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{"created":"2022-01-31T16:34:21.314045+00:00","id":"lit31970","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stern, W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 40: 122-144","fulltext":[{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nLitcraiwrbmicht.\nhinsielt. Nicht sum wenigsten \u00f6ffnen solch ersch\u00fctternde Erlebnisse, wie der Mordversuch des Landgerichtsdirektor Ham* gegen seinen Erpresser, der Menge die Augen, Aber auch die Berichte, die das Jahrbuch n Lotsenden bringt, die leisten Briefe der Selbstm\u00f6rder, welche sich vor der Schande, mit der sie \u00a7 176 bedroht, in den Tod fl\u00fcchten, die Gerichtoverhandlungen aus aller Herren Lander, wo Homosexualit\u00e4t mit Gef\u00e4ngnis bestraft wird, daa Material, das Juristen und vor allem Ante rer Publikation in diesen Blattern bringen \u2014 das alles verdichtet sich f\u00fcr jeden, der das Jahrbuch liest, zu dem Kind nick des gr\u00f6fsten Mitleids mit diesen Ungl\u00fccklichen. \u2014 Auch derartige Vorkommnisse, wie das Vorgehen des Pastor Philipps (man mufs sich den Namen merken, wenn man von der Kultur unserer Zeit sprechen will!) gegen die statistische Umfrage des Dr. Hibscsfblb, die bekanntlich zu dessen Verurteilung zu einer geringen Geldstrafe f\u00fchrte, sind aus propagandistischen Gr\u00fcnden nicht re bedauern. Denn die allgemeine Anerkennung in den meisten Zeitungen aller Parteien, dafs Hibschmld moralisch gesiegt habe, was auch aus der Urteilsformulierung evident hervorging, zeigt deutlich, dafs die Presse der Frage anders als vor mehreren Jahren gegen\u00fcbersteht. Hoffen wir \u00fcm, dafs die Volksaufklftrung weiter so gute Fortschritte mache, damit die Sachkenner und die Regierung bald diese Gesetzes\u00c4\u00fcdemng durchsetien k\u00f6nnen.\tGutthamm (Berlin).\nEmdespsyehologie. P\u00e4dagogik.\nZweiter Sammelbericht\nvon\nW 8i\u00abk.\nI. Ki ndespsyobologio.\na) Allgemeines.\n1.\tW. Amint. Fortschritte der Etnderseelenkunde 1895\u20141903. Arch f. d. ga, Psychol. 2. Literatur S. 69\u2014136. 1904. Auch: SammL v. Abhandl. W psycholog. P\u00e4dagogik, hrsg. von Mbdmann 1 (2). 1904, 68 S.\n2.\tK. Gboos. Das Seelenleben des Kindes. Ausgewahlte Vorlesungen. Berlin, Reuther u. Reichard. 1904. 229 8. Mk, 3,00.\n3.\tA. Dyboff. Ober das Seelenleben des Kindes. Bonn, Haustein. 19W, 59 S. Mk. 1,00.\n4.\tJ. Kino. The Psychology of Child Development. With an Introduction ef John Dewey. Chicago, University Press. 1903. 266 S. $ 1,00.\n5.\tA. Binet. Sommaire des travaux en cours \u00e0 la soci\u00e9t\u00e9 de psychologie de l\u2019eufant. Ann\u00e9e psychol. 10, 116\u2014130. 1904.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n123\nDasselbe in deutscher \u00dcbersetzung :\n6.\tA. Binet. \u00dcberblick fiber die ia der Soci\u00e9t\u00e9 de psychologie de l\u2019enftat in Haag befindlichen Dntertucbnngen. Deutsch von M. Gabsnkb. Leipziger Lehrerzeitung 12 (Nr. 6), 91-94. Nr. 7, 109-111. 1904.\n7.\tM. W. Shinn. K\u00f6rperliche and geistige Entwicklung eines Kindes in biographischer Darstellung nach Aufzeichnungen der Kerf. Bearbeitet und herausg. yon Prof. W. Glabbach und G. Webbe. Langensalza, Grefsler. 1905. 646 S. Mk. 9,00.\n8.\tM. W. Shinn. The Biography of a Baby. Boston and New York, Houghton, Mifflin and Cie. Ohne Jahr. 247 S.\n1* Mit seinem Literaturbericht leistet Anmrr jedem Mitarbeiter und Interessenten an der Kindespsychologie den gr\u00f6fsten Dienst; seine umfassende Sachkenntnis verband sich hier mit seiner eigent\u00fcmlichen Vorliebe f\u00fcr registrierende und klassifizierende T\u00e4tigkeit, um ein bibliographisches Hilfsmittel zu schaffen, dessen wir dringend bedurften. Die Arbeit zerfallt in zwei Teile: einen Sammelbericht und ein alphabetisches Literaturverzeichnis. Um mit dem zweiten zu beginnen, so ist dies von einer Vollst\u00e4ndigkeit, wie sie bisher auch nicht ann\u00e4hernd existierte; es umfafst etwa 300 Nummern, und dabei enth\u00e4lt es nur die eigentlich kindespsychologische Literatur von 8 Jahren ; die rein p\u00e4dagogische, wie die kindespathologische ist mit Absicht beiseite gelassen. Aber Ament hat diese Riesenliteratur nicht nur den Titeln nach festgestellt, sondern sie auch zum weitaus gr\u00f6isten Teil gelesen; und das Ergebnis dieser Lekt\u00fcre enth\u00e4lt nun der erste Teil der Arbeit, der in 60 Seiten ein kondensiertes Sammelreferat \u00fcber die Hauptgedanken und Ergebnisse all jener Arbeiten bietet. Das Einteilungsprinzip ist hier das sachliche; A. behandelt der -Reihe nach Geschichte, System und Logik der Kinderseelenkunde, alle mit Unterabteilungen, \u00fcberall in knappsten S\u00e4tzen, Stichworten und Terminis die verschiedenen Meinungen, Lehren, Standpunkte andeutend. Dieser Telegrammstil macht zwar die Arbeit zur Einf\u00fchrung f\u00fcr Fernerstehende weniger geeignet, gestaltet sie daf\u00fcr aber f\u00fcr den Forscher zu einem sehr brauchbaren Nachschlagewerk. Etwas st\u00f6rend macht sich nur ein allzu starker Hang zu terminologischer Festlegung geltend; wird doch jede Methode, Anschauung und Lehre sofort zu einem \u201e-ismus\u201c etikettiert.\nDa Amznt das dankenswerte Unternehmen fortzusetzen gedenkt, seien noch einige W\u00fcnsche ge\u00e4ufsert, deren Erf\u00fcllung es zu Arbeitszwecken noch geeigneter machen w\u00fcrde. Erstens w\u00e4re ein Sachregister zu w\u00fcnschen; denn das Inhaltsverzeichnis ist zu knapp, um das Auffinden der auf ein bestimmtes Thema bez\u00fcglichen Stelle schnell zu erm\u00f6glichen \u2014 um so mehr, da die Anordnung zuweilen etwas unerwartet ist (so fand sich z. B. die Literatur \u00fcber Trotz, L\u00fcgenhaftigkeit und Ehrbarkeitsgef\u00fchl nach l\u00e4ngerem Suchen unter \u201eVorstellungskreis\u201c). Zweitens w\u00e4re eine Nummerierung der Bibliographie und im Bericht eine Verweisung auf die Nummern statt auf die Namen empfehlenswert; wenn hinter irgend einer These der Name Lobsien steht, weifs der Leser noch nicht, welche der vielen genannten Schriften L.s er danach einzusehen habe.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nLiteratwbfrichl.\n2. Als das GBOOS\u2019sche Buch angek\u00fcndigt wurde, schien die Hoffnung berechtigt, dafs wir nun endlich in Deutschland wieder einmal eine zusammen fassende Darstellung der modernen Kindespsychologie erhalten w\u00fcrden, nachdem wir seit Pkbybb alle derartigen Versuche dem Ausland hatten \u00fcberlassen m\u00fcssen. Diese Erwartung erwies sich als ein Irrtum, der durch den sicherlich nicht ganz gl\u00fccklich gew\u00e4hlten Obertitel des Buches hervorgerufen worden war. Der Nachdruck mufs auf den Untertitel: \u201eA u s ge w\u00e4hl te Vorlesungen\u201c gelegt werden. Der Giefsener Psychologe beabsichtigt gar nicht, eine Gesamtbehandlung der kindlichen Seelenentwicklung, wie sie etwa Comfay&4 und 8uw.y versucht haben, zu geben, sondern greift einige, ihm besonders zusagende Einzelthemen heraus, die zum gr\u00f6fsten Teil den intellektuellen Funktionen angeh\u00f6ren. Bei der Auswahl und bei der Behandlung des Stoffes wogen sehr stark die Interessen und Probleme der allgemeinen theoretischen Psychologie vor; der deskriptive und psychogenetische Gesichtspunkt tritt zur\u00fcck; ebenso werden die Ergebnisse der modernen experimentell-psychologischen Bewegung nur zum geringeren Teile benutzt. Daf\u00fcr bringt Ga. einige eigene neue Versuchsergebnisse. Ist man sich erst einmal dar\u00fcber klar geworden, was man nach der Absicht des Verfassers von dem Buche zu erwarten hat, dann gew\u00e4hrt einem die Lekt\u00fcre des im leichtfl\u00fcssigen Vortragsstil geschriebenen Buches mannigfache F\u00f6rderung und Belehrung.\nDas Buch zerf\u00e4llt in zwei ungleich lange Hauptteile.\nDer erste, k\u00fcrzere lautet: Aus dem allgemeinen Teil der Kindespsychologie. Hier wird zun\u00e4chst der Begriff der Kindes-psychologie definiert, ihre Begrenzung gegen andere Wissensgebiete gegeben, ihre theoretische und praktische Aufgabe geschildert. Die Methoden der Kindespsychologie bespricht G. nach drei Gegens\u00e4tzen: Selbstbeobachtung und Beobachtung anderer, Einzel- und Massenbeobachtung, Beobachtung unter nat\u00fcrlichen und k\u00fcnstlichen Bedingungen (Experiment). Mitten hinein in wichtigste Fragen der allgemeinen Psychologie f\u00fchrt uns der n\u00e4chste Abschnitt : \u201eDie Einteilung des kindlichen Seelenlebens\u201c. Denn nicht nur f\u00fcr das kindliche, sondern f\u00fcr das Seelenleben \u00fcberhaupt schl\u00e4gt G. hier eine neue Einteilung vor. Er beginnt mit einer Dichotomie : Neben die Vorstellungsseite, die alles Inhaltliche umfafst, tritt die \u201eWertungs\u201c-seite, deren Eigent\u00fcmlichkeit in der hier stets vorhandenen Polarit\u00e4t des Verhaltens, dem nicht weiter aufl\u00f6sbaren Alternieren zwischen Zuneigen und Ablehnen besteht. Dieser Wertungsseite werden jetzt alle anderen psychischen Funktionen untergeordnet, die bisher als F\u00fchlen, Wollen und Urteilen von verschiedenen Psychologen den Vorstellungen nebengeordnet waren: G. unterscheidet n\u00e4mlich emotionale Wertungen (Lust und Unlust), voluntarische Wertungen (Streben und Widerstreben), logische Wertungen (Anerkennen und Verwerfen). Die Vorstellungsseite hinwiederum zerf\u00e4llt in das Vorstellungsmaterial (Empfindungen und Reproduktionen) einerseits und die Vorstellungssynthesen andererseits, die als analysierbare Synthesen Verkn\u00fcpfungen, als nicht analysierbare Verwachsungen genannt werden. Diese Neueinteilung, namentlich die grundlegende Dichotomie, scheint mir viel f\u00fcr sich zu haben. Freilich m\u00f6chten wir doch darauf","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberickt.\n125\nhinweisen, dais sie in voller Scharfe k\u00fcrzlich, bereits von einem anderen Psychologen versucht -worden ist, n\u00e4mlich von M\u00fcnstebbbbg, der den indifferenten Inhalten, den Vorstellungen, die alternative Verhaltungsweise des, Subjekts als \u201eSelbststellung\u201c oder Stellungnahme entgegensetzt. Mir erscheint sogar diese Terminologie noch treffender als die G.sche. Wenn dagegen M\u00fcxstbrbebo diese Scheidung nur macht, um die Psychologie allein auf das Studium der Vorstellungsinhalte zu beschr\u00e4nken, w\u00e4hrend die Selbststellung lediglich Gegenstand der Geisteswissenschaften, Ethik, Geschichte usw. sein soll, so ist G. durchaus Recht zu geben, dafs beide Seiten des psychischen Daseins gleich notwendige Untersuchungsobjekte der Psychologie sind.\nDie ererbten und erworbenen Reaktionen er\u00f6rtert der n\u00e4chste Abschnitt. Als ererbte Reaktionen werden die Reflexe, Instinkte und Triebe behandelt. (Wenn Gboos hier meint, dafs der Nachahmungstrieb sich nicht den Instinkten unterordnen lasse, da nur der Drang zur Nachahmung \u00fcberhaupt angeboren sei, nicht aber bestimmte ererbte Bahnen, in denen sich der Beneomotorische Prozefs abspiele, existieren \u2014 so m\u00f6chte ich dagegen die von meiner Frau und mir mit Sicherheit festgestellte und von anderen best\u00e4tigte Beobachtung anf\u00fchren, dafs '/tj&hrige Kinder Augenblinzeln, Zungeherausstrecken usw. nachahmen k\u00f6nnen zu einer Zeit, da sie mit Sicherheit noch keine Erfahrungen \u00fcber die \u00c4hnlichkeit dieser ihrer K\u00f6rperteile mit der entsprechenden der gegen\u00fcberstehenden Personen haben; kann man dies anders als durch \u201eererbte Bahnen\u201c erkl\u00e4ren?) Den ererbten Reaktionen stehen die erworbenen gegen\u00fcber, die den genauer er\u00f6rterten Gesetzen der Gewohnheit folgen.\nDer letzte Abschnitt des allgemeinen Teils behandelt ein Thema, das seit Jahren des Verfassers eigenstes Forschungsgebiet ist, das Spiel. Aber auch hier darf man nun nicht erwarten, eine aus dem Vollen gesch\u00f6pfte Darstellung des kindlichen SpielB in seiner Entwicklung, seiner bl\u00fchenden Mannigfaltigkeit, seiner Differenzierung nach Geschlechtern usw. zu erhalten ; vielmehr beherrscht hier ebenfalls die theoretische Frage die ganze Diskussion. G. schildert nacheinander die \u201eErholungstheorie\u201c von Lazarus und Stbihthal (die f\u00fcr das Kind mit Recht abgelehnt wird, da f\u00fcr dies ja gar keine ernste Arbeit existiert, von der es sich im Spiel \u201eerholen\u201c m\u00fcfste), die Kraft\u00fcberschufs- und Nachahmungstheorie von Spencer, die zum mindesten nicht ausreichend ist, um alles zu erkl\u00e4ren, und schliefslich seine eigene \u201eEin\u00fcbungs\u201c- oder \u201eSelbstau8bildungs\u201ctheorie, die mit so viel Gl\u00fcck das Spiel unter biologische Zweckm\u00e4fsigkeitsgesichtspunkte gestellt hat. Sie wird jetzt, in Hinblick auf gewisse Einwendungen von Cabr und anderen, ein wenig modifiziert. Je h\u00f6her die Individuen stehen \u2014 so etwa lautet diese Theorie \u2014, um so weniger gen\u00fcgen die angeborenen Reaktionen zur Erf\u00fcllung ihrer Lebensaufgabe. Deswegen bed\u00fcrfen sie einer \u201eJugendzeit\u201c, d. h. einer Epoche, in der sie sich, unter dem Schutz Erwachsener, die zum k\u00fcnftigen selbst\u00e4ndigen Leben n\u00f6tigen Anpassungen und Neuerwerbungen verschaffen. Diese Neuerwerbungen finden u. a. auf die Weise statt, dafs ein innerer Drang zu Bet\u00e4tigungen treibt, die ohne irgend einen bewufsten Zweck aufser sich zu verfolgen, dennoch geeignet","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nLitera turbericht.\nsind, alle m\u00f6glichen f\u00fcr k\u00fcnftige Ernstf\u00e4lle des Daseins n\u00f6tigen F\u00e4higkeiten und Verrichtungen einzu\u00fcben: eine solche T\u00e4tigkeit tat du Spiel. \u2014\nEs folgt der ausf\u00fchrlichere zweite Hauptteil: \u201eAus dem speziellen Teil der Kindespsychologie\u201c, der in einer ersten Abteilung die Reproduktionen, in der zweiten du Erkennen behandelt.\nDie Besprechung der Reproduktionen setzt mit einer allgemeinen Er\u00f6rterung des Assoziationsbegriffs und der Auoxiationsgeaetze ein. Dem alten Streit, ob alle Assoziationen auf Kontiguit\u00e4t zur\u00fcckzufahren seien, oder ob daneben \u00c4hnlichkeitsassoziationen als unableitb&re Gruppen anerkannt werden m\u00fcssen, gibt G. folgende Wendung: In jeder Association ist stete beides vertreten \u2014 Kontiguit\u00e4t ist n\u00f6tig, damit sich zwei Vorstellungen verkn\u00fcpfen; aber damit diese Verkn\u00fcpfung wieder aktuell werde, ist nicht n\u00f6tig, dafs eine jener Vorstellungen als genau dieselbe wieder auftrete \u2014 eine solche v\u00f6llige Gleichheit existiert \u00fcberhaupt nicht \u2014 sondern es gen\u00fcgt, dafs eine der fr\u00fcheren \u00e4hnliche auftrete. Assoziation ist also Neubelebung einer durch Kontiguit\u00e4t geschaffenen Verkn\u00fcpfung durch ein \u00e4hnliches Erlebnis. Sodann scheidet G. zwischen \u201evagierenden\u201c und \u201ebestimmt gerichteten\" Assoziationen; die Frage, worin das Prinzip bestehe, durch welche aus der ungeheuren Zahl der m\u00f6glichen Assoziationen die zu geordnetem Denken n\u00f6tige Auslese stattfinde, beantwortet er mit Otto Gross (\u201eDie cerebrale Sekund\u00e4rfunktion\u201c) dahin, dafs gewisse Vorstellungen eine l\u00e4ngere Nacherregung haben und daher stetig den Fortgang der Assoziationen durch Bezug auf sich beeinflussen. (J\u00fcngst hat Lumoni eine ganz entsprechende Erkl\u00e4rung durch seine Theorie der \u201eObervorstellungen\u201c gegeben.)\nDie n\u00e4chsten Abschnitte geben der Hauptsache nach kurze Berichte \u00fcber bekannte an Kindern und Erwachsenen vorgenommenen Experimente \u00fcber Assoziationen, Erlernen und Vergessen, Ged\u00e4chtniBtypen, Erinnerungst\u00e4uschungen, Suggestion, Verh\u00f6r (Ziehen, Ebbinghaus, Steffens, Jost, Lat, Nr ts ch a je pp, Binet, Stern usw.), wobei lehrreiche p\u00e4dagogische Seitenblicke und Nutzanwendungen nicht fehlen. Im Abschnitt \u00fcber die kombinatorische Phantasie bringt G. einige Beispiele von Phantasieerz\u00e4hlungen seines T\u00f6chterchens und seines Neffen, streift die Zwischenform zwischen Phantasiegestaltung und L\u00fcge und verweist auf den interessanten Parallelisms zwischen den kindlichen Phantasiegebilden, die zur Erkl\u00e4rung irgend welcher Ph\u00e4nomene ersonnen werden, mit dem erkl\u00e4renden Mythos in der Phylogenese. Es folgen Abschnitte \u00fcber die Apperzeption, die G. im Sinne der Herbartianer als Einverleibung eines Neueindrucks versteht, und deren p\u00e4dagogisch bedeutsame Beziehung zum Interesse er hervorhebt; \u00fcber das Wiedererkennen, dessen verschiedene Stufen von der ganz alogischen Form der \u201eBekanntheitequalit\u00e4t\u201c bis zum bewufsten logischen Identifizieren er verfolgt; \u00fcber die Illusion, die besonders in der Form der \u201ebewufsten Selbstt\u00e4uschung\" besprochen wird, wobei in Anlehnung an K. Langs der enge Zusammenhang zwischen \u00e4sthetischer Selbstt\u00e4uschung und kindlichem Illusionsspiel, und die grofse, pers\u00f6nlichkeitserweitemde Wirkung de* Illusionsspiels Behandlung erf\u00e4hrt.\nDer letzte Abschnitt des Buches gilt den Erkenntnisfunktioneil:","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"lAteratur bericht.\n127\nBegriff, Urteil, Bchlufs, und erh\u00e4lt neben, nicht leicht im Referat wieder-zngebenden allgemeinen psychologischen Analysen auch Ergebnisse einiger lehrreicher, vom Verfasser angeregter Versuche.\nDer Begriff ist entweder nur ein \u201esicherer\u201c : dann besteht er lediglich darin, dafs wir nach den Gesetzen der Gewohnheit bei \u00e4hnlichen Anl\u00e4ssen auf einen \u00e4hnlichen Gesamteindruck eingestellt sind, ist also nicht selber ein logischer Akt \u2014 oder ein \u201eklarer\u201c, d. h. er gibt f&r die im sicheren Begriff unbewuist enthaltenen Merkmale die Definition, ist also ein logischer Urteilsakt. Hieran werden Betrachtungen \u00fcber die Beschaffenheit kindlicher Definitionen gekn\u00fcpft. Werden Kinder aufgefordert, einen Begriff zu definieren, so umgehen sie oft die Aufgabe, indem sie statt der Merkmale ein Beispiel geben (\u201eWas ist ein Blatt?\u201c \u201eEin L\u00f6schblatt\u201c); kommt es aber wirklich zu Merkmalsangaben, so ist die Vorliebe f\u00fcr die motorisch-teleologische Seite des Begriffs bemerkenswert (\u201eWas ist ein Stuhl?\u201c \u201eWo man sich drauf setzt\u201c).\nBeim Urteil besteht das logische Werten im Bewu\u00dftsein von der partiellen Einstimmigkeit der Inhalte. In bezug auf die erste Entwicklung des kindlichen Urteils schliefst sich G. der Auffassung Ms\u00fcmanns an, dafs zuerst l\u00e4ngere Zeit rein emotionale oder affektive Vorg\u00e4nge den Schein von Urteilen erwecken und auch f\u00e4lschlich als solche gedeutet worden sind. Um die Urteilsweise von Kindern kennen zu lernen, hat G. durch einige Lehrer die Versuche, die er fr\u00fcher an Erwachsenen angestellt hatte (s. diese ZeilSchrift 20, 358), an Sch\u00fclern wiederholen lassen. Den Sch\u00fclern wurden irgend welche S\u00e4tze vorgelesen, z. B. : \u201eGestern wurde das Dorf durch Fenerruf in Aufregung versetzt\u201c, und nun gefragt, was die Kinder im An-schlufs hieran zun\u00e4chst zu wissen verlangten. Es stellte sich heraus, dafs etwa die H\u00e4lfte der gestellten Fragen auf Kausalbeziehungen gingen, ferner, dafs unter diesen die \u201eRegTefs\u201cfragen nach den Ursachen die \u201eProgrefs\u201c-fragen nach den Wirkungen \u00fcberwogen, dafs aber dies Verh\u00e4ltnis mit steigendem Alter sich zugunsten des Progresses verschiebt Dieses Ergebnis w\u00fcrde, falls es sich bei weiteren Nachpr\u00fcfungen und auch bei zum Teil ver\u00e4nderten Versuchsanordnungen best\u00e4tigte, eine nicht geringe Bedeutung f\u00fcr unsere W\u00fcrdigung der kindlichen Geistesentwicklung haben, um so mehr, als es unsere Erwartungen und auch sonstige Beobachtungen umstofsen w\u00fcrde. Mir wenigstens scheint die geistige Entwicklung der Menschheit wie des einzelnen gerade den umgekehrten Weg zu nehmen: Zum rein teleologischen (\u201eprogressiven\u201c) Interesse tritt mehr und mehr das \u00e4tiologische (\u201eregressive\u201c) hinzu. Dies zeigt sich mit Sicherheit beim kleinen Kinde; so ist nach unseren Beobachtungen das \u201eWarum\u201c vom Kinde zuerst lange Zeit nur in dem Sinn \u201ezu welchem Zwecke?\u201c gefragt und beantwortet worden, ehe es den Sinn \u201eaus welcher Ursache?\u201c erhielt. Auch die von Gaoos gegebenen Beispiele von kindlichen Definitionen (s. oben) sind alle teleologisch, nicht \u00e4tiologisch. Vielleicht w\u00e4re die Versuchsanordnung von Gboob einmal mit der Modifikation anzuwenden, dafs man den Schulkindern nicht Aussages\u00e4tze, sondern Warumfragen zur Beantwortung vorlegt.\nDer Endabschnitt handelt vom Schliefsen. G. weist hier nach, dafs die Psychologie des Schlusses nicht die von der Logik \u00fcberkommene Defi-","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nLitera turbrrb'h!\nnition : \u201eder Schlufs ist ein aus Urteilen abgeleitetes Urteil\u201c brauchen k\u00f6nne. Vielmehr ist er ein zun\u00e4chst einfaches Urteil, das meist auf alogischen Voraussetzungen aufgebaut ist; erst wenn die Begr\u00fcndung des schon gewonnenen Endurteils durch Frage provoziert wird, werde nachtr\u00e4glich die Pr\u00e4misse als Beweisversuch realisiert.\n3,\tDiBOFfs Schriftchen besteht aus zwei voneinander unabh\u00e4ngigen Teilen. Der erste gibt auf 20 Seiten einen knappen Abrifs der Seelenentwicklung in den ersten zwei Lebensjahren; die Darstellung ist fl\u00fcssig und anschaulich und zur ersten Einf\u00fchrung weiterer Kreise nicht ungeeignet. ln zahlreichen Anmerkungen gibt D. eine gT\u00f6fsere Anzahl von neuen Beobachtungen \u00fcber Sinneswahrnehmungen, Sprachbildung, kindliche Logik usw. ; leider wird nicht immer deutlich, von wem und unter welchen Bedingungen die Beobachtungen angestellt sind. An Einzelheiten sei bemerkt, dafs D. S. 3 die Ausbildung des Geruchssinns in den ersten Lebens Wochen entschieden untersch\u00e4tzt (die N\u00e4he der Mutterbrust wird sehr fr\u00fch durch Geruch bemerkt); dafs kindliche Wortneubildungen nicht im 6. Jahr oder etwas fr\u00fcher am h\u00e4ufigsten Vorkommen (S. 56), sondern im 3.\u20144. Jahre; dafs man unter Echolalie nicht die Lallmonologe des allein gelassenen Kindes zu verstehen pflegt (S. 12).\nDer zweite Teil behandelt, meines Wissens zum erstenmal, das interessante Thema \u201eVon der Dichtkunst des Kindes\u201c. Freilich beschr\u00e4nkt sich D. darauf, eine Reihe von poetischen oder poesie\u00e4hnlichen kindlichen Elaboraten zu publizieren und mit kurzen Bemerkungen zu versehen ; es sind die Altersstufen von 5 bis zu 14 Jahren vertreten. Wie weit D. sich der wirklichen Selbst\u00e4ndigkeit dieser Sch\u00f6pfungen versichert hat, wird allerdings nicht gesagt. Das Gesamtresultat ist: \u201eBis jetzt ist ein wirklich innerlich vollkommen entsprechendes Gedicht von Kindeshand nicht aufgezeigt worden. Eine grofse Reihe tats\u00e4chlich nachweisbarer kindlicher Gedichte ist wenig fruchtbar an originellen poetischen Gedanken, w\u00e4hrend logische Gef\u00fcge in ihnen h\u00e4ufiger sind. Es l\u00e4fst sich vermuten, dafs das poetische Verst\u00e4ndnis eher erwacht als die poetische Kraft.\u201c\n4.\tJ. King, ein Sch\u00fcler des amerikanischen Psychologen Dbwby, will die Kindespsychologie in einer ganz anderen Weise behandeln, als es sonst in Amerika \u00fcblich ist. Mit Recht h\u00e4lt er das blofse Aufeinanderh\u00e4ufen von Materialien durch Beobachtung, Enquete und Experiment f\u00fcr unzureichend, und ebenfalls mit Recht betont er, dafs das, der allgemeinen Psychologie entlehnte, analytische Verfahren, welches das Vorhandensein oder Auftreten der isolierten seelischen Funktionen und Elemente feststellt, zu einem ganz falschen Bilde f\u00fchrt. Das Verfahren der Kindespsychologie mufs genetisch und funktionell sein : das kindliche Seelenleben ist als ein in sich zusammenh\u00e4ngender Entwicklungsprozefs eines einheitlichen Ganzen zu betrachten ; alles Einzelne ist nur von Interesse, sofern es eine positive oder negative Bedeutung f\u00fcr jenen Entwicklungsprozefs hat\nDie Durchf\u00fchrung dieses an sich sehr berechtigten Gesichtspunktes bleibt nun freilich in einem blutleeren Schematismus stecken; und dies","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"L\u00c0teratwbericht.\n129\nr\u00fchrt daher, dafs K. an die Stelle des bek\u00e4mpften nur Material sammelnden Empirismus das andere Extrem setat: die reine Konstruktion vom gr\u00fcnen Tisch her. Dale jemand \u00fcber Anatomie schrieb, ohne je einen K\u00f6rper seziert zu haben, war nur im Mittelalter m\u00f6glich ; dafs jemand \u00fcber Kindespsychologie schreibt, und sogar ein ganzes Buch, ohne je ein lebendiges Kind beobachtet zu haben, ist leider heut noch m\u00f6glich und das deutlichste Zeichen f\u00fcr die arge Unfertigkeit dieses Wissenschaftszweiges. Man berufe sich nicht darauf, dafs ja \u00fcbergenug Material vorliege, welches dringend der Bearbeitung harre; nicht um das Material zu mehren, sondern um es richtig zu w\u00fcrdigen, um von seinem eigentlichen Sinn, seiner Stellung im Ganzen des kindlichen Lebens eine Anschauung zu bekommen, mufs jeder KindeBforscher ein Kindeskenner sein.\nWir k\u00f6nnen uns daher mit einer kurzen Berichterstattung \u00fcber die meist sehr abstrakten Allgemeinheiten des K.schen Buches begn\u00fcgen.\nDie ersten Kapitel beziehen sich auf die fr\u00fcheste Kindheit. Was hier zun\u00e4chst mit Sicherheit feststeht, ist die Existenz einer Aktivit\u00e4t, die sich in impulsiven, reflektorischen und instinktiven Bewegungen \u00e4ufsert. Diese Aktivit\u00e4t ist aber nicht identisch mit Bewufstsein. Wo sie, wie bei Reflexen und Instinkten, mit gebundener Marschroute in stets denselben angeborenen Formen funktioniert, bedarf sie nicht des Bewufstseins ; Bewufstsein wird erst dort n\u00f6tig, wo die Aktivit\u00e4t ver\u00e4nderungsf\u00e4hig ist und in ihrem Wachstum fortw\u00e4hrend Neu-Einstellungen und -Anpassungen vollziehen mufs. \u201eBewufstsein ist nicht eine Funktion der Aktivit\u00e4t, sondern des Wachstums der Aktivit\u00e4t.\u201c \u2014 Indem die zuerst ganz unkoordinierten impulsiven Bewegungen fortw\u00e4hrend unter der Kontrolle des Bewufstseins stehen, werden sie selber differenziert, koordiniert, gehemmt und gerichtet; und ebenso wird der Bewufstseinsanteil immer differenzierter und komplexer; aber er besteht nicht als Summation isolierbarer Vorstellungs-, Gef\u00fchlsund Willenselemente, sondern er ist eine ungeteilte Einheit, die nur unter verschiedenen Gesichtspunkten jene verschiedenen Aspekte zeigt. \u2014 Die ersten \u201eObjekte\" der kindlichen Weltanschauung sind nicht wirkliche Gegenst\u00e4nde, Bondern seine eigenen T\u00e4tigkeiten in ihren Spezialisierungen und Hemmungen. \u2014 Die Nachahmung des Kindes ist nur von aufsen betrachtet eine Kopie; vom Standpunkt der kindlichen Aktivit\u00e4t selber ist sie die Gewinnung einer neuen Erfahrung, und der \u201ezirkul\u00e4re\u201c Prozefs des Sich-selbst-Nachahmens (z. B. des unerm\u00fcdlichen Wiederholens eines Lautes) ist in Wirklichkeit ein \u201espiraliger\u201c Prozefs, eine steigende Aneignung von Neuem oder Anpassung an Neues. Nachahmung ist also zugleich ein sozialisierender und individualisierender Prozefs.\nEtwas konkreter wird K. in den n\u00e4chsten Kapiteln, die von den Interessen des Kindes handeln. Interesse ist nichts anderes als die ge-f\u00fchlsm\u00e4fsige Widerspiegelung der Richtung, in der sich die Aktivit\u00e4t des Kindes, entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsstadium, bewegt. Die \u201eKulturstufen\u201c-Theorie, die in der individuellen Entwicklung der Interessengebiete eine Rekapitulation der Menschheitsentwicklung sieht, ist nach IL, wenn auch nicht falsch, so doch relativ unwichtig. Wirklich erkl\u00e4rt werden die Interessen irgend einer Kindheitsepoche nicht daraus, dafs das gleiche\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 40.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nLittrahirheruiil,\nInteresse irgendwann einmal in der Menschheitsgeschichte vorherrschte, sondern lediglich aus der funktionellen Notwendigkeit, die es f\u00fcr die Entwicklung dieses gegenw\u00e4rtigen Individuums an dieser Stelle hat. K. durchl\u00e4uft nun schnell die verschiedenen Perioden der Kindheit, um ihre charakteristischen Interessen als genetisch geforderte nachzuweisen : die Fr\u00fchzeit hat nur direkt sensomotorische Interessen, beschr\u00e4nkt auf die unmittelbare Umgebung; in der zweiten Periode sucht die psychische Aktivit\u00e4t die Kontrolle \u00fcber den eigenen Organismus und die Umgebung zu detaillieren und zu erweitern : die Periode des Spiels usw. Auch die geschlechtliche Differenzierung der Interessen wird er\u00f6rtert. Bei alledem st\u00fctzt sich Verf. auf die umfangreichen Enqu\u00eatematerialien der amerikanischen In to rossen forschung, deren Verfahren er kritisiert und deren Einzelnummern er am SchluTs in einer Bibliographie zusammen stellt.\nZwei Kapitel \u00fcber das J\u00fcnglingsalter und \u00fcber erziehliche Folgerung\u00ab schliefsen das Buch.\n5 u. 6. Die Pariser Gesellschaft f\u00fcr Kindespsychologie, welche jetzt etwa 6 Jahre, unter Leitung von Bihet, besteht, hat eine Reihe von Arbeitskommissionen gebildet, die eigene Untersuchungen vornehmen. B. berichtet summarisch \u00fcber deren T\u00e4tigkeit. Die \u201egraphologische\u201c Sektion ist mit Vorsicht auf die Anregung einiger Graphologen eingegangen, die diagnostische Bedeutung der kindlichen Handschriften zu pr\u00fcfen. Das Verfahren erscheint nicht unzweckm\u00e4\u00dfig : ein Fragebogen \u00fcber die Eigenschaften des Kindes wird dem Lehrer, ein gleichlautender dem Graphologen, der nur die Handschrift des ihm unbekannten Kindes pr\u00fcft, vorgelegt; es soll dann festgestellt werden, inwieweit beide Charakteristika \u00fcbereinstimmen. Mit Fragebogen arbeitet auch die \u201eKommission f\u00fcr moralische Gef\u00fchle\u201c; eine Liste aller moralischen Eigenschaften, die bei Kindern m\u00f6glich sind, wird den Lehrern vorgelegt, der in jedem Fall die nicht passenden durchstreichen mufs. Die \u201eGed\u00e4chtniskommission\u201c macht Experimente \u00fcber Erlernen und Behalten von Poesie und Prosa. Es zeigt sich, dafs die j\u00fcngeren Sch\u00fcler beim Wiedererlernen eines fr\u00fcher eingepr\u00e4gten Textes geringeren Ged\u00e4chtnisverlust zeigen als die \u00e4lteren ; ferner fand sich die jetzt schon von mehreren Beobachtern festgestellte Tatsache wieder best\u00e4tigt, dafs die Zeit auf das Ged\u00e4chtnis nicht immer negativ wirkt; manche Sch\u00fcler wu\u00dften 8 Tage nach dem Erlernen eines Stofles mehr von diesem, als unmittelbar nach dem Lernen. Die \u201eKommission f\u00fcr abnorme Kinder\u201c besch\u00e4ftigt sich mit kephalometrischen und heilp\u00e4dagogischen Bestrebungen. Die Kommission f\u00fcr individuelle Differenzen endlich studiert die Geschlechtsunterschiede in der Sprachentwicklung.\n7. Bekanntlich hatte Pbeybbb Verfahren, die geistige Entwicklung der ersten Lebensjahre eines Kindes auf Grund fortlaufender Beobachtung aufzuzeichnen, zun\u00e4chst nicht in Deutschland, sondern im Ausland Nachfolge gefunden. Die umfangreichste derartige Beobachtungsreihe bot Miss SHI5J in ihren, 12 Jahre nach Pbkykrs Buch (1893) erschienenen \u201eNotes on the development of a child\u201c ; weitere 12 Jahre sp\u00e4ter erscheint nun eine deutsche \u00dcbersetzung dieses Buches.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Liter aturbericht.\n131\nDa jetzt in Deutschland die Kindespsychologie einer neuen Bl\u00fcte entgegengeht, so k\u00f6nnen wir eine deutsche Ausgabe sehr wohl brauchen ; denn das umfassende, in manchen Punkten geradezu lackenlose Material, das uns die unerm\u00fcdliche Beobachterin \u00fcber die drei ersten Lebensjahre ihrer Nichte beibringt, iBt zu Vergleichungszwecken h\u00f6chst wertvoll. Freilich, es ist fast ansschliefslich Material, das uns geboten wird; Miss Sh. f\u00fchlt Bich lediglich als Berichterstatterin. FOr jedes einzelne Sinnesgebiet und jede einzelne Bewegungsart wird chronologisch Beobachtung auf Beobachtung get\u00fcrmt ; die Durchdringung des Stoffes mit psychologischer Theorie oder mit psychogenetischen Gesichtspunkten tritt sehr zur\u00fcck.\nDa das Vorbild Preykbs bestimmend war, ist naturgem\u00e4fs das Hauptgewicht auf die psychophysiologischen Funktionen gelegt; ja Miss Shinn beschr\u00e4nkt sich hier noch mehr als Prbybb, indem sie lediglich die zwei grofsen Gruppen der sensoriellen nnd der motorischen Vorg\u00e4nge behandelt. Die intellektuellen und affektiven Prozesse werden nur ganz gelegentlich bei Besprechung der einzelnen Sinnesgebiete gestreift ; die Sprachentwicklung fehlt vollst\u00e4ndig \u2014 eine L\u00fccke, die man am meisten bedauert.\nDer \u00fcberreiche 8toff, der innerhalb der einzelnen er\u00f6rterten Gebiete verarbeitet ist, entzieht sich nat\u00fcrlich der Berichterstattung. So sei nur erw\u00e4hnt, dafs allein 160 Seiten dem Gesichtssinn gewidmet sind (wobei Verf. unter anderem lehrreiche Experimente \u00fcber Farben- und Formen-Auffassung gemacht hat); dafs auf weiteren 110 Seiten Geh\u00f6r, Hautsinn, Geschmack und Geruch folgen ; dafs dann sehr ausf\u00fchrlich Muskel-, Organ- und Gemein-Empfindung behandelt werden (wo in den Kapiteln \u00fcber Nahrungsaufnahme und Schlaf auch dem Physiologen und Kinderarzt beachtenswertes Material geboten wird); dafs dann endlich die 200 \u00fcbrigen Seiten die motorische Entwicklung schildern, mit besonders ausf\u00fchrlicher Ber\u00fccksichtigung der Gleichgewichtsregulierungen und der Lokomotionen. \u2014\nSo dankenswert nun aber an sich die Idee zu einer deutschen Ausgabe des SHiNNBchen Werkes erscheint, so wenig kann man sich mit der Art der Ausf\u00fchrung befreunden. Die Absicht, f\u00fcr das popul\u00e4re Publikum zu schreiben, hat bewirkt, dafs die Herausgeber ihre Arbeit etwas zu leicht nahmen; der Erfolg ist, dafs das Buch wissenschaftlichen Anforderungen gar nicht entspricht, aber auch dem eigentlichen Zweck nicht angemessen ist. Zun\u00e4chst kann schon der von den Herausgebern gew\u00e4hlte Titel irref\u00fchren; die Originalbezeichnung: \u201eNotes...\u201c dr\u00fcckt viel bescheidener und korrekter den materialm\u00e4fsigen Charakter des Buches aus. Ferner ist weder aus dem Titel noch aus dem Vorwort zu ersehen, wann das Originalbuch erschienen ist; Bcheute man sich vielleicht mitzuteilen, dafs es sich nicht um ein ganz neues Buch handle? Vor allem aber ist die \u00dcbersetzung sehr schlecht und die Revision zu fl\u00fcchtig gewesen. An zahlreichen Stellen, deren Auff\u00fchrung hier erm\u00fcden w\u00fcrde, ist der Text ganz unverst\u00e4ndlich, wobei man oft im Zweifel ist, ob es sich um Auffassungs-, \u00dcbersetzungs-, Schreib- oder Druckfehler handelt; an anderen Stellen ist der deutschen Sprache arge Gewalt angetan worden. Endlich ist es lebhaft zu bedauern, dafs die ja schon an sich so sp\u00e4rlichen durch das Buch verstreuten Sprach-proben des Kindes f\u00fcr wissenschaftliche Verwendung dadurch v\u00f6llig ent-\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nLiteraturlieririit.\nwertet werden, dafs die Verfasser sie \u2014 in die deutsche Kinder-Lallsprache (oder das, was sie sich als solche konstruieren) \u00fcbersetzen I \u2014 An einer Reibe von Stellen haben die Herausgeber anmerkungsweise Parallelstellen aus anderen kindespsychologischen Werken angef\u00fchrt.\n8. Mise SHIAH hat ihrem grofsen Werk k\u00fcrzlich ein kleineres Buch folgen lassen, in dem sie einen Teil ihres Materials in popul\u00e4rer Weise bearbeitet hat. Die einzelnen Kapitel sind vorher in einer amerikanisches Frauenzeitschrift erschienen ; die englische Buchausgabe zeigt auch in ihr\u00ab sch\u00f6nen Ausstattung die Bestimmung, die Bibliothek von Frauen zu zieren. In leicht verst\u00e4ndlicher Weise behandelt die Verf. hier lediglich das erste Lebensjahr; von dem grofsen Werk unterscheidet sich das vorliegende auch dadurch, dafs es wirklich \u201ebiographisch\u201c ist, d. h. das Baby als Gaues durch das erste Lebensjahr verfolgt, nicht etwa jede Eimelfunktion f\u00fcr sich chronologisch entwickelt.\nNach einer allgemeinen Einleitung \u00fcber Baby-Biographien werden in 12 Kapiteln folgende Themen behandelt: Das Neugeborene nach Struktur, Bewegungen, Sensibilit\u00e4t und Bewufstsein; die ersten Entwicklungen; Gef\u00fchl und sensorielle Fortschritte ; das Greifen und die Entdeckung der Welt der Dinge, Erwachen der Intelligenz; erste Lokomotionen; Kriechen und Stehen; Sprachanf\u00e4nge ; Klettern; Laufen; Entwicklung der Intelligenz.\nb) Sprechen und Denken.\n1.\tH. Idblbrrobb, Hauptprobleme der kindliches SpraekeatwieUuig. Ztmir\nf. p\u00e4d. Psychol., Pathol, u. Hygiene 5 (4/5), 241\u2014297; (6), 425 - 456. 1903.\n2.\tW. Stbbm. Die Sprachentwicklung einet Klidet lushes. in gruuutiaeher lad logischer Hinsicht. Bericht \u00fcber den I. Kongrefs f\u00fcr experimentelle Psychologie in Giefsen. S. 106\u2014112. 1904.\n3.\tW. Nausester. Das Kind nnd die Form der Sprache. ZiEHEH-Ziaounsche Sammlung von Abhandlungen a. d. Geb. der p\u00e4d. Psychologie und Physiologie 7 (7). 1904. 49 S. Mk. 1,20.\n4.\tL. Maurer. Beobachtungen fiber das inschauungsrermfigen der Kinder. L Zeitschr. f. p\u00e4d. Psychol. 5 (1/2), 62-85. 1903.\n1. In der ImfLRSRtiKuschen Arbeit haben wir eine sehr erw\u00fcnschte Fortf\u00fchrung und Erg\u00e4nzung der M hum Aussehen Untersuchungen \u00fcber die Kindessprache zu sehen. Von M. angeregt und in den Hauptanschauungen bestimmt, hat I. vor seinem Lehrer das voraus, dafs er sich auf ein umfangreiches eigenes Material zu st\u00fctzen vermag. Verf. hat \u00fcber die ersten Sprachleistungen seines eigenen Sohnes bis zum 16. Monat ausf\u00fchrlich Buch gef\u00fchrt (in einem Nachtrag werden diese Beobachtungen bis zum 19. Monat erg\u00e4nzt) und aufserdem 15 andere Kinder teils selbst beobachtet, teils beobachten lassen. Das so gewonnene Material legt er in der Arbeit nieder, indem er jedes Wort f\u00fcr sich in seiner Entwicklung behandelt. Voran-geechickt sind dieser Liste zwei kleinere nicht uninteressante Beobachtung\u00bb-reihen, die er an dem 11 Monate alten Kinde erzielte. Die erste bestand darin, dafs I. w\u00e4hrend einer Stunde alles notierte, was sein S\u00f6hnchen tat; dae psychologische Ergebnis war, dafs sich ein sehr reiches, starkes und","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberieht.\n133\nmannigfaltiges Affekt- und Willensleben offenbart, hinter dem die intellektuellen Funktionen weit zur\u00fccktreten. Der zweite Versuch hatte zur Aufgabe, die Dauer der Aufmerksamkeitskonzentration festzustellen. Dem Kinde wurden alle m\u00f6glichen auff\u00e4lligen Sinnesreize dargeboten (ein bewegliches Blechtier, Klavierspiel, Streicheln usw.) und die Zeit, w\u00e4hrend derer das Kind dem Eindruck zugewandt blieb, notiert. Das Ergebnis war ein sehr geringes Ausmals der Aufmerksamkeitsenergie ; 15 Sekunden erschien im allgemeinen als Maximum der Konzentrationsdauer. Diese Ergebnisse verwertet 1. sodann alB Hilfsmittel zur psychologischen Analyse seines Sprachmaterials.\nZwei Probleme sind es, die er ausf\u00fchrlich er\u00f6rtert, das der ersten Wortbedeutungen und das der Worterflndungen. \u00dcber den ersten Punkt k\u00f6nnen wir hier kurz sein, da seine Gedankeng\u00e4nge inhaltlich in der Hauptsache mit den im vorigen Sammelbericht geschilderten Mzumahns \u00fcbereinstimmen:: die ersten Wortbedeutungen waren nicht gegenst\u00e4ndliche, Bondern durchaus affektive. Erst allm\u00e4hlich beginnen sich die W\u00f6rter zu \u201eintellektualisieren\u201c. Die F\u00e4higkeit der Kinder, mit einem Wort eine grofse Menge sehr verschiedener Dinge zu bezeichnen, ist kein Zeichen von Begriffsbildung, Verallgemeinerung oder \u00c4hnlichem ; sie beruht vielmehr darauf, dafs das Kind verm\u00f6ge seiner unvollkommenen Aufmerksamkeit nicht den Gegenstand in seiner Totalit\u00e4t, sondern nur irgend ein beliebiges zuf\u00e4lliges Einzelelement auffafst und mit diesem dann im Wiederholungsf\u00e4lle auf rein assoziativem Wege das Wort verbindet. I. unterscheidet daher zwei aufeinanderfolgende Sprachstufen, die \u201eemotional - volitionale\u201c und die \u201eassoziativ-reproduktive\u201c.\nDas zweite Problem, das der Worterfindung, formuliert I. folgender-mafsen: Kommt es vor, dafs die Kinder W\u00f6rter bilden, welche auf keine Weise auf \u00e4ufsere Anregung zur\u00fcckzuf\u00fchren sind? Seine Antwort lautet auf Grund seiner s\u00e4mtlichen Beobachtungen : nein. Selbst wenn einmal zuf\u00e4llig dem Kind eine bisher noch nicht ge\u00fcbte Lautkombination in Verbindung mit irgend einer Bedeutungsvorstellung entschl\u00fcpfen sollte, so ist sein Wortged\u00e4chtnis so schwach, dafs die Stabilisierung jenes Lautes zu einem dauernd gebrauchten Wort ganz ausgeschlossen ist. I. erkl\u00e4rt dann, woher so oft der Schein von Worterfindungen auftreten konnte. Durch unvollkommene Nachahmung verst\u00fcmmeln die Kinder die Laute so, dafs sie nicht wiederzuerkennen sind; ihre unvollkommene Wahrnehmung und das Spiel der mechanischen Assoziationen bewirken dann, dafs diese verst\u00fcmmelten W\u00f6rter an Bedeutungen gekettet werden, die der Erwachsene damit nicht verbindet \u2014 und der Schein einer selbst\u00e4ndigen Wortpr\u00e4gung ist da. I. f\u00fchrt diese Analyse an einigen markantesten Beispielen f\u00fcr scheinbare Worterfindungen durch, an Stumpfs Aufzeichnungen und den von und Htm geschilderten \u201eselbsterfundenen\u201c Sprachen von Kindern. Das Bestehen einer ererbten Sprachdisposition leugnet 1. zwar nicht, doch er Bchliefst sich Wuhdt und Mzumakn darin an, dafs diese Disposition nicht zur eigentlichen Bet\u00e4tigung komme, da durch den Spracheinflufs des Milieus eine \u201everfr\u00fchte\u201c Sprachentwicklung des Kindes eingeleitet werde.\nAnhangsweise behandelt I. dann noch den phonetischen Charakter der Lallaute bei den von ihm beobachteten Kindern, ln einer ersten Lall-","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nLitt itu,-t,,'!-. !it\np\u00e9riode waren fast allein Gaumenlaute vorhanden, in einer zweiten Oberwiegen Zungen- und Zahnlaute. Die Frage, ob die Kinder ln der Lall- und Nachahmungsperiode (7. 13. Monat) sich des Lernmittels der Ablesung von den Lippen bedienen, bejaht er auf Grund genauer Beobachtungen (gegen Stanley Hall).\n2.\t(Selbstanzeige.) Aus dem sehr umfangreichen Beobachtungwmateria), das W. und C. Stebn \u00fcber die seelische Entwicklung ihrer \u00e4ltesten Tochter gesammelt haben, gab ein auf dem Giefsener Psychologenkongrefs gehaltener Vortrag einen ersten kleinen Ausschnitt, von dem wiederum nur ein kurzer Auszug im Kongrefsbericht vorliegt. Der Vortrag behandelte drei Punkte der Sprachentwicklung: 1. Das Verh\u00e4ltnis von Nachahmung zu Spontaneit\u00e4t Hier wird hervorgehoben und durch Beispiele belegt, dafs die unleugbar vorhandene Spontaneit\u00e4t des sprechenlernenden Kindes nicht sowohl in etwaigen Worterfindungen, sondern vielmehr in der Art zu suchen sei, wie das Kind das Nachahmungsmaterial durch Zusammensetzung, Ableitung usw. verarbeitet und wie es aus dem nachahmungsm\u00f6glichen Material eine seinem jeweiligen Entwicklungsstatus entsprechende Auswahl trifft. In der Sukzession dieser Auslese besteht auch ein gewisser Parallelismus zur Phylogenesis der Sprache in der Menschheit. 2. Der Fortschritt der Sprachentwicklung vom Affektiv-Subjektiven zum Aussagend - Objektiven, den\nbei den ersten Stadien konstatierte, wird auch an einer Reihe von grammatischen Tatsachen aus sp\u00e4teren Stufen nachgewiesen. 3. Die Entwicklung der Syntax wird durch drei Jahre hindurch verfolgt. Am bemerkenswertesten ist hier, dafs das Stadium der Nebensatzbildungen schon im Alter von 2'/j Jahren erreicht wurde.\n3.\tDer gr\u00f6fsere Teil der N Australischen Arbeit ist mit allgemein linguistischen Betrachtungen angef\u00fcllt, die dann zu Schl\u00fcssen auf die Kindessprache verwertet werden. Die kindespsychologischen Er\u00f6rterungen machen einen etwas konstruierten Eindruck, zumal Verf. sich auf keine einzige eigene Beobachtung, sondern nur auf Pbeybbs \u201eherrliches\u201c Buch st\u00fctzt. Der Gedankengang ist kurz der folgende: Im Gegensatz zu Wcnbt meint Verf., dafs der Anteil des Kindes an der Sch\u00f6pfung der Sprache nicht gering angeschlagen werden d\u00fcrfe. Allerdings ist dieser kindliche Anteil nicht in der Wortsch\u00f6pfung, sondern in der Sprachform zu suchen. \u201eDie beiden Formen Nomen und Verbum, mit denen wir allen Gedankenausdruck bewirken, hat das zarte Kind geschaffen.\u201c Die Flexionsformen n\u00e4mlich sind nicht notwendige Bestandteile des Gedankenausdrucks, sondern Ausschm\u00fcckungen; es sind die beweglichen Ornamente, die um die festen Stammassive gerankt werden; in der Auffassung des Gegensatzes von Festem und Beweglichem aber liegt der Kern kindlicher Weltauffassung, in der Hervorbringung jenes Gegenspiels die Hauptbet\u00e4tigung des Kindes. \u2014 Den Beweis f\u00fcr die behauptete nur ornamentale Bedeutung der Flexionen f\u00fchrt N. haupts\u00e4chlich durch eine Statistik des deutschen Sprichworts : unter den Sprichw\u00f6rtern, die Antithesen ausdr\u00fccken, finden sich verschwindend wenige, die eine Gegen\u00fcberstellung von Flexionsformen desselben Wortes bringen (z. B. \u201eEs ist keiner so stark, er findet einen","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n135\nSt\u00e4rkeren\u201c), dagegen zahllose, bei denen die Flexions-Wirkung fast oder ganz fehlt (z. B. \u201eJugend wild, Alter mild\u201c). Bemerkenswert ist noch eine andere Statistik, die zeigt, dafs in der hohen Dichtersprache passivische Wendungen nach dem Typus \u201eDer Sch\u00fcler wird vom Lehrer gelobt\u201c sehr selten Vorkommen. Dem entspricht, nach eigenen Beobachtungen des Ref., das sehr sp\u00e4te Auftreten des Passivs in der Kindersprache.\n4. Macher hat einem 31/\u00bb j\u00e4hrigen Kinde Gartenlaubenbilder vorgelegt und alle Aussagen mitgeschrieben, die es w\u00e4hrend der Betrachtung machte. Die Versuche wurden mit den gleichen Bildern dreimal, im Juli, Oktober und Dezember, vorgenommen. Die Aussagen sind vom Verf. dann unter verschiedensten grammatischen und logischen Gesichtspunkten zerlegt und tabellarisch geordnet worden ; diese Tabellen : \u00fcber Zahl und Arten der Hauptw\u00f6rter, Beschaffenheit der S\u00e4tze usw. f\u00fcllen den gr\u00f6fseren Teil der Arbeit. Wir k\u00f6nnen hier nur einige Resultate angeben. Die Entwicklung, die das Kind in jenem Halbjahr durchlaufen hat, pr\u00e4gt sich unter anderem darin aus, dafs die Zahl der Hauptw\u00f6rter sich mehr als verdoppelt, dafs logisch verkn\u00fcpfte Satzverbindungen, die im Juli noch fehlen, im Oktober 5mal auftreten, dafs negative Aussagen (z. B. \u201eka Hut da\u201c) ebenfalls erst beim zweiten Versuch auftauchen, dafs Demonstrativgeberden (z. B. \u201eso tut er\u201c mit Armbewegung) der mangelnden Ausdrucksf\u00e4higkeit im Juli noch 6 mal, im Dezember gar nicht mehr zu Hilfe kommen m\u00fcssen, dafs flektierte Verben zuerst nur \u00f6mal, dann 13mal, zuletzt 25 mal Vorkommen.\nVerf. gedenkt diesen Versuchen entsprechende an Schulkindern folgen zu lassen.\nII. P\u00e4dagogik, a) Allgemeines.\n\u00fcber 2 hier einschl\u00e4gige Arbeiten (von Moses und Sickinoeb) ist in dieser Zeitschrift bereits von anderer Seite berichtet worden (39 (1, 2), 158). Es bleibt nur die folgende:\nExqelhobn. Welche Bedeutung; f\u00fcr die Schulhygiene hat die Psychologie und Psychopathologie der Entwicklungsjahre? Die Kinder fehler 9 (6) 253 bis 261. 1904.\nDer auf dem N\u00fcrnberger Schulhygienekongrefs gehaltene Vortrag EitUELHORHs stellt zun\u00e4chst fest, dafs die Pubert\u00e4tszeit in kindespsychologischen und p\u00e4dagogischen Untersuchungen bisher merkw\u00fcrdig stiefm\u00fctterlich behandelt worden sei (die mannigfachen kleineren Publikationen von H. Schmidkunz \u00fcber das Thema scheinen dem Vortragenden unbekannt geblieben zu sein). Er charakterisiert sodann jene Entwicklungsperiode kurz nach der psychologischen wie nach der psychopathischen Seite hin und schliefst mit einigen schulhygienischen Forderungen : streng individualisierende Behandlung der Sch\u00fcler und Sch\u00fclerinnen, Abschaffung der Pr\u00fcfungen und Abschaffung des religi\u00f6sen Bekenntniszwanges f\u00fcr jene Periode.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nI \\itf rut titbit li-hi.\nb) Experimentelle P\u00e4dagogik.\n1.\tHermann Walsemann. Ober die g\u00fcnstigsten Bedingungen der XaUet* Versinnlichug. Zcitschr. f. p\u00e4d. Psychol., Pathol u. Eyg. 0 (2), 118 bis 134. 1904.\n2.\tO. Messmer. Zur Psychologie des Lesens bei Kinders and Enrichi eut.\nArchiv f. d. ges. Psychol. 2 (2/3), 190\u2014298. 1903. Auch: Sammlung tor Abhandlungen zur psychologischen P\u00e4dagogik, hrag. v. Mel-mann 1 (1). 1904. 109 S.\n3.\tM. Lobbien. Eisige Untersnchvngen tber das dediebtmis der bind-\nbef\u00e4higten. Die Kinderfehler 8 (4), 151\u2014168; (5), 193\u2014203. 1908.\n4.\tM. Lobbien, ituugi \u00bbd Wirklichkeit bei Schnlkiideri. Beitr\u00e4ge zur Psychologie d. Aussage, hrsg. v. Stern 1 (2), 26\u2014 89. 1904.\n5.\tw. Stern. Die Aassage als geistige Leistung nnd als TerUrsprsdskt Experimentelle SchtUervntersnchugen. Erster Teil. Beitrage zur PsychoL d. Auss., hrsg. v. Stern 1 (3), 1\u2014147. 1904. Auch separat. Leipzig Barth. 1904. 147 S.\n6.\tF. Schmidt. Experimentelle Untersuchungen Eber die Hansanfgaben des\nSchllkiades. Arch. f. d. ges. Psychol. 3 (1), 33\u2014152. Auch: Samml. von Abhandl. zur psycholog. P\u00e4dagogik, herausg. v. Mkumann 1 (3), 120 8. Mk. 2,40. 1904.\n7.\tM. Lobsibn. Kinderideale. Zeitschr. f. pad. Psychol., Pathol, u. Eyg. 5 (4/S), 323\u2014344; (6), 457\u2014494. 1903.\n1. Seitdem Pestalozzi die M\u00f6glichkeit gezeigt hatte, die Zahlen durch Objekte zu versinnlichen, haben die Methodiker des Rechenunterrichts die verschiedensten Versinnlichungsmittel, Rechenmaschinen usw. konstruiert. Bald bedienten sie sich nebeneinander gelegter St\u00e4bchen, bald der Kugeln; diese wurden bald einreihig, bald zweireihig geordnet, bald quadratisch gruppiert usw. So erhielt z. B. die Zahl 9 u. a. folgende Darstellungen:\na) I! ! ! ! | | | | b) ooooooooo\nV ooooo oooo\n.. oo oo o a' 00 oo\nDie didaktische Rangordnung dieser Formen ist experimentell ram ersten Male von Lay untersucht worden : die einreihigen erwiesen sich als viel weniger \u00fcbersichtlich als die zweireihigen; innerhalb dieser wies er der quadratischen Anordnung den Vorrang zu und baute seine Vorschl\u00e4ge zur Reform des Rechenunterrichts darauf auf.\nWalsemaxn nahm nun diese experimentellen Untersuchungen auf, indem er Zahlenbilder der verschiedenen Form bestimmte Zeit, exponierte und benennen liefs. Wieder waren die zweireihigen durchaus den einreihigen \u00fcberlegen; dagegen erwiesen sich, gegen Lay, die \u201enormalen\u201c Zweireiher (unser Beispiel c) ausnahmslos g\u00fcnstiger als die quadratisch gruppierten Bilder.\nDie Beschreibung eines, auf dem Prinzip des \u201enormalen\u201c Systems beruhenden Zahlenk\u00f6rperapparates, der als Rechenmaschine dienen soll, schliefst die Abhandlung.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n137\n2. Aus dem Z\u00fcricher Laboratorium Me\u00fcwanns, das gegenw\u00e4rtig Haupt-arbeitsst\u00e4tte f\u00fcr experimentelle P\u00e4dagogik darstellt, ist die Arbeit Mcsssreits \u00fcber das Lesen hervorgegangen. Die Versuche wurden an 6 Kindern und 4 Erwachsenen teils mit dem Tachistoskop, teils mit gew\u00f6hnlichem Lesen vorgenommen. Im Gegensatz zu Erdmann und Dodoe und im Einklang mit Zeitleb hielt Verf. es f\u00fcr notwendig, mit m\u00f6glichst kurzen ExpOBitionBzeiten zu arbeiten; erwies sich doch schon eine Reiz-daner von 2 Tausendstelsekunden als ausreichend, um die Erkennung eines 7buchstabigen Wortes zu erm\u00f6glichen. L\u00e4ngere Worte wurden nun so oft hintereinander exponiert, bis die Lesung richtig wurde. Hierbei konnte M. zwei Typen unter seinen Reagenten konstatieren: einen \u201eobjektiven\" und einen \u201esubjektiven\u201c. Jener hat nur einen kleinen Aufmerksamkeitsumfang, erkennt jedesmal nur wenige Buchstaben, ist sich aber klar dar\u00fcber, was er wirklich gesehen und was er nur dazu gedeutet hat, macht daher wenig Fehler; dieser hat eine weit fluktuierende Aufmerksamkeit, \u201eliest\u201c gleich von Beginn an ganze Worte, die freilich mit den dargebotenen oft so gut wie keine \u00c4hnlichkeit haben, und hat kein Bewu\u00dftsein davon, wieviel an seiner Lesung Produkt subjektiver Interpretation ist. (Diese Typenscheidung hat eine weit \u00fcber die spezielle Lesefunktion hinausgehende Bedeutung. Schon vor Jahren habe ich die ganz gleiche Scheidung unter gleichem Namen bei Tonver\u00e4nderungsversuchen machen k\u00f6nnen [s. diese Zeitschr. 21, 386]; neuerdings hat Binet bei \u00c4sthesiometerpr\u00fcfungen unter den Namen \u201eSimplistes\u201c und \u201eInterpr\u00e9tateurB\" entsprechende Typen geschieden [vergl. diese Zeitschr. 87, 393].) Bei Kindern konnte M. wegen ihrer Unge\u00fcbtheit die Typenscheidung nicht mit Klarheit konstatieren.\nDes weiteren analysiert M. die optische Struktur des gedruckten Wortbildes und kommt zu dem Ergebnis: \u201eDas Wortbild besteht seinem optischen Gesamtcharakter nach aus einem schwarzen Streifen von relativ absch\u00e4tzbarer L\u00e4nge, \u00fcber den einzelne rhythmisierende Gipfel dominieren, und der seinem Hauptcharakter nach aus senkrechten Strichen besteht, deren Starrheit durch mehr oder weniger h\u00e4ufige Zeichen von gebogener Form belebt wird.\u201c Die Bedeutung der \u201edominierenden\u201c, d. h. durch gr\u00f6fsere Typenh\u00f6he das Bild gliedernden Buchstaben wird dann noch ausf\u00fchrlicher er\u00f6rtert. Die Frage, ob man ein Wort simultan lese (Ebdmann), oder sukzessiv (Zritlkb), beantwortet M. dahin, dafs beides bei der Erkennung zusammen wirke: man habe einen simultanen Eindruck des Gesamtcharakters, fasse aber au\u00dferdem in sukzessiven Akten die dominierenden Buchstaben auf. (Ein merkw\u00fcrdiges Analogon hierzu bietet das Lesen der Blinden. Wie Helleb beschreibt, lesen diese die erh\u00f6hten Punkte der Brailleschrift in der WeiBe, da\u00df sie mit der rechten Hand eine fl\u00fcchtige Simultanauffassung des Wortes vorwegnehmen, um sodann mit der Linken sukzessiv die charakteristischen Details abzutasten.)\nK\u00fcrzer wird das Klangbild behandelt. Dies entsteht nicht etwa in derWe\u00dfe, dafs sich zu jedem Buchstaben der dazugeh\u00f6rige Laut einstellt; sondern das Gesamtklangbild schlie\u00dft sich erst an das fertige apperzipierte optische Bild an. (Als ein analoges Beispiel hierf\u00fcr h\u00e4tte M. die Tatsache anf\u00fchren k\u00f6nnen, dafs wir zweistellige Zahlen in einer der Leserichtung","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nLiteraturberkhf.\nentgegengesetzten Richtung aussprechen, ohne dafs wir diese Diskrepanz empfinden.)\nVon den allgemeinen Erscheinungen, die beim tachistoskopischen Lesen konstatiert wurden, seien noch folgende erw\u00e4hnt : Die syntaktischen Beziehungselemente (Endungen usw.) werden mehr erschlossen als wirklich gelesen. Bei Kindern perseveriert die einmal gefafste Erwartung langer, so dafs das ihr widersprechende objektive Reizwort schwerer erkannt wird. Kurze W\u00f6rter werden im Tachistoskop leichter gelesen als lange; beim gew\u00f6hnlichen Lesen dagegen sind Satze mit vielen kurzen W\u00f6rtern unangenehmer als solche mit langen, weil die optischen Gesamt-innervationen fortw\u00e4hrend unterbrochen werden. Der Umfang der Aufmerksamkeit bei Kindern w\u00e4chst mit zunehmender \u00dcbung und erreicht sein Maximum bereits mit 11 Jahren. Bei sinnvollen Worten wird ceteris paribus dreimal so schnell gelesen wie bei sinnlosen Wortkombinationen. Vokale werden meist nicht gelesen, sondern subjektiv interpretiert.\nBei den Versuchen mit gew\u00f6hnlichem Lesen wurden die \u201eLesezeiten\u201c f\u00fcr bestimmte Textl\u00e4ngen unter verschiedenen Bedingungen gemessen. Die Erm\u00fcdungswirkung war am st\u00e4rksten bei schnellem Buchstabieren, ziemlich stark bei forciert schnellem Lesen ; bei normalem Lesen wurde sie durch die \u00dcbung kompensiert. Kinder zeigen im Lesetempo grofse Schwankungen, die mit steigender \u00dcbung abnehmen. Antiqua wurde im allgemeinen rascher gelesen als Fraktur, selbst von solchen, die Fraktur lieber lesen. Ge\u00fcbte Leser brauchen f\u00fcr sinnlose Texte die doppelte Zeit wie f\u00fcr sinnvolle. Beim Buchstabieren von Texten brauchen ge\u00fcbte Leser f\u00fcr je einen Buchstaben mehr Zeit als beim Lesen f\u00fcr je ein Wort. Aus einer psychologischen Analyse der Lesefehler sei schliefslich noch das Resultat erw\u00e4hnt: \u201eGewisse Arten von Fehlern bleiben vom Kinde bis zum Erwachsenen hin haften (Lautstottern, Zuf\u00fcgung, Wiederholung), andere sind mehr auf die kindliche Altersstufe beschr\u00e4nkt (Verwechslung, Metathesen, Verst\u00fcmmlung grammatische Fehler), und noch andere sind weder bei Kindern noch bei Erwachsenen allgemein (Antizipation, Umstellung, K\u00fcrzung, Assimilation usw.).\n3. Den an normalen Schulkindern angestellten, in dieser Zeitschr. (27, 34\u201478) ver\u00f6ffentlichten Experimenten \u00fcber das mechanische Ged\u00e4chtnis schliefst Lobsikn jetzt die entsprechenden Untersuchungen an imbezillen Knaben und M\u00e4dchen an. Als Versuchsobjekte dienten wieder optische Gegenst\u00e4nde, Ger\u00e4usche, W\u00f6rter, die Visuelles, Akustisches, Taktiles, Ge f\u00fclilsm\u00e4fsiges ausdr\u00fcckten, schliefslich sinnlose Lautkomplexe. Die Hauptergebnisse waren : Die Leistungen in den einzelnen Ged\u00e4chtnisgebieten waren bei den Imbezillen viel ungleich m\u00e4fsiger als bei den Normalen. Wort und Vorstellung sind bei dem normalen Kinde ungleich fester assoziiert, als bei dem Imbezillen. Die Menge des richtig Reproduzierten war beim Normalen etwa doppelt so grofs wie beim Imbezillen. Waren bei den normalen Kindern die M\u00e4dchen den gleichalterigen Knaben durchgehend? \u00fcberlegen gewesen, so zeigt bei den Imbezillen der Gesamtdurchschnitt der M\u00e4dchen zwar ebenfalls \u00dcberlegenheit, doch stehen sie im Wortged\u00e4chtnis hinter den Knaben zur\u00fcck.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"' LAteratwbericht.\n139\nDie vom Ref. herauegegebenen \u201eBeitrage zur Psychologie der Aussage\u201c haben Bich die Mitber\u00fccksichtigung der P\u00e4dagogik ausdr\u00fccklich zur Aufgabe gestellt, und die vier Hefte der \u201eersten Folge\u201c bringen an verschiedenen Stellen kindespsychologische und p\u00e4dagogische Er\u00f6rterungen. Schon der erste Einleitungsaufsatz des Herausgebers \u00fcber \u201eAngewandte Psychologie\u201c behandelt u. a. die allgemeinen Gesichtspunkte, die f\u00fcr die Anwendung der Psychologie auf die erzieherische und unterrichtliche Praxis g\u00fcltig sind, und am Schlufs des zweiten Aufsatzes \u201eAussagestudium\u201c wird die Forderung begr\u00fcndet, dafs die Schule neben und in Verbindung mit der Anschauungsp\u00e4dagogik auch eine systematische Aussage- und Erinnerungsp\u00e4dagogik pflegen solle. Das erste Heft enth\u00e4lt dann noch eine kleine kasuistische Zusammenstellung von Schilderungen nicht-pathologischer Erinnerungst\u00e4uschungen an Schulkindern, die zum gr\u00f6fsten Teil p\u00e4dagogischen Zeitschriften entnommen sind.\nFerner sei hingewiesen auf die Forderung des Juristen H. Schneickebt (Heft 4, 8. 22), dafs Kinder unter 7 Jahren f\u00fcr unf\u00e4hig erkl\u00e4rt werden sollten, vor Gericht Zeugnis abzulegen.\nAbgesehen von diesen kleineren Notizen brachten die Beitr\u00e4ge bisher zwei umfangreiche Experimentaluntersuchungen \u00fcber Kinderaussagen von Lobsien und vom Ref.\n4. Lobs:Bf betrachtet zun\u00e4chst die allgemeinen Bedingungen der kindlichen Aussagen: den Zwang der Umwelt, den Auschauungstypus, die Fl\u00fcchtigkeit und Unstetheit, die Umgangssprache, den Einflufs gewisser Gifte. Neu ist hier die Bemerkung, dafs Alkoholgenufs parallel der prim\u00e4ren Erregungswirkung eine \u00dcbersch\u00e4tzung der Zeitdistanzen zur Folge habe. Sodann schildert er die mannigfachen Experimente, die er an mehreren Hundert Knaben und M\u00e4dchen vorgenommen hat. L. pr\u00fcfte: die Erinnerungs- und Aussagef\u00e4higkeit f\u00fcr bildliche Darstellungen (eine Tafel mit 12 einfach gezeichneten isolierten Objekten, ein AnschauungBbild mit reichem Inhalt) und f\u00fcr eine dramatische Darstellung (einen Akt aus Minna von Barnhelm am Tage nach einer Sch\u00fclervorstellung), die Suggestibilit\u00e4t f\u00fcr Geruchs und GeBchmackseindr\u00fccke, die Anschauungstypen in Anlehnung an Nbtschajeffs Methode. Das Rohmaterial ist in zahlreichen Tabellen dargestellt.\nFolgende Ergebnisse seien erw\u00e4hnt: Die Bild- und Theaterversuche erwiesen wieder die aufserordentlich starke Ungenauigkeit, D\u00fcrftigkeit und Verf\u00e4lschung der kindlichen Aussagen. Die Suggestibilit\u00e4t war bei den unteren Klassen st\u00e4rker als bei den h\u00f6heren; bei den M\u00e4dchen st\u00e4rker als bei den Knaben. Bei Zahlangaben neigten die Knaben zu \u00dcbersch\u00e4tzung, die M\u00e4dchen zu Untersch\u00e4tzung. Beachtenswert ist ein Befund, der, da er sich anderweitig wiederfindet (s. z. B. diesen Sammelbericht 8. 130), unsere Anschauung \u00fcber die Wirkung kurzer Zwischenzeiten auf das mechanische Ged\u00e4chtnis modifizieren mufs: Bei den Aussagen \u00fcber die 12 \u00fcbgebildeten Objekte wurden oft nach 1 oder 2 Tagen mehr richtige Angaben gemacht, sIb unmittelbar nach der Betrachtung der Tafel. In bezug auf die Anschauungstypen fand sich, dafs die Knaben mehr zum motorischen Typus","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nLiterafurbtrieht.\nneigten als die M\u00e4dchen, ferner dafs ausgepr\u00e4gte Angeh\u00f6rige des visuellen Typus \u00fcber akustische Erlebnisse, Auditive \u00fcber optische Eindr\u00fccke besonders unzuverl\u00e4ssige Aussagen machen.\nSchliefslich stimmt L. der vom Ref. aufgestellten Forderung einer Erinnerungsp\u00e4dagogik zu.\n5. (Selbstanzeige.) Die Arbeit StttKNs f\u00fcllt das ganze dritte Heft der \u201eBeitr\u00e4ge\u201c ; ein zweiter Teil soll sp\u00e4ter folgen. Die Untersuchung, an 47 Sch\u00fclern und Sch\u00fclerinnen im Alter von 7 bis zu 19 Jahren angestellt, verfolgte eine zwiefache Absicht: es sollte einerseits die Aussagef\u00e4higkeit selber f\u00fcr verschiedene Altersstufen und die beiden Geschlechter sowie ihre Abh\u00e4ngigkeit von den verschiedenen Vernehmungsformen (Bericht, Verh\u00f6r, Suggestion) untersucht werden und es sollte zweitens festgestellt werden, inwiefern vermittels des Aussageexperiments eine Art Querschnitt durch die allgemeine geistige Leistungsf\u00e4higkeit der Pr\u00fcflinge gelegt werden k\u00f6nne.\nAls Versuchsobjekt diente ein farbiges Bild, eine Bauernstube mit Bewohnern darstellend. Jeder Pr\u00fcfling wurde einzeln vorgenommen: er betrachtete das Bild 1 Minute lang, legte es fort, berichtete dann zusammenh\u00e4ngend \u00fcber den Inhalt des Bildes und wurde schliefslich \u00fcber das noch Fehlende regelrecht vernommen auf Grund einer Verh\u00f6rsliste, die in zahl reichen Fragen auf alle bemerkenswerten Punkte des Bildes ging und aufserdem 12 Suggestivfragen nach nicht vorhandenen Objekten enthielt (z. B. \u201eWar nicht ein Ofen auf dem Bilde?\u201c).\nDie weitere Darstellung gliedert sich nun in zwei Teile: die rein statistische Verarbeitung des Zahlenmaterials nach den verschiedenen Gesichtspunkten, und die psychologische Herausarbeitung der Ergebnisse. Wir berichten hier \u00fcber beides im Zusammenhang.\nDas allgemeine Gesamtergebnis lautet: der positive Inhalt aller Aussagen war trotz der g\u00fcnstigen Versuchsbedingungen zum vierten Teile falsch. Auf die beiden Aussageh\u00e4lften Bericht und Verh\u00f6r verteilte sich diese Fehlerhaftigkeit sehr ungleich ; im Bericht war nur jede 16. Angabe, im Verh\u00f6r aber jede dritte falsch! Der so erwiesene grundlegende Unterschied zwischen spontaner und durch Fragezwang extrahierter Erinnerung wird nun des n\u00e4heren psychologisch analysiert. Falsche Antworten auf Fragen sind auf vierfache Weise m\u00f6glich: 1. Die Frage ruft auf mecha nischem Wege eine falsche Assoziation hervor. 2. Die Frage ruft das Be-wufstsein einer Erinnerungsl\u00fccke hervor, die mit \u00dcberlegung ausgef\u00fcll; wird. 3. Die Antwort ist gar nicht Ausdruck wirklicher \u00dcberzeugung dea Gefragten, sondern Angstprodukt oder Suggestionsprodukt. 4. Die Antwort ist wirkliche L\u00fcge. Ausf\u00fchrlicher geht Verb sodann auf den Begriff der Suggestion und den Suggestivcharakter der Verh\u00f6rsfragen ein und weist nach, dafs es in der Suggestivit\u00e4t der Fragen ihrer Form nach eine ganze Stufenleiter gibt, deren einzelne Stufen er entwickelt. Bei den in den Versuch eingestreuten suggestiven Vexierfragen war die F\u00e4lschungsWirkung sehr grofs ; in jedem dritten Fall gelang es bei ihnen, eine positive Angal \u00fcber gar nicht vorhandene Objekte zu erzielen.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Literatwbericht.\n141\nMit dem Inhalt der Aussage besch\u00e4ftigt sich ein weiteres Kapitel. Wie sich die F\u00fclle des aussagem\u00f6glichen Bildstofles in der Psyche wiederspiegelt, kann man am besten aus der Auslese ersehen, die der spontane Bericht aus jener Masse trifft. Den h\u00f6chsten \u201eSpontaneit\u00e4tswert\u201c haben hiernach die Personen, wie \u00fcberhaupt die pers\u00f6nlichen Kategorien deutlich mehr bevorzugt werden als die sachlichen. Dagegen ist starke Sinnenf\u00e4lligkeit an und f\u00fcr sich kein Grund zu starker Beachtung; dies zeigte sich namentlich an der zwar sehr ausgepr\u00e4gten, aber nur sehr selten zu spontaner Erw\u00e4hnung gelangenden Farbigkeit des Bildinhalts. Was die inhaltliche Beschaffenheit der gemachten Fehler anlangt, so waren die Aussagen \u00fcber die st\u00e4rker interessierenden Kategorien im allgemeinen auch die zuverl\u00e4ssigeren. Im Verh\u00f6r kamen ebenso h\u00e4ufig Leugnungen vorhandener Objekte wie Zus\u00e4tze von tats\u00e4chlich nicht vorhandenen Objekten vor; relativ zuverl\u00e4ssig waren die Aussagen \u00fcber die dargestellten Handlungen; dagegen waren Zahlen- und Farbenangaben ebenso unzuverl\u00e4ssig wie d\u00fcrftig.\n5. Kapitel. Differenzierung und Konstanz der Leistung. Es zeigt sich, dafs gewisse Funktionen, die bei der Aussageleistung mitspielen, sich nach Alter und Geschlecht stark differenzieren, so der Umfang des spontanen Berichtens, die Suggestibilit\u00e4t, die Farbenerinnerung \u2014 w\u00e4hrend andere ein ziemlich konstantes Festhalten an gewissen Durchschnittswerten zeigen. Dies gilt vor allem von der relativen Aussagetreue im Bericht und in denjenigen Teilen des Verh\u00f6rs, die nicht besondere Schwierigkeiten bieten. (Diese relative Treue der Aussage wird gemessen durch den Prozentsatz der richtigen Angaben unter allen Angaben.) Eine Zusammenstellung mit den Ergebnissen anderer Aussageversuche mit zum Teil ganz abweichenden Versuchsbedingungen zeigt, dafs man hier geradezu von einer Art Geltung des WssaRScheii Gesetzes, n\u00e4mlich von einer \u201erelativen Zu-verl\u00e48sigkeitekonstante\u201c bzw. \u201eFehlerkonstante\u201c sprechen darf: \u201eSo liegt die durchschnittliche Fehlerkonstante f\u00fcr den spontanen Bericht \u00fcber einen unmittelbar vorher mit Aufmerksamkeit gesehenen nicht schwierigen Tatbestand um etwa 6 \u00b0/0 herum, die Fehlerkonstante f\u00fcr ein Verh\u00f6r mit \u201eNormalfragen\u201c (nicht-suggestiven Fragen ohne besondere Schwierigkeit) zwischen 20% und 30%.\u201c\nIn die genetische Psychologie f\u00fchrt das Kapitel \u201eAltersfortschritt und geistige Entwicklung\u201c. Bei den Sch\u00fclern lag Material von f\u00fcnf Altersstufen vor (7, II, 14, 16, 19 Jahr), bei den Sch\u00fclerinnen nur von drei Stufen (7, 10, 141/\u00bb Jahr). Eine Vergleichung der Stufen zeigt nun als Hauptergebnis die Diskontinuit\u00e4t des Altersfortschritts. Bei beiden Geschlechtern finden wir eine Periode rapiden Fortschritts, der eine Periode relativ langsamen Fortschritts (oder gar des Stillstandes) voraufgeht. Diese Phasen liegen bei Knaben und M\u00e4dchea in verschiedenen absoluten Zeitlagen ; jedesmal aber deckt sich die Phase des rapiden Fortschritts (bei den Knaben zwischen 14 und 16, bei den M\u00e4dchen zwischen 10 und 14 Jahren) mit der Zeit der Pubert\u00e4tsentwicklung, w\u00e4hrend die Stillstandsjahre eine Pr\u00e4pubert\u00e4tsphase der Sammlung und Vorbereitung darstellen. Sollte sich *uch bei der Durchforschung anderer psychischer Leistungen ergeben, dafs die Zeiten schnellen und langsamen Fortschrittes bei beiden Geschlechtern","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nLiteraturberirht.\nnicht zusammenfallen, so ware hieraus ein beachtenswertes Argument gegen die Forderung der Koedukation abzuleiten. Ein zweites psycho-geneti8ches Hauptergebnis ist die \u201eDisproportionalit\u00e4t\u201c des Altersfortschritts. Das Wachstum der Leistungen besteht nicht in einer proportionalen Erweiterung aller Teilleistungen, sondern in dem sukzessiven ziemlich pl\u00f6tzlichen Reifen immer neuer Leistungsformen, die zu den alten relativ stabil bleibenden hinzutreten. So zeigte sich bei den vorliegenden Versuchen die Entwicklung der Rezeptivit\u00e4t viel fr\u00fcher abgeschlossen als die der Spontaneit\u00e4t : bei den h\u00f6heren Altersstufen wuchs die Menge der Oberhaupt aufgenommenen und behaltenen Bildinhalte kaum mehr, w\u00e4hrend die F\u00e4higkeit, die vorhandenen Erinnerungen spontan, also ohne Verh\u00f6rszwang, zu reproduzieren, noch betr\u00e4chtlich zunahm. Entsprechend zeigte die normale Verh\u00f6rszuverl\u00e4ssigkeit gar keinen, dagegen der Widerstand gegen Suggestionen einen bedeutenden Altersfortschritt: bei den 7 j\u00e4hrigen Kindern war jede zweite, bei den 14 j\u00e4hrigen nur jede f\u00fcnfte Suggestivfrage erfolgreich. Endlich zeigte auch der logische Inhalt des spontanen Berichts die sukzessive Ausbildung immer neuer Funktionen; das vorliegende Material gestattete hier, drei Stadien zu unterscheiden: das \u201eSubstanzstadium\u201c, in dem nur Objekte und Personen genannt werden, das \u201eAktionsstadium\u201c, in dem die Ber\u00fccksichtigung der Handlungen hinzutritt, das \u201eRelations- und Merkmalsstadium\u201c, in welchem nun auch die zust\u00e4ndlichen Beschaffenheiten und Beziehungen der Objekte mit einbezogen werden. Verf. glaubt, dafs diese Stadienfolge ein allgemeines Entwicklungsgesetz sei, das auch phylogenetisch gelte.\nDas letzte Kapitel gilt den gefundenen Geschlechts unterschieden. Das schon fr\u00fcher gewonnene Ergebnis der R\u00fcckst\u00e4ndigkeit des weiblichen Geschlechts best\u00e4tigt sich im allgemeinen wieder, und zwar wird dies jetzt dahin pr\u00e4zisiert, dafs die leichteren Teile der Leistung keine eindeutigen Geschlechtsunterschiede zeigen, dafs aber Erschwerung der Leistung eine deutliche R\u00fcckst\u00e4ndigkeit der M\u00e4dchen hervorruft. So machten die M\u00e4dchen bei den Suggestivfragen und bei den Farbenfragen viel mehr Fehler als die Knaben. Besonders stark war die Geschlechtsdiskrepanz in der Mitte der Schulzeit: die zehnj\u00e4hrigen M\u00e4dchen zeigten ganz \u00fcberraschend schlechte Leistungen und teilweise fast absolute Suggestibilit\u00e4t. Inhaltlich bevorzugten die M\u00e4dchen die pers\u00f6nlichen Kategorien des Bildinhalts mehr als die Knaben; gegen alle Erwartung zeigten sich die M\u00e4dchen auch bei den F\u00e4rbenangaben sowohl nach Quantit\u00e4t wie nach Qualit\u00e4t r\u00fcckst\u00e4ndig gegen\u00fcber den Knaben.\n6. Angeregt durch die im vorigen Sammelbericht (diese Zeitschr. 35, 307) besprochene Arbeit Matees \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von Gesamt- und Einzelleistung des Schulkindes, und wie jener beraten von K\u00fclpb und Meuxaxk, setzte sich Schmidt, ebenfalls ein W\u00fcrzburger Lehrer, die Aufgabe, festzustellen, wie gleich schwere Aufgaben ausgef\u00fchrt werden, wenn sie das eine Mal in der Schule, das andere Mal zu Hause angefertigt werden. Die Frage ist von grofser praktischer Bedeutung; denn wenn auch die starke \u00dcbersch\u00e4tzung, die die h\u00e4uslichen Arbeiten fr\u00fcher erfuhren, heut wohl nirgends mehr geteilt wird, so stehen sich doch solche P\u00e4dagogen, die sie","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n143\nganz verwerfen, und solche, die sie auf ein weises Mafs einschr\u00e4nken wollen, schroff gegen\u00fcber.\nSchm, betrachtete zun\u00e4chst die Einwirkungen, unter denen die h\u00e4uslichen Arbeiten des Volkssch\u00fclers stehen, wobei er auch kleine Statistiken von seinen Sch\u00fclern bringt. Solche Einwirkungen sind das Verhalten von Eltern und Geschwistern (man findet hier Unterst\u00fctzen, St\u00f6ren, Unterbrechen, Verhindern der Arbeiten), die h\u00e4uslichen Arbeitsr\u00e4ume (in Einzimmerwohnungen fehlt es oft am n\u00f6tigsten Platz und Licht zum Arbeiten) und die Arbeitszeit.\nF\u00fcr das Versuchsverfahren war die Hauptbedingung, dafs f\u00fcr Schul-und Hausarbeiten v\u00f6llig \u00e4quivalentes Arbeitsmaterial gegeben werden mufste. Die Kinder (12\u201413 j\u00e4hrige Knaben) hatten zu Haus und in der Schule Abschreib\u00fcbungen, Rechenaufgaben und freie Aufs\u00e4tze (\u00fcber gemachte Spazierg\u00e4nge und \u00c4hnliches) auszuf\u00fchren. Sehr ausf\u00fchrlich behandelt Schm, die Wertung der gemachten Fehler, die er als materiale und formale Fehler bezeichnet. Innerhalb jeder Gruppe stellt er eine ganze Skala von Wertzeichen auf (so waren z. B. Verst\u00f6fse gegen Grols- und Kleinschreibung als ganzer, Verst\u00f6lse gegen Satzzeichen als */\u00ab> Verschreibungen im Texte als \u2018/ie Fehler behandelt).\nVerf. bringt nun eine aufserordentlich detaillierte Analyse der einzelnen Versuche, der gemachten Fehler, der angewandten Arbeitszeiten; er vergleicht h\u00e4usliche Arbeiten, bei welchen die Sch\u00fcler ohne St\u00f6rungen arbeiten konnten, mit solchen, bei welchen sie gest\u00f6rt waren usw. Wir k\u00f6nnen hier nur die allgemeinsten Resultate erw\u00e4hnen. Das Hauptergebnis war, dafs die Qualit\u00e4t der Hausarbeiten im allgemeinen geringer war als die der gleichschweren Schularbeiten. Besonders grofs war diese Differenz bei den h\u00e4uslichen schriftlichen Rechenarbeiten, deren Entfernung aus dem Lehrplan der Verf. daher verlangt. Dagegen spricht er sich nicht f\u00fcr eine Beseitigung der Hausarbeiten \u00fcberhaupt aus, da diese in besonderen F\u00e4llen besser ausfielen als die entsprechenden Schularbeiten, besonders dann, wenn sie seltener gegeben wurden. Die t\u00e4gliche gewohnheitsm\u00e4fsige Anfertigung von Hausarbeiten sei daher zu verwerfen. Was die h\u00e4uslichen \u201eSt\u00f6rungen\u201c anlangt, so meint Verfasser: \u201eSt\u00f6rungen schlechthin gibt es nicht.\u201c In manchen F\u00e4llen Bind Arbeiten, die unter St\u00f6rungen vor sich gehen mufsten, besser ausgefallen als ungest\u00f6rte. Nur bei Aufs\u00e4tzen waren die St\u00f6rungen von durchg\u00e4ngigem Nachteil.\nMit Recht macht Verf. den Lehrern den Vorschlag, dafs sie, um \u00fcber die h\u00e4uslichen Leistungen der Sch\u00fcler ein treffendes Bild zu erhalten, sich nicht nur auf die Korrektur der Hausarbeiten beschr\u00e4nken sollten, sondern von Zeit zu Zeit, analog seiner Methode, durchgef\u00fchrte Vergleiche entsprechender Haus- und Schulaufgaben mit Fehleranalyse vornehmen sollten.\n7. An je 250 Knaben und M\u00e4dchen aus Kieler Volksschulen im Alter von 9\u201414 Jahren wandte Lobsien die amerikanische Enquetemethode an, um \u00fcber ihre \u201eIdeale\u201c Auskunft zu erhalten. Die Kinder erhielten durch ihre Klassenlehrer Zettel vorgelegt mit 18 Fragen folgender Art: Welche","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nLite.ntturherii ht.\nUnterrichtsstunde ist dir die liebste? Welches Spiel, welches Buch, welches Tier ist dir das liebste? usw. So vorsichtig Ergebnisse, die auf solche Weise gewonnen sind, auch behandelt werden m\u00fcssen, manche positive Einsicht gew\u00e4hren sie uns doch, sowohl in allgemeine Tendenzen der Kindesnatur, wie in typische Geschlechtsunterschiede. Ich kann hier nur einiges herausgreifen.\nGleich die erste Frage nach dem liebsten Unterrichtsfach ergibt eine \u00dcberraschung, die f\u00fcr unseren Unterrichtsbetrieb, wie L. mit Recht betont, zugleich eine schwere Anklage bedeutet: Religion wird unter 500 Urteilen nur 12mal genannt! (Und zwar, was wohl auch nicht zuf\u00e4llig ist, 10mal von M\u00e4dchen, nur 2 mal von Knaben.) Von den theoretischen F\u00e4chern erh\u00e4lt das Rechnen bei beiden Geschlechtern die meisten Vorzugsurte\u00fce; besonders bemerkenswert aber ist, dafs die h\u00f6chsten Zahlen bei den sen somotorischen (technischen) F\u00e4chern zu finden sind (Turnen und Zeichnen bei den Knaben, Handarbeit, Turnen, Singen bei den M\u00e4dchen). \u2014 Auf die Fragen nach der liebsten biblischen und profanen Pers\u00f6nlichkeit wird \u00fcbereinstimmend von beiden Geschlechtern hier Jesus, dort Wilhelm L bevorzugt. Aufserdem sind bei den Knaben noch eine ziemlich gro&e Reihe von Idealpersonen mit kleineren Vorzugszahlen vertreten, bei den M\u00e4dchen viel weniger; dies Ph\u00e4nomen, das man als \u201egeringere Variet\u00e4tenbildung der weiblichen Ideale\u201c bezeichnen kann, wiederholt sich mehrfach. \u2014 Dafs die Frage nach dem liebsten Spiel starke Geschlechtsdifferenzen offenbaren w\u00fcrde, war zu erwarten. Dennoch steht in allererster Linie bei Knaben und M\u00e4dchen das gleiche Spiel: der Ball mit fast der H\u00e4lfte aller Angaben ; ihm aber folgen dort R\u00e4uber,Versteck, Indianer, hier Versteck, Puppe und Kreisspiele. Als liebste B\u00fccher figurieren durchg\u00e4ngig M\u00e4rchenb\u00fccher, danach der Robinson; als liebste Tiere bei Knaben Pferd und Hund, bei M\u00e4dchen Hund und Katze ubw. Ein sehr charakteristischer Unterschied trat schliefslich noch auf, als die Kinder auf die Frage \u201eWm ist dir wunderbar?\u201c 3 Minuten lang alles hinschreiben konnten, was ihnen wunderbar erschien. Hier \u00fcberwiegen bei den Knaben durchaus die \u201elogisch-wissenschaftlichen\u201c Wunder: die Drehung der Erde, das Automobil, die Vulkane, das Eierlegen der Henne \u2014 bei den M\u00e4dchen die \u201enaiv-kindlichen\u201c Wunder: M\u00e4rchen, Zirkus, Sonnenschein, Blumen, Seilt\u00e4nzer.\nEin letzter Versuch L.s, die Statistik der Ideale mit den Memoriertypen der Kinder in Beziehung zu bringen, lieferte wenig Ausbeute.","page":144},{"file":"p0144s0001table1.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie. Band 40.\nTafel 1.\n'umm \u00eemmm ta\n4>i Minuten\nr'\" iM\t-T1\u2014 iVtnntVWthVi\u00eeVUVVV^hjtft rv V-c rrr r r\\'\n\n4 Minuten\n\nWbumu\nUWM\n3 yi Minuten\n\u201c lUUdll^ir\n\nNochmals Signal\n-*uVlrtrU^u\u00abrtrU<rtrUVV.rtririrt|VUV't\n3 Minuten\n\n2 t4 Minuten\nI\nNochmals Signal\n2 Minuten\n122 Minuten\nvv\u00ab^^f4WiWW\n1 Minute\n\niiMtmitmmit\nmtwMM\u00fc\n>i Minute\n\nAkustischer Versuch No. 26. a) Reaction. b) Metronomschlag.\nG. Alexander-Schaefer.","page":0},{"file":"p0144s0002table2.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie. Band 40.\nTafel 2.\nJWJlMMAWlMwJ k'i/i/WlliVWifiJWWMWMJMWyV'JliywJ\n\u201e\t4 Minuten\nVWVWVvV\\A/VV\\A\njj ll/l\n^^'iwwwww^^\nJWWWWVV\n2 Minuten\nWMVi/iWMW,Wiffi/ww\u00dfMw</i/ kvwMwmejfmimmtA'i/mwi/i/i/r V.\nNochmals Signal\t' \"\nmuMMf/Wim\nw'^Lrt^:\\J\\WWW^VJW'AruVWuuwu JWVj\n5 Minuten\n\nVWwvuwwww^,www^^\n\n\nn\\ATVv\\AAAAA/VV'^>AAA/V\\AAAAnArVVV\\,\n4 Minuten\nwwwwn,v^^\nwmww\n3 Minuten\nhmsMMiwmmrlmm\n\nimwmw/wim\n2 Minuten\nulft\u00fc\n\u25a0 .t ,/a\nbmmmmmmsmmf- 'hmmmmmmm\nOptischer Versuch No. 23. a) Reaction, b) Metronomschlag.\nG. Alexander-Schaefer.","page":0},{"file":"p0144s0003table3.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie. Band 40.\nTafel 3.\nivnni'vn'i'i'Silv;'\n7 Minuten\nwswfiwwfi\n\n6 Minuten\n\n\n, n\t5 Minuten\n4 Minuten\n\n3 Minuten\n\n2 Minuten\n1 Minute\nTactiler Versuch No. 8. a) Reaction, b) Metronomschlag.\nG. 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Band 40.\nTafel 4.\nc\\x \u00f9 iJW/U tiU'iri'Cyx\u00ef'C'i QhiPsvxC&ityvx\u00efdCoJt\\^CxDC^\\Z^x^Ki\\jZ^^\n(30\n9\nJ\ni\nfr\nfr\n3\n~'/t %-S /-/%/&-\u00a3 2-&f**&-3 \u00d4-3% J'\u00c2-\u00e2 3-frf\u00e0\n1%.\n20\n?\ni\n5\nfr\nfr\n3\nz\n/O\n30\n.9\ni\n7\nt\ni 1\n, ^/eZtcf-zz^TT?z2 fjf\u00df? fr\u00e9/\u00ea,\n^//rtttoTZoc&eis '0\u00ebtO\u00a3cc/\u00a3'^f\u00ef\u2018S&, fr S^tzyyee S.\n-fr fr-/ /-/fr /fr-2 S-2fr2fr-2%2%-S 3 ~3fr 3'frfr *-4% Hfr/z\nJ\n2\n\u2713\n20\nT\ni\n7\n6\nfr\nSO\ny\ni\n\u00ee\ns\n9\ni\ni\n\\p\n\n\\\nl_^freZb07K?7ny \u25a0//&/\u00a3.\n<jf/\u00eat&iZl\u00f9&\u00e9e^/ffl0ta46C.4s<-s0:>s2rf, Z, S^yyze/o;, 'merz/.\n-fr fr-S /-/i /fe-2 S-Zfr2H-3 3-3'/s 3fr-9\n\\/o-\n\u00a3 ^fr*?2yyZ\u00ffins ri... rs/ \u00e2&pr\u0153y&sz, y'y.y. vfZ\n40 /ifrsfr,.\n'-zfrS\u00eee\u00e0OZfrc/\u00e9ats Z'tfr. ifrlssyyzc. /fr\n\u25a0mecZ -J\n30\n9\nfr\n\u00a3\ns\nfr\u2014 3 2\n\u25a0fr 7z-/ /-/fr/fr>-2 g-Z'/a Z'fr-3 3-3'fr37e-fr / - Ofr-z\u00f9?u<&\nzo\t.^frfre7tzyzz*??7zs rfro fres\u00ea,\n^frfrki^frcocArziy/frStOcz-cAy ^sf-frp fr\n^ s\u00a3.\n00 -fr 7z~/ S\u2014/% fr/z-2, S-2'fr S'fr-3 3 -3fr 3fr-/\ncz\nfr\n7\nc\nfr\nfr\n3\n2\n\u25a0s\n30\n?\nj\ni\nfr\n3\n\u00a30\n9\nfr\n7\u2014\n!\\\n* / \\\n's /\t\\\nN\t/\nNvJ\t\\\n\\\nfr\nfr\nJ\n\u00a3\nSO\niVO\n?\nfr\n1\nfr\nfr\n3\n\u2022e / 30 fr fr 7 \u00a3 fr fr \u2014 3\n2 fr\n\\\u00dfo\n/?/&&.\n.^/frzyfrfrc/Lzt-- /7\u00a3&O^COf& /s/?3z/y X. /\u00efS&Ctfye-/\nJ\u00dfz\n-fo Iz-/ /-/fe 37k-fr 7-Jfr /&*-//\t~4t*,iUr\n\\\n'\t* frfr/9?.\n'-frfr\u00e8zto\u00fcfrc's^ct' '&ft&46&fr/frC&ore/\tjTT/csz&t / \u2018-^frfr/lfr, fr. frStey^zc*\n'TK&cfr\nG. Alexander-Schaefer.","page":0},{"file":"p0144s0005table5.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie. Band 40.\nTafel 5.\ne$u,Yv<\u00a3 /b&z QJezo \u00fccAcki t\nra\n9\n/\n7\n6\n$-\n9\n3\n2\n60\n/\n7\n6\n3\n2\nSO\nf\ns\n$\n\u2022r\n9\n3\n2\nff\nL*?-\n/ ff\u20142 Z - 3 3 \u2014 ff V - ff 3-\u2014 ff\n/ \\\n/ \\ \u25a0 / \\\n\n\nr e\ns\u2014\n9\n3\n2\n/\nSO\n9\n3\n7\n6\ns\n9\n3\n2\n\\Jo\n(SO\n7\n3\n7*\ns\n9\n3\n\u20223\n60\n9\n3\n7\n6\nS\n\u00a3\n3\n2\n/f\n/\n?\n\u00a3\nS\nff\n3\n2\n66\n9\n3\n?\ne\n3\n-f\n3\n2\nJo__\ny\n3\n?\nsT\n-/ /-Z Z\u20143 J-\u00bb *\u2014S ff\u2014ff \u00a3j-\u00a3 /\u2014/ Uc^ff\n\u2019ZzZZZZ- 6t ZZ&.\n(S\u00df&ffzfZezffet/\tM Sl^p'ze S\nzzzeaffSf.\n-/ S-& 2-3 3\u2014* ff-ff ff-6 ff-? /-/\n^SeZ&ffrzeae*^ \u00ffjf-\n_____Cff.\n00 f r \u2019 - / ff - z z- 3 s- ff 9 -ff ff-s ff-?\nl\ns\n9\n30\n3\n/\n?\n6\ns-\n9\n3\n2\n/\n20\n3\n3\n2\nj\"\n*\ns\ns\n1s\u00b0\n''7^z^ffZ7ffzffffrzZy Jff/fffJ .ffSzf?, \u00dfZ/z/ff+lcZlffff, ffffAfftzzs.S? . / '6J f <S7&\u00a33?\u0178ZrffCffZ TTZffaf' cS/ifffftrZt\u00e4c\nr\nLfLzJL \u00a3~\u00b1 J\t\u00a3__\u00a3\n?\n<*\u25a0\n\u00ce\nJ~\n4 3 2 /\ns**\n\u2713*\u00ab?-\n?\n<f\n5\n3'\n9\nJ\n2\n/\n40\n0\n9\n$\ncT\n+\nA\n30\ns\n3\n7\n6 S\n/ \\\n/ \\\nfff 4\nfr\nT\u00ff'zff&c/\u00eafft\tZ dTffz\u00ffzsZff S\n-/ y-z 2-3 3-4 g-ff s-ff\n\ni SO\ny TfO\n, V ^ o 4e\nT^zSZffS&v ff\u00a3\u00ea<frz&y\u00a3~S\\S, /. \u2018xShp&zff 7?\nyzzyaZ \u00a37\nff *\n3\n2\n?\n00\n?\n/\n?\ns-\n*\n3\n2\nJff\nf\n/\n?\ne\n3\u2014\n&\n3\n2\n- ff y - Z Z\u20143 3-ff, ff, - 5 ff \u2014 ff ff -\n/\n!\t\u2014Sfffffzffrzffrss. ffS.. 34?2:\ni\t-Z. ^SsZZffz-e/zy .\u00a3\nzzzffaZ\nv Za\nG. Alexander-Schaefer.","page":0},{"file":"p0144s0006table6.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie. Band 40.\nTafel 6.\n: \u00c7v&m\u00d9Xtarife\n{40-\nI\n5 \u00a5\n3\n\u00a3\ny\n30\n?\ns\n7s\n6 \u00a5\n3\n\u00a3\n/\n20\n\u2014 */ / \u2014 2 2 \u2014 3 3 \u2014 0 6 \u20146 - JfazuZe\n^y\u00ea/\u00e9,\n.y^S\u00e2 -' dfuyyzc.oz\n^>&t<y'?rzc<y. ^S.\n7\n\u00e2\ns\n&\n3\n2\n/\n70\n70\n/ 7\u2014Z 2-3 -3 \u2014 00-5 5\u20146 6\u20147\ni\ns\n4\n3\n\u00a3\noO\nf\n's\nJ-\n4\n3\n\u2022 ^&/l\u00a37ZZi7777,\tsJ&/\u00a3.\n^^yyy/ypz c<^\n/\nSO\nJ\nl\ns \u00a5 3 \u00a3\n\\4\u00db\n\\ /\ni-\n3\n\u00a5\n3\n3\n/\nso\n;\n\u00ee\ns\n\u00a5\n3\n\u00a3\n\u2014 / s-\u00e2 2 -3 3 \u2014 0 0\u20146 6\u20146 6\u2014? ^ortute\n._ -Tffk/Te. 5?i<7772-\t\u2022-^'\u00ea'\u00c9:\n.7\u00eay,\u00e9y77s.\t\u25a0 SSo, 77 fSlzyyz^'tz\ns*5T7z<y <??z<5\u01537 y\u00eay.\n46\n9\nJ\n\u00a3\nf 60\t\u2014 / / \u2014 Z 2\u20143 3 \u2014 66 \u20145 5\u2014 6 6 \u2014/ y^uZi.\n9\n3\n* \u25a0\t& j\u00e9k\n\\\ny?yzy?yrzs gy*\n\\\n60\n?\nJ\n7:\n*?, S. \u2019T^uyz/'Z'\u00ef ,C\n\u00a3\nS\n4\nJ\n\u00a3\n/\n&\n\u00c770\t\u2014 / / \u2014 2 2\u20143 3\u2014 0 O \u20146 S \u2014S\n?\tX*-S\n/ ^ ^ ^\nl\ns \u00a5\nS\ty\n\u00a3\ty\ny\n/\n6\u00db\n?\n/\n7\n\u00a5\n3\nZ\n/\n\\so-------\n/\nl_^yiZ7Z&e???Z' !\u2022$ Se/\u00ea.\n.0ySyyy\t.yy, y.\u2018S^yy^ S\n^y^y ^o^y tj/\nsa - / y-2 Z \u2014 3 3 \u2014 4 4 \u2014 5 S\u2014 6 6-/ ?\u2014 7\n-2z>mZc\n{40\nl .'\n3\n2\n\\Jo\n#< /sS\ny^/SSTeS TSuozt&S yyy<f, J? 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