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{"created":"2022-01-31T16:36:00.014094+00:00","id":"lit32004","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Nagel, W.","role":"author"},{"name":"H. Piper","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 88-92","fulltext":[{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\n(Aub der physikalischen Abteilung des physiologischen Instituts in Berlin.)\n\u00dcber die Bleichung des Sehpurpurs durch Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge.\nVon\nW. Nagel und H. Piper.\nHinsichtlich der Bleichung des Sehpurpurs durch Licht, insbesondere hinsichtlich der Farbenskala, die der Purpur\u201d bei der Bleichung durchl\u00e4uft, liegen in der Literatur widersprechende Angaben vor. Nach den Beobachtungen K\u00fchnes 1 geht die Farbe im allgemeinen aus Karminrot oder Purpurrot durch ein gelbliches Rot und Chamois in Gelb, dann in Weifs \u00fcber, in anderen F\u00e4llen aber durch blasses Lila direkt in Weifs. Welche der beiden Farbenskalen im einzelnen Fall durchlaufen wird, h\u00e4ngt nach K\u00fchne von der Wellenl\u00e4nge des bleichenden Lichtes ab. Schon Boll 2 hatte angegeben, dafs rotes Licht den Purpur gegen br\u00e4unlich hin verf\u00e4rbe, blaues gegen lila. K\u00fchne be-zeichnete die Wirkung langwelliger Strahlen als ein \u201eVer-schiefsen\u201c der Purpurfarbe, die der kurzwelligen als \u201eAbblassen\u201c.\nDiesen bestimmten Angaben stehen die nicht minder bestimmten Ergebnisse von E. K\u00f6ttgen und G. Abelsdorff * * entgegen. Diese Autoren massen am ungebleichten Purpur mehrerer Tierarten die Absorption f\u00fcr die Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge. Dieselbe Messung wiederholten sie mit Sehpurpurl\u00f6sungen, die in verschieden starkem Mafse in gemischtem Licht aus-\n1 Untersuchungen aus dem Physiologischen Institut in Heidelberg, und : Hermanns Handbuch der Physiologie III.\n*\tBer. Akad. Wissensch. Berlin 1879, und Arch. f. Anat. \u00ab. Physiologie 1877.\n*\tDiese Zeitschrift 12, 1896, 161.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber d. Bleichung d. Sehpurpurs durch Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge. 89\ngebleicht waren. Das Absorptionamaximum blieb dabei an derselben Stelle des Spektrums, die Absorption nahm in allen Teilen des Spektrums gleichm\u00e4fsig ab.\nDies entspricht einem Ab blassen ohne Farbenton\u00e4nderung. Aber auch bei Ausbleichung in blauem und gelbem Lichte fanden K\u00f6ttgen und Abelsdohff keine Verschiebung der Absorptionskurven im Spektrum w\u00e4hrend der Bleichung.\nK\u00fchne hatte aus der \u00c4nderung des Farben tones bei der Bleichung den Schlufs gezogen, es entstehe durch die Zersetzung des Purpurs ein gelber, weniger schnell bleichbarer Farbstoff, das Sehgelb. Wie der Sehpurpur durch gr\u00fcnes, so sollte das Sehgelb haupts\u00e4chlich durch blaues Licht am meisten angegriffen werden, d. h. jeder Farbstoff durch die Lichtart, die er am st\u00e4rksten absorbiert.\nWie man sieht, ist die Annahme eines Sehgelb keineswegs eine notwenige Konsequenz der tats\u00e4chlichen Beobachtungen K\u00fchnes. Die Angaben \u00fcber verschiedene Bleichungsskala in verschiedenfarbigem Lichte k\u00f6nnten sehr wohl zu recht bestehen, ohne zur Hypothese eines Sehgelb zu zwingen. Es ist ja die Stufe des Gelb in der Bleichungsskala rein willk\u00fcrlich herausgegriffen und als besonderer Begriff \u201eSehgelb\u201c festgelegt. Mit dem gleichen Rechte k\u00f6nnte man von einem \u201eSehorange\u201c und \u201eSehlila\u201c sprechen.\nDafs K\u00fchne bei der Festlegung gerade des Sehgelb von einer ganz bestimmten (wenn auch unseres Wissens nirgends bestimmt ausgesprochenen) theoretischen Voraussetzung au6ging, wird besonders wahrscheinlich durch die Pr\u00e4gung des Begriffes \u201eSehweifs\u201c f\u00fcr da\u00ab farblose Endstadium einer v\u00f6lligen Bleichung. K\u00fchne mag doch wohl zeitweilig die M\u00f6glichkeit erwogen haben, dafs in diesen drei \u201eSehstoffen\u201c die HEBiNGschen drei Sehsubstanzen repr\u00e4sentiert sein k\u00f6nnten. Boll andererseits k\u00f6nnte der Gedanke vorgeschwebt haben, die Netzhaut n\u00e4hme etwa die Farbe des Reizlichtes an und es m\u00f6chte sich unter g\u00fcnstigen Bedingungen so etwas wie eine farbige Photographie auf der Netzhaut bilden.\nEs hegt auf der Hand, dafs die Ergebnisse der sehr sorgf\u00e4ltigen Arbeit von K\u00f6ttgen und Abelbdobff der Hypothese das Sehgelb den Boden entziehen m\u00fcssen, sobald man annimmt, dafs das, was f\u00fcr eine Sehpurpurl\u00f6sung gilt, auch f\u00fcr den Sehpurpur in situ, in der Netzhaut selbst gilt. Nach K\u00fchne ist das im allgemeinen der Fall. Immerhin aber schien es w\u00fcnschens-","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nW. ATaget und H. Piper.\nwert, an ganzen Netzh\u00e4uten neue Beobachtungen anzustellen, bei denen das Augenmerk ganz speziell auf die bei der Bleichung durchlaufene Farbenskala zu richten war.\nDer eine von uns (N.) hatte schon vor l\u00e4ngerer Zeit Gelegenheit, an den Netzh\u00e4uten einiger Schleiereulen (Strix flammea L.) die Ausbleichung im diffusen Tageslicht zu beobachten.1 Hier, wie bei den Raubv\u00f6geln \u00fcberhaupt, ist es sehr leicht, die ganze Netzhaut v\u00f6llig pigmentfrei dem Auge zu entnehmen. Sie zeigt ein kr\u00e4ftiges Rosarot, das im hellen Tageslicht in wenigen Minuten zur Farblosigkeit ausbleicht. Weder farbent\u00fcchtige Beobachter, noch der eine von uns (N.), der Dichromat ist, konnten b\u00e8i der Bleichung eine Abweichung der Farbe nach der Seite des Gelbrot oder des Lila hin bemerken, die Farbe blich einfach im selben Tone aus. Da die Purpurfarbe gerade dieser Netzh\u00e4ute f\u00fcr den Dichromaten dem neutralen Grau gleicht, h\u00e4tte f\u00fcr seinen Farbensinn die Abweichung nach dem Bl\u00e4ulichen oder Gelblichen hin ganz besonders auff\u00e4llig sein m\u00fcssen.\nDer andere von uns (P.) f\u00fchrte sp\u00e4terhin eine systematische Untersuchungsreihe mit Froschnetzh\u00e4uten aus, die in flachen Porzellanschalen unter geeigneten Lichtfiltern in verschiedenfarbigem Lichte gebleicht wurden, unter fortgesetzter Kontrolle des entstehenden Farbentones. Es ergab sich nichts, was zur St\u00fctze der Boll - K\u00fcnNEschen Angaben h\u00e4tte dienen k\u00f6nnen. Alle Netzh\u00e4ute blichen in der gleichen Farbenfolge aus, nur ungleich schnell, weil es nicht gelang, die Bleichlichter v\u00f6llig d\u00e4mmerungsgleich zu machen, was nach Trendelenburgs neuen Untersuchungen!! die Bedingung f\u00fcr \u00e4quivalente Bleichungswirkung w\u00e4re.\nWir haben dann noch weitere Versuche mit den wegen ihres ungew\u00f6hnlich grofsen Purpurgehaltes und ihrer farblosen Ausbleichung hierf\u00fcr so besonders geeigneten Eulennetzh\u00e4uten angestellt. Zur Verwendung kamen folgende Arten: Waldkauz, Steinkauz, Waldohreule.\nBei allen diesen Eulen fanden wir keine so rein purpurne F\u00e4rbung wie bei der Schleiereule, sondern ein kr\u00e4ftiges Karminrot, eine \u00dcbergangsstufe zwischen Purpur und (spektralem) Rot, f\u00fcr das Auge des Dichromaten (Deuteranopen) also noch eine\n1 Nagels Handbach der Physiologie des Menschen III, 1905, 98.\n* Ebenda, 8. 99.\n5 Diese Zeitschrift 37, 1905, 1.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Uber d. Bleichung d. Sehpurpurs durch Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge. 91\n\u201ewarme-1 Farbe. Eine solche blieb nun auch w\u00e4hrend der Bleichung stets bestehen, niemals, auch nicht bei Bleichung durch blaues oder weifses Licht schlug die Farbe ins Lila (\u201ekalte\u201c Farbe) um.\nIm einzelnen bestanden erhebliche Unterschiede zwischen den Netzh\u00e4uten der verschiedenen Arten und Individuen nicht, namentlich nicht hinsichtlich der Farbe der ungebleichten Netzhaut. W\u00e4hrend der Bleichung traten dagegen mehrfach zwar unerhebliche aber doch sicher erkennbare Differenzen auf, und zwar in dem Sinne, dafs einzelne Netzh\u00e4ute genau in ihrem urspr\u00fcnglichen Farbenton bleibend verblafsten, andere dagegeu sich ein wenig gegen Orange hin verf\u00e4rbten. Aber, und das ist das wesentliche, diese Differenzen liefsen keine gesetzm\u00e4fsige Abh\u00e4ngigkeit von der Qualit\u00e4t des Reizlichtes erkennen, wie es nach den Erfahrungen von Boll und K\u00fchne zu erwarten gewesen w\u00e4re. Ein Zufall mag es gewesen sein, dafs bei einem Bleichungsversuch mit 4 Netzh\u00e4uten des Waldkauzes hinter Lichtfiltem ein Ergebnis erhalten wurde, das dem Boll-K\u00fchne-Bchen gerade entgegengesetzt war: die eine der Netzh\u00e4ute war unbedeckt geblieben, bleichte also in diffusem Tageslicht; sie wurde von den vier entschieden am deutlichsten gelblich rot und schliefslich geradezu gelb. Bei einer zweiten Netzhaut, die hinter Kupferacetatl\u00f6sung (also in violettem, blauem und gr\u00fcnem Lichte) bleichte, war ebenfalls eine gewisse Verf\u00e4rbung in gleichem Sinne zu erkennen, doch entschieden schw\u00e4cher, die Netzh\u00e4ute 3 und 4, in reinem Gr\u00fcn bzw. in Orange und Rot bleichend, blieben am meisten in ihrem urspr\u00fcnglichen Farbenton.\nWeitere Versuche wurden mit spektralem Lichte gemacht. Mit einer Bogenlampe als Lichtquelle wurde ein objektives Spektrum auf die Ebene eines Tisches entworfen, und 3 bis 4 Eulennetzh\u00e4ute in kleinen Porzellann\u00e4pfchen in die verschiedenen Farben des Spektrums verteilt. \u00dcber die N\u00e4pfchen waren Pappr\u00f6hren gestellt, die den Einfall falschen Seitenlichtes verhinderten. Vor Beginn des Versuches wurden die purpurhaltigen Netzh\u00e4ute in ged\u00e4mpftem Tageslichte besichtigt, und ebenso von Zeit zu Zeit, nachdem die farbigen Lichter eingewirkt hatten. Um in den verschiedenen Spektralregionen doch ein ann\u00e4hernd gleiches Tempo der Bleichung zu erhalten, deckten wir die N\u00e4pfchen, die in besonders stark bleichendem","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nW. Nagd und H. Piper.\nLichte standen (blau, vor allem gr\u00fcn) zeitweise zu, w\u00e4hrend die Netzhaut im rotorange dauernd unbedeckt blieb. Ist es auch kaum m\u00f6glich, das Tempo genau gleich zu erhalten, so kann man doch die Bleichung insoweit regulieren, dafs die einzelnen Bleichungsstadien noch vergleichbar bleiben.\nAlle diese Versuche ergaben das \u00fcbereinstimmende Resultat, dafs die Netzh\u00e4ute in rotorange, gr\u00fcn und blau in der gleichen Weise, nur verschieden schnell, ausbleichen, dabei meistens, so weit sich das beurteilen l\u00e4fst, im gleichen Farben ton bleiben. Dafs ab und zu eine Netzhaut einmal etwas mehr sich gegen orange hin verf\u00e4rbt und auffallend lange in diesem Tone bleibt, ist unbestreitbar ; ob das aber der Fall ist, oder nicht, das h\u00e4ngt entschieden nicht von der Wellenl\u00e4nge des Bleichungslichtes ab, sondern von anderen unbekannten Umst\u00e4nden.\nEndlich f\u00fchrten wir analoge Versuche auch mit Froschnetzh\u00e4uten aus, wiederum mit dem gleichen Ergebnis: keine Abh\u00e4ngigkeit der durchlaufenen Farbenskala von der Farbe des spektralen Bleichlichtes.\nWir k\u00f6nnen hiernach in dem Verhalten der in farbigem Licht bleichenden purpurhaltigen Netzh\u00e4ute keine St\u00fctze f\u00fcr die Annahme K\u00fchnes finden, derzufolge neben dem Sehpurpur noch ein Sehgelb vorhanden w\u00e4re, das sich von jenem typisch durch die gr\u00f6fsere Empfindlichkeit gegen die stark brechbaren Lichter unterscheiden sollte. Nicht ausgeschlossen ist es nat\u00fcrlich, dafs die Zersetzung des Sehpurpurs in verschiedener Weise vor sich gehen kann und auch verschieden gef\u00e4rbte Zersetzungsprodukte entstehen k\u00f6nnen. Hierf\u00fcr ist aber die Wellenl\u00e4nge des Bleichlichtes ohne Belang.\n(Eingegangen am 22. Januar 1905.)","page":92}],"identifier":"lit32004","issued":"1905","language":"de","pages":"88-92","startpages":"88","title":"\u00dcber die Bleichung des Sehpurpurs durch Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:36:00.014100+00:00"}