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{"created":"2022-01-31T16:34:52.069932+00:00","id":"lit31996","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 40: 222-223","fulltext":[{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nLiteralHrberuht,\ngegebenen Umstanden nur in einer Richtung handeln kann, wie der ge worfene 8tein unter gegebenen Umst\u00e4nden keines Gedankens Breit\u00ab von der Bahn abweichen kann\u201c. Das gilt f\u00fcr den Zurechnungsf\u00e4higen, wie f\u00fcr den Zurechnungsunf\u00e4higen. Als ganzen Menschen mufs der Psychiater den T\u00e4ter kennen lernen und beurteilen, wenn er aussagen soll \u00fcber desse Zurechnungsf\u00e4higkeit. Er soll nicht eingeschr\u00e4nkt sein durch unzul\u00e4ng liehe psychologische Kriterien; mafsgebend ist allein f\u00fcr die Umgrenzung der Begriff der Geisteskrankheit. \u201eUnklare Grenzen bleiben nur auf dem Gebiete der \u00dcbergangsf\u00e4lle. Diese lassen sich indes in der Natur nicht dadurch ausmerzen, dafs ein Gesetz k\u00fcnstliche Grenzen ziehen will aber die Schwierigkeiten, die sie bieten, lassen sich leicht beseitigen, went, das Gesetz die Grenzf\u00e4lle kennt und ber\u00fccksichtigt.\u201c\nSpiblmeyeb (Freiburg i. B.).\nKu&klla. Die Greuea der ItreekauggflUgkeit \u00abad die Krinlailaathrepoligk,\nHalle, Gebauer-Schwetschke, 1903. 123 S. Mk. 3,00.\nDie in der Einleitung gegebenen kurzen theoretischen Er\u00f6rterungen \u00fcber Zurechnungsf\u00e4higkeit sind im einzelnen anfechtbar und gehen der Sache nicht auf den Grund.\nNach interessanten Bemerkungen \u00fcber die kriminelle Bedeutung \u00ab1er Anomalien des Geschlechtsgef\u00fchls und der verschiedenen Arten impulsiven und unbewufsten Handelns folgt der Hauptteil der Schrift, eine gemein verst\u00e4ndliche Darstellung und Verteidigung der LoMBEOSOschen Lehre. Der scharf polemische Ton, der ja leider fast allen f\u00fcr und gegen Lombbos\u00bb auftretenden K\u00e4mpen eigen ist, macht die Lekt\u00fcre solcher Darstellungen wenig erfreulich.\nDie Schlufskapitel besch\u00e4ftigen sich mit den praktischen Konsequenzen der kriminalanthropologischen Ergebnisse und mit einigen neueren Arbeiten\nDeitbbs (Bonn).\nF. Ra\u00fch. Science et conscience. Revue philos. 57 (4), 359\u2014367. 1904.\nVerf. beabsichtigt eine Fixierung seines Standpunktes gegen\u00fcber einem Buche von Lkvy-Br\u00fchl, betitelt: Morale et la science des moeurs. Heus zutage handelt es sich nicht um Metamoral und soziale Moral, wie L.-Br annimmt, sondern um Wirklichkeit und soziale Idee, oder mit \u00e4nderet] Worten, um soziale Wirklichkeit und Bewufstsein.\nEin moralisches Urteil ist kein Konstatieren, sondern eine Zustimmung, \u00ablie Zustimmung eines individuellen Bewufstseins. Findet die Zustimmung universellen Anklang, so erscheint sie gar nicht. Das individuelle Bewufs\u00ee sein verliert sich alsdann in dem kollektiven. Tritt aber eine neue Idee auf, so erfolgt eine Spaltung zwischen beiden. Solche neuen sozialen Ideen mufs man in voller Wirksamkeit sehen. Verf. will daher eine Methodologie der Handlung schreiben. Hierzu ist es aber n\u00f6tig, dafs man zun\u00e4chst ein von allem Theologischen und Metaphysischen befreites Bewufstsein unter scheiden kann. L.-Br. hat das Studium der sozialen Ideen in ihren Be Ziehungen zur sozialen Wirklichkeit vernachl\u00e4ssigt. Die moralistiscben Soziologen gehen von dem Gedanken aus, dafs die sozialen Einrichtungen","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n223\nSachen oder Tatsachen sind nnd sich unbeweglich verhalten, oder sie soeben die permanenten Elemente derselben.\nR. dagegen will z. B. zeigen, wie die Beziehung des Grofskapitals zum Arbeitssubjekt den Schein eineB freien Kontrakts annimmt. Er will in der Gesetzgebung den Streit dieser beiden Faktoren studieren und auch die embryon\u00e4ren Formen heranziehen, in denen das Recht sich bereits versucht. Verf. will aber weniger den Kodex studieren als vielmehr die Erkl\u00e4rung derselben durch juristische Geister, also den Widerhall der Tatsachen im Bewufstsein. Er will sich die Frage vorlegen, welche Ideen von Gerechtigkeit im Bewufstsein keimen. Der moralistische Soziologe l\u00e4uft Gefahr, dafs er das Bewufstsein vom innern Gef\u00fchl ablenkt, welches bisweilen allein gen\u00fcgen mufs. Denn es kommen F\u00e4lle vor, wo entgegen den Tatsachen das Bewufstsein sich zu einer verzweifelten Erkl\u00e4rung herbeilassen mufs. Der Soziologe sieht darin nur einen Beweis des best\u00e4ndigen Einflusses des moralischen Mystizismus.\nDer Weg, den die soziale Moral nach Verf. wandeln mufs, ist \u00fcbereinstimmend mit der nat\u00fcrlichen Richtung der Soziologie. Bougl\u00e9 hat dies sehr gl\u00fccklich zum Ausdruck gebracht, indem er sagt, dafs die moderne Soziologie die Rolle, welche das Bewufstsein bei der Formung der Gesellschaften spielt, scharf ins Licht ger\u00fcckt hat. Aber anstatt dieses Bewufstsein in seiner Aktivit\u00e4t zu studieren, zw\u00e4ngen es die Soziologen als etwas Unbewegliches in definierte Formen. Die Soziologie befreite sich von den physischen und biologischen Konzeptionen und erlangte so ihre Autonomie. Es bleibt f\u00fcr die soziale Moral die Aufgabe, die ihrige zu erobern. Die Boziale Moral des L.-Br. ist aber nach dem Muster gewisser Naturwissenschaften gemacht. L.-Br. zeigt, wie man durch Ausdehnung und Analogie von allgemein g\u00fcltigen Ideen zu anderen gelangen kann. Rauh dagegen will die Idee der Moral nicht nach Analogie bestimmen, sondern dadurch, dafs er sich in das Zentrum der Moral versetzt.\tGiesslek (Erfurt).\nKarl Wilhanhs. Das Uadstreichertum, seine Abhilfe and Bek&mpftmg.\nMonatsschrift f. Kriminalpsychologie u. Strafrechtsreform. I. S. 605. 1905.\nAus Wilmanns\u2019 interessanter Arbeit, die sich auf sehr sorgf\u00e4ltige Untersuchungen und klar gesichtete Erfahrungen gr\u00fcndet, hebe ich nur einiges hervor, was der Verf. von der Pers\u00f6nlichkeit der Landstreicher sagt und was er \u00fcber die Ursachen berichtet, die den Vagabonden auf die Landstrafse treiben. \u2014 F\u00fcr die H\u00e4ufigkeit k\u00f6rperlicher Defekte spricht schon die Tatsache, dafs nur 28\u00b0/o der untersuchten Landstreicher milit\u00e4rtauglich waren. Viel mannigfaltiger sind die geistigen Defekte. Die meisten Vagabonden geh\u00f6ren zur Gruppe der Imbezillen oder angeboren Schwachsinnigen; weniger h\u00e4ufig sind es Epileptiker oder jugendlich Verbl\u00f6dete. Die Trunksucht spielt bei diesen Individuen eine bedeutende Rolle; nur selten ist sie jedoch die einzige Ursache, die den Menschen zum Vagabondieren treibt. Wichtiger noch ist die Trunksucht in der Aszendenz; sie ist neben ung\u00fcnstigen h\u00e4uslichen Verh\u00e4ltnissen der wesentlichste erbliche Faktor. Viele Landstreicher sind unehelich geboren, in Armenh\u00e4usern oder bei fremden Leuten grofs geworden; Erziehung und","page":223}],"identifier":"lit31996","issued":"1906","language":"de","pages":"222-223","startpages":"222","title":"F. Rauh: Science et conscience. Revue philos. 57 (4), 359-367. 1904","type":"Journal Article","volume":"40"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:34:52.069938+00:00"}