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{"created":"2022-01-31T16:35:24.219533+00:00","id":"lit31997","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Spielmeyer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 40: 223-224","fulltext":[{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n223\nSachen oder Tatsachen sind nnd sich unbeweglich verhalten, oder sie soeben die permanenten Elemente derselben.\nR. dagegen will z. B. zeigen, wie die Beziehung des Grofskapitals zum Arbeitssubjekt den Schein eineB freien Kontrakts annimmt. Er will in der Gesetzgebung den Streit dieser beiden Faktoren studieren und auch die embryon\u00e4ren Formen heranziehen, in denen das Recht sich bereits versucht. Verf. will aber weniger den Kodex studieren als vielmehr die Erkl\u00e4rung derselben durch juristische Geister, also den Widerhall der Tatsachen im Bewufstsein. Er will sich die Frage vorlegen, welche Ideen von Gerechtigkeit im Bewufstsein keimen. Der moralistische Soziologe l\u00e4uft Gefahr, dafs er das Bewufstsein vom innern Gef\u00fchl ablenkt, welches bisweilen allein gen\u00fcgen mufs. Denn es kommen F\u00e4lle vor, wo entgegen den Tatsachen das Bewufstsein sich zu einer verzweifelten Erkl\u00e4rung herbeilassen mufs. Der Soziologe sieht darin nur einen Beweis des best\u00e4ndigen Einflusses des moralischen Mystizismus.\nDer Weg, den die soziale Moral nach Verf. wandeln mufs, ist \u00fcbereinstimmend mit der nat\u00fcrlichen Richtung der Soziologie. Bougl\u00e9 hat dies sehr gl\u00fccklich zum Ausdruck gebracht, indem er sagt, dafs die moderne Soziologie die Rolle, welche das Bewufstsein bei der Formung der Gesellschaften spielt, scharf ins Licht ger\u00fcckt hat. Aber anstatt dieses Bewufstsein in seiner Aktivit\u00e4t zu studieren, zw\u00e4ngen es die Soziologen als etwas Unbewegliches in definierte Formen. Die Soziologie befreite sich von den physischen und biologischen Konzeptionen und erlangte so ihre Autonomie. Es bleibt f\u00fcr die soziale Moral die Aufgabe, die ihrige zu erobern. Die Boziale Moral des L.-Br. ist aber nach dem Muster gewisser Naturwissenschaften gemacht. L.-Br. zeigt, wie man durch Ausdehnung und Analogie von allgemein g\u00fcltigen Ideen zu anderen gelangen kann. Rauh dagegen will die Idee der Moral nicht nach Analogie bestimmen, sondern dadurch, dafs er sich in das Zentrum der Moral versetzt.\tGiesslek (Erfurt).\nKarl Wilhanhs. Das Uadstreichertum, seine Abhilfe and Bek&mpftmg.\nMonatsschrift f. Kriminalpsychologie u. Strafrechtsreform. I. S. 605. 1905.\nAus Wilmanns\u2019 interessanter Arbeit, die sich auf sehr sorgf\u00e4ltige Untersuchungen und klar gesichtete Erfahrungen gr\u00fcndet, hebe ich nur einiges hervor, was der Verf. von der Pers\u00f6nlichkeit der Landstreicher sagt und was er \u00fcber die Ursachen berichtet, die den Vagabonden auf die Landstrafse treiben. \u2014 F\u00fcr die H\u00e4ufigkeit k\u00f6rperlicher Defekte spricht schon die Tatsache, dafs nur 28\u00b0/o der untersuchten Landstreicher milit\u00e4rtauglich waren. Viel mannigfaltiger sind die geistigen Defekte. Die meisten Vagabonden geh\u00f6ren zur Gruppe der Imbezillen oder angeboren Schwachsinnigen; weniger h\u00e4ufig sind es Epileptiker oder jugendlich Verbl\u00f6dete. Die Trunksucht spielt bei diesen Individuen eine bedeutende Rolle; nur selten ist sie jedoch die einzige Ursache, die den Menschen zum Vagabondieren treibt. Wichtiger noch ist die Trunksucht in der Aszendenz; sie ist neben ung\u00fcnstigen h\u00e4uslichen Verh\u00e4ltnissen der wesentlichste erbliche Faktor. Viele Landstreicher sind unehelich geboren, in Armenh\u00e4usern oder bei fremden Leuten grofs geworden; Erziehung und","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nLih-ynhi rberichl.\nweitere Ausbildung (zum Handwerk etc.) fehlen ihnen so gut wie ganz. \u2014 Die meisten von den Landstreichern kommen \u2014 abgesehen von ihren Ver-st\u00f6fsen gegen die Betteleiverordnungen \u2014 mit dem Strafgesetz in Konflikt und zwar vor allem wegen Eigentumsvergehen. Immerhin sind die Beziehungen des Landstreichertums zu dem professionellen Verbrechertum nur lockere. \u2014 Die Sch\u00e4dlichkeiten, die den Menschen dem Bettel Ln die Arme treiben, sind vor allem \u201eschlechte Erziehung und mangelhafte Ausbildung, angeborene und erworbene geistige oder k\u00f6rperliche Defekte, Alkoholismus und Arbeite- und Mittellosigkeit infolge schlechter Gesch\u00e4ftslage\u201c. Selten ist es nur eine dieser Sch\u00e4dlichkeiten, meist mehrere gemeinsam, die den Ruin eines Menschen und seinen Untergang im Vagabonden-tume bedingen. Eine besondere Beachtung unter diesen zusammenwirkenden sch\u00e4digenden Faktoren beanspruchen der Alkoholismus und das Alter.\nSpiblmbyer (Freiburg i. B.).\nJakob Hartmann. \u00dcber die hereditiren Yerhiltalsse bei Verbrechern. Monatsschrift. f. Kriminalpsychologie u. Strafrechtsreform. I. S. 493. 1904.\nDie Belastung ist bei Verbrechern etwa ebenso grofs, wie bei Geisteskranken, die direkte erbliche Belastung scheint bei jenen sogar eine noch gr\u00f6fsere Rolle zu spielen, als bei diesen. Unter den belastenden Momenten \u00fcberwiegt der Alkoholismus ganz entschieden, an zweiter Stelle kommen die Charakteranomalien und das Verbrechertum. Die Gewohnheitsverbrecher haben eine viel ausgesprochenere Alkoholheredit\u00e4t als die Gelegenheitsverbrecher; unter den Rechtsbrechern, die zugleich Alkoholisten sind, ist ein grofser Prozentsatz speziell durch Alkoholismus belastet. \u2014 Verderbenbringend f\u00fcr die Entwicklung eines neuen Organismus wirkt nicht nur der chronische Alkoholmifsbrauch der Aszendenten, sondern offenbar auch die akute Sch\u00e4digung des Keimes durch einen Rausch im Momente der Zeugung. \u2014 Je gr\u00f6fser die Zahl der morphologischen Entartungszeichen, desto bedeutender ist der Grad der erblichen Belastung. \u201eEs existieren eine bedeutende Zahl durch Generationen sich fortpflanzender Verbrecher- und Vagantenfamilien, doch wiegt die polymorphe Vererbung vor (aufser Kriminalit\u00e4t und Charakteranomalien besonders mit Psychosen, Alkoholismus, Neurosen), so dafs ein Zusammenhang zwischen den verschiedenen abnormen Zust\u00e4nden angenommen werden mufs.\u201c\nSpielmeyeb (Freiburg i. B.).","page":224}],"identifier":"lit31997","issued":"1906","language":"de","pages":"223-224","startpages":"223","title":"Karl Wilmanns: Das Landstreichertum, seine Abhilfe und Bek\u00e4mpfung. Monatsschrift f. Kriminalpsychologie u. Strafrechtsreform. I. S. 605. 1905","type":"Journal Article","volume":"40"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:35:24.219539+00:00"}