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{"created":"2022-01-31T14:02:19.262466+00:00","id":"lit31999","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Taylor, Clifton O.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 40: 225-251","fulltext":[{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"(Aub dem psychologischen Institut der Universit\u00e4t Wflrzburg.)\ne \u2022\nUber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\nVon\nDr. Clifton 0. Tatlob.\nAlle Worte einer Sprache haben Bedeutungen. Sie sind Zeichen f\u00fcr irgend welche Gegenst\u00e4nde, welche neben den Worten -vorhanden sind. Diese Gegenst\u00e4nde k\u00f6nnen realer Natur sein, wie die Stadt Berlin, oder idealer Natur, wie die Kreise der fieometrie, und sich sonst in mannigfaltiger Beziehung unterscheiden und je nach dem Zusammenhang, in welchem sie gebraucht werden, sehr variabler Art sein. Auch die S\u00e4tze haben Bedeutungen. Die Bedeutungen der S\u00e4tze setzen sich aber nicht \u00abinfach aus den Bedeutungen der W\u00f6rter zusammen, aus denen -sie bestehen, sondern sie sind Funktionen dieser Bedeutungen.\nWir k\u00f6nnen nun Worte und S\u00e4tze gebrauchen ganz ohne R\u00fccksicht auf die Bedeutungen, welche sie besitzen. Wenn wir *. B. auf die Frage, was ein Dritter soeben gesagt hat, die Worte \u201eheute\u201c oder \u201eich bin m\u00fcde\u201c referieren, so kommt hier das Wort \u201eheute\u201c oder der Satz \u201eich bin m\u00fcde\u201c nicht im Hinblick auf die Bedeutung in Betracht. Von solchen F\u00e4llen soll jedoch in dieser Untersuchung g\u00e4nzlich abgesehen werden.\nWenn wir von anderen oder auch von uns selbst gesprochene Worte oder S\u00e4tze h\u00f6ren, so verstehen wir sie entweder oder wir verstehen sie nicht. Letzteres kann z. B. der Fall sein, wenn \u00abin Ungebildeter einen Satz aus dem Gebiet der h\u00f6heren Mathematik oder wenn irgend jemand ein Wort in einer ihm unbekannten Sprache aussprechen h\u00f6rt.\nWir verstehen geh\u00f6rte Worte oder S\u00e4tze dann, wenn wir wissen, welche Gegenst\u00e4nde durch sie bezeichnet werden. Es ist nun klar, dais wir nicht von fr\u00fchester Kindheit an im Besitz des Verst\u00e4ndnisses der sp\u00e4ter verstandenen geh\u00f6rten Worte und S\u00e4tze sind, sondern dafs wir erst allm\u00e4hlich im Verlauf der individuellen\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie <0.\t1\u00d6","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nClifton 0. To y lor.\nEntwicklung dazu gelangen. Das Kind kennt die Bedeutungen vieler Worte und S\u00e4tze, die es h\u00f6rt, nicht, und auch der Erwachsene hat noch immer Gelegenheit Bedeutungen von Worten und somit von S\u00e4tzen erst kennen zu lernen. Man denke nur abgesehen von der Verschiedenheit der Sprachen an die Unmasse von technischen Ausdr\u00fccken, die in ihrer Gesamtheit kaum einem Erwachsenen verst\u00e4ndlich sein d\u00fcrften. Wie gelangen wir nun zum Verst\u00e4ndnis der geh\u00f6rten Worte und S\u00e4tze, wie erfahren wir deren Bedeutungen?\nWenn wir einem Kinde, welches eben beginnt sprechen zu lernen, die Bedeutung eines Wortes, z. B. des Wortes Tisch, klarmachen wollen, so k\u00f6nnen wir das Wort Tisch aussprechen und zugleich auf einen Tisch deuten. Wir k\u00f6nnen auch sagen \u201edas ist ein Tisch\u201c und zugleich eine hinweisende Geberde ausf\u00fchren. \u00c4hnlich verfahren wir wohl manchmal einem Ausl\u00e4nder gegen\u00fcber, dem wir die Bedeutung eines Wortes, das einen wahrnehmbaren Gegenstand bezeichnet, mitteilen wollen. Vielfach sind aber hinweisende Geberden gar nicht n\u00f6tig. H\u00f6rt das Kind das heulende Ger\u00e4usch des Windes, empfindet es heftigen Luftzug und sieht es zugleich die Zweige der B\u00e4ume hin- und herwogen, so gen\u00fcgt es wohl in vielen F\u00e4llen, wenn wir sagen \u201ees windet\u201c, um dem Kinde die Bedeutung dieses Ausdruckes mitzuteilen. \u00c4hnlich verh\u00e4lt es sich, wenn wir z. B. einem Kinde gegen\u00fcber, aus dessen Benehmen wir den Schlufs ziehen, dafs es traurig ist, sagen \u201edu bist traurig\u201c, um ihm die Bedeutung des Wortes traurig klar zu machen.\nWir k\u00f6nnen daher die Bedeutung geh\u00f6rter Worte und S\u00e4tze dadurch kennen lernen, dafs wir gleichzeitig die Gegenst\u00e4nde wahrnehmen oder \u00fcberhaupt erleben, auf welche sie sich beziehen, wobei das Wissen, dafs sich die Worte oder S\u00e4tze auf die fraglichen Gegenst\u00e4nde beziehen, vorhanden sein (wie in den Beispielen: \u201ees windet\u201c oder \u201edu bist traurig\u201c) oder irgendwie vermittelt sein mufs (wie in dem Beispiel: \u201eTisch\u201c). Auf diese Weise lernen wir auch die Bedeutungen vieler geh\u00f6rter Worte und S\u00e4tze kennen im modernen Sprachunterricht, wie er insbesondere in der Berlitz School gehandhabt wird. \u2014 Die bisher er\u00f6rterte Methode, die Bedeutungen von Worten und S\u00e4tzen kennen zu lernen, soll als die sinnliche oder unmittelbare bezeichnet werden. Die Bedeutungen anderer geh\u00f6rter Worte und S\u00e4tze lernen wir kennen durch Umschreibungen. So k\u00f6nnen wir","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber da\u00bb Vertieften von Worten and S\u00f6tten.\n227\nbeispielsweise die Bedeutung des Wortes Zar erfahren, wenn wir h\u00f6ren, dafs es den russischen Kaiser bedeute. Auch durch Beispiele wird uns die Bedeutung vieler Worte und S\u00e4tze vermittelt. Wie wollte man einem Kinde die Bedeutung des Wortes \u201eTugend\u201c anders als durch Beispiele tugendhafter Handlungen oder Personen klarmachen. Diese Art und alle verwandten Arten, die Bedeutungen von geh\u00f6rten Worten und S\u00e4tzen kennen zu lernen, sollen als die verbale oder mittelbare Methode bezeichnet werden.\nEs ist klar, dafs die unmittelbare Methode die urspr\u00fcngliche ist, und dafs wir Bedeutungen von Worten und S\u00e4tzen nach verbaler Methode erst kennen lernen k\u00f6nnen, wenn uns ein Teil der Wortbedeutungen auf sinnliche Art bekannt wurde. Auch der moderne Sprachunterricht, insbesondere die Berlitzmethode bedient sich verbaler Methoden zur Darlegung der Bedeutungen, aber erst dann, wenn der Sch\u00fcler gewisse Bedeutungen bereits durch die unmittelbare Methode kennen gelernt hat. \u00dcbrigens w\u00fcrde auch die Darlegung der Bedeutung eines Gebildes einer unbekannten Sprache durch ein Gebilde einer bekannten der verbalen Methode zuzurechnen sein.\nDie Bedeutung geschriebener (bzw. gedruckter) Worte und S\u00e4tze lernen wir in den meisten F\u00e4llen erst kennen, wenn wir mit den Bedeutungen der entsprechenden geh\u00f6rten Worte und S\u00e4tze schon vertraut sind: wir lernen eben Geschriebenes bzw. Gedrucktes erst lesen, wenn wir sprechen und Gesprochenes verstehen k\u00f6nnen. Das Kennenlernen der Bedeutung geschriebener Worte und S\u00e4tze wird dann dadurch vermittelt, dafs wir erfahren, welche akustisch-motorischen Wahrnehmungs- oder Erinnerungsworte, deren Bedeutungen uns bereits bekannt sind, jenen korrespondieren. Doch ist es im Prinzip wenigstens nicht ausgeschlossen, dafs wir die Bedeutungen geschriebener Worte und S\u00e4tze auch auf eine analoge Art kennen lernen wie diejenige, die wir vorhin als sinnliche oder verbale Methode bezeichnet haben. Wenn ich, des Chinesischen unkundig, jemanden frage, was ein geschriebenes mir unbekanntes chinesisches Wort bedeutet, so kann mir der Gefragte dies unter Umst\u00e4nden entweder durch Hinweise auf Gegenst\u00e4nde oder durch Worte klarmachen.\nWir verstehen Worte und S\u00e4tze, wenn wir ihre Bedeutungen kennen, d. h. wenn wir die Gegenst\u00e4nde kennen gelernt haben, welche durch sie bezeichnet werden, und wir haben soeben\n16*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"328\nClifton O. Taylor.\nskizziert, wie wir zum Verst\u00e4ndnis der Worte und S\u00e4tze gelangen.1 * * * * * * Man k\u00f6nnte nun der Ansicht sein, dafs geh\u00f6rte oder gesehene Worte und S\u00e4tze, die wir verstehen, unter allen Umst\u00e4nden einen spezifisch anderen psychologischen Charakter haben, als diejenigen, welche wir nicht verstehen. Dies ist jedoch nach den Unter 8uchungen von Mabbe * keineswegs der Fall. Marbe fand keine spezifischen Erlebnisse, welche immer vorhanden sein m\u00fcssen, wenn wir Geh\u00f6rtes oder Gelesenes verstehen, und welche fehlen, wenn das Verst\u00e4ndnis ausbleibt. Ebensowenig zeigen die von Mabbe mitgeteilten Protokolle solche Erlebnisse, welche immer vorhanden waren, wenn der Beobachter den Text nicht verstand, die aber ausblieben, wenn die geh\u00f6rten oder gelesenen Worte vom Beobachter verstanden wurden.8\nObgleich es demnach keinerlei Erlebnisse zu geben scheint, welche dem Verstehen oder Nichtverstehen geh\u00f6rter oder gelesener Worte und S\u00e4tze immer und notwendigerweise parallel gehen, so ist es indessen keineswegs ausgeschlossen, dafs unter gewissen Umst\u00e4nden das Verstehen an bestimmte Erlebnisse gebunden ist oder doch durch das Auftreten bestimmter Erlebnisse wesentlich gef\u00f6rdert wird.\nHerr Professor Mabbe machte nun im Wintersemester 1904 in der \u201ePhilosophischen Gesellschaft\u201c ein Experiment, indem er den vier Teilnehmern an dieser Gesellschaft folgende Aufgabe vorlegte: \u201eStellen Sie sich vier rechteckig angeordnete S\u00e4ulen und zwei ebene Fl\u00e4chen vor. Die eine dieser Fl\u00e4chen soll auf zwei benachbarten S\u00e4ulen aufliegen, die zweite Fl\u00e4che soll auf \u25a0den beiden anderen S\u00e4ulen aufliegen. Innerhalb welcher Grenzen mufs die Gr\u00f6fse des Winkels, den diese zwei Fl\u00e4chen miteinander bilden, liegen, damit sie zusammenstofsen?\u201c Hierauf frug Herr Professor Mabbe die vier Teilnehmer (darunter auch den Verfasser dieser Schrift), ob sie die Aufgabe verstanden h\u00e4tten und was f\u00fcr Erlebnisse die Aufgabe in ihnen ausgel\u00f6st h\u00e4tte. Es\n1 Die bisherigen Ausf\u00fchrungen st\u00fctzen sich grofsenteils auf Mab\u00bb,\nExperimentell-psychologische Untersuchungen \u00fcber das Urteil Eine Ein-\nleitung in die Logik. Leipzig 1901.\n* a. a. O. S. 55 ff.\n\u2019 \u00c4hnliche Ergebnisse wie Mabbe, teilt auch Baglay mit, welcher fand,\ndafs die mit dem Verstehen verbundenen Erlebnisse bisweilen mit der\nBedeutung der Worte unvertr\u00e4glich sind. (The American Journal of Puyrho-\nlogy 12, 1900\u20141901, 8. 80ff.)","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\n229\nzeigte sich nun, dafs alle Teilnehmer die Aufgabe verstanden und dafs alle Gesichtsvorstellungen der Flachen und der S\u00e4ulen erlebt hatten. Alle Teilnehmer betrachteten auch das Auftreten der Gesichtsvorstellungen als f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Aufgabe durchaus wesentlich. Hiernach erschien es nicht ausgeschlossen, dafs das Verst\u00e4ndnis bestimmter geh\u00f6rter S\u00e4tze an anschauliche Erinnerungsvorstellungen gebunden sei oder doch durch anschauliche Vorstellungen wesentlich gef\u00f6rdert werde.\nIch beschlofs nun zun\u00e4chst eine Anzahl \u00e4hnlicher Experimente auszuf\u00fchren, indem ich zwei Beobachtern, Herrn Privatdozent Dr. Dure und Herrn Dr. Watt, Aufgaben vorlegte nach Art der von Herrn Professor Marbe gegebenen und indem ich die Beobachter veranlafste, nach Anh\u00f6rung dieser Aufgaben mitzuteilen, ob sie die Aufgabe verstanden hatten, und ihre Erlebnisse zu Protokoll zu geben. Dabei zeigte sich, dafs die Aufgaben durchgehends verstanden wurden. Die Aufgaben und die Protokolle teile ich in den folgenden Tabellen I und II mit.\nTabelle I.\nAufgabe.\n1. Stellen Sie sich vor, daJfe in einem rechtwinkligen Raum eine Ebene durch die obere und untere Kante zweier gegen\u00fcberliegender Seiten gelegt ist I Diese Ebene soll sich also quer durch den Raum erstrecken. Wieviel solche Ebenen k\u00f6nnen Sie sich in dem Raume vorstellen?\nBeobachter:\nDr. Ddbb.\nKeine optischen Vorstellungen, sondern Bewegungsvorstellungen. \u201eUntere\u201cl\u00f6ste motorische Vorstellung einer Handbewegung nach unten aus. Die in der Frage beschriebenen bzw. erw\u00e4hnten Ebenen l\u00f6sten andere motorisch vorgestellte Handbewegungen aus z. B. eine von rechtB oben nach links unten. Die Schnittlinien der Fl\u00e4chen wurden auch nicht in optischen Vorstellungen erfafst, doch entstand eine Bewufst-seinslage (M\u00f6glichkeit r\u00e4umlicher Vorstellung der Schnittlinien).\nBeobachter:\nDr. Watt.\nGesichtsvorstellung eines Zimmers als Grundlage. Dieses Zimmer wird viermal nacheinandermit je einer (stets wechselnder) Diagonalebene vorgestellt. Bewufstseins-lage (Gedanke, dafs die zum Boden senkrechten Ebenen, welche zwei Kanten derselben Wand verbinden, nicht in Betracht kommen). Nach einigem Zweifeln die Antwort: Vier.","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nClifton O. Ta y hr.\nAufgabe.\n2. Wieviel derartige Diagonalebenen k\u00f6nnen Sie sich in einem Zimmer mit sechs gleichen und gleicheWinkel bildenden Wanden vorstellen?\n3. Wieviel derartige Diagonalebenen k\u00f6nnen Sie sich in einem Zimmer mit acht gleichen, gleiche Winkel bildenden W\u00e4nden vorstellen?\n4. Ein W\u00fcrfel von 3 cm Kantenl\u00e4nge ist rot bemalt. Er wird in kleinere W\u00fcrfel von je 1 cm Kantenl\u00e4nge zerschnitten. Wievielsolche kleine W\u00fcrfel entstehen dabei?\nBeobachter:\nDr. Dcaa.\nZun\u00e4chst Gedanke,dafs die Aufgabe durch Erraten gel\u00f6st werden k\u00f6nne. Gedanke, dafs zu sechs Seiten wahr scheinlich sechs Diagonalebenen geh\u00f6ren, da zwischen zwei Seiten zwei und zwischen vier Seiten vier Diagonalebenen denkbar seien. Gedanke, dafs diese \u00dcberlegung m\u00f6glicherweise falsch sei. Gedanke, dafs zu jedem Paar gegen\u00fcberliegender Seiten zwei Diagonalebenen geh\u00f6ren. Bewegungsvorstellungen zur r\u00e4umlichen Veranschaulichung. Bewufst-seinslage der Richtigkeit.\nAntwort (acht) dr\u00e4ngte sich sofort auf. Bewufst-seinslage desWissens um vorausgehende Berechnungen.\nBeim H\u00f6ren derW\u00f6rter \u201erot bemalt\u201c optische Vorstellung einer roten Farbe. Gedanke, dafs an jeder Kante drei kleine W\u00fcrfel nebeneinanderliegen. Gedanke, dafs jedes derartige S\u00e4ulchen von drei W\u00fcrfeln als Einheit gefafst werden k\u00f6nne. Gedanke, dafs\nBeobachter:\nDr. Watt.\nDeutliche Vorstellung eines Sechsecks. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die sich gegen\u00fcberliegenden Seitenpaare. Wortvorstellnng: drei. Bewufstseinslage (Erkenntnis, dafs man von den die Kanten nebeneinanderliegender Seiten verbindenden Fl\u00e4chen nichts aussagen soll). Bewufstseinslage (Erkenntnis, dafs jedes gegen\u00fcberliegende Seitenpaar durch zwei Ebenen verbunden werden kann).\nZun\u00e4chst Streben, eine geh\u00f6rige optische Vorstellung von dem Raum mit acht Seiten zu gewinnen. Nachdem dies gelungen, Erinnerung an die im vorigen Protokoll beschriebene \u00dcber legung. \u201eAcht\u201c als Wort-vorstellung hatte sich sehr bald als L\u00f6sung auf-gedr\u00e4ngt.\nVorstellung eines W\u00fcrfels, von einer Ecke au\u00ab gesehen. Bewufstseins-lage (\u00dcberlegung, dab eine Fl\u00e4che dreimal drei kleinen W\u00fcrfeln entspricht). Beobachter spricht innerlich aus: Es sind ja 27. Damit verbunden Bewufstsein*-lage der riehtigenL\u00f6sung.","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\n231\nAufgabe.\n6. Wieviel von den kleinen W\u00fcrfeln haben drei rote Seiten?\nBeobachter:\nDr. D\u00fcbb.\ndrei solche S\u00e4ulchen nebeneinander eine Schicht bilden, die wieder als Einheit gef\u00e4llst werden kann. Gedanke, dais es drei solche Schichten gibt. Zuletzt Gedanke, dafs die Aufgabe ein zweimaliges Quadrieren von drei n\u00f6tig mache und Gedanke, dafs dies ein falsches Resultat ei-gebe.\nGedanke : drei rote Flachen k\u00f6nnen blofs bei W\u00fcrfeln der obersten und untersten Schichten Vorkommen. Bevorzugt bez\u00fcglich der Lage an der AufBenwelt ist die oberste und unterste Schicht. Bewufstseins-lage (Versuch, die W\u00fcrfel dieser Schichten ohne j weiteres zu addieren), dann \u00dcberlegung, ob alle W\u00fcrfel dieser Schichten gleichwertig bez\u00fcglich ihrer Lage zur Aufsen-welt sind. Dann Gedanke, dafs die Eckw\u00fcrfel einen Vorzug haben. Gedanke: Wieviele Flachen haben die Eck W\u00fcrfel rot? Raumvorstellung haupts\u00e4chlich durch Bewe-gungsempfindungen repr\u00e4sentiert. Dann Antwort drei. Darauf Erkenntnis, dafs die vorhergehende \u00dcberlegung falsch war. Dann die innerlichausgesprochene Frage :Wieviel Eckw\u00fcrfel\nBeobachter: Dr. Watt.\nVorstellung der Worte : \u201edrei Seiten rot\u201c. Gesichtsvorstellung dreier an einer Ecke zusammenh\u00e4ngender Ebenen. Be-wufstseinslage (\u201eSolcher Ecken gibt es vier oben u. vier unten\u201c).","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"233\nAufgabe.\n6. Wieviel von den kleinen W\u00fcrfeln haben nur zwei rote Seiten?\n7. Wieviel von den kleineren W\u00fcrfeln haben eine rote Seite?\nt'Iif\u00efon O. Taylor.\nBeobachter:\nDr. D\u00fch.\ngibt ea? Antwort vier. Diese Antwort vier wird durch Zahlen gefunden. R\u00e4umliche Veranschaulichung durch Bewegungsvorstellungen. Nachdem bis vier gezahlt war, Gedanke, dafs weiter bis acht gez\u00e4hlt werden\n! k\u00f6nnte.\nI\nGedanke, dafs die bez\u00fcglich ihrer Lage zur I Aufsenwelt bevorzugten j Schichten ohne die Eck W\u00fcrfel vielleicht der Aufgabe gen\u00fcgen. Gedanke, dafs von der mittleren Schicht die Karten W\u00fcrfel : \u00eewei rote Seiten haben und deshalb mit dazu 1 gez\u00e4hlt werden m\u00fcssen. Gedanke, dafs ein Fehler \\ in der bisherigen \u00dcberlegung steckt, dafs in der obersten und untersten Schicht auch abgesehen von den Eck w\u00fcrfeln nicht alle W\u00fcrfel gleichviel der Aufsenwelt zugekehrte Seiten haben. Gedanke, j dals der Zentralw\u00fcrfel der obersten und derjenige der untersten Schicht nicht zwei rote Seiten haben.\nZ u n\u00e4chst Gedanke, dafs die zwei W\u00fcrfel, die bei der L\u00f6sung der vorigen Aufgabe zuletzt ber\u00fccksichtigt wurden, hier in Betracht kommen. Gedanke, dafs aufserdem diejenigen W \u00fcrfel der\nBeobachter: Dr. Watt.\nBewufstseinslagen (\u00dcberzeugung von der Schwierigkeit der Aufgabe, Entschlu\u00df, die Eckw\u00fcrfel zu ignorieren, welche nur zwei rots Seiten haben). Rechnerische Operationen.\nFrage zun\u00e4chst so auf-gefafst, als ob durch Subtraktion der 20 W\u00fcrfel mit zwei oder drei roten Seiten von 27 die Aufgabe gel\u00f6st werden k\u00f6nnte. Bewufstseina-l\u00e4ge (\u00dcberzeugung von","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\n23$\nAufgabe.\nI\ni\n8. Wieviel von den kleinen W\u00f6rfeln haben gar keine rote Seite?\nBeobachter:\nDr. D\u00f6rr.\nmittleren Schichte der Aufgabe gen\u00fcgen, die nicht Kanten W\u00fcrfel Bind.\nZun\u00e4chst Oedanke: Welcher W\u00fcrfel ist am wenigsten bevorzugt bez\u00fcglich seiner Lage zur Aufsenwelt? Gedanke: der mittelste der mittleren Schicht. Erinnerung an die fr\u00fcheren \u00dcberlegungen in Form einer besonderen Be-wufstseinslage.\nBeobachter:\nDr. Watt.\nder Unrichtigkeit diese* Verfahrens). Durch optische Vorstellungen hervorgerufene Ansicht die W\u00fcrfel mit einer roten Seite seien auf je eine der Seiten des W\u00fcrfels verteilt.\nGesichtsvorstellung, die zeigte, dafs in der Mitte des grofsen Kubus noch ein kleiner W\u00fcrfel \u00fcbrig bleibt, der gar nicht farbig ist.\nTabelle II.\nBeobachter: Dr. Watt.\nAufgabe.\n1.\tZwei Lilufer von gleicher Schnelligkeit unternehmen einen Wettlauf \u00fcber 2 km in einer runden Bahn, die */* km Umfang hat. Sie laufen von demselben Punkt aus nach entgegengesetzten Richtungen. Wie oft laufen sie aneinander vorbei, bis sie das Ziel erreichen.\n2.\tIn wieviel Dreiecke kann ein F\u00fcnfeck durch Diagonalen zerlegt werden ?\n8. Zwei Z\u00fcge fahren zwischen den Orten A und B. Sie beginnen ihre Fahrt zugleich an den entgegen-\nGesichtsvorstellung des Rennplatzes. Bewufstseinslage (Gedanke, dafs die Renner sich einmal bei jedem Umlauf begegnen). Nach einigen Schwierigkeiten in der Vorstellung bemerkt Beobachter, dafs die Renner sich zweimal in jeder Runde begegnen.\nLebhafte Gesichtsvorstellung einer Figur, an der drei Seiten besonders deutlich hervortreten. Vorstellung als ob Beobachter ein Dreieck, das auf einer Seite der Figur steht, bei der Spitze fafste und die Spitze in die n&chstliegende Ecke des F\u00fcnfecks steckte. Bewufstseinslage (Einsicht, dafs zwei Dreiecke zu jeder Seite des F\u00fcnfecks geh\u00f6ren).\nBewufstseinslage (die Aufgabe enth\u00e4lt eine verborgene Schwierigkeit). Bewufstseinslage (\u00dcberlegung, dafs","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nClifton 0 T.'.foi\nAufgabe.\ngesetzten Enden der Strecke. A und B sind 150 km entfernt. Der Zug von A legt 90, der von B 60 km in der Stande zur\u00fcck. Wo begegnen die Z\u00fcge einander?\n4.\tMan bat eine Siebenliterflasche voll Wein und eine leere Dreiliterflasche, sowie eine leere Vierliterflasche. Wie kann man damit ein Quantum von sechs Liter Wein abmessen ?\n5.\tMan hat eine Reihe von Serien der Farben: Rot, Gelb, Gr\u00fcn, Blau so angeordnet, dafs vier Serien die Farben in dieser Reihenfolge enthalten. Die Reihenfolge in der f\u00fcnften Serie \u00e4ndert sich so, dafs die erste Farbe der vorausgehenden Serien an den Schlafs gesetzt wird. Welches ist die 19. Farbe der ganzen Reihe ?\n6.\tIn wieviel Dreiecke kann ein Sechseck durch Diagonalen geteilt werden ?\nBeobachter: Dr. Watt.\nnach einer Stunde von beiden Z\u00fcgen zusammen 90 -f- 60 km, also die ganze Strecke zur\u00fcckgelegt ist, dafs sie sich also treffen). Gesichtsvorstellnng einer aus zwei Teilen bestehenden Strecke.\nBewufstseinslage, welche durch die gleich bei den zuerst gesprochenen Worten des Versuchsleiters bemerkte Fremdartigkeit des Problems hervorgerufen wird. Vorstellung von zwei Flaschen, einer kleineren und einer gr\u00f6fseren. Vorstellungen der Zahlen drei, sechs und sieben. Beweist-seinslage (\u00dcberlegung, wie man aus drei und sieben \u2014 sechs erhalten k\u00f6nne). Bewufstseinslage (\u00c4nderung der Betrachtung). Inneres Sprechen: \u201eEs ist ja sehr einfach: zweimal drei = sechs.\u201c\nInneres Nachsprechen und Filieren der Folge : Rot, Gelb, Gr\u00fcn, Blau. Inneres Sprechen : viermal Rot, Gelb, Gr\u00fcn, Blau = 16. Bleiben drei \u00fcbrig: Gelb, Gr\u00fcn, Blau. Also: Blau.\nMehrmaliges inneres Nachsper-chen der Aufgabe. Gesichtsvorstellung eines Sechsecks. Gesichtsvorstellung der Linien, die man von einer Ecke zur anderen Ecke ziehen kann. Vor Stellung von vier Dreiecken, welche durch die von einer Ecke gezogenen Diagonalen ausgeschnitten werden. Rechnerische Operation : Sechsmal vier sind 24, geteilt durch zwei sind 12.\nIn den obigen Protokollen ist wie auch sonst in W\u00fcrzburger Arbeiten h\u00e4ufig von Bewufstseinslagen die Rede, d. h. von Erlebnissen, welche sich in keine der bekannten psychologischen","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"tibtr das Verstehen von Worten uni S\u00e4tzen.\n235\nEiassen (Sinneswahrnehmung, Erinnerungsvorstellung, Gef\u00fchl u. dgl.) einreihen lassen. Diese Bewufstsemslagen k\u00f6nnen h\u00e4ufig vom Beobachter irgendwie charakterisiert werden, was in den obigen Protokollen vielfach durch in Klammem beigef\u00fcgte Bemerkungen geschehen ist. Als Gedanken wurden kompliziertere Gef\u00fcge von Bewufstsemslagen und Wortvorstellungen bezeichnet, die sich nicht n\u00e4her beschreiben liefsen. Dafs die Protokolle der Tabellen I und II insgesamt L\u00f6sungen oder doch Versuche von L\u00f6sungen der Aufgaben enthalten, liegt daran, dafs die Beobachter gleichzeitig mit und unmittelbar nach Anh\u00f6ren der Aufgaben unwillk\u00fcrlich zu L\u00f6sungsversuchen \u00fcbergingen. Nach der Meinung des Herrn Dr. Durs ist es sogar unm\u00f6glich eine der Aufgaben der vorigen Tabellen wirklich zu verstehen, ohne sich zugleich um ihre L\u00f6sung zu bem\u00fchen. Andererseits konnte ein L\u00f6sungsversuch als ein objektives Kriterium daf\u00fcr dienen, dafs die gestellte Aufgabe wirklich verstanden worden war, und wurde in diesem Sinne auch von dem Versuchsleiter gew\u00fcnscht. Jedenfalls gewannen beide Beobachter die \u00dcberzeugung, dafs die anschaulichen Vorstellungen, von welchen in den Protokollen die Rede ist, und zwar speziell die Bewegungsund Gesichtsvorstellungen das Verst\u00e4ndnis der Aufgaben wesentlich unterst\u00fctzten. Die in den Aufgaben ausgesprochenen S\u00e4tze sind daher jedenfalls gr\u00f6fstenteils der Art wie das von Herrn Professor Mabbe in der philosophischen Gesellschaft vorgelegte Beispiel. Es gibt also offenbar S\u00e4tze, f\u00fcr deren Verst\u00e4ndnis die Entwicklung anschaulicher Vorstellungen wertvoll sein kann.\nFragen wir uns nun, was die in Tabelle I und II vorgelegten S\u00e4tze gemeinsames haben, so ist offenbar einleuchtend, dafs sie sich alle auf anschauliche Gegenst\u00e4nde beziehen. S\u00e4tze, die sich auf anschauliche Gegenst\u00e4nde beziehen, sollen nun kurz als anschauliche S\u00e4tze bezeichnet werden. Wir d\u00fcrfen dann sagen: F\u00fcr das Verst\u00e4ndnis von anschaulichen S\u00e4tzen kann die Entwicklung anschaulicher Vorstellungen n\u00fctzlich sein. Die Tabellen weisen uns indessen darauf hin, dafs das Verst\u00e4ndnis von S\u00e4tzen, die sich auf anschauliche Dinge beziehen, nicht an die Entwicklung von anschaulichen Vorstellungen gebunden sein mufs. Betrachten wir in Tabelle II das Protokoll zu Aufgabe 5, so bemerken wir, dafs, obgleich diese Aufgabe wie alle anderen von dem Beobachter verstanden wurde, das Protokoll von anschaulichen Vorstellungen nichts ent-","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"238\n(JiifO TafytOr.\nh\u00e4lt. Die L\u00f6sung des Problems ist hier sozusagen eine rein verbale und die anschaulichen Gegenst\u00e4nde, auf welche sich die Aufgabe bezieht, werden im Bewu\u00dftsein des Beobachters durch Worte ersetzt, die auf diese Gegenst\u00e4nde hinweisen, ohne dafs diese selbst vorgestellt w\u00fcrden. Kann also auch das Veret\u00e4ndno von S\u00e4tzen, welche sich auf anschauliche Gegenst\u00e4nde beziehen, durch Entwicklung anschaulicher Vorstellungen wesentlich gef\u00f6rdert werden, so ist dies doch nicht in allen F\u00e4llen n\u00f6tig. So k\u00f6nnen die anschaulichen Vorstellungen im Bewufstsein des Verstehenden ersetzt werden durch Worte, welche sich anf die anschaulichen Gegenst\u00e4nde beziehen.\nTabelle I zeigt eine ganze Reihe von F\u00e4llen, wo das Protokoll keine anschaulichen Vorstellungen aufweist (D\u00fcbr 6, 7, 8, Watt 6). Hier treten \u201eGedanken\u201c und Bewufstseinslagen an Stelle der anschaulichen Vorstellungen. Alle diese vier Protokolle haben nun das gemeinsame, dafs die zugeh\u00f6rigen Aufgaben keine spezifisch neuen, sondern lediglich Erweiterungen fr\u00fcherer Aufgaben sind. Dieser Tatbestand legt daher die Ansicht nahe, dafs die h\u00e4ufige, wenn auch nicht notwendige Erleichterung des Verst\u00e4ndnisses anschaulicher S\u00e4tze durch anschauliche Vorstellungen in vielen F\u00e4llen wegf\u00e4llt, wenn die Gegenst\u00e4nde, auf welche sich die S\u00e4tze beziehen, schon bekannt sind.\nEine andere Gruppe von Versuchen, die in dieser Arbeit mitgeteilt werden sollen, bezogen sich auf gelesene anschauliche S\u00e4tze. Herr Professor Messer aus Giefsen hatte die G\u00fcte, einen Text aus Geqenba\u00fcrs Anatomie (5. Aufl. Bd. I, S. 49 ff.) mit dem Bem\u00fchen durchzulesen, diesen Text vollst\u00e4ndig zu verstehen. Sobald anschauliche Vorstellungen aufgetreten waren, machte Herr Professor Messer ein Zeichen mit Bleistift in den Tert Am Schlufs der Lekt\u00fcre gab er die anschaulichen Vorstellungen zu Protokoll. Ich lasse nun den Text aus Geqenbaur folgen. Die einzelnen Worten dieses Textes angef\u00fcgten Ziffern ohne Indices bedeuten die Stellen, wo anschauliche Vorstellungen auftraten. Unten (S. 16) sind die Aussagen des Herrn Professen Messer mitgeteilt, die er am Schlufs der Lekt\u00fcre zu den mit Ziffern ohne Indices bezeichneten Stellen zu Protokoll gab.\nDie Abscheidung geht entweder im Innern des Protoplasmas vor sich, oder nach aufsen ; die Produkte der Abscheidung bleiben im ersten FiUe in der Zelle (1,) liegen und stellen f\u00fcr bestimmte Zustande der Zelle chink","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber da\u00bb Vertieften von Worten und S\u00e4tzen.\n237\nteris tische Bestandteile derselben vor. So finden sich Farbstoffe in K\u00f6rnchenform z. B. in den sogenannten Pigmentzellen und vielen anderen Zellformationen. Wenn der Vorgang der Abscheidung (2,) jedoch nach der Oberfl\u00e4che (2,) zu stattfindet, so entsteht eine vom Protoplasma differente, und damit von letzterem unterscheidbare Schicht um den Protoplasmaleib der Zelle (1, 3,), welche Schichte als Zellmembran erscheint Diese geht meist ganz allm\u00e4hlich in das indifferente Protoplasma (2) \u00fcber. An gewissen Zellformen kommt sie sehr allgemein vor und wurde demgem\u00e4fs fr\u00fcher als ein wesentliches Kriterium der Zelle (4,), als ein Teil des Zellbegriffs betrachtet. In einem anderen Falle erscheint der aus dem Protoplasma different gewordene Stoff mehr oder minder formlos (5t) und fliefst(3) mit dem auf gleiche Weise von benachbarten Zellen her entstandenen zusammen. Aus solchem Materiale gehen die sogenannten Interzellularsubstanzen (6t) hervor.\nEndlich bietet die Zelle noch Fortpflanzung dar, sie vermehrt sich, woran in der Regel der Kern (2S) innigen Anteil nimmt. Die allgemein verbreitete und deshalb wichtigste Vermehrung geschieht durch Teilung(4) der Zelle. Der Kern erleidet dabei Ver\u00e4nderungen, welche als Vorbereitung und Einleitung zu jenem Prozesse erscheinen. Eine Umformung der Kern-substanz, teilweise Aufl\u00f6sung derselben, spielt hier eine Rolle, wobei die Kernstruktur(5, 7t) eine bemerkenswerte Umgestaltung erf\u00e4hrt (s. Anmerkung). Die Entstehung zweier Kerne (6) ist das Resultat. Jeder der nengobildeten Kerne scheint das Attraktionszentrum f\u00fcr eine Quantit\u00e4t Protoplasma abzugeben (7), welches um ihn sich f\u00fcgt und von der, jeweils dem anderen Kerne folgenden Masse Bich abl\u00f6st (8). Zwei neue kernf\u00fchrende Zellen (9) sind das Endergebnis dieses Vorganges. Sind die Produkte von gleichem Volum(10, 8,), so erscheint der Prozefs einfach als Teilung. Bei ungleichem Volum (11), wenn eine kleinere Zelle am K\u00f6rper einer gr\u00f6fseren entsteht (12,9j, 1,), stellt der Vorgang sich als Sprossung dar (13). Endlich kann auch eine Mehrzahl von Zellen auf diese Weise aus Einer hervorgehen (14). Eine fundamentale Verschiedenheit dieser Vorg\u00e4nge besteht um so weniger, ais mannigfaltige vermittelnde Zust\u00e4nde Vorkommen.\nAlle an der Zelle sich kundgebenden Vorg\u00e4nge lassen dieselbe als lebendes Gebilde einem Organismus vergleichen (Elementarorganismns, Br\u00fccke). Dieselben Lebensvorg\u00e4nge vollziehen sich an diesen Formelementen, wie sie an einem komplizierten K\u00f6rper durch dessen Organe besorgt werden. Diese Bedeutung der Zelle tritt klarer hervor, wenn wir die Tatsache in Betracht nehmen, dafs der gesamte Organismus nicht nur seinen Aufbau aus jenem Material empf\u00e4ngt, sondern dafs er anf\u00e4nglich sogar selbst eine Zelle darstellt. Das ist die Eizelle. Obwohl diese in ihrer ausgebildeten Form keineswegs als indifferenter Zustand einer Zelle beurteilt werden kann, so ist sie doch mit allen wesentlichen Attributen einer Zelle ausgestattet und es ist nirgends ein fundamentaler Unterschied von indifferenten Zellen erweisbar. Was sie an Differenzierungsprodukten in ihrem Protoplasma enth\u00e4lt, sind dem Zellbegriff nicht zuwider laufende Verh\u00e4ltnisse, es sind vielmehr nur Einrichtungen, die mit dem besonderen Werte dieser Zelle im Zusammenhang stehen. Dieser Wert ergibt sich aus","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nClifton O. Taylor,\nder Bedeutung der Eizelle f\u00fcr den k(luftigen Organismus, zu dessen Anlzge sie durch allm\u00e4hliche Zerlegung (Teilung) in kleinere Formelemente, die wiederum Zellen sind, das Material darbietet.\u201c\n* *\n1.\tBild einer Zelle.\n2.\tNicht scharf abgegrenzte, punktierte Flftche gesehen.\n3.\tBild durchsichtiger R\u00f6hrchen mit fiiefsendem Inhalt. (Erkenntnis, dafs dieses Bild f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis unzweckm\u00e4\u00dfig sei.)\n4.\tBild einer grofsen Zelle, die sich von oben her spaltet. Bewegungsempfindung im rechten Arm.\n5.\tBild eines durch trennende Scheidewand abgeteilten nicht scharf konturierten K\u00f6rpers.\n6.\tBild zweier zellenfthnlicher Gebilde.\n7.\tBild einer Zelle mit ausquellendem farblosen Stoff.\n8.\tBild des siph abl\u00f6senden farblosen Stoffes (siehe 7).\n9.\tBild zweier Zellen.\n10.\tBild zweier gleicher Zellen.\n11.\tBild zweier verschieden grofser Zellen.\n12.\tBild einer Zelle mit einem Auswuchs auf der rechten Seite.\n13.\tBild eines kakteenfthnlichen Gew\u00e4chses.\n14.\tBild eines kakteenfthnlichen Gew\u00e4chses.\n(Herr Professor Messbb machte spontan die Bemerkung, dafs alle in diesem Protokoll erw\u00e4hnten Gesichtabilder blafsgrau waren.)\nAuch dieser Text l\u00f6ste, wie man sieht, eine Reihe anschaulicher Vorstellungen aus, welche nach Aussage des Herrn Professor Messer insgesamt aufser Nr. 3 f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis de\u00ab Textes f\u00f6rderlich waren. Dieses Resultat war verst\u00e4ndlich, da es sich im GegenBAURschen Text offenbar um solche S\u00e4tze handelt, die wir oben als anschauliche bezeichnet haben.\nEs schien nun von Interesse zu sein, dem GEOENBAURschen anschaulichen Text einen solchen gegen\u00fcberzustellen, der sich nicht auf anschauliche Gegenst\u00e4nde bezog. Zu diesem Zwecke w\u00e4hlten wir S. 1\u20148 des Buches von Gottl \u201eDie Herrschaft des Wortes\u201c, einer national\u00f6konomischen Schrift. Ich lasse wenigstens den Anfang des Textes hier folgen. Die Stellen, wo anschauliche Vorstellungen auftreten, sind wieder durch Zahlen ohne Indices bezeichnet.\nIn der National\u00f6konomie wird sehr h\u00e4ufig von \u201eGrundbegriffen\u201c gesprochen. Vor neunzig Jahren hat H. G. L\u00f6tz einem umfangreichen Werke den Titel gegeben: \u201eRevision der Grundbegriffe\u201c. Seither ist gar manche \u201eRevision der Grundbegriffe\u201c nachgefolgt. Man schlage auch die meisten Lehrb\u00fccher der Wissenschaft auf(l), f\u00fcr deren Theorie immer noch das Lehrbuch die erste Rolle spielt ; die \u00dcberschrift des ersten Kapitels k\u00fcndet an, dafs von \u201eGrundbegriffen\u201c gehandelt wird. Der Ausdruck selber bleibt","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\n23\u00bb\nzwar manchmal auf der einsamen H\u00f6he der \u00dcberschrift und steigt nicht in den Text hinab (2). Daf\u00fcr kehrt er in zahllosen anderen Zusammenh\u00e4ngen wieder. Und eigentlich immer so, als ob niemand in Zweifel sein k\u00f6nnte, wie es gemeint sei, sobald von \u201eGrundbegriffen\u201c die Rede ist.\nIn gewisser Hinsicht ist dieser Ausdruck auch ganz dazu angetan, dafs man ihn ohne viel Umst\u00e4nde verwende. Bei derlei Zusammensetzungen legt immer schon der blofse Wortlaut eine erkl\u00e4rende Umschreibung nahe; etwa \u201egrundlegende Begriffe\u201c. In diesem Ausmafse weife also ein solches Wort f\u00fcr sich selber zu sprechen, seinen Gebrauch alB Bezeichnung selber zu rechtfertigen. F\u00fcr den Ausdruck \u201eGrundbegriffe\u201c gilt dies auch ungleich mehr, als zum Beispiel gleich f\u00fcr den Bruderausdruck \u201eGrundsatz\u201c. Den hat der allgemeine Sprachgebrauch schon zu sehr unter den Hammer (3) genommen, seine Teile so innig verschweifst, dafs wir sie in ihrer Trennung gar nicht mehr empfinden; es ist uns Ein Wort geworden, fast so wie \u201eUrsache\u201c.\n* * *\n1.\tOptisches vielleicht auch motorisches Erinnerungsbild vom Aufschlagen eines Buches.\n2.\tBild von Fttfsen, die eine Treppe hinabBteigen.\n3.\tBild eines Ambosses.\nDie anschaulichen Vorstellungen, welche w\u00e4hrend der Lekt\u00fcre des national\u00f6konomischen Textes auftraten, waren, wie Herr Professor Messer aussagte, wesentlich andere al\u00df die, welche der erste Text hervorrief. Wie in den F\u00e4llen 1\u20143, so handelte es. sich auch in den folgenden F\u00e4llen, wo anschauliche Vorstellungen, auftraten, immer um Veranschaulichung bildlicher Redeweisen.1 In allen diesen F\u00e4llen wurden die anschaulichen Vorstellungen als f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis \u00fcberfl\u00fcssig, wenn nicht gar l\u00e4stig und das Verst\u00e4ndnis st\u00f6rend bezeichnet. Nennen wir nun S\u00e4tze, die sich nicht auf anschauliche Gegenst\u00e4nde beziehen, unanschauliche, so d\u00fcrfen wir daher sagen: Das Verst\u00e4ndnis unanschau-licherS\u00e4tze wird durch anschauliche Vorstellungen nicht erleichtert, sondern eher erschwert.\nWir haben nun oben gesehen, dafs, wenn die Gegenst\u00e4nde, auf welche sich anBchayliche S\u00e4tze beziehen, schon gel\u00e4ufig sind, die das Verst\u00e4ndnis erleichternden anschaulichen Vorstellungen zur\u00fccktreten. Um diese Tatsache n\u00e4her zu studieren, liefsen wir den oben mitgeteilten GEGENBAUBsehen Text abschreiben. Einige Tage nach der ersten Lekt\u00fcre des gedruckten Textes las Herr\n1 Deshalb, weil ein Text bildliche Redeweisen enth\u00e4lt, darf es nat\u00fcrlich nicht als anschaulich bezeichnet werden. Sind ja doch alle eigentlichen Bedeutungen der Worte der Sprachen urspr\u00fcnglich bildlich.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nClifton O. Taylor.\nProfessor Messes den geschriebenen Text durch, wobei er sich jeweils an den Rand des Textes ein Zeichen machte, wenn anschauliche Vorstellungen auftraten.. Am Schlufs der Lekt\u00fcre gab or die anschaulichen Vorstellungen zu Protokoll. Darauf wurden die Zeichen entfernt und das Experiment begann nach einer viertelst\u00fcndigen Pause von neuem. Auch noch ein drittes Mal wurde der Versuch mit dem geschriebenen Text wiederholt.\nIch lasse nun zun\u00e4chst das Protokoll zur Lekt\u00fcre des gedruckten GegenBAUH8chen Textes nochmals folgen. Dann sollen \u25a0die Protokolle zu den drei Versuchen mit dem geschriebenen Text mitgeteilt werden. Die Stelle, wo der geschriebene Text anschauliche Vorstellungen ausl\u00f6ste, sind im obigen Abdruck mit Nummern versehen, die Indices tragen, welche sich auf die erste, zweite oder dritte Lesung des geschriebenen Textes beziehen.\nLesung des gedruckten Textes.\n1.\tBild einer Zelle.\n2.\tNicht scharf abgegrenzte, punktierte Fl\u00e4che gesehen.\n3.\tBild durchsichtiger R\u00f6hrchen mit fliefsendem Inhalt. (Erkenntnis, dafs dieses Bild f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis unzweckm\u00e4\u00dfig sei.)\n4.\tBild einer gro\u00dfen Zelle, die sich von oben her spaltet. Bewegungsempfindung im rechten Arm.\n5.\tBild eines durch trennende Scheidewand abgeteilten, nicht scharf konturierten K\u00f6rpers.\n6.\tBild zweier zellen\u00e4hnlicher Gebilde.\n7.\tBild einer Zelle mit ausquellendem farblosen Stofi.\n8.\tBild des sich abl\u00f6senden farblosen Stoffes (siehe 7).\n9.\tBild zweier Zellen.\n10.\tBild zweier gleicher Zellen.\n11.\tBild zweier verschieden grofser Zellen.\n12.\tBild einer Zelle mit einem Auswuchs auf der rechten Seite.\n13.\tBild eines kakteen\u00e4hnlichen Gew\u00e4chses.\n14.\tBild eines kakteen\u00e4hnlichen Gew\u00e4chses.\n1. Lesung des geschriebenen Textes.\nlj. Schattenhaftes Bild der Zelle.\n2..\tBewufstseinslage, als wolle ein Gesichtsbild auftreten.\n3..\tWieder schematisches Bild der Zelle.\n4..\tDasselbe.\n6i. Undeutliches Bild eines Hauses.\n\u25a0fij. Bild mehrerer einander ber\u00fchrender Zellen.\n7..\tBild unregelm\u00e4fsig angeordneter sich kreuzender Geraden.\n8..\tBild zweier Zellen.\n9..\tKakteen\u00e4hnliches Bild.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\n341\nII. Lesung des geschriebenen TOxtes.\n12. Bild einer Kugelhaube.\n2,. Bild einer Zelle mit Kern.\nIII. Lesung des geschriebenen Textes, lj. Bild einer grofsen Zelle mit Auswuchs.\nWie man sieht, werden die anschaulichen Vorstellungen um so seltener, je h\u00e4ufiger die Lekt\u00fcre des Textes wiederholt wurde. Herr Professor Messer gab aber auch an, dafs bei der zweiten Lekt\u00fcre des geschriebenen Textes und bei den folgenden Lesungen die anschaulichen Vorstellungen nicht mehr als f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis notwendig erschienen. Wir d\u00fcrfen daher wohl sagen: Die das Verst\u00e4ndnis eines anschaulichen Textes erleichternden anschaulichen Vorstellungen treten in ihrer H\u00e4ufigkeit und ihrer Bedeutung zur\u00fcck, je gel\u00e4ufiger die vom Text behandelten Gegenst\u00e4nde sind.\n\u00c4hnliche Versuche wie die mit Wiederholung des Gegen-BA\u00fcsschen Textes stellte ich nun mit einer Reihe von Teilen KiOPSTOCKscher Oden an, die ich einem Beobachter, Herrn Dr. D\u00fcrr, vier- bis f\u00fcnfmal vorlas. In der folgenden Tabelle III lasse ich in der ersten Spalte die Texte folgen, in der zweiten die Protokolle, wobei die Rubriken a, b, c, d, e den verschiedenen aufeinanderfolgenden Lesungen oder besser H\u00f6rungen der Texte entsprechen.\nTabelle III.\nBeobachte\nText:\n1. Der Lehrling der Griechen.\n1. Vers ff.\nWen des Genius Blick, als er geboren ward,\nMit einweihendem L\u00e4cheln sah,\nWen als Knaben Ihr, einst Smin-theus Anakreons Fabelhafte Gespielinnen,\nDichtrische Tauben, umflogt und sein m\u00e4onisch Ohr\nVor dem L\u00e4rme der Scholien Sanft zagirrtet und ihm, dafs er das Altertum\nIhrer faltigen Stirn nicht s\u00e4h\u2019, Zeitschrift f\u00fcr Psychologie <0.\nr : Dr. D\u00eetbb.\nProtokoll:\na)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses. Inneres Nachsprechen. Bewufstseinslage des Aufeinanderbe-ziehens getrennter Satzteile. Keine optischen Vorstellungen. Bewufst-seinslagen der Erwartung und der Befriedigung beim Eintritt des Erwarteten.\nb)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses. Gedanke: \u201eWas heifst ,m\u00e4onisch Ohr1?\u201c Auf diese Frage erfolgt keine Antwort. Trotzdem Bewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses der Wortverbindung \u201em\u00e4onisch Ohr*.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nClifton O. Taylor.\nText:\nEure Fittige lieht und ihn umschattetet :\nDen ruft, stolz auf den Lorbeerkranz, Welcher vom Fluche des Volks welkt, der Eroberer\nIn das eiserne Feld umsonst.\n2. Wingolf. 5. Lied. 5. Strophe. Drei Schatten kommen; neben den Schatten t\u00f6nt's, Wie Mimers Quelle droben vom Eichenhain\nMit Ungest\u00fcm herrauscht und Weisheit\nLehret die horchenden Widerhalle;\n3. Wingolf. 6. Lied. 3. Strophe f. Ihn deckt\u2019 als J\u00fcngling eine Ly\u00e4erin, Nicht Orpheus' Feindin, weislich mit Reben zu.\nUnd dies war allen Wassertrinkern Wundersam, und die in T\u00e4lern wohnen,\nProtokoll:\nBewufstseinslage, wie wenn in einem Satz ein Verbum fehlte. Bewufst seinslage einer Sinnlosigkeit der Verbindung \u201eund dafs er das Altertum...\u201c Gedanke, dafs der Hauptsatz dazu nachfolgt.\nc)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses. Inneres Nachsprechen. Optische Vorstellungen eines l\u00e4chelnden Genius, eines Lorbeerkranzes, die aber zumVerst\u00e4ndnis nicht beitragen. Gedanke, dafs die Verbindung \u201ewelcher vom Fluche des Volkes welkt\u201c besser pafst als die Wendung, wie sie fr\u00fcher verstanden wurde \u201ewelcher vom Blute des Volkes welkt\u201c. Gedanke, dafs sich das Wort \u201eihrer\u201c in der Verbindung \u201eihrer faltigen Stirn\u201c auf das Wort \u201eScholien\u201c bezieht.\nd)\tKeine besonderen Erlebnisse aufser einer Bewufstseinslage des Zweifels dar\u00fcber, ob \u201eSmintheus\u201c Vorname oder Bezeichnung der Herkunft ist.\na)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses. Bewufstseinslage des Anf-einanderbeziehens der einzelnen Satzteile. Keine anschaulichen Vorstellungen.\nb)\tGedanken: \u201eWas heifst denn das .Weisheit lehren die horchenden Widerhalle\u201c ? Was ist das f\u00fcr eine Weisheit?\u201c\nc)\tGedanke, dafs die Lokalisation des T\u00f6nens neben den Schatten einen guten Sinn hat, weil neben den Schatten die Menschen gehen.\nd)\tKeine besonderen Erlebnisse.\na)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses im allgemeinen. Bewufstseins-l\u00e4ge des Aufeinanderbeziehens der Satzteile. Inneres Nachsprechen. Keine anschaulichen Vorstellungen.\nb)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses. Inneres Nachsprechen.\nc)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4nd-","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4teen.\n243\nText:\nIn die des Wassers viel von den H\u00fcgeln her\nSt\u00fcrzt und kein Weinberg l\u00e4ngere Schatten streckt.\n4. Wingolf. 7. Lied. 1. Strophe. Er sang's. Jetzt sah ich fern in der D\u00e4mmerung\nDes Hains am Wingolf Schlegeln aus dichtrischen\nGeweihten Eichenschatten schweben Und in Begeistrung vertieft und ernstvoll\nAuf Lieder sinnen.\n5. An Ebert. 1. Vers ff.\nEbert, mich scheucht ein tr\u00fcber Gedanke vom blinkenden Weine Tief in die Melancholei !\nAch, du redest umsonst, vordem gewaltiges Kelchglas, Heitre Gedanken mir zul Weggehn mufs ich und weinen.\n6. An Ebert. 71. Vers ff.\nIch will mit wankendem Fufse Gehn, auf jegliches Grab Eine Cypresse pflanzen, die noch nicht schattenden Blume\nProtokoll:\nnisses ohne Bewufstsein besonderer geistiger Operationen.\nd)\tGedanke, dafs die Konstruktion \u201eund die in T\u00e4lern wohnen\u201c nicht in der Ordnung ist.\ne)\tInneres Mitsprechen derW\u00f6rter.\na)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4nd nisses. Innerliches Nachsprechen. Bewufstseinslage der Erinnerung an die fr\u00fchere Lekt\u00fcre des Gedichts. Gedanke: \u201eSchlegeln ist Akkusativ von Schlegel\u201c. Keine anschaulichen Vorstellungen.\nb)\tGedanke: \u201eWas heilst das: Er sangs? Wer iBt gemeint?\u201c Bewufst-seinslage der Komik verkn\u00fcpft mit der anschaulichen Vorstellung des \u201eschwebenden Schlegel\u201c.\nc)\tDeutliche Vorstellung des \u201eschwebenden Schlegel\u201c. Sonst keine besonderen Erlebnisse.\nd)\tKeine besonderen Erlebnisse. H\u00f6chstens Bewufstseinslage einer St\u00f6rung bei den W\u00f6rtern, in Begeistrung vertieft.\ne)\tNichts Besonderes. Akustische Vorstellungen derW\u00f6rter und inneres Nachsprechen.\na)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses. Inneres Nachsprechen. Eigent\u00fcmliche Bewufstseinslage gegen\u00fcber den W\u00f6rtern \u201evordem gewaltiges Kelchglas\u201c. Diese Bewufstseinslage entsprach vielleicht dem Satz: Das Kelchglas hatte fr\u00fcher gr\u00f6fsere Anziehungskraft.\nb)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses ohne besondere geistige Operationen. Inneres Nachsprechen.\nc)\tKeine besonderen Erlebnisse.\nd)\tKeine besonderen Erlebnisse.\ne)\tKeine besonderen Erlebnisse.\na)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses. Inneres Nachsprechen.\nb)\tGedanke: \u201eWarum das?\u201c Bewufstseinslage der Unmotiviertheit.\nc)\tGedanke: Wer ist denn das\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nClifton 0. Taylor.\nText:\nF\u00fcr die Enkel erziehn;\nOft in der Nacht auf biegsamem Wipfel die himmlische Bildung Meiner Unsterblichen sehn,\nZitternd gen Himmel erheben mein Haupt und weinen und sterben.\n7. Petrarks und Laura. 78. Vers ff. \u201eMein Petrarka!\u201c Sie sprach's; aber nun redeten\nFrohe Seufzer und Tr\u00e4nen nur. \u2014 \u201eAch, wie fliefst ihr so sanft unter Umarmungen,\nEwigkeiten Toll Buh\u2019, vorbei!\u201c\n8. Bardale. 11. Strophe f. Auge, wem gleich\u2019 ich dich?\nBist du Bl\u00e4ue der Luft, wenn sie der Abendstern\nSanft mit Golde beschimmert?\nOder gleichest du jenem Bach,\nDer dem Quell kaum entflofs?\nSch\u00f6ner erblickte nie Seine Kosen der Busch, heller ich selbst mich nie fm Kristalle des Flusses, Niederschwankend am Fr\u00fchlings-sprofs.\nProtokoll:\n\u201emeine Unsterblichen\u201c? Ohne dafe eine Antwort auf diese Frage erfolgt, trat Bewufstseinslage des Vera tehees ein.\nd)\tKeine besonderen Erlebnis\u00bb.\ne)\tKeine besonderen Erlebnisse.\na)\tBewufstseinslage des Verst\u00e4ndnisses. Inneres Nachsprechen. Bewufstseinslage (\u00dcbersetzen in prosaische Wendungen ohne W\u00f6rter).\nb)\tKeine besonderen Erlebnisse.\nc)\tKeine besonderen Erlebnisse.\nd)\tKeine besonderen Erlebnisse.\ne)\tKeine besonderen Erlebnisse.\na)\tErinnerung an fr\u00fcheres Lesen dieser Verse. Inneres Nachsprechen und \u00dcbersetzen in einfachere oder gel\u00e4ufigere Wendungen. Bewufst seinslage der Anstrengung bei dem Gedanken : Wozu geh\u00f6rt \u201eniederschwankend am Fr\u00fchlingssproffl\u201c? Gedanke: Es geh\u00f6rt zu \u201eBosen\".\nb)\tBewufstseinslage des Zweifels, ob \u201eniederschwankend . . .\u201c nicht zn \u201eich selbst\u201c geh\u00f6rt. Inneres Nach-sprechon.\nc)\tBewufstseinslage des Verstehens. Einzelne anschauliche Vorstellungen : Abendhimmel mit Abend stem, Rosenbusch. Diese Vor Stellungen scheinen f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis unwesentlich.\nd)\tBewufstseinslage des Zweifels verkn\u00fcpft mit dem Gedanken, ob der letzte Vergleich sich auf den Bach oder das Auge bezieht.\ne)\tBewufstsein eines Mannes, der sich an einem \u00fcber den Bach h\u00e4ngenden Baume festh\u00e4lt, ohne optische Vorstellungen.\nDie Tabelle zeigt, dafs das Verst\u00e4ndnis der S\u00e4tze vielfach eine \u00dcberwindung grammatischer Schwierigkeiten erforderte. Man beachte die Bemerkungen : Bewufstseinslage des Aufeinander-beziehens getrennter Satzteile (la), Bewufstseinslage, wie wenn in einem Satz ein Verbum fehlte, Bewufstseinslage einer Sinn-","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\n245\nlosigkeit der Verbindung\tGedanke, dafs der Hauptsatz\ndazu nachfolgt (1 b), Gedanke, dafs sich das Wort \u201eihrer\u201c in der Verbindung \u201eihrer faltigen Stirn\u201c auf das Wort \u201eScholien\u201c bezieht (1 c), Bewufstseinslage des Aufeinanderbeziehens der einzelnen Satzteile (2 a, 3 a), Gedanke, dafs die Konstruktion \u201eund die in T\u00e4lern wohnen\u201c nicht in der Ordnung ist (3d), Gedanke : Schlegeln ist Akkusativ von Schlegel (4 a), Bewufstseinslage der Anstrengung bei dem Gedanken : Wozu geh\u00f6rt \u201eniederschwankend am Fr\u00fchlings-sprofs?\u201c Gedanke: es geh\u00f6rt zu Rosen (8a), Bewufstseinslage des Zweifels, ob \u201eniederschwankend . . .\u201c nicht zu \u201eich selbst\u201c geh\u00f6rt (8 b), Bewufstseinslage des Zweifels verbunden mit dem Gedanken, ob der letzte Vergleich sich auf den Bach oder das Auge bezieht (8d).\nMan findet also hier einen Beleg f\u00fcr die an sich freilich von vornherein einleuchtende Tatsache, dafs das Verst\u00e4ndnis von S\u00e4tzen die Kenntnis ihrer grammatischen Konstruktion voraus-setzt In sehr vielen F\u00e4llen bietet uns die grammatische Konstruktion keinerlei Schwierigkeit. In anderen F\u00e4llen, wie vielfach bei KxopsTOCKschen Oden, ist (wie die obigen Protokolle zeigen) eine besondere geistige Arbeit notwendig zur \u00dcberwindung der Schwierigkeiten der Konstruktion. Dafs durch die Notwendigkeit einer solchen Arbeit das Verst\u00e4ndnis nicht erleichtert sondern erschwert wird, liegt auf der Hand. Wir d\u00fcrfen daher sagen: die bekannte besondere Schwierigkeit, welche Klop-stocks Oden dem Verst\u00e4ndnis bieten, liegt teilweise an ihrer grammatischen Konstruktion.\nDie obigen Protokolle sind auch in anderer Weise von Interesse. Wir finden in ihnen eine Reihe von Bewufstseinslagen des Verstehens, die jedoch mit der Zunahme der Lesungen fortgesetzt an H\u00e4ufigkeit abnehmen. In der folgenden Tabelle IV werden\nTabelle IV.\nLesung\tAnzahl der Bewuistseinslagen des Verstehens\tAnzahl der Versuche\na\t7\t8\nb\t4\t8\nc\t4\t8\nd\t0\t8\ne\t0\t6","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nClifton O Tu y hr.\nwir die Anzahlen der im Protokoll verzeichneten Bewufstseins-lagen des Verstehens, welche den einzelnen Lesungen entsprechen, mitteilen. In der dritten Kolumne der Tabelle stehen die Anzahlen der Experimente verzeichnet, bei welchen eine Lesung a, b, c, d oder e vorkam.\nDiese Tabelle zeigt, dafs die Bewufstseinslagen des Verstehens um so mehr zur\u00fccktreten, je gel\u00e4ufiger uns ein Text ist.\nEs war demnach von Interesse, die gleichen Texte, die Herrn Dr. D\u00fcrr vorgelesen worden waren, einem Beobachter vorzulesen, welcher die Oden genau kannte. Solch ein Beobachter wurde gefunden in der Person des Herrn Professor Messer aus Giefsen, welcher auch Oberlehrer ist und Klopstocks Oden vor kurzem in der Schule ausf\u00fchrlich behandelt hatte. Treten Bewufstseins-lagen des Verstehens um so seltener auf, je bekannter der Stoff ist, so war zu erwarten, dafs Herr Professor Messe\u00bb schon bei der ersten Lekt\u00fcre keine oder nur wenige Bewufstseinslagen des Verstehens erleben w\u00fcrde. Ich lasse in Tabelle V die Protokolle\nText: Nr. 1\n2\n3\n4 6\n6\n7\n8\nTabelle V.\nBeobachter: Prot. Mbsske.\nProtokoll :\nBewufstseinslage des Aufeinanderbeziehens der einzelnen Satzteile. Keine Gesichtsbilder beim Anh\u00f6ren des Vorgelesenen. Beim nachtr\u00e4glichen \u00dcberlegen treten einzelne optische Vorstellungen auf.\nVorstellung einer vom Fels herabfliefsenden Quelle und hoher, einen See beschattender B\u00e4ume.\nVorstellung einer Wiege. Vorstellung eines Tales mit B\u00e4chen und schattenwerfenden H\u00fcgeln. Wortvorstellung \u201eHoraz\u201c.\nGesichtsbild eines Rundtempels im Wald.\nGesichtsbild eines gef\u00fcllten Weinglases auf einem Tisch. Erinnerung an einen Freund, der vor kurzer Zeit einen traurigen Brief geschrieben hat. Gesichtsbild des Freundes, wie er in seinem Zimmer sitzt.\nVorstellung eines Grabes. Erinnerung an das Bild \u201eErlk\u00f6nig\u201c von Schwind.\nKeine besonderen Erlebnisse.\nVorstellung des blauen Himmels. Vorstellung eine\u00ab Rosenbusches. Vorstellung des \u00fcber einem Flufs schwankenden Zweiges.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Uber da\u00bb Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\t247\nfolgen, welche Herr Professor Messe\u00bb abgegeben hat. Die Numerierung der Textstellen bezieht sich auf die Anordnung der Texte in Tabelle III.\nWie man sieht, treten hier schon bei der ersten Lesung keine Bewufstseinslagen des Verstehens auf, was nach unseren obigen Darlegungen durchaus verst\u00e4ndlich ist. Dafs Herr Professor Messe\u00bb verh\u00e4ltnism\u00e4fsig viel optische Vorstellungen hatte, h\u00e4ngt vielleicht mit pers\u00f6nlichen Eigent\u00fcmlichkeiten, vielleicht auch mit dem Umstande zusammen, dafs ihm das Verst\u00e4ndnis der Oden keine Schwierigkeiten bereitete. Herr Professor Messe\u00bb meinte, dafs der letztere Grund f\u00fcr das Auftreten der optischen Vorstellungen ausschlaggebend war, in dem die f\u00fcr ihn wegfallende Schwierigkeit des Verst\u00e4ndnisses gewissermafsen Raum schaffe f\u00fcr die optischen Vorstellungen, die \u00fcbrigens seiner Meinung nach das Verst\u00e4ndnis nicht unterst\u00fctzten.\nEine andere Gruppe von Experimenten, an welchen sich die Herren Dr. D\u00fcbb, Professor Messe\u00bb und Dr. Watt beteiligten, bestand in Versuchen, bei welchen den Beobachtern abwechselnd sinnvolle S\u00e4tze (z. B. Unser Leben ist eine Lehrzeit, in welcher wir zu der Wahrheit gelangen m\u00fcssen, dafs um jeden Lebenskreis ein anderer gezogen werden kann), sinnlose Wortkombinationen (z. B. Ausdrucksweisen H\u00f6he T\u00fcre Buxb\u00e4ume welche hinanschl\u00e4ngelt Geschmacks) und sinnlose Silbenkombinationen (nei-ken, geinft, menwir usf.) vorgelesen wurden.\nDer Vergleich der Protokolle, welche die sinnvollen S\u00e4tze und die sinnlosen Wortkombinationen ergeben, f\u00fchrte nicht wesentlich \u00fcber die Resultate hinaus, die Mabbe1 erhielt, als er die Beobachter abwechselnd sinnlose und sinnvolle Wortkombinationen lesen liefs. So zeigte sich vor allem auch bei unseren Versuchen ein Nachlassen der Aufmerksamkeit beim Anh\u00f6ren der sinnlosen Wortkombinationen. Bisweilen fand sich bei den sinnlosen Wortkombinationen auch das Bestreben des Beobachters den einzelnen Wortverbindungen einen Sinn beizulegen. Dies Bestreben wurde besonders geweckt, wenn die Zusammenstellung der W\u00f6rter grammatisch einwandsfrei war, wie z. B. in der Kombination \u201eGeist auszuweichen\u201c. \u00c4hnlich l\u00f6sten auch die Worte \u201eB\u00f6se Gr\u00f6fsenbeziehungen\u201c bei den Versuchen Maebes * *\n1 a. a. 0. 8. 85 ff.\n* a. a. O. S. 88 Beobachter: Ma\u00efib.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nClifton O Tu y lor\ndas Bestreben aus, den Beizworten entsprechende Vorstellungen ins Bewufstsein zu rufen.\nBei den sinnlosen Silbenkombinationen zeigte sich nichts wesentlich anderes als bei den sinnlosen Wortkombinationen. Auch hier trat das Bestreben auf, einzelnen sinnlosen Kombinationen einen Sinn beizulegen. So erinnerte den Beobachter Messeb die Kombination \u201eschan\u00e4\u201c an das franz\u00f6sische Wort \u201ejamais\u201c, welches die Wortvorstellung \u201enie\u201c ausl\u00f6ste. Bisweilen fafste der Beobachter die sinnlosen Wortkombinationen auch als W\u00f6rter einer unverstandenen Sprache, wie z. B. der Hebr\u00e4ischen auf, wobei Bewufstseinslagen auftraten, die der Bewufstseinslage des Verstehens \u00e4hnlich erschienen. Solche Bewufstseinslagen traten bei Dr. Duhr schon dann ein, wenn es nur gelungen war, eine Reihe Silben innerlich nachzusprechen.\nAufserdem w\u00e4re vielleicht noch zu bemerken, dafs die Beobachter bei den Versuchen mit sinnlosen Silben und Wortkombinationen \u00f6fters das Bewufstsein einer sogenannten \u201eLeere\u201c zu Protokoll gaben.1\nUm die schon mitgeteilten Ergebnisse m\u00f6glicherweise zu erg\u00e4nzen, machte ich es mir zur Aufgabe, bei der Lekt\u00fcre einiger B\u00fccher Wahrnehmungen \u00fcber die Art des Verstehens zu protokollieren. Ich w\u00e4hlte hierzu sowohl englische B\u00fccher, deren Lekt\u00fcre mir als Amerikaner gel\u00e4ufig ist, als auch deutsche Schriften, deren Verst\u00e4ndnis mir weniger leicht f\u00e4llt. Das ziemlich reichliche Material, welches hierbei gewonnen werde, best\u00e4tigt die oben mitgeteilten, auf experimentellem Wege gewonnenen S\u00e4tze. Aufserdem ergab sich einiges Neue, besonders in Anschlufs an die Lekt\u00fcre der folgenden Texte: zehn Seiten aus v. Frets Physiologie (Berlin 1901), elf Seiten aus J. B. Sandersons Handbook for the Physiological Laboratory, elf Seiten aus Wundts Einleitung in die Philosophie (Leipzig 1901) und zehn Seiten aus Berkeleys The Principles of Human Knowledge (ed. Fraser).\nZun\u00e4chst n\u00e4mlich konnte ich h\u00e4ufig konstatieren, dafs das Verstehen ein in manchmal recht betr\u00e4chtlicher Zeit verlaufender\n1 Die Theorie Baolays (a. a. O. S. 125ff.), dafs mit dem Verstehen von Worten komplizierte Bewufstseinslagen verbunden sind, die in einen mehr fokalen und einen mehr marginalen Teil zerfallen, haben unsere Beobachter nicht best\u00e4tigt. Baolays Ansicht d\u00fcrfte daher jedenfalls nicht allgemeiH zutreffen, wenngleich nicht geleugnet werden soll, dafs sich manche F\u00e4lle im Sinne der BAOLAYschen Theorie abspielen m\u00f6gen.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\n249\nVorgang ist, selbst wenn keinerlei Erlebnisse als Repr\u00e4sentanten des Verstehens gegeben sind. Ich konstatierte nicht selten nach der Lekt\u00fcre schwerer verst\u00e4ndlicher Worte und S\u00e4tze Pausen, in denen keine mit dem Verstehen zusammenh\u00e4ngenden Erlebnisse auftraten, die aber doch durch ein Gef\u00fchl der Befriedigung \u00fcber das schliefslich erreichte Verst\u00e4ndnis abgeschlossen wurden.\nFerner ergab sich h\u00e4ufig ein Einflufs des Zusammenhangs auf das Verst\u00e4ndnis einzelner Worte. Die verstandenen Teile des Satzes erm\u00f6glichten es bisweilen, f\u00fcr ein unverstandenes Wort ein entsprechendes von bekannter Bedeutung einzusetzen. Zuweilen trat auch f\u00fcr die unverstandenen Worte eine Bewufstseins-lage des Verstehens ein, welche sich auf die verstandenen Teile des Satzes zu gr\u00fcnden schien.\nAuch insofern zeigte sich ein Einfluls des Zusammenhangs auf das Verst\u00e4ndnis, als das Verstehen mancher S\u00e4tze durch Wiederholung fr\u00fcher gelesener S\u00e4tze erleichtert wurde.\nAls letztes Ergebnis dieser Untersuchungen mufs ich schliefslich anf\u00fchren, dafs sich h\u00e4ufig die einfache oder mehrfache Wiederholung eines und desselben Satzes f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis dieses Satzes f\u00f6rderlich erweist.\nDie \u00fcber den Einflufs des Zusammenhanges und der Wiederholung von mir gefundenen S\u00e4tze wurden auch durch Herrn Privatdozent Dr. D\u00fckr best\u00e4tigt, der auch seinerseits die bei der Lekt\u00fcre verschiedener deutscher B\u00fccher in bezug auf die Psychologie des Verstehens gewonnenen Erfahrungen f\u00fcr mich zu Protokoll nahm. Herr Dr. D\u00fckr fafste die Resultate seiner Protokolle in folgenden drei S\u00e4tzen zusammen.\n1.\tH\u00e4ufig spielt beim Verstehen von S\u00e4tzen die Wiederholung eine grofse Rolle. Derselbe Satz, h\u00e4ufig wiederholt, scheint sich allm\u00e4hlich mit einer Bewufstseinslage des Verstehens zu verbinden, ohne dafs in dem Verst\u00e4ndnis der grammatischen Konstruktion und des logischen Aufbaues oder in dem Besitz anschaulicher Vorstellungen eine Ver\u00e4nderung zu bemerken w\u00e4re.\n2.\tIn dem Zusammenhang der Gedanken ist h\u00e4ufig die Wiederholung fr\u00fcherer Bestandteile des logischen Gef\u00fcges wichtig f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis sp\u00e4terer Bestandteile.\n3.\tEin Satz wird h\u00e4ufig dadurch verst\u00e4ndlicher, dafs er nicht nur in einem Gedankenzusammenbang auftritt, sondern in verschiedene logische Verbindungen eingeht.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nClifton O. Taylor,\nIm folgenden gebe ich eine kurze Zusammenstellung der Hauptresultate unserer Experimente.\n1.\tF\u00fcr das Verst\u00e4ndnis von S\u00e4tzen anschaulichen Inhalts kann die Entwicklung anschaulicher Vorstellungen n\u00fctzlich sein.\n2.\tDie das Verst\u00e4ndnis eines Textes von anschaulichem Inhalt erleichternden anschaulichen Vorstellungen treten in ihrer H\u00e4ufigkeit zur\u00fcck, je gel\u00e4ufiger die vom Text behandelten Gegenst\u00e4nde sind.\n3.\tDas Verst\u00e4ndnis von S\u00e4tzen unanschaulichen Inhalts wird durch anschauliche Vorstellungen nicht erleichtert, sondern eher erschwert.\n4.\tDie Bewufstseinslagen des Verstehens treten um so mehr zur\u00fcck, je gel\u00e4ufiger uns ein Text ist.\n5.\tPausen, die nicht durch besondere Erlebnisse erf\u00fcllt sind, scheinen bisweilen f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis notwendig zu sein.\n6.\tDer Einflufs des Zusammenhanges kann eine das Verst\u00e4ndnis erleichternde Rolle spielen, ohne dafs irgendwelche erkl\u00e4renden Erlebnisse als Zwischenglieder im Bewufstsein er scheinen.\nDie Anregung zur vorliegenden Arbeit gab Herr Professor Dr. Roetteken in W\u00fcrzburg. Herr Professor Roetteken schrieb an Herrn Professor Mabbe :\n\u201eFr. Vischeb sagt an einer von Theodor Meter zitierten Stelle seiner \u00c4sthetik (III, S. 1165): Die Selbstbeobachtung sagt jedem, dafs mit dem Wort, wie es vernommen oder gelesen wird, eine sinnliche Vorstellung vor seinem Inneren steht, bei dem Wort Mann ein Mann, Baum ein Baum usw. \u00c4hnliche Ansichten \u00fcber die Mitwirkung anschaulicher Bedeutungsvorstellungen beim Verst\u00e4ndnis der Sprache und besonders der Poesie sind \u00f6fters ge\u00e4ufsert worden ; von anderer Seite, von Steinthal, Br\u00fcchmans, mir und ganz besonders schroff von Theodor Meyer sind sie bestritten. Meyer erkl\u00e4rt, dafs etwa aufblitzende Sinnenbilder nicht Tr\u00e4ger des Gehaltes, sondern immer etwas Nebens\u00e4chliches seien. Soweit kann ich Meyer nicht folgen : es scheinen mir in manchen F\u00e4llen anschauliche Bedeutungsvorstellungen zum Verst\u00e4ndnis n\u00f6tig zu sein, und das gegebene Problem auf diesem Gebiete ist augenblicklich meiner Ansicht nach genauer zu untersuchen, welche F\u00e4lle das sind. Dieses Problem ist in meiner Poetik noch nicht ausdr\u00fccklich herausgestellt, es wird aber mit ber\u00fchrt durch meine Er\u00f6rterungen im zweiten Abschnitt des","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen.\n251\nzweiten Kapitels und die Vorstellung einer bestimmten L\u00f6sung dieses Problems klingt durch in den Bemerkungen auf S. 111 : \u201eOft ist nat\u00fcrlich eine Aussage durch einen bestehenden Zusammenhang nur noch viel unbestimmter vorbereitet, als in den eben betrachteten F\u00e4llen. Je komplizierter die Vermittlung des neuen mit dem schon vorhandenen sich gestaltet, um so weniger glatt geht das Verst\u00e4ndnis vor sich. Wenn Halles schreibt: Der Blumen helles Gold, in Strahlen umgebogen, so kann ich, der ich die Blumen nicht kenne, den Vers nur verstehen, indem ich im vollen Lichte des Bewufstseins mit einer gewissen \u00dcberlegung Farben und Formen kombiniere.\u201c \u201c\nWenn unsere Untersuchungen auch das von Herrn Professor Roetteken aufgestellte Problem noch nicht vollst\u00e4ndig l\u00f6sen konnten, so d\u00fcrften sie doch wesentliche Beitr\u00e4ge zu dessen L\u00f6sung enthalten.\n(Eingegangen am 3. Juli 1905.)","page":251}],"identifier":"lit31999","issued":"1906","language":"de","pages":"225-251","startpages":"225","title":"\u00dcber das Verstehen von Worten und S\u00e4tzen","type":"Journal Article","volume":"40"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:02:19.262472+00:00"}