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{"created":"2022-01-31T14:15:45.332980+00:00","id":"lit31994","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Spielmeyer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 40: 221-222","fulltext":[{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"L\u00c0tera twberich t.\n221\nBesserung der Verbrecher ist nicht Sache des Strafrechts, sondern der Sozialpolitik. Doch gibt Verf. zu, dafs bei Gelegenheit l\u00e4ngerer Freiheitsstrafen Besserungsversuche am Platze sind. Keine Antwort gibt er uns auf die Frage, was geschehen soll, wenn die Besserungsversuche vergeblich waren, wenn der Verurteilte nach Ablauf der Strafzeit derselbe gemeingef\u00e4hrliche Mensch ist wie vorher. Er kennt eben keinen \u201egeborenen Verbrecher\u201c. Seiner Kritik der LoMBROSO-Schule wird man im allgemeinen zu-stimmen k\u00f6nnen. Aber er geht zu weit. Es gibt doch ohne Zweifel unverbesserliche Verbrechernaturen, welche, solange sie in Freiheit sind, eine best\u00e4ndige Gefahr f\u00fcr die Gesellschaft bilden. Haupts\u00e4chlich diese sind es, bei denen die bisherige Strafrechtspflege v\u00f6llig versagt. Wer das Straf-recht reformieren und auf rationelle Grundlage stellen will, mufs durchaus auch auf diese brennende Frage Antwort geben. Verf. spricht gar nicht davon.\nGeisteskrankheit ist dem Verf. \u201eein kriminalistisch unbrauchbarer BegTiff\u201c. Das mafsgebende findet er in der \u201eGleichartigkeit der Strafrechtssubjekte\u201c. An Stelle der freien Willensbestimmung des \u00a7 51 StGB, will er die libertas jndicii, \u201edie reale Tatsache des vorhandenen Urteilsverm\u00f6gens der Einsicht in die Strafbarkeit der Tat\u201c setzen. Zur Kennzeichnung seiner Auffassung sei nur mitgeteilt, dafs er einen Melancholiker, der seine Kinder ermordet, bestraft wissen will, denn die Melancholie ist ihm \u201eeine leicht erkennbare nerv\u00f6se Erkrankung\u201c, in welcher der Mord \u201emit vollem Bewu\u00dftsein der Strafbarkeit der Handlung\u201c ver\u00fcbt wird. Kennte der Verf. den ungeheuer peinvollen Zustand des melancholischen Angstaffektes, in welchem das Bewufstsein nur auf den einen Punkt eingeengt ist und die \u00fcberm\u00e4fsige Spannung unwiderstehlich auf Entladung dr\u00e4ngt, dann k\u00f6nnte er unm\u00f6glich behaupten, dafs hier ein \u201eBewufstsein der Strafbarkeit\u201c vorhanden w\u00e4re.\nDas sind Ausstellungen in Einzelheiten, in denen dem Verf. eben augenscheinlich die spezielle Sachkenntnis fehlt. Im ganzen Btellt das Buch doch wohl einen recht beachtenswerten Versuch dar, das Strafrecht auf rationelle Grundlage zu stellen. Der Gedankengang ist logisch und konsequent durchgef\u00fchrt und l\u00e4fst es uns durchaus glaublich erscheinen, dafs die Zukunft eine solche Entwicklung bringen k\u00f6nnte.\nDeiters (Bonn).\nE. Bleuler. Die psjchologiiche\u00e4 Kriterien der Znreeknangsnnflhlgkelt Monatsschrift f. Kriminalpsychologie u. Strafrechtsreform. I. S. 621. 1905.\nDie Zurechnungsunf\u00e4higkeit l\u00e4fst Bich nicht durch psychologische Kriterien umgrenzen. Definitionen von solchen Handlungen, die der Gesetzgeber rIb Taten eines Zurechnungsunf\u00e4higen und damit als straffreie Handlungen absondern will, lassen sich nicht in der Weise geben, dafs man sagt: die Handlung m\u00fcsse den Stempel des \u201eUnsinnigen\u201c an sich tragen oder der T\u00e4ter m\u00fcsse \u201eaufser st\u00e4nde sein, vernunftgem\u00e4fs zu handeln\u201c. (Schweizerisches Strafrecht.) Ob vernunftgem\u00e4fs oder nicht, die Handlung eines Menschen ist die notwendige Frucht seines Ichs; man kann nicht sagen, ob er nicht h\u00e4tte anders handeln k\u00f6nnen. Der Determinist mufs sich logischerweise damit bescheiden, dafs \u201eder gegebene Mensch unter","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nLiteralHrberuht,\ngegebenen Umstanden nur in einer Richtung handeln kann, wie der ge worfene 8tein unter gegebenen Umst\u00e4nden keines Gedankens Breit\u00ab von der Bahn abweichen kann\u201c. Das gilt f\u00fcr den Zurechnungsf\u00e4higen, wie f\u00fcr den Zurechnungsunf\u00e4higen. Als ganzen Menschen mufs der Psychiater den T\u00e4ter kennen lernen und beurteilen, wenn er aussagen soll \u00fcber desse Zurechnungsf\u00e4higkeit. Er soll nicht eingeschr\u00e4nkt sein durch unzul\u00e4ng liehe psychologische Kriterien; mafsgebend ist allein f\u00fcr die Umgrenzung der Begriff der Geisteskrankheit. \u201eUnklare Grenzen bleiben nur auf dem Gebiete der \u00dcbergangsf\u00e4lle. Diese lassen sich indes in der Natur nicht dadurch ausmerzen, dafs ein Gesetz k\u00fcnstliche Grenzen ziehen will aber die Schwierigkeiten, die sie bieten, lassen sich leicht beseitigen, went, das Gesetz die Grenzf\u00e4lle kennt und ber\u00fccksichtigt.\u201c\nSpiblmeyeb (Freiburg i. B.).\nKu&klla. Die Greuea der ItreekauggflUgkeit \u00abad die Krinlailaathrepoligk,\nHalle, Gebauer-Schwetschke, 1903. 123 S. Mk. 3,00.\nDie in der Einleitung gegebenen kurzen theoretischen Er\u00f6rterungen \u00fcber Zurechnungsf\u00e4higkeit sind im einzelnen anfechtbar und gehen der Sache nicht auf den Grund.\nNach interessanten Bemerkungen \u00fcber die kriminelle Bedeutung \u00ab1er Anomalien des Geschlechtsgef\u00fchls und der verschiedenen Arten impulsiven und unbewufsten Handelns folgt der Hauptteil der Schrift, eine gemein verst\u00e4ndliche Darstellung und Verteidigung der LoMBEOSOschen Lehre. Der scharf polemische Ton, der ja leider fast allen f\u00fcr und gegen Lombbos\u00bb auftretenden K\u00e4mpen eigen ist, macht die Lekt\u00fcre solcher Darstellungen wenig erfreulich.\nDie Schlufskapitel besch\u00e4ftigen sich mit den praktischen Konsequenzen der kriminalanthropologischen Ergebnisse und mit einigen neueren Arbeiten\nDeitbbs (Bonn).\nF. Ra\u00fch. Science et conscience. Revue philos. 57 (4), 359\u2014367. 1904.\nVerf. beabsichtigt eine Fixierung seines Standpunktes gegen\u00fcber einem Buche von Lkvy-Br\u00fchl, betitelt: Morale et la science des moeurs. Heus zutage handelt es sich nicht um Metamoral und soziale Moral, wie L.-Br annimmt, sondern um Wirklichkeit und soziale Idee, oder mit \u00e4nderet] Worten, um soziale Wirklichkeit und Bewufstsein.\nEin moralisches Urteil ist kein Konstatieren, sondern eine Zustimmung, \u00ablie Zustimmung eines individuellen Bewufstseins. Findet die Zustimmung universellen Anklang, so erscheint sie gar nicht. Das individuelle Bewufs\u00ee sein verliert sich alsdann in dem kollektiven. Tritt aber eine neue Idee auf, so erfolgt eine Spaltung zwischen beiden. Solche neuen sozialen Ideen mufs man in voller Wirksamkeit sehen. Verf. will daher eine Methodologie der Handlung schreiben. Hierzu ist es aber n\u00f6tig, dafs man zun\u00e4chst ein von allem Theologischen und Metaphysischen befreites Bewufstsein unter scheiden kann. L.-Br. hat das Studium der sozialen Ideen in ihren Be Ziehungen zur sozialen Wirklichkeit vernachl\u00e4ssigt. Die moralistiscben Soziologen gehen von dem Gedanken aus, dafs die sozialen Einrichtungen","page":222}],"identifier":"lit31994","issued":"1906","language":"de","pages":"221-222","startpages":"221","title":"E. Bleuler: Die psychologischen Kriterien der Zurechnungsunf\u00e4higkeit. Monatsschrift f. Kriminalpsychologie u. Strafrechtsreform. I. S. 621. 1905","type":"Journal Article","volume":"40"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:15:45.332985+00:00"}