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{"created":"2022-01-31T15:22:05.461278+00:00","id":"lit32027","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Feilchenfeld, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 35: 1-7","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"1\n(Aus der physikalischen Abteilung des physiologischen Instituts\nder Universit\u00e4t Berlin.)\n\u00dcber die Sehsch\u00e4rfe im Flimmerlicht.\nVon\nDr. H. Feilchenfeld.\nWenn man zwischen dem Auge und dem Sehobjekte Scheiben aus undurchsichtigen und durchsichtigen Sektoren ^rotieren l\u00e4fst, so k\u00f6nnen diese Scheiben die Wahrnehmung der Objekte in dreierlei Weise beeintr\u00e4chtigen: 1. bei schnellster Rotation durch Herabsetzung der Gesamthelligkeit, 2. bei langsamer Rotation durch Verk\u00fcrzung der Expositionszeit des Objekts, indem der schwarze Sektor sich schon wieder vor das Auge schiebt, bevor noch die Wahrnehmung gelungen ist. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es aber 3. eine mittlere Geschwindigkeit der rotierenden Scheibe, durch die das eigent\u00fcmliche Gef\u00fchl des Flimmems hervorgerufen wird; und dieses Gef\u00fchl bringt eine neue, eigenartige Beeintr\u00e4chtigung der Gesichtswahrnehmung mit sich. Diese dritte Form der Sehst\u00f6rung bildet den Gegenstand der folgenden Untersuchung.\nDie Versuchsanordnung gestaltete sich einfach. Das Auge war 10 Meter von den Sehproben entfernt. Als Sehproben wurden Snellen sehe Haken aus den \u201e Optotypi Pfl\u00fcger\u201c benutzt, jedoch so, dafs auf der Mitte eines weifsen quadratischen Kartons immer nur ein schwarzer Haken aufgetragen war. Der Karton, und somit auch der Haken konnte nach jeder der vier Richtungen beliebig geh\u00e4ngt werden. Die Beleuchtung des Quadrats geschah im auffallenden Licht und zwar durch sechs 25kerzige, drei 16 kerzige Gl\u00fchlampen. Sp\u00e4ter wurde die Be-leuchtungsintensit\u00e4t modifiziert. Beobachtet wurde monokular,\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 85.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nJS. Feilchenfcld.\nund zwar ausschliefsHch mit meinem linken Auge. Von einer Fixation des Kopfes durch Beifsbrettchen konnte man absehen, da f\u00fcr eine absolute Ruhelage ja kein Grund vorliegt. Es empfiehlt sich vielmehr eine m\u00f6glichst bequeme Lagerung des Kopfes. Ich hielt denselben zwischen beiden H\u00e4nden, w\u00e4hrend die Ellbogen sich fest auf den Tisch st\u00fctzten. Das Auge war unbeweglich auf die Sehprobe gerichtet 20 cm vor dem Auge rotierte die Metallscheibe, auf der ein schwarzer Quadrant mit einem durchsichtigen abwechselte. Die Scheibe wurde durch einen exakt gleichm\u00e4fsig laufenden Motor getrieben, die Variation der Umdrehungen durch Einschaltung von Widerst\u00e4nden und \u00c4nderungen der \u00dcbertragung bewirkt. Der Untersuchungsraum war im \u00fcbrigen dunkel. Ein Haken wurde als richtig erkannt betrachtet, wenn in einer Reihe von zehn nacheinander erfolgten Pr\u00fcfungen sich nicht mehr als zwei Fehler befanden, resp. die ersten f\u00fcnf Pr\u00fcfungen richtig ausfielen.\nW\u00e4hrend der Pausen zwischen den Untersuchungsreihen blieb das Auge der leuchtenden Fl\u00e4che zugewendet, so dafs der zur Beobachtung dienende Netzhautteil dauernd in einem ziemlich gleichm\u00e4fsigen Zustande mittlerer Helladaptation sich erhielt.\nI.\tVisus ohne Kreisel = 1,75.\n\tUmdrehungen des Kreisels in der Minute\tVisus\n1.\t1500\t1,75\n2.\t1200\t1,75\n3.\t900\t1,5\n4.\t600\t1,5 ?\n5.\t300\t1,5?\n6.\t120\t1,5\n7.\t60\t1,75\nDiese Feststellungen sind das Ergebnis von je drei Untersuchungsreihen, die an aufeinander folgenden Tagen ausgef\u00fchrt sind. \u00dcber 1. die Drehgeschwindigkeit zu erh\u00f6hen, hatte keinen Zweck; denn schon bei 1500 Umdrehungen \u201eflackerte\u201c es nicht mehr. Ebenso hatte sich bei 7. das Flackern verloren. Den H\u00f6hepunkt erreichte es bei 4. und 5., wo auch die Sehst\u00f6rung am gr\u00f6fsten war. Zur Beobachtung wurde beliebig lange Zeit gew\u00e4hrt. Auf diese Weise wurde die eingangs erw\u00e4hnte, bei","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Sehsch\u00e4rfe im Flimmerlicht.\n3\nlangsamer Rotation sich ergebende Ursache zur Sehst\u00f6rung \u2014 Verk\u00fcrzung der Expositionszeit \u2014 ausgeschaltet; denn wenn ich bei einmaligen Vor\u00fcbergehen der Scheiben \u00d6ffnung den Haken nicht erkannte, so konnte ich doch durch Summierung der Eindr\u00fccke zu einem richtigen Urteil gelangen. In der Tat erforderte bei 6. die Wahrnehmung 10 Sekunden und bei 7. 20 Sekunden. Aus den Resultaten 1. und 2. geht andererseits hervor, dafs bei der gew\u00e4hlten Beleuchtungsst\u00e4rke der erste Faktor \u2014 die Herabsetzung der Gesamthelligkeit \u2014 gar nicht in Betracht kommt; denn der vor dem Auge rotierende Kreisel beeintr\u00e4chtigte die Sehleistung nicht in einem durch unsere Methode feststellbaren ' Masse,\nEine Herabsetzung der Beleuchtung auf die H\u00e4lfte (drei 25kerzige, zwei l\u00dfkerzige Gl\u00fchlampen) ergibt schon etwas andere Resultate :\nII.\tVisus ohne Kreisel = 1,75.\n\tUmdrehungen\t\tZur Beobachtung\t\n\tin der\tVisus\tgeforderte\t\n\tMinute\t\tZeit\t\n1.\t1500\t1,5\t2 Sek.\t\n2.\t1200\t1,6\t2\t\u00ab\n3.\t900\t1,25\t3\tn\n4.\t600\t1,25\t3\tn\n5.\t300\t1,25 ?\t5\tn\n6.\t120\t1,0\t8\tr>\n7.\t60\t1,25\t60\tn\n8.\t30\t1,5\t15\t\u00bb\nDafs die Sehleistung auch jetzt ohne Kreisel noch die normale H\u00f6he hat, stimmt mit unserer ersten Feststellung vollkommen \u00fcberein; denn dort war die Sehleistung noch normal, wenn der Kreisel sich mit der gr\u00f6fsten Geschwindigkeit drehte und so durch seine beiden schwarzen Quadranten eine Herabsetzung der Gesamthelligkeit auf 1ji bewirkte. Hier wird dieselbe Herabsetzung durch Abschw\u00e4chung der Beleuchtungsquelle erzielt. Wird nun die Verdunkelung durch den Kreisel noch fortgesetzt, so sinkt die Sehleistung auf 1,5. Dieser Verlust ist offenbar allein auf den ersten Faktor \u2014 Herabsetzung der Ge-samthelligkeit \u2014 zur\u00fcckzuf\u00fchren, wie aus einem Vergleich der\nVersuchsreihen I und II hervorgeht. Graphisch dargestellt\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nH. Fc\u00fcchtnftld.\n(Figur 1) ergeben beide Reihen ziemlich parallel verlaufende Kurven, nur dafs die Sehsch\u00e4rfen in Reihe II um etwa 1/4 hinter denen in Reihe III Zur\u00fcckbleiben. Hatte sich nun in Reihe I bei den Geschwindigkeiten 1. und 2. das Flackern noch gar nicht als die Sehsoh\u00e4rfe herabsetzendes Moment bemerkbar gemacht, so kann in Reihe II f\u00fcr die Herabsetzung der Sehkraft, die bei den Geschwindigkeiten 1. und 2. gefunden wird, nur die Verringerung der Beleuchtung als solche, nicht aber das Flackern in Betracht kommen; denn es ist bekannt, dafs bei schwacher Beleuchtung das Flackern sogar schon bei einer geringeren Drehgeschwindigkeit a\u00fcfh\u00f6rt, als sie bei erh\u00f6hter Beleuchtung erforderlich sein w\u00fcrde.\nFi*. 1.\n1 Sehsch\u00e4rfe bei starker Beleuchtung, la dasselbe bei fortgesetzter Beobachtungsdauer. II Sehsch\u00e4rfe bei schwacher Beleuchtung. Ordinaten bilden die Sehsch\u00e4rfen, Abszissen bilden die Umdrehungszahlen\nder Scheibe in der Minute.\nAndererseits mufs man a priori voraussetzen, dafs nach unten hin, d. h. durch Verlangsamung der Drehgeschwindigkeit das Flackern bei schwacher Beleuchtung sp\u00e4ter zum Verschwinden gebracht wird als bei starker; denn das Gef\u00fchl des Flaokems h\u00f6rt auf, wenn der Einzeleindruck scharf genug als isolierter wahrgenommen wird. Das wird aber bei schwacher Beleuchtung erst nach gr\u00f6fserer Verlangsamung der Drehgeschwindigkeit, d. h. l\u00e4ngerer Exposition des Objekts zutreffen. So hatte ich jetzt bei 60 Drehungen in der Tat noch das Gef\u00fchl des Flaokems und erst bei 30 Drehungen h\u00f6rte dasselbe auf.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Sehsch\u00e4rfe im Flimmerlicht.\n5\nIeh babe dann noch Beobachtungsreihen mit 2 X 25 herziger und 2 x 16 herziger Beleuchtung aufgenommen, die ganz denselben gesetzm\u00e4fsigen Verlauf zeigten.\nDas Verh\u00e4ltnis verschiebt sieh aber nat\u00fcrlich, sobald man die Beobachtungsdauer auf eine bestimmte Frist beschr\u00e4nkt. Ich habe als solche 5 Sekunden festgesetzt. Man erh\u00e4lt dann folgende Reihen bei den entsprechenden Beleuchtungen wie in\nReihe I und II.\t\t\nIa.\tl.\t1500\t1,75\n2.\t1200\t1,75\n3.\t900\t1,5\n4..\t600\t1,5\n5.\t300\t1,0\n6.\t120\t1,0\n7.\t60\t1,0?\n8.\t30\t1,75\nII a.\tl.\t1500\t1,5\n2.\t1200\t1,5\n3.\t900\t1,25\n4.\t600\t1,25\n5.\t300\t1,0\n6.\t120\t1,0\n7.\t60\t1,0\n8.\t30\t1,5\nFs schliefst sich also an die Herabsetzung der Sehleistung durch Flackern unmittelbar die durch verk\u00fcrzte Exposition bewirkte Herabsetzung an. Pie Differenz, welche zwischen den. Reihen Ia und Ha und den Parallelreihen I und n besteht, bringt den letzteren Faktor eindeutig zum Ausdruck.\nDie Untersuchungen von Lakd - Fbanklin und Guttmann1 haben gezeigt, dafs die zentrale Sehsch\u00e4rfe durch Schleier in geaetzm\u00e4fsiger Weise herabgesetzt wird. W\u00e4hrend die Herabsetzung der Gesamthelligkeit l\u00e4ngst als ein die Sehleistung beeinflussendes Moment erkannt ist, zeigte sich jetzt, dafs andere, gleichzeitig im Sehfelde erscheinende Objekte, wie sie doch die Konturen eines Schleiers darstellen, ebenfalls die Wahrnehmung des eigentlich beobachteten Objektes erschweren. Es ist nicht au bezweifeln, dafs hier Gr\u00fcnde physikalischer und psyoho-\n1 Zeitschr. f. Psychol. &1, S. 248.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nH. Fe\u00fcchenfeld.\nlogischer Natur mafsgebend sind. Erstere bestehen darin, dafs Sehprobenteile durch Schleierteile verdeckt werden und so Teile des Sehobjektes, welche f\u00fcr die Beurteilung des ganzen wichtig sind, der Wahrnehmung sich entziehen. Letztere k\u00f6nnte man als eine Art \u201eWettstreit der Sehfelder\u201c bezeichnen, nur dafs die Sehfelder, die sonst als Halbbilder jedem Auge einzeln dargeboten werden, hier beiden Augen sichtbar sind. Aber das eigent\u00fcmliche Gef\u00fchl, dafs zwei verschiedenartige Gesiehtsobjekte die Wahrnehmung gleichzeitig besch\u00e4ftigen und auB diesem Grunde miteinander in Konkurrenz treten, bleibt dasselbe. Diesen Versuchen gegen\u00fcber hoffte ich durch die Pr\u00fcfung an der rotierenden Scheibe insofern eine Verfeinerung zu erzielen, als sie den ersten physikalischen Faktor eliminieren und das Problem als ein rein psychologisches hinstellen sollte. Hier wird kein Sehprobenteil auf die Dauer der Wahrnehmung entzogen; das ganze Objekt findet Gelegenheit sich auf der Netzhaut abzubilden.\nWer jedoch die Versuche sowohl mit dem Schleier als mit der rotierenden Scheibe ausf\u00fchrt, wird sich durch Selbstbeobachtung \u00fcberzeugen, dafs die beiden Versuche nicht in diesem Sinne in Parallele gestellt werden d\u00fcrfen, der psychologische Faktor vielmehr beide Male ein wesentlich verschiedener ist. Bei den Schleierversuchen ist es ein ruhendes, wenn auch dadurch, dafs die Akkomodation auf den Schleier nicht eingestellt ist, mehr oder weniger verwaschenes Bild, welches auf der Netzhaut entworfen wird. Dieses kann in der Konkurrenz mit dem beobachteten Objekt sich leichter behaupten und dessen Wahrnehmung beeintr\u00e4chtigen als ein bewegtes. In der Tat setzt der Schleier die Sehleistung mehr herab als die Scheibe. Bei derselben Beleuchtungsintensit\u00e4t betrug, wenn der Schleier 20 cm vom Auge entfernt aufgestellt wurde, mein Visus 0,5 (Horizontallage des Schleiers) und 1,25 (Diagonallage des Schleiers). Die rotierende Scheibe aber setzte die Sehsch\u00e4rfe bei 20 m Entfernung des Auges nur auf 1,5 bis 1,5? herab. Es best\u00e4tigt sich also, dafs bewegte, gleichzeitig im Sehfelde erscheinende Objekte die Wahrnehmung weniger st\u00f6ren als ruhende. Andererseits bewirken sie aber ein neues eigenartiges Gef\u00fchl des \u201eFlimmerns\u201c, welches die Wahrnehmung begleitet und sich sehr l\u00e4stig bemerkbar macht. Wie weit dieses Gef\u00fchl an sich schon sehst\u00f6rend wirkt, k\u00f6nnte man durch Parallelversuche feststellen,","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Sehsch\u00e4rfe im Flimmerlicht.\n7\nin denen das Flimmern nicht durch eine rotierende Scheibe, sondern durch Intermittieren der Beleuchtung bewirkt wird, sei es im auffallenden, sei es, was experimentell sich sehr einfach gestalten w\u00fcrde, im durchfallenden Lichte. Diese Frage w\u00fcrde also einer weiteren Untersuchung Vorbehalten bleiben.\nZum Schl\u00fcsse spreche ich Herrn Professor Nagel f\u00fcr die Anregung zu dieser Arbeit, sowie seine mannigfachen Ratschl\u00e4ge meinen ergebenen Dank aus.\n(Eingegangen am 2. Dezember 1903.)","page":7}],"identifier":"lit32027","issued":"1904","language":"de","pages":"1-7","startpages":"1","title":"\u00dcber die Sehsch\u00e4rfe im Flimmerlicht","type":"Journal Article","volume":"35"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:22:05.461284+00:00"}