. f\u00fcr Mathem. u. Astron. S. 9 ff.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Uber den Einflufs de>- Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 79\nin bestimmter Entfernung s\u00e4hen; seine Beobachtungen geben, genau wie die Reimanns, nur die Form des Gew\u00f6lbes. Die Idee seiner Methode, die nur Messungen am Nachthimmel gestattet, ist folgende.\nLege ich durch meinen Kopf und einen beliebigen Stern eine Vertikalebene und f\u00e4lle von dem Stern in der Ebene die Senkrechte auf die Verbindungslinie des Beobachters mit dem Schnittpunkte der Ebene und des Horizontes, dann wird mir diese Senkrechte um so n\u00e4her r\u00fccken, je h\u00f6her der Stern steigt, um so weiter abr\u00fccken, je mehr er sinkt. Liegen nun in der Schnittlinie einer solchen Ebene mit dem Himmelsgew\u00f6lbe viele Sterne, so liegen ihre Senkrechten auf der eben bezeichneten Verbindungslinie nebeneinander, in gr\u00f6fserer oder geringerer Entfernung vom Beobachter. Befindet sich in der Vertikalebene ein hoher Gegenstand, etwa eine Turmspitze, dann ist es m\u00f6glich, dafs sie in eine solche Senkrechte hineinf\u00e4llt; wenn nicht, kann sie durch Ver\u00e4nderung des Standpunktes des Beobachters leicht dazu gebracht werden. Anders ausgedr\u00fcckt, je nachdem ich einer Turmspitze mich n\u00e4here oder von ihr mich entferne, kann ich daf\u00fcr sorgen, dafs ein Stern, der mit ihr und mir sich in einer Vertikalebene befindet, gerade \u00fcber ihr steht. Dann l\u00e4fst sich die Entfernung des Sternes berechnen, da ich seine H\u00f6he kenne und die Entfernung des Beobachters vom Fufspunkte des betreffenden Signals messen kann. Nenne ich \u00e7 die Entfernung des Sternes, h seine H\u00f6he, b die Standlinie vom Beobachter zum Signal, dann ist (Fig. 2)\n\u00e7 \u2014b \u25a0 sec h.\nS l\n&\nFig. 2-","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nA lays MMlfr.\nEs ist klar, dafs ich in q nicht den Ausdruck eines absoluten Mafses, sondern nur eine Hilfsgr\u00f6fse erblicken darf, die eine Funktion der Kr\u00fcmmung des scheinbaren Gew\u00f6lbes ist, also lediglich zur Formbestimmung des Gew\u00f6lbes dient.\nDie Kurven, die Deichm\u00fclleu nach seinen Beobachtungen zeichnet, ergeben eine Conchoidenform, die in der N\u00e4he des Horizontes asymptotisch zu verlaufen scheint.\nEine Unzul\u00e4nglichkeit, die sich aus dem Wesen seiner Methode ergibt, hat Deichm\u00fclleu selbst erkannt. Die H\u00f6he des Vergleichsobjektes hat n\u00e4mlich bei gr\u00f6fseren Werten von h grofsen Einflufs auf den Wert von q, indem z. B. eine vergr\u00f6fserte H\u00f6he auch die Einstellung des Beobachters auf denselben Stern, abo <len Wert von b \u00e4ndert. So ergibt sich etwa von /< = 4\u00f60 an die Ausbuchtung des Himmelsgew\u00f6lbes um den Zenit herum. \u00c4hnliches gilt f\u00fcr niedere H\u00f6hen, woher wohl auch der Asymptotencharakter zu kommen scheint. Eine andere Schwierigkeit hegt, wie ich mich oft durch Beobachtungen \u00fcberzeugt habe, darin, dafs in gr\u00f6fseren H\u00f6hen, vor allem aber in niederen H\u00f6hen die Einstellung des Vergleichsobjektes auf einen Stern so unsicher ist, dafs die gefundenen q-Werte wertlos sind. F\u00fcr mittlere H\u00f6hen ergeben Deichm\u00fcllers Beobachtungen eine Abflachung des Himmelsgew\u00f6lbes. Ein bestimmter Wert l\u00e4fst sich jedoch nicht ableiten, weil der Grad der Abflachung von der H\u00f6he des Vergleichsobjektes abzuh\u00e4ngen scheint. Solange also der Einflufs der letzteren nicht eliminiert ist, kann ich in Deicbm\u00fcllehb Methode nur ein Hilfsmittel zur Best\u00e4tigung dessen erblicken, was uns ebensogut die einfache Erfahrung sagt.\nVielleicht l\u00e4fst sich aber Dkichm\u00fcllers Methode zu einer Methode der individuellen Differenzen machen. Mir scheint n\u00e4mlich, dafs man durch dieselbe, wenigstens f\u00fcr mittlere Werte von //, in einfachster Weise feststellen kann, ob, und vielleicht sogar inwieweit, die T\u00e4uschung und die Gr\u00f6fse derselben vom Individuum abh\u00e4ngig ist. Der oben erw\u00e4hnte Hauptfehler der Methode w\u00fcrde in diesem Falle nicht hindern.\nIII.\nEs ist nun von Wichtigkeit einen Weg ausfindig zu machen, auf dem wir zu einem sicheren Werte f\u00fcr die Gr\u00f6fse der T\u00e4uschung gelangen k\u00f6nnen. Wie wir sehen, versagen die beiden bisher einzig bekannten, direkt messenden Methoden. Stellen wir uns","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflu\u00df der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 81\nauf den Standpunkt, dafs die Blickrichtung der Hauptt\u00e4uschungsfaktor ist, dann liegt offenbar eine indirekte Methode in der Messung der von der Blickrichtung bedingten T\u00e4usch un gsgr\u00f6fse.\nDie ersten Versuche dar\u00fcber hat der Astronom Stroobant1 * angestellt, deren Original ich nicht erhalten konnte, die aber nach dem Urteile Zoths3 zu keinen \u00fcberzeugenden Ergebnissen f\u00fchrten. Zoths eigene, scheinbar \u00e4hnliche Versuche8 bezweckten den Nachweis, dafs weniger Gr\u00f6fsen-, sondern haupts\u00e4chlich Entfernungst\u00e4uschungen durch die Blickrichtung zustande kommen. Endlich hat G\u00fcttmann4 an Objekten in der Entfernung von rund 30 cm bei der Erhebung der Blickebene um 400 eine scheinbare Verkleinerung von 3'/s\u201433 * */\u201e\u00b0/0 gefunden. Die letzteren Versuche scheinen mir haupts\u00e4chlich wegen der Nichtber\u00fccksichtigung der Entfernungst\u00e4uschung nicht geeignet, einen zafalen-m\u00e4fsigen Ausdruck zu geben ; es ist ja m\u00f6glich, aber noch unbewiesen, dafs die Entfernungst\u00e4uschung ohne Einflufs auf die T\u00e4uschung durch die Blickrichtung ist; da wir es nun beim Himmel stets, um mich kurz auszudr\u00fccken, mit sensoriell unendlichen Entfernungen zu tun haben, ist es, bis jener Beweis erbracht ist, besser, unter derselben Voraussetzung auch die Versuche anzustellen. Nach den sp\u00e4ter mitgeteilten Versuchen ist tats\u00e4chlich die Entfomungstftuschung von grofsem Einflufs auf die T\u00e4uschung durch die Blickrichtung. Unter Vorwegnahme der Resultate des IV. Abschnittes sei bemerkt, dafs unter den dort formulierten Voraussetzungen in der H\u00f6he, in der Guttmann beobachtete, bei Entfernungst\u00e4uschung eine Verkleinerung von rund 10 \u00b0/0 eintritt. Zoths Beobachtungen scheiden hier aus, auch alle die von Filehne u. a., die nur die Tatsache einer T\u00e4uschung durch die Blickrichtung feststellen und feststellen k\u00f6nnen. Es bleiben so nur noch Stroobants Versuche \u00fcbrig.8 Ich habe es\n1 Bull, de l\u2019Acad. Roy. de Belg. 3. s\u00e9r. 1884 (8. 719 fl.) u. 1885 (S, 315 fl.).\n* Nagel, Handb. d. Phys. d. Menschen. 111. Bd. 1905. Braunschweig. S. 392.\ns Arch. f. d. ges. Psych. 78, S. 383.\n4 Zeitschr. f. Psychol, m. Physiol, d. Sinnesorg. 32, S. 333. 1903.\n4 Nachdem die obige Arbeit schon geschrieben war, kommen mir die Originaluntersuchungen Stboobants in die H\u00e4nde. Die Arbeiten Stroobants sind zun\u00e4chst unklar, was auch ihr Referent in der Akademie, van deb\nMbnsbhugghe, tadelt. So gibt er (Bull. 1885, S. 321) f\u00fcr die prozentuale\nVerk\u00fcrzung in 45\u00b0 Zenitdistanz den Wert 7,4% an, w\u00e4hrend die Mittel seiner anderen Versuche, die mit nicht viel gr\u00f6fserer H\u00f6he gemacht sein\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 40.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nAloys M\u00fc\u00fcer.\nnun unternommen, sie nacbzupr\u00fcfen. Meine Absicht war dreifach :\n1.\tIch wollte durch m\u00f6glichst exakte Ber\u00fccksichtigung aller Beobachtungsbedingungen und Vermeidung aller Fehlerquellen einen zahlenm\u00e4fsigen Ausdruck f\u00fcr die durch die Blickrichtung entstehende Gr\u00f6fsent\u00e4uschung erhalten.\n2.\tIch wollte nachpr\u00fcfen, ob und in welchem Mafse die Senkung der Blickebene von Einflufs ist.\n3.\tDer erhaltene Wert sollte benutzt werden, zu konstatieren, ob die Blickrichtung der Hauptt\u00e4uschungsfaktor ist und welchen Wert f\u00fcr -4 \u00ab sie nahelegt.\nDie Versuchsanordnung, zu der mir der Direktor der Realschule an der Prinz-Georgstrafse in D\u00fcsseldorf, Herr Prof. Lkitbitz, die Aula und die Apparate der Schule in dankenswerter Weise zur Verf\u00fcgung stellte, und bei der, sowie bei den Versuchen selber, Herr Oberlehrer H\u00fclsk\u00f6tter mich freundlich unterst\u00fctzte, war folgende :\nMit Hilfe zweier Akkumulatorenbatterien von j\u00e8 4 Elementen und einem Wydtsinduktor von 15 cm Funkenl\u00e4nge wurden durch einen Strom von 8X4 Voltamp\u00e8re vier Funkenstrecken erzeugt. Zwei davon wurden in Normalaugenh\u00f6he aufgestellt, mit einer gegenseitigen unver\u00e4nderlichen und genau ausgemessenen horizontalen Entfernung von 200 mm. In der H\u00f6he von 26 0 befanden sich die beiden anderen Funkenstrecken; alle vier waren fast genau 10 m vom Beobachter entfernt.\nk\u00f6nnen, zwischen 16\u201420% schwanken. Seine Versuche sind ferner wissenschaftlich unbrauchbar, weil er die H\u00f6he nicht angibt, in der die beiden oberen Funken angebracht waren; er sagt nur: pr\u00e8s du plafond.\nInteressant ist folgendes Experiment von Plateau, daB Stkoobant zitiert (nach Bull. 2. s\u00e9rie t. 49). Plateau ging von der Begel aus: La grandeur absolue que none attribuons \u00e0 une image accidentelle est proportioneile \u00e0 la distance o\u00f9 nous nous figurons la surface de projection. Er stellte sich bei Vollmond vor eine Mauer. Dann blickte er abwechselnd den _ Mond und die Mauer an. Erschien ihm das Nachbild auf der Mauer kleiner, so entfernte er sich von ihr, erschien es ihm gr\u00f6fser, n\u00e4herte er sich ihr, bis die Bilder gleich grofs waren. Plateau fand bo f\u00fcr die mittlere Entfernung von der Mauer 51 m ; f\u00fcr Stroobant ergab dasselbe mit der Sonne an-gestellte Experiment 48 m. Nat\u00fcrlich sind diese letzteren Ergebnisse aus demselben Grunde, der Steoobasts Blickrichtungsresultate wertlos macht, gleichfalls unverwendbar. Aber vielleicht bietet diese Methode der Nachbilder \u2014 ihre Richtigkeit vorausgesetzt \u2014 das beste Mittel zur Messung der Gr\u00f6fsent\u00e4uschung an Sonne und Mond.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Mnflufs der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 83\nDer kleine Erhebungswinkel wird vielleicht auffallen. Praktische \u00dcberlegungen legten ihn nahe. Ich h\u00e4tte ihn aber auch angestrebt,\n1.\tum die Versuche Strqobants und G\u00fcttmanns bei kleinerem Erhebungswinkel zu machen,\n2.\tweil der Winkel von rund 30 0 ungef\u00e4hr die Gesichtsfeldgrenze f\u00fcr Blau darstellt,\n3.\tweil in der Wirklichkeit eine Erhebung der Blickebene um mehr als rund 30\u00b0 ohne \u00c4nderung der Kopfhaltung nach meinen Beobachtungen selten vorkommt.\nDie beiden oberen Funken waren auf einem Millimeter-mafsstabe angebracht, und zwar einer derselben auf dem beweglichen Noniusschieber, der andere fest, so dafs der bewegliche Funke einen Spielraum von etwa 50 mm bis 280 mm, gerechnet von dem festen Funken aus, besafs. Die Stellung des beweglichen Funkens wurde nicht am Nonius abgelesen, weil sich seine genaue Entfernung vom Nullpunkte des Nonius schlecht messen liefe. Vielmehr wurden die Zehntelmillimeter gesch\u00e4tzt \u2014 bis auf 30 Beobachtungen alle von mir; durch astronomische Arbeiten hatte ich \u00dcbung im Sch\u00e4tzen. Entgegen Stroobants Versuchen waren also die oberen Funkenstrecken ver\u00e4nderlich, und zwar aus praktischen Gr\u00fcnden. Auch verschob nicht, wie bei Stroobant, der Beobachter den Funken, weil das 1. nicht gut ohne Verzicht auf die Entfernungst\u00e4uschung und auf feine Einstellung m\u00f6glich war und 2. die Gefahr vorlag, dafs bei der Manipulation mit den H\u00e4nden auf die Kopfhaltung nicht gen\u00fcgend geachtet wurde.\nZweierlei wurde bei den Versuchen genau angestrebt: 1. Unkenntnis der Versuchspersonen \u00fcber das, worum es sich handelte; Kenntnis davon hatten blofs Herr Oberlehrer H\u00fclsk\u00f6tter und ich. 2. V\u00f6llige Entfernungst\u00e4uschung in bezug auf die Funken. Sie war vollst\u00e4ndig. Bei den Versuchen, die wegen der Unm\u00f6glichkeit einer Verdunkelung der Aula in den Abendstunden angestellt wurden, erschienen die vier Funken wie vier Sterne etwa 2.- 3. Gr\u00f6fse auf v\u00f6llig dunklem Hintergr\u00fcnde. Auf die Entfernung von 10 m war auch nicht der kleinste st\u00f6rende Reflex an den noch exponierten Metallteilen der Apparate sichtbar. Bei konstantem Betrachten erschienen auch die je zwei zusammengeh\u00f6renden Funken als konstante Sterne. Eine Schwierigkeit entstand beim Wandern der Blickebene von einem\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nAlas M>il\nFunkenpaar zum anderen. Dann schien man \u2014 indirekt \u2014 das \u00dcberspringen der Funken zu sehen, hatte also 4 zitternde Lichtbilder im Auge, was sehr st\u00f6rte und die Augen meistens hart angriff. Es wurde leicht verhindert, indem beim Hinauf- und Hinabgehen der Blickebene die Augen geschlossen wurden, was von jedem ohne \u00dcbung sofort erreicht werden konnte.\nWenn ich mich einschliefse, hatte ich 13 Versuchspersonen zur Verf\u00fcgung, in den Altersgrenzen von 16 bis 56 Jahren. Davon waren 9 emmetrop, 3 hypermetrop, 1 myop ; eine sah mit dem linken Auge fast nicht.\nMit diesen Versuchspersonen wurden in der Zeit vom 19. April bis 7. Mai im ganzen 230 Beobachtungen gemacht. Es wurde dem Beobachter die Aufgabe gestellt, bei normaler Kopfhaltung und bei senkrecht zur K\u00f6rperachse liegender Blickebene als Ausgangsstellung blofs durch Heben resp. Senken der Augen die Funken zu betrachten und ein Zeichen zu geben, sobald nach seiner Sch\u00e4tzung die Entfernung der oberen Funken, von denen der eine langsam und stetig verschoben wurde, gleich der konstanten Entfernung der unteren Funken war. Die Versuchspersonen hatten also nichts anderes zu tun, als lediglich zu beobachten. Da gleich bei den ersten Versuchen bemerkt wurde, dafs der ungewohnte Anblick der vier Funken auf dem dunklen Hintergrund anfangs verwirrte, wurde jeder Versuchsperson vor der ersten Beobachtung, die sie machte, die Funkenstrecken in der Ruhelage gezeigt, um sie an den Anblick zu gew\u00f6hnen. Die Kopfhaltung ist stets richtig gewesen. Vor jeder Beobachtung wurde die betreffende Versuchsperson daran erinnert und zugleich gebeten, eine Ver\u00e4nderung in der Kopfhaltung sofort nach der Beobachtung anzugeben: es brauchte jedoch keine einzige Beobachtung wegen ver\u00e4nderter Kopfhaltung ausgeschaltet zu werden.\nNoch ein Fehler war zu vermeiden. Ich nenne die Bewegung des beweglichen Funkens aus der Nahelage in die Fernlage positiv, die umgekehrte negativ. Bei Beobachtungen von der Art der unsrigen wird nun bei der positiven Bewegung die Sch\u00e4tzung zu klein, bei der negativen zu grofs ; das ist eine l\u00e4ngst bekannte T\u00e4uschung. Achtet man nicht darauf und nimmt man blofs eine Art der Bewegung \u2014 die -(--Bewegung liegt am n\u00e4chsten \u2014, dann begeht man offenbar einen Fehler, von dessen Gr\u00f6fse man sich aus der sp\u00e4ter folgenden Tabelle einen Begriff machen kann.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflu\u00df der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 85\nEs wurde darum so eingerichtet, dafs ohne jede Ausnahme jeder -(--Beobachtung sofort eine,\u2014Beobachtung entsprach, und diese Paarung von und \u2014Werten geht durch alle Beobachtungsreihen hindurch.\nVon den 230 Beobachtungen wurden 154 in vertikaler K\u00f6rperhaltung, also mit horizontaler Lage der Blickebene als Ausgangsstellung gemacht. 20 darunter habe ich selber angestellt; da aber meine Beobachtungen trotz des besten Willens ganz offenbar von dem Wissen um die T\u00e4uschung beeinflufst sind, so schliefse ich sie als unbrauchbar aus. Eine genaue Tabelle der Resultate folgt sp\u00e4ter. Hier stehe nur das genaue Mittel, das sich aus allen Beobachtungen f\u00fcr die obere Funkenentfernung ergab:\n186,9 mm mit dem wahrscheinlichen Fehler von + 0,98.\nDa \u00f6fter von den Versuchspersonen sofort nach der Beobachtung der-(--Wert als zu grofs gesch\u00e4tzt angegeben wurde, da nachtr\u00e4glich aber keine Verbesserung mehr vorgenommen werden durfte, ist der obige Wert zweifellos noch etwas zu grofs. Als ann\u00e4herndes Mafs, wie man eventuell zu verbessern h\u00e4tte, mag angegeben sein, dafs eine Verschiebung des Funkens um 3 mm die Entfernung nicht merklich zu \u00e4ndern schien.\nEine Entfernungst\u00e4uschung, insofern als die beiden unteren Funken \u2014 \u00e4hnlich wie bei Zotiis Versuch die beiden gl\u00fchenden Dr\u00e4hte \u2014 dem Beobachter n\u00e4her erschienen w\u00e4ren, fand durchaus nicht statt.\nEine zweite Versuchsreihe, im ganzen 76 Beobachtungen von 9 Versuchspersonen umfassend, wurde in horizontaler K\u00f6rperhaltung vorgenommen. Die Versuchspersonen legten sich auf eine Bank und st\u00fctzten den Kopf so, dafs die Kopfhaltung zu den oberen Funken normal war. Sie hatten also blofs durch Senken der Blickebene die Gleichheit der Entfernungen zu sch\u00e4tzen. Ich hatte nach den Versuchen von Filehne und Zoth erwartet, dafs das Senken der Blickebene keinen oder nur h\u00f6chst geringen Einflufs aus\u00fcbe, w\u00e4hrend allerdings die Theorie, die den T\u00e4uschungsimpuls der Blickrichtung auf Konvergenzempfindungen zur\u00fcckf\u00fchrt, einen Einflufs erschliefsen liefs. Das Resultat war eine Entfernung der oberen Funken von\n190,5 mm.\nW\u00e4hrend bei dem ersten Resultat der wahrscheinliche Fehler noch keine Einheit der letzten Stelle vor dem Komma ausmacht,","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nAloys M\u00fcller,\nist er bei diesem Wert, wohl infolge der geringeren Anzahl der Beobachtungen, gr\u00f6feer, n\u00e4mlich 4\n\u00b1 1,69.\nEs ist vielleicht im ersten Augenblick nicht klar, was das Resultat bedeutet. W\u00fcrde ich die Versuchspersonen in vertikaler Haltung gelassen und die beweglichen Funken 26\u00b0 unter der Horizontalebene angebracht haben, dann h\u00e4tte die Entfernung dieser beweglichen Funken rund 210 mm betragen m\u00fcssen. Es entsteht also eine gen\u00fcgend scharf ausgesprochene Vergr\u00f6fserung der Objekte bei Senkung der Blickebene, unter unseren Versuchsbedingungen eine Vergr\u00f6fserung von 4,8%.\nZweifellos beruht die T\u00e4uschung infolge Erhebung oder Senkung der Blickebene im wesentlichen auf Konvergenzempfindungen. Infolge der eigent\u00fcmlichen Synergie der Obliqui und Recti s. und i. ist die Konvergenz bei Erhebung der Blickrichtung erschwert, bei Senkung erleichtert, was im ersteren Falle einen kleineren, im zweiten einen gr\u00f6fseren Konvergenzwinkel zur Folge hat. H\u00e4lt man das fest, dann l\u00e4fst sich vielleicht aus den Werten f\u00fcr die Drehmomente ein Schlufs auf die Gr\u00f6fse der T\u00e4uschung ziehen.\nIch f\u00fcge noch an, dafs die Konvergenztheorie mir eine Erscheinung erkl\u00e4rt, die auch andere schon wahrgenommen haben. Bei monokularem Sehen erscheinen mir Mond oder Sonne in der N\u00e4he des Horizontes zwar mit der Gr\u00f6fsent\u00e4uschung behaftet, aber doch um ein Merkliches kleiner als bei binokularem Sehen. Die Erkl\u00e4rung lautet wohl so. Bei monokularem Sehen wird bekanntlich infolge ihres Zusammenhanges der Konvergenzmechanismus durch den Akkommodationsmechanismus mit in Anspruch genommen, nur jedenfalls nicht in dem Mafse, als wenn er wesentlich selbst\u00e4ndig arbeitete wie beim binokularem Sehen.\nEs folgt nun eine Tabelle der Mittelwerte der einzelnen V ersuchspersonen.\nBemerkungen zu der Tabelle II:\n1. Die ziemlich grofsen Unterschiede unter den Einzelbeobachtungen, von denen die Tabelle fast nichts mehr zeigt, r\u00fchren von dem Umstande her, dafs es viel schwerer ist die Entfernungen je zweier Punkte, als die Gr\u00f6fsen zweier Strecken zu vergleichen.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflu\u00df der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 87\n\u00a9\n<\u00e4\n\n\tco\t\t\tCS\tCO\tCM\t\tO\t\t\t\t\t\u00a9\nV \u2022\t1\tCO\t*Q\t\tCO\t8\tHP\t\tCM\t\t\t\trH\t\u00a9\ni g\u00ae 1 s \u00ab\t\t\t\t\t\trH\t\trn\t\t\t\t\t\n\ti\t1\t\t1\ti\t!\t\t+\t\t\t\t+\t+\no S\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n-\u2022-\u00ab r 1\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n1 s\tH#\t\t\tCS\tCO\tCM_\t\t\u00a9\u201e\t\t\t\t\t00\n\tCO +\tkO +\t\tCO +\t8 +\trH +\t\tCM H I\t\t\t\trH 1\t\u00a9 1\n1\to*\tlO\t\to-\tvO\t\t\u25a09.\tCS\t00\t\u00a9\t\u00a9\t\t\u00a9\n1\tr*\tCD\tCM\tCO\tCO\tV\tCM\tco\tos\t\u00a9\tCM\t\u00a9\tCO\n\t\t\tH\t\tCM\tco\t\t\t\t\trH\t\t\n3 \u25ba rfl m\t1\t1\t1\t1\tI\ti\t1\t+\t1\t+\t1\t1\t+\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n* a\tCD\tCO^\ttom\tl>\t\tce\ti\u00a9\t\tco\t\u00a9^\trH\t\t\u00a9_\nrt o\t\tCD\tCM\tCO\tCO\t\u2022\u00bb*\tCM\t\tcs\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\t\u00a9\n< \u25ba 4-\t\t\trH\t\tCM\tco\t\t\t\t\trH\t\t\n\t+\t+\t+\t+\t+\t+\t+\t1\t+\t1\t+-\t+\t1\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nas\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\tCM\t\tto\tiO\t00\txO\tCD\t\t\t\t\u00a9\txa\n1 1 1\tO h-h\tS\t\tco\tiQ\tCO os\t8\tco* o\t\t\t\ts'\t8\n\t\u00a9\tT-H\t\trH\tCM\trH\t^H\trH\t\t\t\trH\trH\nO\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n, *\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\tr-\t\t\t00\tCS\t\u25a0H*\tO\tCD\t\t\t\t00\t\u00a9\n1 | +\tg\ts\t\t8\t8\t\tr\u2014i CS\tg\t\t\t\tco\tCD 00\nS\t\u00a9\t\t\t\u00bbH\trH\trH\trH\t6,\t\t\t\tiH\trH\n'S\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n,\t-r-\u00bb 2\t5\tH\u20141\t00\t\tch\tCM\tCD\tO\tCO\t\t\t\t\t'\u00abf\n.t2 5\tr- o\t8\t\t-rj\u00bb CS\t\u00abg\tH* 00\tSJ\t\u00a7\t\t\t\trH oo\t\u00a9 Ch\na g\t\u00a9\t\u25bcH\t\trH\trH\trH\trH\trH\t\t\t\trH\trH\nK\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n! 'S\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nr*\t00\tO\tCD\tCH\tCM\tCM\t\tiO\t\u00a9\t\u00a9\tO\t\u00c7D\tH\n1 t 1\tiO sa\t03 CS\t8'\t8\t03 CM\tr- H\t\trH 00\t8\tr-\tCH \u00a9\txO Ch\t35\n>\trH\trH\tCM\trH\tCM\tCM\t\trH\trH\trH\trH\tH\trH\n!\t3 , 1\t.t\u00e2 +\tr-\tCS\tCO\tCO\tCO\tlO\t\t\tCO\tCh\t\u00a9\t00\t\u00a9\n\t\u00a78\tco r-\tlO r-\t8\tMO O-\t<xT \u2022*\u00bb\t\t\u00a9 00\ts'\t8\t\u00a9 CH\t-r* Ch\tCH CO\nS\t\u25a0\u00bb-h\trH\trH\trH\tt-H\trH\t\trH\trH\trH\trH\trH\tr-\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nr-, ai \u00a9 M\tCO\tvO\tes\tO\tr-\t00\t\tH*\trH\t00\t\u00a9\t\u00a9^\trH\nS s\tH\u2014H \u00a9\t*C3 CO\tr- CO\tCO CS\t00 CS\tCM co\t\tS\t8\ts\t>o co\tlO Ch\t3\na \u00a9 ! > 1\trH\trH\tH\trH\trH\trH\t\trH\trH\trH\trH\t\trH\nI\nfl\n\u25c4\nCu\nO\nu\n\u00a9\na\na\n\u00a9\neu\no\nM\nh-J \u00a9 \u00a5\n~ a s\na\n\u00a9\nCU\no\n\u00bbH\na \u00cf\ng\na\no\nIU\n\u00a9\na\na\n\u00a9\nCU\n2\n-\nK* \u00a9 \u00a5\n^ a \u00ef\na\n\u00a9\neu\no\ng!\nV\n\u00a9\n\u00a9\n\u00abJO\n5 *-\u2022\n\u2022*3 ci\n\u00a9 jfl \u00a9 O\n.-a \u00a7\nM fl \u00a9\nfi\th\n\u00a9\neu\no\na\no\nOh\nrfl\nH a","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"A'-vyt M\u201c \u25a0 r.\n88\n2.\tIndividuelle Verschiedenheiten scheinen zu bestehen. Man vergleiche vor allem die Versuchsperson XII, deren Mittel weit unter dem allgemeinen Mittel bleibt. Um zu zeigen, dafs das kein Zufall ist, sondern dafs die Versuchsperson ausgezeichnet gesch\u00e4tzt hat, gebe ich noch eine kleine Tabelle der von ihr an einem Abend erhaltenen 16 Beobachtungen hinzu.\nTabelle III.\nVertikale Haltung\tHorizontale Haltung\na\nc\t'\t__\nX\t,\n_\t_\t__\n\u00a9 \"\n178,1\tmi ,\t181,1\t181,9\n166,3\t181,1 ;\t181,8\t179,1\n171,8\t174,9 i\t182,5 j\t179,0\n176,1\t171,7\t\t\n181,6\t;\t172 2 1 ' j-\tI\t\n3.\tEin klar ausgesprochener Einflufs der Hyperm\u00e9tropie oder Myopie ist nicht vorhanden.\n4.\tInteressante Schl\u00fcsse lassen sich in bezug auf das positive und negative Einstellen ziehen, dem die beiden letzten Tabellen spalten dienen:\na)\tDer Fehler ist bei einer gr\u00f6fseren Strecke kleiner (I II. V, VI).\nb)\tW\u00e4hrend in den meisten F\u00e4llen bei der positiven Einstellung ein positiver Fehler gemacht wird, d. h. ein Fehler, der, zu der Einstellung addiert, das Mittel gibt, kommt bei 4 Versuchspersonen das Gegenteil vor: der Fehler ist bei positiver Einstellung negativ, bei negativer Einstellung positiv. Eine Versuchsperson (XII) hat bei vertikaler Haltung den gew\u00f6hnlichen, bei horizontaler den umgekehrten Fehler.\nc)\tBei den Versuchspersonen, die diesen vom Gew\u00f6hnlichen abweichenden Fehler haben, ist der Fehler auch, umgekehrt wie bei den anderen, bei der gr\u00f6fseren Strecke gr\u00f6fser (vgl. VIII, XII, XIII).\nIV.\nF\u00fcr die wissenschaftliche Verwertung unserer Versuche zur Ableitung eines Wertes f\u00fcr -=4 a bed\u00fcrfen wir zun\u00e4chst der Voraussetzung, dafs die Blickrichtung die Hauptt\u00e4uschungsursnchc bei der T\u00e4uschung am Himmelsgew\u00f6lbe darstellt. Die einzige Konkurrenz in dieser Rolle k\u00f6nnte ihr von dem Gedanken jener","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflu\u00df der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 89\nentstehen, die in der Himmelsfl\u00e4che eine Wirkung der Atmosph\u00e4re sehen, d. h. irgend eine Grenzfl\u00e4che der Luft als Himmelsgew\u00f6lbe ansprechen, eine Theorie, der auch Reiman n neuerdings bedenklich zuneigt.1 Die Theorie st\u00f6fst aber auf soviele physikalische Schwierigkeiten2, dafs sie noch kein halbes Dutzend nennenswerter Vertreter besitzt. Alle anderen T\u00e4uschungsmomente, die man seit den Zeiten des Ptolem\u00e4us namhaft gemacht hat, sind entweder zweifelhaft oder k\u00f6nnen ihrem ganzen Charakter nach keine Wirkung von einschneidender Bedeutung oder grofser Konstanz hervorbringen ; aufserdem k\u00f6nnen, worauf man bisher wenig geachtet hat, Momente, die die T\u00e4uschung beg\u00fcnstigen, durch entgegenwirkende wieder aufgehoben werden. Da nun andererseits ein aufserordentlicher Einflufs der Blickrichtung auf Gr\u00f6fsen- oder Entfemungsempfindungen teils durch einfache Beobachtungen, teils durch messende Experimente sicher steht, trage ich kein Bedenken, der Blickrichtung den Haupteinflufs bei der T\u00e4uschung am Himmelsgew\u00f6lbe zuzuschreiben, lasse aber allen anderen physikalischen und physiologischen Momenten freien Spielraum und schr\u00e4nke das Gesagte aus einem sp\u00e4ter anzugebenden Grunde f\u00fcr die T\u00e4uschung an den Gestirnen wesentlich ein.\nJedoch noch eine zweite Voraussetzung m\u00fcssen wir machen, wenn wir unsere Versuche benutzen wollen, die n\u00e4mlich, dafs die Blickrichtung eine ganz bestimmte Funktion des Erhebungswinkels ist, m. a. W. wir m\u00fcssen uns entscheiden, welche Figur wir dem Himmelsgew\u00f6lbe beizulegen haben. Es ist zweifellos, dafs Versuche nach Art der unsrigen die experimentelle Entscheidung dar\u00fcber leicht geben k\u00f6nnten: Es m\u00fcfste von demselben Beobachter eine Untersuchung der T\u00e4uschung von Grad zu Grad stattfinden, wenigstens bis zur H\u00f6he der Gesichtsfeldgrenze, und durch die Versuchsanordnung m\u00fcfsten eine m\u00f6g-\n1 Ztitsc.hr. f. Psychol, u. Phys. d. S. 37, 3. u. 4. H.\n* Es m\u00fcfste z. B. die unregelm\u00e4fsige und variable Helligkeitsverteilung am heiteren Himmelsgew\u00f6lbe ber\u00fccksichtigt werden. Wenn Reimann ferner im Zenit bald die Luftschichten erreichen lassen, will, die als dunkel zu gelten haben, dann m\u00f6ge er doch zun\u00e4chst einmal mit seiner Voraussetzung vereinigen, dafs der Horizont viel heller ist, obwohl unser Blick horizontal bedeutend gr\u00f6lsere Luftschichten durchdringen mufs als zenitw\u00e4rts. Endlich gilt gegen diese Ansicht auch die eingangs gegen Reimann in Punkt 1 gemachte Einwendung.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"so\nAloyg M\u00fcller.\nliehst genaue Einstellung und Messung der Lichtp\u00fcnktchen ._.u\nvor allem auch, durch geeignete Apparate, die Konstanz der erforderlichen Kopfhaltung verb\u00fcrgt sehi. Keine der bisher vorliegenden Beobachtungsreihen zwingt zur Annahme einer selteneren Figur, und wenn W. C. Bbenke die Gestalt des Gew\u00f6lbes durch ein Ellipsoid, W. Eunst durch ein Hyperboloid, Deichm\u00fcller noch durch eine kompliziertere Figur dargestellt finden, so sind die zugrunde liegenden Versuche teils, wie bei letzterem schon gezeigt wurde, falsch, teils in ihrer Methode und ihren Resultaten naturgem\u00e4fs so ungenau, dafs ihnen die Annahme einer Kugelkalotte ebensogut gen\u00fcgt. Soviel, dafs wir es in unseren Rechnungen ber\u00fccksichtigen m\u00fcfsten, scheint die Figur des Himmelsgew\u00f6lbes von einer Kugelkalotte nach allem bisher Bekannten nicht abzuweichen. Ich gebe aber von vornherein zu, dafs die Figur des Gew\u00f6lbes infolge des variabelen Charakters der Gesamtwirkung der sekund\u00e4ren T\u00e4uschungsmomente um eine Kugelform gleichsam oszilliert, lasse auch die M\u00f6glichkeit offen, dafs die Figur infolge der Eigent\u00fcmlichkeit der Augenbewegungen in der N\u00e4he der horizontalen Ausgangsstellung am Horizonte eine kompliziertere Gestalt einnimmt.\nWenn wir nun unter diesen wahrscheinlichsten Voraussetzungen daran gehen, die Versuche zu verwerten, dann f\u00e4llt uns sofort ihr direkter Gegensatz zu den Resultaten Stroobants auf: W\u00e4hrend Stkoobant eine objektive Verk\u00fcrzung seiner Versuchsstrecken horizontalw\u00e4rts feststellte, ergaben unsere Versuche eine Verk\u00fcrzung zenitw\u00e4rts. Ich finde bislang noch keine ausreichende Erkl\u00e4rung f\u00fcr dieses Verhalten. Jedoch l\u00e4fst eine kleine \u00dcberlegung die Benutzung unserer Resultate als berechtigt erscheinen. Nicht nur ist ein Einfiufs der Blickrichtung durch unsere Versuche ohne jeden Zweifel erwiesen, sondern auch jede andere T\u00e4uschungsursache ist, soviel ich sehe, ausgeschlossen ; ja wenn man Steoobants Versuche unter der plausibelsten Annahme eines Erhebungswinkels berechnet, sind unsere Resultate der absoluten Gr\u00f6fse nach, also ohne R\u00fccksicht auf das Vorzeichen, ohne Gegensatz zu denen des Br\u00fcsseler Astronomen. Nun kann sich aber ein Einfiufs der Blickrichtung unter den Beobachtungsbedingungen der freien Wirklichkeit nur so \u00e4ulsern, dafs sie, wie bei den T\u00e4uschungen am Himmelsgew\u00f6lbe und den Gestirnen, Strecken in gr\u00f6fseren H\u00f6hen subjektiv verkleinert. Das beweisen zun\u00e4chst die Resultate der ein-","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflu\u00df der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 91\nfachsten Beobachtungen. So haben ich und mehrere meiner Versuchspersonen, mit denen zu probieren ich Gelegenheit hatte, die Versuche von Gauss, mit vor- oder r\u00fcckw\u00e4rtsgebeugtem Oberk\u00f6rper den tief- oder hochstehenden Mond zu betrachten, ohne Schwierigkeit mit dem bekannten Erfolge nachgemacht. Das beweist auch fernerhin die einzig vern\u00fcnftige Erkl\u00e4rung des Einflusses der Blickrichtung durch die Konvergenz. Das alles l\u00e4fst darauf schliefsen, dafs eine Konkordanz zwischen unseren und Sthoqbants Versuchen einesteils durch Ber\u00fccksichtigung der Versuchsanordnung, anderenteils durch richtige Diskussion der physiologischen Tatbest\u00e4nde herbeigef\u00fchrt werden kann.\nBei einer solchen Diskussion ist hier wie \u00fcberhaupt in Sachen physiologischer T\u00e4uschungen vor allem der Fehler des geometrischen Denkens zu vermeiden. Man darf nicht meinen, \u25a0wenn man eine T\u00e4uschung geometrisch richtig aus einer anderen abgeleitet habe, sei die Ableitung auch physiologisch richtig. Ein Beispiel wird hier Klarheit bringen. Zehendeb sucht* 1 eine Reihe physiologisch-optischer T\u00e4uschungen und auch die am Himmelsgew\u00f6lbe und den Gestirnen durch das Voi.KMASxsche Grundgesetz zu erkl\u00e4ren, wonach zwei Linien, die parallel scheinen, nach oben divergieren. Ich sehe ganz davon ab, dafs das keine Erkl\u00e4rung ist, dafs vielmehr, wenn seine Darlegungen richtig sind, die Volkmann sehe T\u00e4uschung den anderen koordiniert ist und allen eine gemeinsame T\u00e4uschungsursache zugrunde liegt.\u00ae Ich sehe auch davon ab, dafs die innerhalb ganz kurzer Zeit eintretenden Schwankungen in der Gr\u00f6fse der Volkmann-T\u00e4uschung und die Tatsache, dafs f\u00fcr solche, die die T\u00e4uschung am Himmelsgew\u00f6lbe und den Gestirnen unzweifelhaft sehen, die VoLKMANN-T\u00e4uschung bei binokularem Sehen verschwindet, gegen eine solche Verwertung des Gesetzes sprechen. Aber woher nimmt Zehender das Recht, die M\u00f6glichkeit einer physiologischen Ableitung der T\u00e4uschung an den Gestirnen aus dem Volkmann-schen Gesetz resp. seinen physiologischen Grundlagen ohne weiteres anzunehmen, wenn auch die geometrische Ableitung\n1 \u00dcber optische T\u00e4uschung. Leipzig, 1902.\n1 Ich habe im \u201eAllgemeinen Literaturblatt\u201c (Wien, XIV. Jahrg., S. 68) Zehbnber vorgeworfen, seine Anwendung des VoLKMANNSchen Gesetzes beruhe auf einem Irrtum, indem, die Berechtigung zur Anwendung vorausgesetzt, das Gegenteil daraus folge. Es war das jedoch ein irrt\u00fcmlicher Vorwurf meinerseits, den ich hiermit Zur\u00fccknahme.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nAloys M\u00fcller.\ngelingt? Habe ich dann nicht das Recht, auch andere aus kleinen Verh\u00e4ltnissen bekannten \u201eGesetze\u201c resp. T\u00e4uschungen auf grofse Verh\u00e4ltnisse zu \u00fcbertragen, falls ich nur geometrisch richtig verfahre ? Es bestehen zahlreiche T\u00e4uschungen von ganz oder teilweise entgegengesetztem Charakter nebeneinander, z. B. die Voi.kmannsehe und die bekannte andere, dafs man Gegenst\u00e4nde im oberen Teile des Sehfeldes gegen\u00fcber denen im unteren \u00fcbersch\u00e4tzt. Diese Tatsache allein spricht schon entschieden gegen jede geometrische Verwendung einer T\u00e4uschung; denn, rein geometrisch gedacht, bieten jene Tatsachen offenbar Widersinniges, es m\u00fcfste sich nach Zehendees Verfahren aus Volkmanns Gesetz im oberen Teil des Sehfeldes eine Untersch\u00e4tzung der Gegenst\u00e4nde ableiten lassen. Wenn ich ferner Volkmanns Gesetz auf grofse Verh\u00e4ltnisse anwenden darf, wer hindert mich an der analogen Anwendung des genannten anderen Gesetzes?11 Ich schliefse: Geometrische Richtigkeit der Ableitung einer physiologischen T\u00e4uschungserscheinung verb\u00fcrgt noch keine physiologische Richtigkeit. Die Verh\u00e4ltnisse der Wirklichkeit sind komplizierter als man meint; das m\u00f6ge man bei einer Vergleichung unserer Versuchsresultate mit denen Stroobants nicht aus dem Auge verlieren. Indem ich also unsere Resultate und die T\u00e4uschungstatsachen der Wirklichkeit nicht mehr als Widerspr\u00fcche, sondern nur als isolierte Tatsachen betrachte, gebe ich folgende empirische Interpolationsformel: Die Erhebung der Blickebene bringt unter den Verh\u00e4ltnissen unserer Versuche denselben Effekt an von ihr (indirekt) abh\u00e4ngigen inkonstanten Gegenst\u00e4nden im Objektfeld hervor, den sie unter nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnissen an von ihr unabh\u00e4ngigen konstanten Objekten im Sehfeld hervorbringt.\nWir fragen uns nun: Wie \u00e4ndert unter den genannten Voraussetzungen die nach unseren Versuchen konstatierte T\u00e4uschung die sichtbare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes?\nDie folgende \u00dcberlegung m\u00f6ge uns eine vorl\u00e4ufige Antwort\n3 \u00dcbrigens ist jede Zeichnung der VoLKMAHN-T\u00e4uschung f\u00fcr das Doppelauge, d. h. jede Zeichnung mit zwei parallel scheinenden, tats\u00e4chlich aber nach oben divergierenden Linien nur eine Kombination aus den Tatbest\u00e4nden bei monokularem Sehen. Bei binokularem Sehen verschwindet entweder, wie schon oben bemerkt, die T\u00e4uschung oder beh\u00e4lt einen ganz minimalen Wert. Auch darin, dafs Zehendfr dies nicht beachtet hat, zeigt sich sehr krafs der irref\u00fchrende Einflufs des rein geometrischen Denkens.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflufs der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 93\nbringen. Man m\u00f6ge sich die mit Breiten- und L\u00e4ngenkreisen versehene kugelf\u00f6rmig angenommene Erde vorstellen und eine in geod\u00e4tischen und \u00e4hnlichen Werken befindliche Tabelle der L\u00e4nge eines Gradbogens der Parallelkreise in von Grad zu Grad fortschreitenden Breiten zur Hand nehmen. Objektiv verk\u00fcrzt sich der Gradbogen eines Erdparallelkreises von 0\"\u201426\u00b0 um 10,1%. Denken wir uns ins Zentrum der hohlen kristallenen Erdkugel versetzt; dann tr\u00fcge diesen Charakter auch unsere subjektive Wahrnehmung, wenn unser Auge auf jener T\u00e4uschung infolge der Blickrichtung unterl\u00e4ge. Nehme ich bei den Resultaten unserer Versuche die Sehne als Bogen, was ich, da es hier auf Verh\u00e4ltniszahlen ankommt, ohne jeden nennenswerten Fehler tun darf, dann besitzt die T\u00e4uschung allein in einer H\u00f6he von 26\u00ae den Wert von 6,5 %. F\u00fcr unsere Wahrnehmung w\u00fcrde also der Gradbogen in 26\u00b0 H\u00f6he eine Verk\u00fcrzung von 16,6% besitzen. Ich habe nun zu untersuchen, welcher Kugelkalotte eine solche prozentuale Abnahme gen\u00fcgt. Ein Blick in jene Tabelle zeigt, dafs die Verk\u00fcrzung zwischen 8,5 \" und 34,5 0 jenen Prozenten gen\u00fcgt. Vorausgesetzt einmal, dafs unser Auge nicht t\u00e4uschte, sondern dafs das, was wir jetzt als Produkt der T\u00e4uschung und Wirklichkeit sehen, reine Wirklichkeit, reine Objektivit\u00e4t w\u00e4re, dann m\u00fcfsten wir, wenn wir uns wieder im Zentrum der hohlen Erdkugel denken, unseren Horizont um 8,5\u00b0 erheben; die dann \u00fcber uns befindliche Kugelkalotte w\u00fcrde unseren Werten entsprechen. Da wir uns nun nur die Erdkugel ins Unermessene vergr\u00f6\u00dfert zu denken brauchen, um in die Verh\u00e4ltnisse am Himmelsgew\u00f6lbe zu kommen, so ergibt sich daraus\n\u00ab5 a = 40,8 \\\nBeachten wir, dafs der Wert 186,9 zu grofs war, dann k\u00f6nnen wir ruhig f\u00fcr a rund 40 0 setzen. Mit Reimanks Wert a = 22 0 r\u00fcckw\u00e4rts gerechnet, erg\u00e4be die prozentuale Abnahme den Wert 45,9%; die Entfernung der oberen Funken m\u00fcfste also, vorausgesetzt, dafs der Blickrichtung der Haupteinflufs zuf\u00e4llt, 133,4 mm betragen haben.\nZur Kontrollrechnung diene folgendes. Bekanntlich verhalten sich die Bogen der Parallelkreise von gleicher Winkel-gr\u00f6fse wie die Kosinus ihrer H\u00f6hen. Berechne ich mit Hilfe dieses Satzes nach unseren Beobachtungen die Prozente der Verkleinerung, dann finde ich nat\u00fcrlich auch 16,6%. Kenne ich","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nAhyv M\u00fcller.\nnun in der zu suchenden Kalotte das untere St\u00fcck des Parallelkreises von 1,15\u00b0 L\u00e4nge a, das obere b, die entsprechenden H\u00f6hen-winkel x und y, so erhalte ich offenbar die beiden Gleichungen\n(l\u2014\u00bb> *\u00b0g = 16,6 und \u2018 = C0\u2018 \u00bb. a\ta cos x\nBerechne ich aus der ersten das Verh\u00e4ltnis -- = 0,834, so habe\na\nich zu untersuchen, ob der Gleichung\n= 0,834\nCOS X\nzwischen den von uns erhaltenen Werten der Winkel y = 34,5* und a: =: 8,50 Gen\u00fcge geschieht. Tats\u00e4chlich stimmen die Berechnungen, wovon man sich durch eine einfache Rechnung mit nat\u00fcrlichen trigonometrischen Zahlen \u00fcberzeugen kann, vollst\u00e4ndig \u00fcberein. Dafs selbst eine schlechtere \u00dcbereinstimmung gen\u00fcgen w\u00fcrde, m\u00f6gen die beiden folgenden Angaben illustrieren:\ncos 34\u00b0 cos 8 0\n= 0,837\nund\ncos 350 cos 9u\n0,829.\nDer vorstehenden Betrachtung kann man leicht eine mathematische Einkleidung geben. Ich nenne den Erhebungswinkel der Blickrichtung \u00df und den prozentualen Wert der Verk\u00fcrzung p.\nWir denken uns nun wieder in dem Mittelpunkte einer Sph\u00e4re stehend. In Fig. 3 bezeichne b eiu St\u00fcck des Breitekreises in\nFig. 3.\nder H\u00f6he \u00df, a ein St\u00fcck des Breitekreises von derselben Winfcel-gr\u00f6fse im Horizont, p das prozentuale Verh\u00e4ltnis der Verk\u00fcrzung von a. Da sich nun die St\u00fccke von Breitekreisen mit derselben","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflufs der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 95\nWinkelgr\u00f6fse ihrer absoluten Gr\u00f6fse nach verhalten wie die Kosinus ihrer H\u00f6hen, so ergeben sich unmittelbar die beiden Gleichungen :\nb\t,\n\u2014 = cos \u00df a\n(\u00ab - l) 100\n1-----\u2014\t\u25a0 = p.\na\nNach wenigen Umrechnungen und nach Einsetzen des Wertes f\u00fcr \u2014 aus der ersten in die zweite Gleichung, erhalten wir\nI) p = 200 sin\u00ae .\nIch denke mir nun den Horizont gehoben (Fig, 4), bis er in\n\u00f40 H\u00f6he mit einem Breitekreisst\u00fccke zusammenf\u00e4llt, dessen prozentuale Verk\u00fcrzung im Verh\u00e4ltnis zu einem zwischen denselben Meridianbogen in der H\u00f6he (\u00df -|- <J) liegenden St\u00fccke gleich t'p + p') ist. Das obere St\u00fcck nenne ich b\\ das untere a. Hierf\u00fcr ergeben sich, ganz analog den ersten, die folgenden Gleichungen i\n1) K \u2014 cos (\u00df + d)\n' a\tcos \u00e2\n(a \u2014 b') 100\t,\t,\t,\n2) -----y~ - = (p + p).\nSetze ich zun\u00e4chst den Wert f\u00fcr p nach Gleichung I), dann den Wert f\u00fcr nach Gleichung 1) in Gleichung 2) ein, dann erhalte ich","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nAl'-tf\u00bb Mutin\u2019.\nCOS\n\u00df \u2014\nP\n100\ncos (\u00df 4- \u00d4)\nCOS \u00d4\nWenn ich mit cos \u00f4 multipliziere, den Kosinus der Summ\u00ab ausrechne und f\u00fcr \u00f4 sein Wert (90 \u2014 2 a) einsetze, erhalte ich\n100\nty 2 a =\nsin \u00df.\nDie zur Ableitung von a angestellte Betrachtung und die f\u00fcr a gegebene Formel bieten jedoch nur eine vorl\u00e4ufige Ann\u00e4herung; sie k\u00f6nnen einen schnellen Begriff von der ungef\u00e4hren Gr\u00f6fse des A\u00ef a geben, gelten aber nur f\u00fcr kleine d.\nIch entwickle nun die genauen Formeln, die f\u00fcr die Berechnung von a aus Blickrichtungsversuchen zu gebrauchen sind.\nBei den vorhergehenden Betrachtungen wurde nicht ber\u00fccksichtigt, dafs bei einer Erh\u00f6hung des Horizontes um <5\u00ae der Erhebungswinkel der Blickrichtung \u00df auf der Sph\u00e4re nicht mehr\nabschneidet.\neinen Bogen von \u00df\"\nsondern etwa einen von \u00df'0\nFig. 5.\nDieses Verh\u00e4ltnis ist in Fig. 5 dargestellt. Nach dem Fr\u00fcheren ergeben sich nun, wenn ich mit b\" und a\" die St\u00fccke der Breitekreise in C und A, mit [p -f- p) das prozentuale Verh\u00e4ltnis der Verk\u00fcrzung von a\" bezeichne, wie ich es jetzt tun mufs, ohne \u25a0weiteres die Gleichungen :\nCOS {\u00df\" + \u00d4)\nb\" __ a\"\tcos \u00e0\nin \u2014 U) 100\nP + P-\nDurch Einsetzen der ersten in die zweite Gleichung folgt\ncos (\u00df' + \u00d4) cos \u00e0 \u2014","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflu\u00df der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 97\nwo m den Wert\nII) m\n__ 1 _ P + P'\nioo\nbesitzt.\nIch. f\u00e4lle nun von C auf OE die Senkrechte CD. Dann ist -4 DCB = \u00df.\nEs ist\ntg \u00df \u2014 Dc-\nSetze ich ein f\u00fcr allemal den Radius \u2014 1, so folgt hier f\u00fcr DC aus A OCD\nDC = cos (\u00df' + d).\nDB ist gleich DO \u2014 OB. Setze ich f\u00fcr DO aus A OCD, f\u00fcr OB aus A A OB ihre Werte ein, dann ist\nDC = sin (jS'-f-d) \u2014 sin \u00f6.\nAlso haben wir nun die folgenden beiden Gleichungen:\n. cos (\u00dff + d)\n1) -----------' \u2014 tn\ncos o\no)to \u00df\u2014 8in\t~ 8in 0\n* ' \u2014 cos (P + t)\nRechne ich in der 2. Gleichung den Sinus der Summe aus und multipliziere 1) und 2), dann erhalte ich\n\u25a0\"'<M> - \u00bbi\u00b0 f\n'\tCOS p \u2014 1\nBerechne ich in Gleichung 1) den Kosinus der Summe, und setze 3) ein, so folgt\nm tg \u00df sin \u00df' \u2014 sin2 \u00df\u2019 m \u2014 cos \u00df----------\u2014--------f---z----\u2014.\nCOS ;T \u2014 1\nBringe ich cos \u00df> \u00fcber den Bruchstrich, dann bekomme ich mit Hilfe der Formel cos* a -J- sin* o = 1\n1 +\nm\ntg \u00df\nsin \u00df>\n1 \u2014 cos \u00df\u2018 \u2018\nIndem ich nun die Gleichung reziprok mache, folgt mit Hilfe bekannter trigonometrischer Formeln\nIII) tg \u2014 =\t?\nj 9 2 m + 1\n2tiUahrin ffii Ptychologi\u00ab 40.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nAloyt SltiJitr.\nUm eine logarithmierbare Formel f\u00fcr d zu finden, verfahre ich auf folgende Weise. Ich dr\u00fccke in A OBC ^ e mit Hille von -4 \u00c7 durch \u00df, \u00df' and d aas. Beachte ich non, dafs der Radius = 1, also OB \u2014 sin d ist, schreibe ferner (\u00df' \u2014 \u00df) = y and wende den Sinassatz auf das A an, so folgt\nsm d = \u2014\u2014-\u20143\u2014\ncos \u00df\nBei passendem Gebrauch trigonometrischer Formeln und unter Ber\u00fccksichtigung, dafs (\u00df \u2014 \u00df) stets negativ ist, erhalte ich\n\u00df'\\\nIV) cot d =\n2sinf\nsin\n('-*).\nsin i\u00df \u2014 \u00df')\nIch stelle nun die Formeln, die zur Berechnung von \u00ab dienen, nochmals zusammen :\np = 200 sin- ^\nm = 1 \u2014\n'4 =\np p\u2019\ni(xT\nm tg \u00df\n2 sin\ntg 2\na =\nm + 1\n2 \u2022 sia sin (\u00df \u2014 \u00df\u2019)\nBerechnet man nach diesen Formeln unsere Versuche, dann, erh\u00e4lt man\n? = 25\u00b0 d = 9 0 48' a = 40\u00b0 6'\nBer Kontrolle wegen k\u00f6nnte man sich leicht nach der bereits erw\u00e4hnten Tabelle der L\u00e4ngen der Erdparallelkreisgrade \u00fcberzeugen, dafs die prozentuale Verk\u00fcrzung eines Grades von 90 48' bis 340 48' H\u00f6he in der Tat genau 16,6 \u00b0/0 betr\u00e4gt.\nDer Wert o \u2014 40 \" ist nat\u00fcrlich individuell variabel je nach der Augenkonstitution des einzelnen und generell variabel wegen des ungemein grofsen Wechsels der physikalischen Bedingungen, unter denen das Himmelsgew\u00f6lbe gesehen wird.\nDa die vorstehenden \u00dcberlegungen unter der Voraussetzung durchgef\u00fchrt sind, dafs die Blickrichtung die gr\u00f6fste Rolle bei der T\u00e4uschung spiele, sind jetzt zwei Annahmen m\u00f6glich:","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einfiu/s der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 99\n1.\tdie Blickrichtung ist nicht der Hauptt\u00e4uschungsfaktor oder\n2.\tder Reimann-Wert a = 220 ist unter allen Umst\u00e4nden v\u00f6llig falsch.\nWeil wir aber in den Betrachtungen unter I gewichtige Gr\u00fcnde gegen die Zuverl\u00e4ssigkeit von Reimanns Methode fanden, scheint mir nur die zweite Annahme m\u00f6glich.\nDazu kommt noch, dafs die Sch\u00e4tzungen, die v. Sichfbkb auf Veranlassung v. Zehehdebs1 vornahm, ganz in der N\u00e4he unseres Wertes a = 40\u00b0 liegen, und v. Sicherer hat die Hauptfehlerquelle Reimanns vermieden.\nV.\nIst Reimanns Wert f\u00fcr ce falsch, dann sind auch die Berechnungen, wie sie Pernter2 nach dem teilweisen Vorgang Reimanns anstellt, unrichtig. Sie stimmen \u00fcbrigens mit der Wirklichkeit schlechter \u00fcberein, als Pernter glauben machen will. Nach seinen Berechnungen soll die Vergr\u00f6\u00dferung des Sonnendurchmessers im. Horizont das 4 fache, 51/* * fache und mehr je nach der Kulmination der Sonne betragen. Ich habe die Sonne oft beobachtet, oft sehr grofe gesehen, doch so grofs noch nie. Im \u00fcbrigen bestehen so fundamentale Unterschiede zwischen den Erscheinungen an verschiedenen Tagen, dafs sie den genannten Berechnungen entschieden widersprechen : Ich habe den Sonnendurchmesser an manchen Tagen fast doppelt so grofs gesehen wie bei der gew\u00f6hnlichen T\u00e4uschung ; wieder an anderen Tagen war von der Gr\u00f6fsent\u00e4uschung so wenig zu sehen, dafs ich erstaunt war \u00fcber die Kleinheit des Bildes.8\nDer allgemeine Fehler jener Berechnungen scheint mir zu sein, dafs man auf T\u00e4uschungserscheinungen kein geometrisch-astronomisches System von jener Vollst\u00e4ndigkeit auf bauen darf; man l\u00e4uft dann immer Gefahr, Geometrie an Stelle der Psychologie zu setzen. Ich m\u00f6chte diesbez\u00fcglich auf zwei Punkte im PEBNTERschen System aufmerksam machen. Zwischen 30\u00b0 und 35\u00b0 sollen wir nach ihm Sonne, Mond und Sternbilder in ihrer\n*\tZmnimm a. a. O. 8. 751\n*\tMeteorol. Optik 8. 18 ft.\n*\tDen -wechselnden Wert der Vergr\u00f6fserung hat sehr gut Eginitis hervorgehoben, besonders auch die gleichfalls von mir oft beobachtete pl\u00f6tzliche \u00c4nderung in der N\u00e4he des Horizontes (Ann. de l\u2019Obs. nat. d\u2019Ath\u00e8nes, II, 17).\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nAloys M\u00fclla'.\nrichtigen Gr\u00f6fse sehen. Die Vergr\u00f6\u00dferung der Sonne am Horizont im Verh\u00e4ltnis zu ihrer \u201ewahren Gr\u00f6fse\u201c in jener H\u00f6he ist ungef\u00e4hr 3 (2,9). Ich kenne aber keine einzige Raum- oder Zeitt\u00e4uschung in der Psychologie, die an das Dreifache des wahren Wertes der betr. Gr\u00f6\u00dfe heranreicht; mir scheint das also vom Standpunkte unserer bisherigen psychologischen Erfahrungen im gro\u00dfen Ma\u00dfe unwahrscheinlich zu sein.\nPebhteb meint ferner, zwischen 30\u00ae und 35\u00b0 s\u00e4hen wir Sonne, Mond und Sternbilder in wahrer Winkelgr\u00f6\u00dfe. Ich frage mich vergebens, woher denn Pernter ein Normalma\u00df f\u00fcr unser Bild der wahren Winkelgr\u00f6\u00dfe hat. Kann man \u00fcberhaupt die Frage beantworten: Wann erscheint uns eine Strecke in der wahren Gr\u00f6\u00dfe? Ich glaube nicht. Denn das, was wir wahre Gr\u00f6\u00dfe nennen, ist zwar ein typisches, aber konventionelles Bild derselben. Ich kann es als Normalbild ansprechen, nach dem ich das \u00dcbrige beurteile; aber das Konventionelle und Willk\u00fcrliche dieses Verfahrens darf ich nicht zum Absoluten machen. Das Bild der sich in mittleren H\u00f6hen wenig \u00e4ndernden Sonne ist uns am meisten im Ged\u00e4chtnis, so da\u00df wir es unwillk\u00fcrlich als Normalbild anwenden. Physiologisch richtiger w\u00e4re es, das bei horizontaler Blickebene erscheinende Bild als Normalbild anzusehen, wie wir es in analogen F\u00e4llen bei Gegenst\u00e4nden des praktischen Lebens auch tun1 ; das w\u00fcrde jedoch in diesem Falle praktisch undurchf\u00fchrbar sein, weil die Gr\u00f6\u00dfe des horizontalen Bildes manchen Schwankungen unterworfen ist. Wir d\u00fcrfen also ein Normalbild der Sonne festhalten, aber seine Relativit\u00e4t nicht vergessen.\nWenn wir nun all das, was wir bisher zur Kritik des geometrischen T\u00e4uschungssystems vorbrachten, auf den Zusammenhang der Kalottenfigur des Himmelsgew\u00f6lbes mit dem Gr\u00f6\u00dfer erscheinen der Gestirne anwenden, so scheint dieser Zusammenhang nicht so innig zu sein, wie man bislang annahm. Beim Gr\u00f6\u00dfererscheinen der Gestirne am Horizont ist die Blickrichtung nicht, wenigstens nicht immer der Hauptt\u00e4usehungsfaktor.\nAndere Faktoren f\u00fcr die gesamten T\u00e4uschungserscheinungen am Himmel sind schon oft besprochen worden; wir verzichten\n1 Allan Allakdbb sprach den Gedanken ans, die scheinbare Vergr\u00f6\u00dferung der Sonne am Horizont sei in der Tat eine scheinbare Verkleinerung in gr\u00f6fseren H\u00f6hen (Bull, de la Soc. astr. de France, 1901, 15. Bd. 139).","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber den Einflufs der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. 101\nhier auf N\u00e4heres. Nur auf einen Faktor, dessen Einflufs bis jetzt fast gar nicht beachtet und studiert worden ist, sei hingewiesen, auf die Farbe.1 Der Einflufs der Farbe mufs doppelt sein :\n1.\tDa in neuester Zeit an der Z\u00f6LLNEaschen T\u00e4uschungsfigur und an der M\u00fcller-LYEBschen Figur eine Ver\u00e4nderung der T\u00e4uschung durch die Farbe nachgewiesen worden ist, ist der Sehlufs wohl gestattet, dafs die Farbe auch die Gr\u00f6fsen-t\u00e4uschung infolge der Blickrichtung beeinflufst. Leider war es mir durch die Umst\u00e4nde unm\u00f6glich gemacht, eine Versuchsreihe auch unter diesem Gesichtspunkte durchzuf\u00fchren, was urspr\u00fcnglich geplant war.\n2.\tDie Farbe scheint von Einflufs auf Entfemungssch\u00e4tzungen zu sein.\nBeide Arten des Einflusses der Farbe sind entschieden zu trennen; sie vereinigen sich bei der T\u00e4uschung am Himmelsgew\u00f6lbe. \u00dcber die letztere Art des Einflusses hoffe ich nach nicht allzu langer Zeit Beobachtungen mitteilen zu k\u00f6nnen.\n1 A. Abbndt zahlt die Farbenperspektive als Mitarsache der T\u00e4uschung auf (Weltall, 2. Bd. 125 u. 143).\n(Eingegangen am 9. Juni 1905.)","page":101}],"identifier":"lit31960","issued":"1906","language":"de","pages":"74-101","startpages":"74","title":"\u00dcber den Einflu\u00df der Blickrichtung auf die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes","type":"Journal Article","volume":"40"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:37:31.595689+00:00"}