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{"created":"2022-01-31T15:37:06.655692+00:00","id":"lit32022","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Seashore, C. E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 448-450","fulltext":[{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nDie Aufmerksamkeitsschwankungen.\nVon\nC. E. Seashobe.\nThe State University of Jowa.\nIm 37. Bande dieser Zeitschrift (S. 363\u2014376) versucht Herr Bebtil Hammeb, die wohlbekannten Aufmerksamkeitsschwankungen hinwegzuerkl\u00e4ren, indem er sie in das Bereich der peripheren physiologischen Vorg\u00e4nge und physischer Fehlerquellen im Reize verweist. Verf. beschreibt und kritisiert die bisherigen Methoden und Resultate und berichtet dann \u00fcber zwei Versuchsreihen, eine auf dem Gebiet des Gesichtssinnes, die andere auf dem des Geh\u00f6rssinnes.\nDer Gegenstand der Aufmerksamkeit in den visuellen Versuchen war ein ebenmerklicher Unterschied in der Helligkeit zweier nebeneinander gelegten grauen Papierstreifen. Dieser Versuch bewirkte deutlich retinale Erm\u00fcdung, Lokaladaptation und Fixations\u00e4nderungen. Verf. ist der Meinung, dafs die sogenannten Aufmerksamkeitsschwankungen f\u00fcr den Gesichtssinn auf diesen Bedingungen beruhen \u2014 dafs sie nichts anderes sind als periphere physiologische Ph\u00e4nomene.\nEr gibt zu, dafs kein entscheidender Versuch f\u00fcr den Gesichtssinn gemacht werden kann, wegen der Unbest\u00e4ndigkeit der physiologischen Vorg\u00e4nge, und wendet sich zum Geh\u00f6rssinn. Hier kritisiert er mit Recht die oft angewandten Methoden und beschreibt dann einen neuen Apparat. Dieser besteht aus einem elektromagnetischen Hammer in einem elektrischen Stromkreis mit einem Metronom. Die Geschwindigkeit des Metronoms ist nicht angegeben, die N\u00e4he des Schalles an der Empfindungsschwelle ebenfalls nicht; auch ist die Dauer der Versuche nicht erw\u00e4hnt. Aber die Schlufsfolgerung lautet, dafs der \u201eSchall mit unver\u00e4nderter Intensit\u00e4t empfunden wurde\u201c. Und auf Grand","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aufmcrktamkeitsschtoankungen.\n449\ndieser Tatsache zieht Verf. den weiteren Schlufs: \u201edeswegen d\u00fcrfen wahrscheinlich diejenigen Fluktuationen, die bei anderen Sinnen Vorkommen, von extra - attentionaler Natur sein\u201c.\nM\u00f6ge es mir erlaubt sein, folgende Kritik dieser Schlufs-folgerungen auszusprechen.\n1.\tDie Versuche der visuellen Schwankungen ergeben nichts Neues. Die wichtige Rolle der genannten und anderer physiologischer Momente ist wohlbekannt. Und die Annahme, dafs zentrale Fluktuationen nicht vorhanden sind, kann nicht als eine berechtigte Schlufsfolgerung aus dem Experiment betrachtet werden.\n2.\tUnter den angegebenen Bedingungen der Schallversuche h\u00e4tte ich das berichtete Resultat Vorhersagen k\u00f6nnen. Der Reiz war kein ununterbrochener Schall, sondern eine von den Schl\u00e4gen des Metronoms regulierte Schallreihe. Da die Geschwindigkeit des Metronoms nicht angegeben ist, so d\u00fcrfen wir annehmen, dafs sie eine mittlere war, z. B. ein Schlag pro Sekunde. Wegen der Regelm\u00e4fsigkeit seines Vorkommens wurde das Eintreffen des Schlages vorausgesehen; die Aufmerksamkeitswelle pafste sich bald dem Vorg\u00e4nge an. Ein momentaner scharfer Kamm einer Aufmerksamkeitswelle bestand beim Eintreten jedes Schlages, und zwischen den einzelnen Schl\u00e4gen fand systematische Abspannung und Erleichterung 6tatt. Die Deutung, welche der Verfasser den erzielten Resultaten gibt, ist g\u00fcltig, insoweit sie sich auf eine fest bestimmte Schwellenzeit, z. B. 3,8 Sek. bezieht, aber niemand verteidigt gegenw\u00e4rtig eine solche Annahme. Die Aufmerksamkeitswelle ist plastisch. Ohne Zweifel war in diesen Versuchen eine Welle f\u00fcr jeden Schall vorhanden. Will man dies bezweifeln, so vergr\u00f6fsere man die Geschwindigkeit etwa auf f\u00fcnf Schl\u00e4ge pro Sekunde, und man wird beobachten, dafs, wenn die Folge der Schalle zu schnell ist, um die Anpassung der Aufmerksamkeitswelle zu erm\u00f6glichen, die Schwankungen in der Intensit\u00e4t des Schalles hervortreten.\n3.\tIn bezug auf die Behauptung des Verfassers, dafs alle bisher gebrauchten Schallreize unzuverl\u00e4ssig waren, um das wirkliche Bestehen der Welle zu konstatieren, erlaube ich mir auf ein Experiment hinzuweisen, welches ich als Vorarbeit zu den vor kurzem berichteten Versuchen1 machte.\n1 Seashore and Kent: \u201ePeriodicity and Progressive Change in Continuous Mental Work\u201c, Univ. of Iowa Studies in Psychology 4, 46\u2014101. 1905.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 89.\t29","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nC. E. Seashore.\nIch gebrauchte einen Runne - Chronometer, der F\u00fcnftel-Sekunden schlug, und stellte Versuche an mit 55 Studenten, welche soeben das Studium der Psychologie begonnen hatten und vermutlich nichts von Aufmerksamkeitswellen wufsten. Be sondere Sorge wurde darauf verwandt, Suggestion der Wellen in vermeiden. Den betreffenden Studenten war der Zweck des Experiments unbekannt und die Resultate wurden bis nach Vollendung der ganzen Versuchsreihe geheim gehalten. Zwei Ergebnisse dieser Reihe m\u00f6gen erw\u00e4hnt sein: 1. Eine jede der Versuchspersonen verzeichnete die gew\u00f6hnlichen Schwankungen; und 2. in diesen Ergebnissen war kein Anzeichen einer gemeinschaftlichen objektiven Basis der Schwankungen : d. h., sie folgten keiner periodischen \u00c4nderung des Chronometers.\nDaher schliefse ich, dafs Herr Hammer nicht gerechtfertigt ist in seiner Folgerung, dafs kein bisher gebrauchter Chronometer gen\u00fcgend konstant f\u00fcr diesen Zweck sei. Die Aufmerksamkeitsschwankungen existieren und sind sehr deutlich. Wir k\u00f6nnen nicht zu kritisch und vorsichtig sein in der Handhabung unserer Reize, und deshalb habe ich diese Experimente angestellt, welche gleichzeitig Pr\u00fcfungen des Apparats und statistische Pr\u00fcfungen der Beobachter erm\u00f6glichten.\n4.\tWenn Verf. sein Experiment lange genug fortgesetzt h\u00e4tte, so w\u00fcrde er bald Schwankungen gefunden haben, sogar in dem Schalle, den er gebrauchte ; denn es gibt l\u00e4ngere Wellen, \u201eMinuten-Wellen\u201c, bei solchen Beobachtungen.\n5.\tDie Bedingungen, welche er beschreibt, fordern die T\u00e4tigkeit der aktiven Aufmerksamkeit, und in psychologischen Experimenten kennt jedermann die verdriefsliche Tatsache, dafs die aktive Aufmerksamkeit nicht lange konstant gehalten werden kann. Die \u201ereine Ton\u201c-Versuche von Heinrich und Titchexeb scheinen damit im Widerspruch zu stehen, diese sind aber bis jetzt noch nicht erkl\u00e4rt worden.\n(Eingegangen am 2. Mai 1905.)","page":450}],"identifier":"lit32022","issued":"1905","language":"de","pages":"448-450","startpages":"448","title":"Die Aufmerksamkeitsschwankungen","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:37:06.655698+00:00"}