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{"created":"2022-01-31T14:30:03.494222+00:00","id":"lit32019","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stigler, Robert","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 332-340","fulltext":[{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\n(Ans dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Wien.)\nEine neue subjektive Gesichtserscheinung.\nVon\nDr. Robebt Stigleb,\nz. Z. Operationsz\u00f6gling an der Augenklinik des Hofrat Prof. Fuchs in Wien.\nIch ging an einem sehr klaren Morgen gleich nach dem Aufstehen in ein anderes Haus. Auf dem zirka 5 Minuten w\u00e4hrenden Gange dahin wurde ich nicht durch die Sonne geblendet; der Himmel war klar, wolkenfrei und blau. Ich trat, ohne echauffiert zu sein, in einen halbdunkelen Raum mit weifs-lichen W\u00e4nden. Dort stehen bleibend, bemerkte ich zuerst ein rasches Flimmern im ganzen Gesichtsfelde, sowie man es etwa beim Flackern einer Kerze sieht, jedoch rascher und zarter. Als ich nach etwa einer Minute meinen Blick ruhig an die matt beleuchtete Wand heftete, da gewahrte ich an derselben zu meinem Staunen ein Netz von sehr zarten, silber gl\u00e4nzend weifsen Linien, welche polygonale Maschen von der Farbe der Wand einschlossen. Dieses Netzwerk f\u00fcllte nur einen Teil des Gesichtsfeldes aus, n\u00e4mlich die ganze untere und einen kleinen Teil der angrenzenden oberen H\u00e4lfte desselben. In der Gegend der Macula bemerkte ich keine L\u00fccke, die gr\u00f6fser gewesen w\u00e4re als die Maschen des Netzes \u00fcberhaupt. Die Gr\u00f6fse der Maschen selbst habe ich bis jetzt leider noch nicht genau markieren k\u00f6nnen. Der Erinnerung nach, d. h. im Vergleich mit auf Papier gezeichneten Netzen, welche ich von der gleichen Entfernung aus betrachte, finde ich, dafs dem Netzhautbild einer solchen Masche ein mittlerer Durchmesser von etwa 1 g\u2014\u2019/* mm zukommen d\u00fcrfte.1 Das\n1 Der gef\u00e4fslose Teil der Macula, dessen Durchmesser mit 0,3\u20140,5 mm angegeben ist, hatte also in einer solchen Masche Platz.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Eine neue subjektive Gesichtserscheinung.\n333\nSilbemetz war w\u00e4hrend einiger Sekunden stabil ; dann verblafste es, wobei ich es aber durch ein rasches und leises Streichen \u00fcber das Auge immer wieder auffrischen konnte. Es war in beiden Augen, wie ich mich durch abwechselndes Schliefsen des einen \u00fcberzeugte, in den gleichen Partien sichtbar und von gleicher Gestalt, soweit die Beobachtung der peripheren Partien einen Vergleich erlaubte. Als ich, um eine Blutstauung hervorzurufen, den Kopf h\u00e4ngen liefs, verschwand dies Ph\u00e4nomen sogleich und war dann durch nichts mehr wieder hervorzurufen.\nIch habe sodann unter ganz gleichen Umst\u00e4nden dieselbe Erscheinung noch einigemal beobachtet. Sie war aber nicht immer an dieselben Partien des Gesichtsfeldes gebunden und ihr rasches Verschwinden erlaubte nie eine ganz sichere Beobachtung. Jedoch trat sie keineswegs blitzartig auf. Druck aufs Auge brachte sie ebenfalls zum Verschwinden.\nEin andermal habe ich sie aber unter sehr charakteristischen Umst\u00e4nden wieder erblickt.\nAn einem herrlichen Morgen erwachend, begab ich mich, ohne meine Augen vorher durch Versuche anzustrengen, sofort nach dem Aufstehen ans offene Fenster und blickte einige Minuten nach dem blauen wolkenlosen Himmel.\nDann ging ich vom Fenster weg und verdunkelte das Zimmer durch Herablassen der Rouleaux, so dafs es nur mehr matt erleuchtet war. Im selben Augenblicke sah ich an der Decke meines Zimmers, und zwar diesmal im ganzen Gesichtsfelde, die beschriebene Erscheinung. Dazu aber bemerkte ich aufser dem zarten, silbergl\u00e4nzenden Netz von polygonalen Maschen peripher noch dunklere bogenf\u00f6rmige B\u00e4nder, welche, indem ich ein Auge schlofs und so das Bild vereinfachte, sich als Abbilder der Retinalgef\u00e4fse darstellten.1 Einige Sekunden w\u00e4hrte dieses Schauspiel, um dann langsam zu verblassen ; ich konnte es aber durch Zukneifen der Lider oder leises Streichen \u00fcber dieselben oftmals wieder erzeugen. Als dies nicht mehr m\u00f6glich war, da trat das Ph\u00e4nomen unter keinen Umst\u00e4nden mehr auf, obwohl ich, nachdem ich meinen Augen einige Zeit Erholung gew\u00e4hrt hatte, ganz\n1 Zehkndkb bildet auf S. 314 der Klinischen Monatsbl\u00e4tter f\u00fcr Augenhlk. XXXIII. Jahrg. ein ganz \u00e4hnliches Bild ab, nach seiner Meinung eine Kombination von Retinal- und Chorioidealgef\u00e4fsfiguren, welche er aber dunkel nnd unter ganz anderen Umst\u00e4nden sah.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nRobert Stigler.\ndieselben Umst\u00e4nde herbeif\u00fchrte, unter denen das Ph\u00e4nomen vorher entstanden war.\nEin negatives Nachbild konnte ich beim Scbliefsen der Augen w\u00e4hrend der Sichtbarkeit der Figur nicht beobachten. Beim Schliefsen der Augen war also im dunkeln Gesichtsfelde nichts zu bemerken, ebensowenig, wenn ich das letztere auf andere Weise ganz verdunkelte. So oft ich jetzt den Versuch am Morgen wiederhole, am besten bei blauem, jedoch auch bei gleichm\u00e4fsig hellgrauem Himmel, gelingt es mir jedesmal, die beschriebene Kombination der hellen Aderfigur mit dem erw\u00e4hnten Netzwerk wahrzunehmen.\nF\u00fcr eine rudiment\u00e4re Form dieses Ph\u00e4nomens glaube ich auch ein helles Aufblitzen der Aderfigur auf grauem Hintergr\u00fcnde halten zu d\u00fcrfen, welches ich gewahre, wenn ich an einem nebligen Morgen einige Minuten in das gleichm\u00e4fsige Grau hinausblicke, dann die Augen schliefse und gleich darauf wieder \u00f6ffne.1\nAls Bedingung f\u00fcr das Ph\u00e4nomen finde ich also, dafs auf die wohl ausgeruhten Augen einige Zeit lang nicht blendendes Tageslicht eingewirkt habe, dessen Quantit\u00e4t dann pl\u00f6tzlich sehr herabgesetzt wird, und dafs man dabei m\u00f6glichst n\u00fcchtern und nicht echauffiert sei. Dafs das Ph\u00e4nomen durch Blinzeln oder ganz leises Streichen \u00fcber die Lider mit der Hand wieder hergestellt wird, wenn es im Verblassen begriffen ist, hat wohl dieselbe Ursache wie die Auffrischung der Nachbilder unter gleichen Umst\u00e4nden.\nWie erkl\u00e4rt sich nun dieses Ph\u00e4nomen? Ich kann vorderhand die Beantwortung dieser Frage blofs deduktiv versuchen, wie folgt: Dieses Ph\u00e4nomen kann seine Ursache haben entweder in einer Ver\u00e4nderung des auf die Netzhaut von seiten der Gef\u00e4fse ausge\u00fcbten Reizes oder in einer Ver\u00e4nderung der Reizbarkeit der Netzhaut selbst, eventuell auch in beidem ; drittens kann das Ph\u00e4nomen auch ein negatives Nachbild sein.\nDie erste M\u00f6glichkeit f\u00fchrte zur Annahme, dafs durch die Einwirkung des vom blauen Himmel in das Auge entsendeten\n1 Hierbei habe ich noch eine andere interessante Beobachtung gemacht: als ich mich n\u00e4mlich vom Fenster weg gegen das d\u00fcstere Zimmer wendete und nach dem Plafond blickte, gewahrte ich an Stelle der MacnU lutea und des Sehnerveneintrittes helle, gelblich-weifse, deren Form entsprechende Felder, welche bei ruhigem Blicke \u00fcber eine Minute verblieben.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Eine neue subjektive Gesichtserscheinung.\n335\nLichtes und durch die darauffolgende pl\u00f6tzliche Herabminderung dieses Reizes im d\u00fcstem Raume eine Blutdrucksteigerung innerhalb der Gef\u00e4fse des Auges, somit eine Erweiterung und dadurch ein mechanischer Reiz auf die Netzhaut ausgel\u00f6st w\u00fcrde.\nDafs die Drucksteigerung gerade am Morgen das Ph\u00e4nomen hervorruft, kann dahin gedeutet werden, dafs eine erh\u00f6hte vasomotorische Reaktionsf\u00e4higkeit hierzu erforderlich w\u00e4re; es w\u00e4re experimentell zu pr\u00fcfen, ob im n\u00fcchternen Zustande nach dem Schlafe die vasomotorische Reaktionsf\u00e4higkeit erh\u00f6ht ist.\nDie zweite m\u00f6gliche Annahme ist die einer erh\u00f6hten Empfindlichkeit der perzipierenden Netzhautelemente, so dafs diese imstande w\u00e4ren, den Blutdruck ihrer Gef\u00e4fse schon als mechanischen Reiz zu empfinden. Demnach m\u00fcfste also unter den die allgemeine Disposition gebenden Bedingungen (morgens, N\u00fcchternheit) durch die Beleuchtung mit diffusem Tageslicht und nachfolgende Verdunkelung die Reizbarkeit der Netzhaut gesteigert werden. Das wahrscheinlichste ist wohl, dafs beide genannten Umst\u00e4nde bei der Entstehung des Ph\u00e4nomens mitspielen. Die starke Lichtreizung w\u00fcrde eine Art funktionelle Hyper\u00e4mie der Augengef\u00e4fse hervorrufen, und diese Erweiterung der Gef\u00e4fse w\u00fcrde in der des Morgens noch sehr empfindlichen Netzhaut die Erscheinung als Druckphosphen hervorrufen.\nDer Umstand, dafs sich das Ph\u00e4nomen nicht durch k\u00fcnstliche Steigerung des Blutdrucks1 auch herrbeif\u00fchren l\u00e4fst, beweist, dafs eben die Blutdrucksteigerung zur Erkl\u00e4rung allein nicht gen\u00fcgt, sondern dafs noch ein besonderer Zustand der Netzhaut gegeben sein mufs, der auch durch die Sichtbarkeit des dem Ph\u00e4nomen vorhergehenden Flimmems angedeutet ist.\nFerner zeugt f\u00fcr diese Annahme der Umstand, dafs das Ph\u00e4nomen nur im Halbdunkel auftritt, nicht aber im Dunkeln, also z. B. beim Schliefsen der Augen nach Hinblinken nach dem blauen Himmel; w\u00e4re die Blutdrucksteigerung allein hinreichend, so m\u00fcfste das Ph\u00e4nomen ja auch im Dunkeln gesehen werden. Es zeigt sich aber bei den meisten entoptischen Erscheinungen, dafs zu ihrer Wahrnehmung das Halbdunkel am g\u00fcnstigsten ist, weit g\u00fcnstiger als der Mangel alles \u00e4ufseren Lichtes.\nDafs die Morgenstunde und die N\u00fcchternheit f\u00fcr subjektive\n1 den ich durch Turn\u00fcbungen, Senken des Kopfes u. dergl. hervorgerufen habe.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\nBobtrt Stiglcr.\nBeobachtungen von Bedeutung sind, haben schon andere Forscher, namentlich Pukkinje1 * 3, Me\u00efebhausen-, beobachtet.\nDer dritte Erkl\u00e4rungsversuch geht dahin, dieses Ph\u00e4nomen als negatives Nachbild der Schatten zu betrachten, welche vor der perzipierenden Schicht der Retina gelegene Gebilde auf diese werfen. Dafs ich diese Schatten vor der Erscheinung ihres negativen Nachbildes nicht wahrgenommen habe, spricht gar nicht gegen obige Annahme, wie sich leicht experimentell beweisen l\u00e4fst.8 Diese Schatten nehmen wir eben nicht wahr, weil sie ihren Ort auf der Retina nicht ver\u00e4ndern oder nach Helmholtz, weil durch die Fixation die induzierte Fl\u00e4che mit der induzierenden gleichgef\u00e4rbt w\u00fcrde.\nZwischen dem nicht wahrgenommenen prim\u00e4ren Schattenbild und dem hellen Nachbild ist das eigent\u00fcmliche Flimmern eingeschaltet, welches einige Sekunden, nachdem ich meine Augen vom hellen Himmel gegen den d\u00fcsteren Raum gewendet habe, andauert. \u00dcber seine Ursache wage ich einstweilen noch keine Hypothese aufzustellen.\nEs fragt sich noch: Welchen Einflufs hat die Morgenstunde auf das Zustandekommen dieses Ph\u00e4nomens? Wie schon erw\u00e4hnt, ist der Einflufs der letzteren auf entoptische Ph\u00e4nomene bereits von anderen Forschern konstatiert, aber nicht erkl\u00e4rt worden.\nWelches anatomische Gebilde liegt nun dem beschriebenen Ph\u00e4nomen zugrunde?\nDie Netzhautgef\u00e4fse, welche sich bei der entoptischen Beobachtung zeigen, sind die gr\u00f6fseren St\u00e4mme; diese haben ihren Sitz ganz innen, dicht unter der Membrana limitans interna. Die Kapillarnetze der Netzhaut liegen weiter nach aufsen, und zwar ein arterielles Kapillarnetz noch in der Nervenfaserschicht, je ein ven\u00f6ses an der inneren und eines an der \u00e4ufseren Fl\u00e4che der inneren K\u00f6rnerschicht.4 * In der Gegend der Macula ist auch die Ganglienzellenschicht sehr reich an Kapillaren. Die Molekular-\n1 Pubkinje. Beobachtungen und Versuche. I. Bd. 1819.\n1 Arch. f. Ophth. 29 (4), S. 199.\t1883. Beitrag zur Kenntnis der\nPhotopsien in der Umgebung des Fixierpunktes.\n3 Vgl. meine vorstehende Abhandlung.\n* Siehe Th. Lbbbb. Die Zirkulations- und Ern\u00e4hrungsVerh\u00e4ltnisse des\nAuges. Graefe-Saemisch Handbuch. 2. Aull. 1903. I. T. XI. Kap.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Eine neue subjektive Gesichtserscheinung.\n337\nschicht aber besitzt keine eigene Kapillaren. In die Zwischen-k\u00f6merschicht treten in dieser Gegend nach N\u00fcel1 auch keine Kapillaren \u00fcber.\nDiese Kapillametze der Retina sind nach Lebeb ziemlich weitmaschig, die Kapillaren selbst sehr fein und d\u00fcnnwandig. Lebeb fand sie an einer mit Berlinerblau injizierten Retina des Menschen 0,005\u20140,006 mm breit, manche auch bis 0,01 mm. Die Maschen fand Lebeb oft sehr unregelm\u00e4fsig gestaltet, 0,02 bis 0,075 mm weit. Dimmeb 2 fand die Maschen in der unmittelbaren Umgebung des Fixierpunktes etwas breiter, 0,13\u20140,28 mm.\nIm Verh\u00e4ltnisse zu den f\u00fcr die Peripherie der Netzhaut geltenden Zahlen scheinen mir aber die von mir gesehenen Maschen zu grofs, um sie f\u00fcr korrespondierend mit dem angef\u00fchrten Netzhautkapillarnetze zu halten. Es ist deshalb aber nicht ausgeschlossen, dafs aufser den gemessenen auch noch weitere Netze von Vorkapillaren bestehen, welche die Grundlage f\u00fcr mein entoptisches Ph\u00e4nomen lieferten.\nDem Kapillametz der Choriokapillaris k\u00f6nnen die von mir gesehenen Maschen (und auch wohl die von Zehendek beschriebenen und gezeichneten) nicht entsprechen, wie ein Blick auf die von Passeba. s gegebene Abbildung der Choriokapillaris sofort lehrt.\nLebeb gibt folgende Mafse an:\nam \u00c4quator 0,01 \u2014 0,03 mm 0,006\u20140,02 \u201e 0,036\u20140,11 \u201e\nam Optikuseintritt 0,012-0,02 mm\n0,003-0,018 \u201e\nWeite der Kapillaren Breite der Maschen \\ Lange \u201e\t\u201e\t>\nEs erhellt hieraus, dafs die Kapillaren der Choriokapillaris im Verh\u00e4ltnis zur Gr\u00f6fse der von ihnen eingeschlossenen Maschen sehr breit, ja in der Gegend der Macula sogar noch breiter als die Maschen sind. Dies Verhalten stimmt aber keineswegs mit dem von mir beobachteten Ph\u00e4nomen \u00fcberein.\n1 Nuel. Vascularisation de la macula. Arch. d. Opthalm. (16), S. 173.\n*\tF. Dimmer. Beitrag zur Anatomie und Physiologie der Retina des Menschen. 1894.\n*\tPasseba Erc. La rete vascol. sang, della membrana coriocap. doll' uomo. Ricerche fatte nel Labor, di Anatom, norm, della R. Univ. di Roma. (5). S. 133\u2014167. 1896. Siehe auch in Lebbbs zitierter Monographie in Gr\u00e4pb-Sabmisch Handb.\nZeitschrift fUr Psychologie 39.\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nJtobert Stigler.\nOb also ein Gef\u00e4fsnetz d\u00e9r Netzhaut oder ein anderes anatomisches Gebilde die Grundlage meines Ph\u00e4nomens liefert, bin ich nicht imstande zu entscheiden.\nIch erinnere daran, dafs in der Membrana limitans interna die Kitteubetanz* 1, -welche die Grundfl\u00e4che der Basalkegel der Radi\u00e4rfa&ern aneinanderf\u00fcgt, ein h\u00f6chst zierliches Netzwerk von unregelm\u00e4\u00dfigen Maschen bildet. \u00dcber ihre event. Beziehung zu meinem Ph\u00e4nomen wage ich keine Meinung aufzustellen.\nBei den angef\u00fchrten entoptischen Versuchen habe ich auch folgendes sehr verwandte, ganz paradox scheinende Ph\u00e4nomen gefunden. Wenn ich unt\u00e8r den genannten Umst\u00e4nden, also mit wohl ausgeruhten Augen bei blauem, wolkenfreien Himmel nach einem kurzen Gang im Freien am Morgen in ein weifses, helles Stiegenh\u00e4us-kam, welches vom Tageslicht beleuchtet war, dann die Augen bchlofs und pl\u00f6tzlich gegen die helle Wand \u00f6ffnete, so erschien mir die Aderfigur, aber nicht schwarz, als Schattenbild, wie zu erwarten, sondern helleuchtend, jedoch blitzartig, also geradeso wie das Schattenbild, nur als dessen Negativ. Ich wiederholte dies einigemal hintereinander durch Schliefsen und \u00d6ffnen des Auges, bald aber wendete sich das Spiel, und es trat an Stelle des leuchtend hellen Netzhautgef\u00e4fsbildes das dunkele Schattenbild derselben wieder in seine Rechte, wie man es immer leicht sieht, wenn man die geschlossenen Augen pl\u00f6tzlich vor einer weifsen Wand \u00f6ffnet, was schon Aubebt bekannt war.\nDiese Erscheinung erw\u00e4hne ich hier wegen ihrer offenbaren Verwandtschaft mit der erst beschriebenen; sie ist aber schon vor mir von J. M\u00fclles s und von Mayebhausen 8 beobachtet und beschrieben worden. Ersterer sah sie, als er nach dem Ersteigen einer Treppe in einen dunkelen Raum trat, ferner nach dem Untertauchen des Kopfes beim Baden ; Mayebhausen sah sie, als er m\u00fcde und hungrig nach einem Spaziergang im Freien in ein dunkeles Gemach trat. Von beiden Autoren wurde also dies Ph\u00e4nomen auch unter den Bedingungen wahrgenommen, da\u00fc sie pl\u00f6tzlich auB dem Freien in einen d\u00fcsteren Raum traten.\n1 Mikroskopische Anatomie der Sehnerven und der Netshaut von Prof. Gbikit in Berlin. Gk\u00e4tb-Sashisch Handb. 21. u. 22. lief. 1000.\n1 J. Mnn.HK, Handbuch der Physiologie der Menschen. 1840. S.- 380. * G. MAtXKHAtrsxs. Beitrag zur Kenntnis der Photopsien in der Umgebung des Fixierpunktes. Arch. f. Ophthalm. 28 (4), 6. 199. 1888.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Eine neue subjektive \u00dfesichtserscheinung.\n339\nJ. M\u00fclleb und Maxebhausen halten beide diese Erscheinung f\u00fcr eine Druckphotopsie, durch die praller gef\u00fcllten Retinal-gef\u00e4ise veranlagt.\nIch mufs demgegen\u00fcber hervorheben, dafs eine Blutdruck-Steigerung in diesem wie in dem oben erw\u00e4hnten \u00e4hnlichen Falle m\u00f6glich, aber nicht erwiesen ist, dafs vielmehr die Blutdrucksteigerung allein sicher zur Erkl\u00e4rung nicht ausreicht.\nEs ist unerl\u00e4fslicb, hier an ein von S. Exneb 1 beschriebenes Ph\u00e4nomen zu erinnern.\nS. Exner sah die Aderfigur immer silbergl\u00e4nzend aufblitzen, wenn er von einer hell beleuchteten Fl\u00e4che pl\u00f6tzlich ins Dunkele blickte. Auch ich habe mich von der Erscheinung unz\u00fchlige-mal \u00fcberzeugt.\nDie fr\u00fcher beschriebene paradoxe Gef\u00e4fslichtfigur blitzt aber gerade dann auf, wenn ich die geschlossenen Augen pl\u00f6tzlich gegen die m\u00e4lsig helle Wand \u00f6ffne.\nF\u00fcr das ExNEBsche Ph\u00e4nomen scheint mir die fr\u00fcher gegebene Erkl\u00e4rung der hellen Aderfigur als negatives Nachbild des Gef\u00e4fsschattens am wahrscheinlichsten. Die obige Erscheinung, bei welcher die helle Aderfigur auf m\u00e4fsig hellem Grunde auf blitzt, kann sich wohl teilweise auch als negatives Nachbild, teilweise als Druckph\u00e4nomen infolge von funktioneller Hyper\u00e4mie erkl\u00e4ren. In der Tat verh\u00e4lt sie sich in bezug auf die Eigenschaft durch Blinzeln aufgefrischt zu werden, \u00e4hnlich einem Nachbild. Durch das rasche Schliefsen und \u00d6ffnen des Lides wird n\u00e4mlich dieselbe Wirkung ausge\u00fcbt, und das Ph\u00e4nomen l\u00e4lst sich so lange reproduzieren, bis die Stimmungsunterschiede aller Netzhautpartien sich wieder ausgeglichen haben. Von diesem Augenblicke an aber reagiert die Netzhaut auf das von der weifsen Wand reflektierte Licht wieder mit dem Gef\u00e4fs-schattenbilde.\nEs fragt sich nur, warum im zweiten Ph\u00e4nomen nur die hellen Netzhautgef\u00e4fsbilder und nicht auch das feine Netz gesehen wird, ferner warum hier die Erscheinung blitzartig ist und im ersten Falle nicht, sondern ziemlich stabil. Ich denke mir folgende Erkl\u00e4rung. Bei dem netzf\u00f6rmigen Ph\u00e4nomen scheint\n1 S. Exhbb. \u00dcber einige neue subjektive Gesichtserscheinungen. Pfl\u00fcgers Archiv. 1. 1868. 8. 378. Anm.\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nRobert Stigler.\nmir der Ausgleich der Stimmungen der benachbarten Netzhautpartien verz\u00f6gert zu sein. Nach Helmholtz m\u00fcfste ich sagen: es dauert hier l\u00e4nger, bis die Farbe des induzierten Feldes gleich der des induzierenden wird. Im zweiten Ph\u00e4nomen findet dieser Ausgleich rascher statt, und daher ist die Erscheinung blitzartig und auch im ganzen (Summe der Reproduktionen) k\u00fcrzer als bei dem Auftreten der Netzfigur. Diese letztere kommt in II vielleicht auch nur deshalb nicht zur Erscheinung, da sie ja ein viel zarteres Bild gibt als die Netzhautgef\u00e4fse.\nZum Schl\u00fcsse m\u00f6ge es mir gestattet sein, Herrn Hofrat S. Exner f\u00fcr die mir gebotenen wertvollen Anregungen und die freundliche Unterst\u00fctzung meiner Arbeiten meinen geb\u00fchrenden Dank zu zollen.\n(Eingegangen am 3. M\u00e4rz 1905.)","page":340}],"identifier":"lit32019","issued":"1905","language":"de","pages":"332-340","startpages":"332","title":"Eine neue subjektive Gesichtserscheinung","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:30:03.494227+00:00"}