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{"created":"2022-01-31T14:01:34.122129+00:00","id":"lit31993","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Deiters","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 40: 220-221","fulltext":[{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nI.iti nit\u2019ifhrrii-hl\nintrauterinen Infektionsursache seitens der Mutter, die \u00fcbrigens nach der beschriebenen Mifsgeburt ein normales Kind gebar.\nDer Xiphopage (zwei in der Sternalgegeud zusammengewachsene Chinesen im Alter von 15 Jahren) geh\u00f6rte seiner Zeit der Truppe von Barnum und Bailey an. Er wurde von den Verfassern nach den verschiedensten Richtungen hin (Puls, Blutdruck, Temperatur, Atmung, Muskel kraft, Erm\u00fcdbarkeit, Sensibilit\u00e4t, Reaktionszeiten, geistige F\u00e4higkeiten) genau untersucht, d. h. soweit dies in den drei zugestandenen Sitzungen m\u00f6glich war. Dabei zeigte sich, dafs die bei beiden Individuen erzielten Resultate mehr oder weniger grofse Verschiedenheiten darbieten. Der eine von beiden ist k\u00f6rperlich kr\u00e4ftiger und widerstandsf\u00e4higer, er ist der tonangebende und intelligentere; der schw\u00e4chere ist empfindlicher, f\u00fcgsamer und geduldiger, er ist mehr nach der Gef\u00fchlsseite hin ausgebildet. Bez\u00fcglich der Einzelheiten mufs auf das Original verwiesen werden.\nIn einem Anh\u00e4nge werden aus der Literatur die wichtigsten Daten \u00fcber bisher beobachtete \u00e4hnliche Mifsgeburten zusammengestellt (zumeist nach Geoffroy Saint-Hilaibe, Histoire g\u00e9n\u00e9rale et particuli\u00e8re des anomalies de l'organisation chez l'homme et les animaux. Paris, 1836). Aufserdem wird \u00fcber die von Doyen vorgenommene Operation (mitgeteilt auf dem Chirurgenkongrefs in Berlin 1902) berichtet, der das indische Xiphopagen-paar Radica und Doodica voneinander trennte, da letztere an Bauchfelltuberkulose erkrankt und dem Tode nahe war. Es folgt sodann der Sektionsbericht von Doodica sowie Betrachtungen \u00fcber die Pathogenese der Tuber kulose bei den Zwillingen und eine embryologische Studie.\nR. Foerstkb (Bonn).\nM. Brichta. Zurechnungsf\u00e4higkeit oder Zweckmifsigkeitf Ein offenes Wort an unsere Kriminalistik. Leipzig und Wien, F. Deuticke. 1903. 129 S. Mk. 2,50.\nDafs die Lehre von der Freiheit des menschlichen Willens vor dem Forum der modernen Naturwissenschaft nicht haltbar ist, das ist nachgerade schon so oft er\u00f6rtert worden, dafs eine nochmalige Wiederholung kaum n\u00f6tig war. Zudem bleibt Verf. doch gar zu sehr an der Oberfl\u00e4che, das Problem liegt tiefer. \u00dcberhaupt stellt er das psychische Geschehen recht schematisch dar. \u2014\nDa es keinen freien Willen gibt, kann auch von subjektiver Schuld keine Rede sein. Alles menschliche Handeln ist durch den Trieb der Selbsterhaltung, das Streben nach Lustgef\u00fchl bedingt. Die Fragestellung nach der Zurechnungsf\u00e4higkeit ist also falsch, vielmehr soll bei der Bestrafung die soziale Zweckm\u00e4fsigkeit ausschlaggebend sein.\nDas Strafrecht ist eine Schutzmafsregel der Gesellschaft, es hat nicht das Individuum, sondern die Gesamtheit im Auge. Die Strafe soll nicht nur das Individuum von der Wiederholung, sondern alle anderen von der gleichen Tat abhalten. Welche Handlungen zu bestrafen und was f\u00fcr Strafen anzuwenden sind, h\u00e4ngt bis zu einem gewissen Grade von den sozialen Umst\u00e4nden ab, kann also nicht prinzipiell festgelegt werden, sondern ist nach Zeit und Ort verschieden. Todes-, Freiheits-, Verm\u00f6gensund Ehrenstrafen werden im einzelnen er\u00f6rtert.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"L\u00c0tera twberich t.\n221\nBesserung der Verbrecher ist nicht Sache des Strafrechts, sondern der Sozialpolitik. Doch gibt Verf. zu, dafs bei Gelegenheit l\u00e4ngerer Freiheitsstrafen Besserungsversuche am Platze sind. Keine Antwort gibt er uns auf die Frage, was geschehen soll, wenn die Besserungsversuche vergeblich waren, wenn der Verurteilte nach Ablauf der Strafzeit derselbe gemeingef\u00e4hrliche Mensch ist wie vorher. Er kennt eben keinen \u201egeborenen Verbrecher\u201c. Seiner Kritik der LoMBROSO-Schule wird man im allgemeinen zu-stimmen k\u00f6nnen. Aber er geht zu weit. Es gibt doch ohne Zweifel unverbesserliche Verbrechernaturen, welche, solange sie in Freiheit sind, eine best\u00e4ndige Gefahr f\u00fcr die Gesellschaft bilden. Haupts\u00e4chlich diese sind es, bei denen die bisherige Strafrechtspflege v\u00f6llig versagt. Wer das Straf-recht reformieren und auf rationelle Grundlage stellen will, mufs durchaus auch auf diese brennende Frage Antwort geben. Verf. spricht gar nicht davon.\nGeisteskrankheit ist dem Verf. \u201eein kriminalistisch unbrauchbarer BegTiff\u201c. Das mafsgebende findet er in der \u201eGleichartigkeit der Strafrechtssubjekte\u201c. An Stelle der freien Willensbestimmung des \u00a7 51 StGB, will er die libertas jndicii, \u201edie reale Tatsache des vorhandenen Urteilsverm\u00f6gens der Einsicht in die Strafbarkeit der Tat\u201c setzen. Zur Kennzeichnung seiner Auffassung sei nur mitgeteilt, dafs er einen Melancholiker, der seine Kinder ermordet, bestraft wissen will, denn die Melancholie ist ihm \u201eeine leicht erkennbare nerv\u00f6se Erkrankung\u201c, in welcher der Mord \u201emit vollem Bewu\u00dftsein der Strafbarkeit der Handlung\u201c ver\u00fcbt wird. Kennte der Verf. den ungeheuer peinvollen Zustand des melancholischen Angstaffektes, in welchem das Bewufstsein nur auf den einen Punkt eingeengt ist und die \u00fcberm\u00e4fsige Spannung unwiderstehlich auf Entladung dr\u00e4ngt, dann k\u00f6nnte er unm\u00f6glich behaupten, dafs hier ein \u201eBewufstsein der Strafbarkeit\u201c vorhanden w\u00e4re.\nDas sind Ausstellungen in Einzelheiten, in denen dem Verf. eben augenscheinlich die spezielle Sachkenntnis fehlt. Im ganzen Btellt das Buch doch wohl einen recht beachtenswerten Versuch dar, das Strafrecht auf rationelle Grundlage zu stellen. Der Gedankengang ist logisch und konsequent durchgef\u00fchrt und l\u00e4fst es uns durchaus glaublich erscheinen, dafs die Zukunft eine solche Entwicklung bringen k\u00f6nnte.\nDeiters (Bonn).\nE. Bleuler. Die psjchologiiche\u00e4 Kriterien der Znreeknangsnnflhlgkelt Monatsschrift f. Kriminalpsychologie u. Strafrechtsreform. I. S. 621. 1905.\nDie Zurechnungsunf\u00e4higkeit l\u00e4fst Bich nicht durch psychologische Kriterien umgrenzen. Definitionen von solchen Handlungen, die der Gesetzgeber rIb Taten eines Zurechnungsunf\u00e4higen und damit als straffreie Handlungen absondern will, lassen sich nicht in der Weise geben, dafs man sagt: die Handlung m\u00fcsse den Stempel des \u201eUnsinnigen\u201c an sich tragen oder der T\u00e4ter m\u00fcsse \u201eaufser st\u00e4nde sein, vernunftgem\u00e4fs zu handeln\u201c. (Schweizerisches Strafrecht.) Ob vernunftgem\u00e4fs oder nicht, die Handlung eines Menschen ist die notwendige Frucht seines Ichs; man kann nicht sagen, ob er nicht h\u00e4tte anders handeln k\u00f6nnen. Der Determinist mufs sich logischerweise damit bescheiden, dafs \u201eder gegebene Mensch unter","page":221}],"identifier":"lit31993","issued":"1906","language":"de","pages":"220-221","startpages":"220","title":"M. Brichta: Zurechnungsf\u00e4higkeit oder Zweckm\u00e4\u00dfigkeit? Ein offenes Wort an unsere Kriminalistik. Leipzig und Wien, F. Deuticke. 1903. 129 S.","type":"Journal Article","volume":"40"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:01:34.122135+00:00"}