Open Access
{"created":"2022-01-31T16:34:53.754563+00:00","id":"lit32032","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Sternberg, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 38: 259-304","fulltext":[{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"369\nIrrt\u00fcmliches und Tats\u00e4chliches aus der Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes.\nVon\nDr. Wilhelm Stebnbebg, Arzt in Berlin.\nDie Sicherheit der sinnlichen Wahrnehmung \u00e4ufserer Objekte, die durch die unmittelbare Einwirkung der entsprechenden ad\u00e4quaten \u00e4uiseren Beize auf unsere Sinnesorgane zustande kommt, ist nicht auf allen Sinnesgebieten die gleiche, weder unter physiologischen noch unter pathologischen Verh\u00e4ltnissen. Gegen\u00fcber der Sinnesempfindung mittels der physikalischen Sinne mufs die geringe Sicherheit der sinnlichen Wahrnehmung von seiten des chemischen Sinnes sogar auffallend erscheinen, ln dieser Richtung zeichnet sich besonders der Geschmacksinn aus. Sind auch einerseits pathologische Sinnest\u00e4uschungen und Trug-wahmehmungen wie subjektive Sinneserscheinungen, Traumbilder, Erinnerungsbilder, Sinnesdelirien, Phantasmen, Halluzinationen auf keinem Sinnesgebiete so selten wie gerade auf dem des Geschmacksinnes, so kommen doch andererseits Sinnest\u00e4uschungen schon unter physiologischen Bedingungen in keinem Bereich so h\u00e4ufig und so leicht zustande wie gerade hier. Diese Tatsache hat sogar zu der sprichw\u00f6rtlichen Auffassung dieses Sinnes gef\u00fchrt, die sich nicht allein auf die eigentliche Bedeutung des Geschmackes beschr\u00e4nkt, sondern sogar auf die \u00fcbertragene Bedeutung ausdehnt, n\u00e4mlich dafs sich \u00fcber den Geschmack \u00fcberhaupt gar nicht streiten lasse. Daraus ergibt sich aber die Notwendigkeit, bei wissenschaftlichen Studien auf diesem Gebiete die M\u00f6glichkeit von Beobachtungsfehlern ganz besonders in Betracht zu ziehen, zumal aber die Genauigkeit im Urteile \u00fcber den Geschmack neuer, seltener Schmeckstoffe mit vermehrter Vorsicht und gesteigerter Aufmerksamkeit zu beachten. Andem-\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\n\u00cfVithehu Sternberg.\nfalls m\u00fcssen Schlufsfolgerungen, zumal wenn sie aus einer nur geringen Anzahl von Beobachtungen resultieren, nicht nur an sich unrichtig werden, sondern zu ganz verkehrten Vorstellungen f\u00fchren, die sogar prinzipielle Bedeutung erlangen k\u00f6nnen. Denn wenn dies einmal unwiderlegt erfolgt ist, so wird dadurch der Einblick in den Zusammenhang des Geschmackes mit den physikalisch-chemischen Bedingungen aufserordentlich erschwert. Ein solcher Fall liegt aber beim Vergleich von einigen Verbindungen vor, welche zu den interessantesten aller Schmeckstoffe \u00fcberhaupt und zu den f\u00fcr diese Forschungen aussichtsreichsten und dankbarsten geh\u00f6ren, n\u00e4mlich zu den Stickstoff haltigen, k\u00fcnstlichen, synthetischen S\u00fcfsstoffen aus der zyklischen, sogenannten aromatischen Reihe. Da aber diese Verbindungen in hervorragendem Mafse einen ad\u00e4quaten Reiz auf das Sinnesorgan der Zunge auszu\u00fcben bef\u00e4higt sind, indem sie eine ganz enorme S\u00fcfskraft besitzen, da sie ferner mehr als alle anderen S\u00fcfsmittel recht zahlreiche , zu Geschmackspr\u00fcfungen leicht herstellbare, Derivate voraussehen lassen, ihrer chemischen Konstitution zufolge, welche mehrfach kompliziert ist gegen\u00fcber allen anderen S\u00fcfsmitteln, selbst im Vergleich mit allen anderen Schmeckstoffen \u00fcberhaupt, so mufs sich die genaueste Nachpr\u00fcfung gerade hier als besonders geeignet empfehlen. Darum m\u00fcssen auch Vergleiche \u00fcber den Geschmack homologer, isomerer oder \u00e4hnlicher Verbindungen gerade aus dieser dritten Klasse der S\u00fcfsmittel prinzipielle Bedeutung beanspruchen.\nDie interessantesten K\u00f6rper dieser Klasse sind neben dem Saccharin das in demselben Jahre1 entdeckte Dulcin und das\n1 Saccharin Fahlberg, o - Benzoes\u00e4ure Sulfinid bzw. Anhydro - Ortho-Sulfaminbenzoes\u00e4ure\nist zwar schon 1879 von Ira Reusen und C. Fahlbebg (Ber. XII, 469 : \u201e\u00dcber die Oxydation des Orthotoluolsulfamids\u201c. Ber. XX, 2275 u. 2928) entdeckt worden, erhielt aber erst 1884 den Handelsnamen \u201eSaccharin\u201c. 1884 ist Dulcin von Berlinerblau zuerst dargestellt worden.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliche\u00bb \u00ab. Tats\u00e4chliche\u00bb au* d. Physiologie de* \u00bb\u00fcfeen Geschmackes. 261\nbald darauf1 darg\u00e9stellte Glucin. Dulcin hat folgende chemische Struktur :\nund Glucin ist ein weiteres Derivat von folgendem, sogar vier Ringe tragenden Kernger\u00fcst:\nC.H\u201e-N.N\nI I\nCeH5-C.N\n)c#H4(NHs)\nH\ni*\n1 1891 -wurde das Verfahren zur Darstellung von Dulcin patentiert, 1893 dasjenige von Glucin. Patentschrift Nr. 76491. \u201eVerfahren zur Darstellung von Amidotria\u00e7inen aus Chryaoldinen durch Aldehyde.\u201c Patentiert im Deutschen Reich vom 17. X. 1893 ab. Aktiengesellschaft f\u00fcr Anilinfabrikation in Berlin. \u25a0","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nTR!Wm Sternberg.\nBetrachtet man die Komplikation der chemischen Konstitution, so ersieht man, wie gerade hier die M\u00f6glichkeit und Mannigfaltigkeit der verschiedensten Ab\u00e4nderungen zwecks Studiums der \u00c4nderungen des Geschmackes gegeben ist. Denn die Ver\u00e4nderung der Stellungen der Atome zueinander im Molek\u00fcl, in den verschiedenen isomeren Verbindungen, der Ersatz eines einzigen Atoms unter zahlreichen anderen durch ein anderes sehr \u00e4hnliches Atom, z. B. des Sauerstoffs durch den dem Sauerstoff chemisch so nahe verwandten Schwefel, mufs f\u00fcr die Eigenschaft der S\u00fcfsigkeit, welche die Aufmerksamkeit des Menschen \u00fcberhaupt erst auf den Zucker gelenkt hat, von hervorragender Bedeutung sein; dieser Umstand mufs daher zu weiterer Vertiefung in dies Gebiet als willkommene Gelegenheit dienen. Um so mehr erfordert aber die Tatsache, dafs ein derartiger S\u00fcfsstoff, der eine so ungew\u00f6hnliche S\u00fcfskraft besitzt, durch die geringste Ver\u00e4nderung bereits seine ganze S\u00fcfskraft, ja \u00fcberhaupt Beine Schmeckbarkeit v\u00f6llig einb\u00fcfst, allgemeines grunds\u00e4tzliches Interesse. Gesteigert wird dies aber noch dadurch, dafs dieser Verlust des Geschmackes nicht erst bei den chemisch nahe verwandten K\u00f6rpern eintritt, sondern sogar schon bei dem allern\u00e4chsten homologen K\u00f6rper, also bei einem \u201eBlutsverwandten\u201c ein und derselben Familie. Ehrlich hat die Behauptung aufgestellt, dafs, w\u00e4hrend das Dulcin, p-Phenetolcarbamid, (Phenetol = Phenol\u00e4thyl\u00e4ther C8H8 O C,H6), s\u00fcfs schmeckt, die genau homologe Verbindung, p-Anisolcarbamid, (Anisol = Phenol-methyl\u00e4ther C8H5-0-CHg), geschmacklos ist.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliche\u00bb \u00ab. Tats\u00e4chliche\u00bb au\u00bb i. Physiologie dt\u00bb s\u00fc\u00dfen Geschmackes. 263\nEr folgert hieraus, dafs nicht nur die S\u00fcfsigkeit, sondern die Schmeckbarkeit \u00fcberhaupt auf eine Funktion der \u00c4thylgruppe zur\u00fcckzuf\u00fchren iBt. Schon aus theoretischen1 Gr\u00fcnden glaubte ich, dieser Auffassung widersprechen su d\u00fcrfen. Diese Beobachtung erfordert aber auch noch eine tats\u00e4chliche Nachpr\u00fcfung, einmal weil die Analogie der beiden homologen Vergleichsprodukte bei der gewaltigen Differenz dieser sinnf\u00e4lligen Eigenschaft eine so aufserordentlich hervorragende ist, sodann aber auch weil, wenn diese Beobachtung zutrifft, die bisher behandelten Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und s\u00fcfsem Geschmack als widerlegt gelten m\u00fcssen.\nDer S\u00fcfsstoff Dulcin ist ein Abk\u00f6mmling des Harnstoffs, desjenigen K\u00f6rpers, welcher als Endprodukt des Eiweifs-Stoffwechsels den Hauptbestandteil des menschlichen Harns bildet. Der Harnstoff ist seiner chemischen Konstitution nach ein S\u00e4ureamid einer Aminos\u00e4ure, n\u00e4mlich der Carbamins\u00e4ure,\nCO\n/\n>\n\\\nNH,\nOH,\ndeshalb auch Carbamid geheifsen:\n/\nNH,\nCO\n\\\nNH,\nDas S\u00fcfsmittel Dulcin ist nun Harnstoff, in dem 1 Atom H durch die Phenetolgrupp\u00ab\n(Phenetol = Phenol\u00e4thyl\u00e4ther C8H5-0-CsH5)\nin dur para-Stellung ersetzt ist: Para-Pheoetoloarbamid oder Para - \u00c4thoxypbenyl - Harnstoff :\n1 Zeitschr. f. Psychol. \u00ab. Physiol, d. Sinnetorg. 1904, S. 183, 124.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nW\u00eflhdm Sternberg,\nNH -\n/\nCO\n'nh,,\nC,H*.O.CtH,(p)\nC,HS\nSomit steht also in chemischer Hinsicht der neue S\u00fcfsstoff dem altbekannten Abfallstoff aus unserem Ham sehr nahe. Was nun die Synthese beider chemisch nahe verwandter K\u00f6rper angeht, so war die bahnbrechende Synthese des Harnstoffes durch W\u00f6hles die erste organische \u00fcberhaupt, die aus anorganischem Material gelang, durch die damit der \u201eLebenskraft\u201c der letzte Todesstofs versetzt wurde. Der Harnstoff, welcher bis dahin nur als Produkt des tierischen Stoffwechsels galt, dessen Bildung nur m\u00f6glich erschien mit Hilfe einer ganz besonderen Kraft, der Lebenskraft, entstand in W\u00f6hlebs Hand aus dem Mineralsalz, dem cyansaurem Ammonium, das eine molekulare Umwandlung\nerf\u00e4hrt\tN\tNH,\n\t///\t/\n\tC\tC = 0\n\tX\t. V\n\to-nh4\tNH,\n\tAmmoniumcyanat\tCarbamid\nGenau entsprechend dieser ber\u00fchmten Synthese des Harnstoffs liefs sich ein halbes Jahrhundert spater, nach der allgemeinen Synthese substituierter: Harnstoffe,, bei Verwendung von substituierten Ammoniaken, also bei Verwendung des p-Amidophenetols,","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 265\np TT / 0*C9H\u201e(1) ___\nC\u00bbH* \\ NHj(4) \u2014\naas dem cyansauren Salz desselben\nC\u00e4Hs\n0\n\u00eeIh,\nN\n///\nc\nOHNH,C,H4-OCsH6\np-Phenetolcarbamid darstellen:\nNH - C8H40-C,H6\n/\nc = o\n\\\nNH,\nSo hat Berlinerblau aus Kaliumcyanat und p-Amidophenetol im Jahre 1884 den Para-\u00c4thoxyphenylharnstoff dargestellt. Berliner* blau beschreibt p - Phenetolcarbamid als gl\u00e4nzende Bl\u00e4ttchen vom Schmelzpunkt 160\u00b0, die in heifBem Wasser schwer l\u00f6slich sind und von Alkohol, \u00c4ther oder heifser Salzs\u00e4ure leichter aufgenommen werden. Berlinerblau erw\u00e4hnt ferner auch schon, dafs der K\u00f6rper sehr s\u00fcfs schmeckt. So wurde dieser neue S\u00f6fs-stoff gerade im selben Jahre entdeckt, in dem eben einige amerikanische Zeitungen die ersten Nachrichten \u00fcber das erste und einzige k\u00fcnstliche S\u00fcfsmittel \u00fcberhaupt, \u00fcber Saccharin, brachten, \u00fcber das einzige heutzutage \u00fcberhaupt noch zul\u00e4ssige k\u00fcnstliche S\u00fcfsmittel.\nDer Entdecker beschreibt den neuen S\u00fcfsstoff folgendermafsen :\n\u201ePara - \u00c4thoxyphenylhamstoff1\n1 Dr. J. Bkblinxkbi.au : \u201e\u00dcber die Einwirkung von Chlorcyan auf Ortho-und auf Para-Amidophenetol.\u201c Journal f prakt. Chemie, 1884, SO, S. 104. Bet d. deutsch, chem. Ges., Jahrg. 17 (1884), Beferate S. 609\u2014610.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nW\u00fchdm Sternberg.\nCO\n{ N <\nNH,\nH\nr<\\C8H4OC4H5\nEr ist fast unl\u00f6slich in kaltem Wasser, schwer in heifsem, l\u00f6slich in Alkohol, \u00c4ther und in heifser konzentrierter Salzs\u00e4ure. Der Para-\u00c4thoxyphenylhamstoff hat einen sehr s\u00fcfsen Geschmack.\u201c Dieser Eigenschaft des s\u00fcfsen Geschmackes ist anfangs eine weitere Bedeutung gar nicht beigelegt worden. Zudem w\u00e4re auch die Aussicht auf eine technische Verwertung dieses S\u00fcfs-stoffes sehr gering geblieben, einmal da das erste Herstellungsverfahren von Beblinebblau noch zu kostspielig war, aufserdem aber auch noch die Gefahr der Beimengung des zur Fabrikation erforderlichen giftigen Kaliumcyanats der physiologischen Unsch\u00e4dlichkeit hinderlich sein konnte. Diese Sachlage \u00e4nderte sich aber sofort, seitdem nun einmal durch die Erfolge des von Fahlbebg erfundenen und bald darauf fabriksm\u00e4fsig seit 1886 von der Firma Fahlbebg, List & Co. in Salbke-Westerh\u00fcsen a. Elbe dargestellten Benzoes\u00e4ure-Sulfinids, das unter dem Handelsnamen \u201eSaccharin\u201c eine ausgedehnte Verbreitung als Vers\u00fcfsungsmittel fand, die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt darauf gerichtet war, dafs die Zuckerarten durchaus nicht mehr als die Tr\u00e4ger des h\u00f6chsten Grades von S\u00fcfsigkeit angesehen werden d\u00fcrfen. So kam es, dafs Beblinebblau seine Bestrebungen darauf richtete, nunmehr auch auf anderem, einfacherem und billigerem Wege zu seinem neuen Konkurrenzmittel des Fahi.-BEBGschen Saccharins zu gelangen ; und in der Tat war Beblinsa-blau bereits 1891 imstande, ein einfacheres und billigeres Verfahren zur Darstellung dieses seines S\u00fcfsstoffes sowie der beregten homologen Anmolverbindung sich gesetzlich sch\u00fctzen zu lassen. Diese beiden K\u00f6rper und ihre Eigenschaften beschreibt der Entdecker derselben an dieser1 Stelle ausf\u00fchrlich:\n\u201eDas p-Phenetolearbamid\nOC,H,(l)\nC*H. < n / H\nx A \\ CO NH,(4)\n1 Patentschrift Nr. 63485. Dr. phil. Josef Bbbukbbblau in Sosnowice (Buss. Polen). \u201eVerfahren zur Darstellung von p-Phenetol- und p-Anisol-carbamid.\u201c Patentiert im Deutschen Reich vom 2. Juli 1891 ab. (\u00dcbertragen auf F. v. Heyden Nachf., August 1892. \u2014 Auf J. D. Rudel, Berlin, M\u00e4rz 1894.) 1892 Ber. d. deutsch, ehern. Ges. XXV. Ref. 824. {Doch ist hier nur ein Referat dieses Patentes von Beblinebblau.]","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fc\u00dfen Geschmackes. 267\nbildet eine \u00e4ufserst s\u00fcfs schmeckende und, innerlich eingenommen, gesundheitsunsch\u00e4dliche Substanz, welche deshalb als S\u00fcfsstoff eine technische Verwertung in Aussicht stellt.\u201c\n\u201eErsetzt man das p-Phenetidin durch das p-Anisidin, so erh\u00e4lt man das entsprechende, ebenfalls stark s\u00fcfs schmeckende p-Anisolcarbamid:\nC\u201eH4\nOCH,\n( N/ H x \" \\ CONHs.u\nDie nach diesem patentierten Verfahren von Berlinerblau hergestellten Verbindungen wurden zuerst von der Firma Dr. F. v. Heydens Nachf. in Radebeul bei Dresden unter dem Namen \u201eSucrol\u201c in den Handel gebracht, sp\u00e4ter allein von der Firma J. D. Riedel in Berlin unter der Bezeichnung \u201eDulcin\u201c.\nBerlinerblau erw\u00e4hnt aber auch noch weitere analoge Derivate von s\u00fcfsem Geschmack. \u201eDie Amidoderivate dieser Carbamide, welche man erh\u00e4lt, wenn man diese Carbamide zu dem Mononitroderivat nitriert und durch Reduktion mit Zinn und Salzs\u00e4ure in die Amidoverbindung \u00fcberf\u00fchrt, zeigen ebenfalls s\u00fcfsen Geschmack.\u201c\nIn welcher Stellung sich die neue Amidogruppe befindet, ist damals nicht festgestellt worden, wie mir auf eine briefliche Anfrage Dr. J. Beblinerblau (27. IX. 1904) freundlichst mitteilt.\nMehrfach wurde nun die Darstellung der beiden beregten homologen Verbindungen vereinfacht, und das Verfahren gesetzlich gesch\u00fctzt.\nThoms 1 hatte das symmetrische Di-Para-Phenetolcarbamid dargestellt,\nNHCeH4-OCsHs\n/\nc = o\n\\\nNH \u2022 C\u00abHt \u2022 O \u2022 Cf H6,\nwelches geschmacklos ist. Freilich ist Di-Para-Phenetolcarbamid in Wasser nahezu unl\u00f6slich, w\u00e4hrend Mono-Para-Phenetolcarbamid in 800 Teilen Wasser von 15\u00b0 C, 55 Teilen Wasser von 100 UC\n1 Pharmaceut. Zentralhalle 1893 Nr. 12 8. 165 und Sitaung der Phar-maceat. Ges. im Mai 1898. Ber. d. Pharmac. Ges. Berlin. 1896. Ill, 8.136 a. 137.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nIFi\u00c4W\u00ab Sternberg\n26 Teilen Alkohol 90% l\u00f6slich ist. Nun gelang es ihm auch bald, dieses geschmacklose Di-Para-Phenetolcarbamid in das s\u00fcTse Mono-SubBtitutionsprodukt \u00fcberzuf\u00fchren. Ebenso konnte er nun auch bald zeigen, dafs das s\u00fcTse Mono-Substitutionsprodukt unter gewissen Bedingungen wieder in das Di-Substitutionsprodukt \u00fcbergehen kann. Eine der auch fabrikatorisch brauchbaren Darstellungsmethoden des Dulcins beruht auf dieser Umwandlung des geschmacklosen Di - Substitutionsproduktes1 in das einfachsubstituierte Carbamid:\nNH-C,H4.O.C,H#\tNH,\n/\t/\nCO\t+ CO\n\\\t\\\nNHC,H4-OC,H5\tNH,\nNH*\n/\n\u2014 2 CO\nXNH-C,H4.O.C,H,\nDas ist das Patentverfahren von J. D. Riedel. Patentschrift Nr. 73083, Kl. 12, \u201eVerfahren zur Darstellung von p-Phenetol-carbamid.\u201c Patentiert im Deutschen Reiche vom 30. X. 1892 ab.\nDie anderen darauf bez\u00fcglichen Patentschriften von J. D. Riedel sind :\nPatentschrift Nr. 76696, Kl. 12, J. D. Riedel, vom 30. X. 1892, \u201eVerfahren zur Darstellung von p-Phenetolcarbamid.\u201c Zusatz zu Patent Nr. 63485 vom 2. VII. 1891.\nPatentschrift Nr. 77420, Kl. 12, J. D. Riedel, \u201eVerfahren zur Darstellung von p-Phenetolcarbamid und p-Anisolcarbamid.\u201c Zusatz zum Patente Nr. 63485 vom 2. VIII. 1891. Patentiert im Deutschen Reiche vom 23. XI. 1892.\nPatentschrift Nr. 79718, Kl. 12, J. D. Riedel, \u201eVerfahren zur Darstellung von p-Phenetolcarbamid bzw. Para-Anisol-carbamid.\u201c Dritter Zusatz zum Patente Nr. 63485 vom 2. VII. 1891. Vom 21. V. 1893.\nPatentschrift Nr. 77310, Kl. 12, J. D, Riedel, \u201eVerfahren\n1 Hebmann Thoms, \u201e\u00dcber Dulcin\u201c, Naturforscher Vers, in N\u00fcrnberg 12. IX. 1893. Abteilung f\u00fcr Pharmacie und Pharm.&kognoBie,","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches \u00ab. Tats\u00e4chlichen aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 269\nzur Darstellung von p-Phenetolcarbamid.\u201c Zusatz zum Patente Nr. 73083 vom 30. X. 1892. Patentiert im Deutschen Reich vom 29. VIII. 1893.\nPatentschrift Nr. 73698, Kl. 12, J. D. Riedel, \u201eVerfahren zur Darstellung von p - Phenetolcarbamid.\u201c Patentiert vom 25. X. 1892.\nDie Patentschriften von Dr. F. v. Heyden Nachf., Radebeul-Dresden, die am 9. XII. 1893 auf J. D. Riedel \u00fcbergehen, sind folgende :\n1.\tPatentschrift Nr. 63485 vom 27. VI. 1892, \u201eVerfahren zur Herstellung von Para-Phenetolcarbamid und Para-Anisolcarbamid.\u201c Zusatz zu Patent Nr. 63485.\n2.\t\u201eVerfahren zur Darstellung von Para-Methy- bzw. Para-Ath- und Para- \u00c4thylen - Oxvphenylcarbamid\u201c, am 24. X. 1892 eingereicht.\n3.\tZusatz I zu Patent 63485, 18. XI. 1892 eingereicht, \u201eGesuch f\u00fcr ein Patentverfahren f\u00fcr Herstellung von p-Phenetolcarbamid und Para-Anisolcarbamid.\u201c\nSchliefslieh kommt noch in Betracht: die Patentanmeldung\n1.\tT 4010, Dr. E. T\u00e4uber in Berlin, \u201eVerfahren zur Darstellung von p-Anisol- bzw. p-Phenetolharnstoff\u201c, vom 18.1. 1894, und\n2.\tT 4179, KI. 12, Dr. E. T\u00e4uber in Berlin, \u201eVerfahren zur Darstellung von p-Anisol- bzw. p-Phenetolhamstoff.\u201c Zusatz zur Anmeldung T 4010. Vom 15. I. 1894.\nDiese beiden homologen K\u00f6rper sind also auf die mannigfachste Weise, mehrfach, von den verschiedensten Seiten dargestellt und behandelt worden.\nEs d\u00fcrfte nun nicht ohne Interesse sein, zu verfolgen, wie die genauesten Angaben \u00fcber die Eigenschaften des Geschmackes dieser interessanten K\u00f6rper, die einzigen Angaben, die bis auf den heutigen Tag in der gesamten Literatur \u00fcberhaupt existieren, die zudem von dem Entdecker der K\u00f6rper selbst herr\u00fchren, sich allm\u00e4hlich in der Literatur ver\u00e4ndern, ja in das diametral Entgegengesetzte verwandelt werden, und zwar ohne dafs etwa irgend eine andere Darstellung dieser K\u00f6rper erfolgt w\u00e4re, ja ohne dafs selbst irgend eine Geschmacksprobe dieser Substanzen \u00fcberhaupt tats\u00e4chlich stattgefunden h\u00e4tte. Noch weniger aber entbehrt es","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nWilhelm Sternberg.\neines gewissen Interesses, zu beobachten, welche theoretischen Schlufsfolgerungen nun aus diesen theoretischen, ganz willk\u00fcrlichen Ver\u00e4nderungen der Angaben des Geschmackes bei tats\u00e4chlich unterlassenen Geschmackspr\u00fcfungen gezogen werden und alsdann sich einb\u00fcrgern.\nKossel 1 berichtet im April 1893 \u00fcber Dulcin, welche Substanz ihm im November 1892 von du Bois-Reymokd zur Untersuchung \u00fcbergeben war, folgendermafsen :\n\u201eMan k\u00f6nnte auf den Gedanken kommen, dafs die Entdeckung zweier Stoffe, denen die Erregung s\u00fcfsen Geschmackes in so hervorragendem Mafse eigen ist\u201c \u2014 diese Bemerkung Kossels bezieht sich auf das von ihm eben zuvor besprochene Saccharin und auf das Dulcin \u2014 \u201eimstande sei, uns eine Beziehung zwischen der Konstitution oder den physikalischen Eigenschaften und ihrer S\u00fcfskraft zu offenbaren, aber bisher haben sich derartige Gesichtspunkte nicht auffinden lassen. Selbst die n\u00e4chsten chemischen Verwandten des Dulcins sind nicht s\u00fcfs; ersetzt man z. B. die \u00c4thoxylgruppe durch eine Methoxylgruppe, so entsteht ein Homologes des Dulcins, welches nur sehr geringe oder gar keine S\u00fcfskraft besitzt.\u201c\nDas Urteil, eine Qualit\u00e4t \u2014 und sei sie auch von noch so geringer Intensit\u00e4t \u2014 zu konstatieren, kann nimmermehr mit dem Urteil identisch gemacht werden, diese Qualit\u00e4t einfach aus-zuschliefsen. Diese Kombination von diametral entgegengesetzten Urteilen ist nur auf dem Gebiete des Geschmackssinns noch m\u00f6glich, wo dies tats\u00e4chlich immer noch beliebt wird. Denn auf dem Gebiet des Farbensinnes, des Geh\u00f6rsinnes, des Geruchsinnes ist dies nicht im entferntesten auch nur denkbar. Es kommt eben auch hier alles darauf an, im gegebenen Falle zu urteilen, ob die Qualit\u00e4t des s\u00fcfsen Geschmackes vorhanden ist oder nicht. Aus den verschiedensten Gr\u00fcnden erweist es sich bei Geschmackspr\u00fcfungen ganz besonders ratsam, die Intensit\u00e4t absichtlich stets aufser Acht zu lassen. Unter den nat\u00fcrlichen S\u00fcfsstoffen par excellence, stehen sich die beiden Zucker, die Disaccharide Rohrzucker, ClgH92011, unser gew\u00f6hnliches Vers\u00fcfsungsmittel, und\n1 A. Kossel, \u201e\u00dcber das Dulcin\u201c, Verhandlungen der Physiologischen Gesellschaft zu Berlin. XI. Sitzung am 7. April 1893. du Bois - Betmokds Archiv 1893, S. 389\u2014391.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 271\nMilchzucker\tbeide die Anhydride des Traubenzuckers \\\nchemisch gewifs noch n\u00e4her als diese Methyl-CHg- und \u00c4thyl-CjHi-Berivate und sie differieren doch in der Intensit\u00e4t ihres s\u00fclsen Geschmackes aufBer ordentlich. Denn die S\u00fcfskraft des Rohrzuckers ist gegen\u00fcber der des Milchzuckers noch gr\u00f6fser als 2:1. Ebenso stehen sich doch auch die beiden Mono-saccharide Traubenzucker (Dextrose) C4Hlt0\u201e und Fruchtzucker (L\u00e4vulose) CjHjjOj chemisch noch n\u00e4her als die hier in Rede stehenden Homologen, und doch schmeckt Fruchtzucker zweimal intensiver s\u00fcfs als Traubenzucker, ja sogar noch etwas s\u00fcfser als Rohrzucker. In der Literatur findet sich stets noch die irrige Angabe, dafs Rohrzucker der s\u00fclseste Zucker ist. \u201eDie Di-\n1\tCH, (OH)\nCH (OH)\nCH\n/ CH (OH)\n0 CH (OH)\n\\ CH (OH)\n#\nTraubenzucker.\nCH, (OH)\nCH (OH)\n,CH\n/ CH (OH)\n? CH (OH)\t_\n\\ ' 0 ^ \u2022\n\\CH\tCH, (OH)\nRohrzucker.\nCH, (OH)\tCOH\nCH (OH)\tCH (OH)\n/CH\tCH (OH)\n/ CH (OH)\tCH (OH)\n? CH (OH)\tCH (OH)\n^\\cH .\t\t\\CH,\nMilchzucker (Lactose, Lactobiose).\t\nO\nCH, (OH) CH\nCH (OH) CH (OH)","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nTFiJAf\u00eewi Sternberg,\nsaccharide schmecken im allgemeinen s\u00fcfser, als die einfachen Zucker\u201c sagt Neumeisteb.1 Das ist nicht richtig. Das Disaccharid Milchzucker schmeckt weniger s\u00fcfs als das Disaccharid Rohrzucker, dieses Disaccharid schmeckt weniger s\u00fcfs als das Monosaccharid Fructose. S\u00fcfser als alle Zucker aber schmeckt derjenige S\u00fcfsstoff, welcher die h\u00f6chste S\u00fcfskraft aller Stickstoff-losen S\u00fcfs-' mittel besitzt und damit den s\u00fcfsesten K\u00f6rper vor der Entdeckung des Saccharins darstellt, das Chloroform. Denn es ist 40fach intensiver s\u00fcfs noch als Rohrzucker.\nLoebisch 3 spricht von den Homologen des Dulcins, er gibt an, dafs das Dulcin wenig l\u00f6slich ist, und f\u00e4hrt fort:\n\u201eEs ist von Interesse, dafs, wenn man in obiger Formel\nc8h4\n/ o.c,h5\n\\ NH \u25a0 CO \u2022 NHS\ndas \u00c4thoxyl-(0-C,H6) durch die Methoxyl - (0 \u2022 CHS) - Gruppe ersetzt, die entstehende, dem Dulcin homologe Substanz eine nur sehr geringe S\u00fcfskraft besitzt.\u201c\nEhelich8 \u00e4ufsert sich nun 3 Jahre sp\u00e4ter folgendermafsen:\n\u201eWeiterhin tritt bei einer anderen Reihe von Verbindungen der Einflufs des \u00c4thylrestes sehr scharf zutage. Bei einem k\u00fcnstlichen S\u00fclsstoff, ?lem Dulcin, dessen S\u00fcfskraft etwa 200 mal so stark ist als die des Rohrzuckers, gelangt sie besonders deutlich zum Ausdruck. Dasselbe ist n\u00e4mlich ein in der Para - Stellung \u00e4thoxylierter Phenylharn6toff\nC\u00e4H5 \u2022 O \u2022 C8H4 \u2022 NH \u2022 CO \u2022 NHg ;\nda weder der einfache Phenylhamstoff, noch die dem Dulcin entsprechende Methoxyverbindung\nCH\u201e \u25a0 O \u2022 CgH* * \u2022 NH \u25a0 CO \u25a0 NH\u00bb\nirgend welchen s\u00fcfsen Geschmack besitzen, mufs man diesen notgedrungenerweise auf eine Funktion der \u00c4thylgruppe zur\u00fcckf\u00fchren.\u201c\n\u201eIn all diesen Beispielen handelt es sich um Beeinflussung des Nervensystems, und zwar sowohl des zentralen (Sulfonal, \u00c4thylurethan, \u00c4thylenhydrat, Alhohol) wie der peripheren Endi-\n1 Neumeisteb, Lehrbuch der physiologischen Chemie 1897. S. 76.\n*\tLoebisch in Eclbnburgs Encyclopaedie 1895.\n*\tEhrlich, \u201e\u00dcber die Beziehungen von chemischer Konstitution, Verteilung und pharmakologischer Wirkung.\u201c Vortrag, gehalten im Verein f\u00fcr innere Medizin, am 12. XII. 1898, S. 6.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 273\ngungen (Dulcin, An\u00e4sthetica). Wir werden daher wohl nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, dals die \u00c4thylgruppe in einen gewissen Connex zum Nervensystem treten mufs.\u201c\nSiegmund Fraenkel 1 sagt vom Dulcin :\n\u201eDer s\u00fcfse Geschmack ist an das Vorhandensein der \u00c4thylgruppe gebunden. Wird die \u00c4thylgruppe in diesem K\u00f6rper durch die Methylgruppe substituiert, so verschwindet vollkommen der s\u00fcfse Geschmack.\u201c\nEine derartige Verschiedenheit im Geschmack der \u00c4thylverbindungen gegen\u00fcber den Methylverbindungen ist bei dem ersten k\u00fcnstlichen S\u00fcfsstoff nicht zu beobachten.\nDie am Stickstoff durch Methyl oder \u00c4thyl substituierten \u00c4ther des Saccharins der Formel\nW < SO, > N-CH\u201e\nC.H. < SO, >\nsind beide gemeinsam geschmacklos.\n\u201e\u00c4thyl\u00e4ther des Benzo\u00f6s\u00e4uresulfinids\nCbH,S03N.\nW\u00e4hrend das Benzo\u00f6s\u00e4uresulfinid sowie alle Salze desselben stark s\u00fcfs sind, ist der \u00c4ther vollst\u00e4ndig geschmacklos;\u201c 1 * 3 4\nC.H. < gg, > N.C.H, ebenfalls p-Athoxysaccharin.*\nHingegen ist das im Kern substituierte Methylsaccharin von s\u00fclsem Geschmack. Von den homologen Methylsaccharinen ist bisher nur das Para - Methylsaccharin * dargestellt:\n1 Sieomund Fbaenkel, 1901, \u201eDie Arzneimittelsynthese auf Grundlage der Beziehungen zwischen dem chemischen Aufbau und Wirkung\u201c, 8. 95.\n* 1887. C. Fahlberq und R. List, \u201e\u00dcber die \u00c4ther des Benzo\u00ebs\u00e2ure-sulfinids und der o-Sulfaminbenzo\u00ebs\u00e2ure\u201c. Ber. d. deutsch, chem. Ges. XX, 8. 1598.\n1 Ira Reusen urid A. G. Palmer, Amer. Chem. Journ. VIII, 227.\n4 1892. Oskar Weber, Gen\u00e8ve, \u201eRecherches sur la Methylsaccharine et sur quelques d\u00e9riv\u00e9s de l\u2019acide .. . .\u201c \u201eLa methylsaccharine poss\u00e8de un fort go\u00fbt de sucre comme la simple saccharine.\u201c\nZeitschrift (Tir Psychologie 38.\n18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nITWiel\u00bb! Sternberg.\nCO\n0\nNH\nCH\u00ab\t(1)\n= C.Hg \u2014 SOg\t(3)\n\\\t> NH\nCO /\t(4)\nch8\nDie beiden anderen theoretisch noch m\u00f6ghchen Homologen, Ortho-Methylsaccharin\nund Meta-Methylsaccharin\nsind noch nicht dargestellt worden. Ebenso ist das homologe p - \u00c4thylsaccharin noch nicht dargestellt, allein es ist nach allen hier gesammelten Erfahrungen anzunehmen, dafs es auch s\u00fcfs schmeckt.\nEine so grunds\u00e4tzliche Verschiedenheit im Geschmack zweier chemisch so nahe verwandter Verbindungen ist also \u2014 abgesehen von derjenigen der beiden Asparagine \u2014 \u00fcberhaupt noch niemals beobachtet worden; ja nicht einmal in bezug auf irgend eine andere aller \u00fcbrigen physiologischen oder pharmakologischen. Qualit\u00e4ten hat sich je eine derartige Differenz von zwei homologen Methyl- resp. \u00c4thylverbindungen gezeigt. Auf dem Gebiete des Geruchsinnes f\u00fchrt die \u00c4thylgruppe in \u00c4them und Estern sogar eine wesentliche Schw\u00e4chung des Geruches herbei, so dafs die Methylester im allgemeinen die mehr gesch\u00e4tzten Riechstoffe darstellen. Andererseits ist im allgemeinen der pharmakologische Wert der \u00c4thylgruppe bedeutender als der des Methyls, wie die Betrachtung der Schlafmittel ergibt. Allein niemals hat sich eine-so prinzipielle Differenz ergeben, wie hier nach den Ehblich-schen Ausf\u00fchrungen.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliche\u00bb u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 275\nEhrlich gibt an, dafs Phenylhamstoff\nNH,\nC = 0\n\\\nNH-CA\nund p-Methoxyphenylhamstoff\nNH,\ny\nc = o\nNH-CA-O-CH,\nnicht s\u00fcfs schmecken, und zieht daraus seinen Schlufs. Nun sind aber seine beiden Voraussetzungen, auf denen er seinen Schlufs begr\u00fcndet, nicht einwandsfrei. Phenylhamstoff zun\u00e4chst schmeckt freilich nicht s\u00fcfs, ist aber auch nicht geschmacklos, sondern schmeckt bitter, hat also den diametral entgegengesetzten Geschmack. S\u00e4mtliche Versuchspersonen geben an, dafs der Geschmack dieser Verbindung unverkennbar bitter ist. Nun bestehen aber in dem Chemismus der Objekte, welche die beiden direkt extremen Geschmacksempfindungen von s\u00fcfs und bitter zeigen, die innigsten Beziehungen.\nNach allen Angaben schmeckt aber aufserdem auch p-Methoxyphenylhamstoff = p-Anisolcarbamid B\u00fcfs. Sind also die beiden alleinigen Voraussetzungen Ehrlichs nicht zutreffend, so kann auch seine Schlufsfolgerung nicht richtig sein.\nAuf eine briefliche Anfrage teilt mir E. T\u00e4uber (12. X. 1904) mit, dafs er mir nach seiner Erinnerung versichern kann: der p - Anisolhamstoff schmeckt auch stark s\u00fcfs.\nEbenso erhielt ich auch von Berlinerblau (27. IX. 1904) diese Antwort.\nEine Geschmacksprobe konnte deshalb nicht ausgef\u00fchrt werden, weil die Firma Heyden und auch die Firma J. D. Riedel mit R\u00fccksicht auf das S\u00fcfsstoffgesetz nicht einmal eine kleine Probe zu wissenschaftlichen Zwecken aufzubewahren in der Lage waren.\nAuf meine Veranlassung hatte daher die Berliner Chemische Fabrik J. D. Riedel die Liebensw\u00fcrdigkeit, p-Methoxy-phenylcarbamid nochmals darzustellen. Diese Verbindung schmeckt tats\u00e4chlich unverkennbar, ganz unzweifelhaft s\u00fcfs, wie\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nWilhelm Sternberg.\ndie verschiedensten, zahlreichen Versuchspersonen \u00fcbereinstimmend angaben. Den Herren Riedel und Dr. chem. Siedlek nehme ich auch hier gern Gelegenheit, meinen Dank f\u00fcr die freundliche \u00dcberlassung des Materials auszusprechen.\nEs haben die besagten Verbindungen folgende Geschmacksqualit\u00e4ten :\nHarnstoff schmeckt bitter wie alle S\u00e4ureamide im Gegensatz zu den s\u00fcfsschmeckenden Amidos\u00e4uren.\nNH,\n/\nC = 0\n\\\nNH,\nOftmals wird auch angegeben1, Harnstoff sei von salzigem k\u00fchlendem Geschmack. Von meinen Versuchspersonen konnte niemals der salzige Geschmack bemerkt werden.\nPhenylhamstoff schmeckt bitter,\np-Phenetolcarbamid schmeckt s\u00fcfs, p-Anisolcarbamid schmeckt s\u00fcfe. C,H5\tCHs\no\ti\nN-H\nc = o\nNH,\n1 1901) B. Fischeb, Lehrbuch der Chemie f. Pharmazeuten. S. 414.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 277\nDer bittere Geschmack des Phenylhamstoffs verwandelt sich also in den extremen s\u00fcfsen, wenn in Para-Stellung der Methyl\u00e4ther bzw. der \u00c4thyl\u00e4ther aus dem Benzolrest gebildet wird.\nAber auch schon p - Tolylhamstoff (Toluol = Methylbenzol CgHft-CHg) schmeckt sogar s\u00fcfs.\n\u201e Monotolylhamstoff\n(CO)\u201c]\nC8H10N8O = (C7H7) N,\nHs J\nDie weifsen Kristallnadeln sind fast unl\u00f6slich in kaltem, leicht l\u00f6slich in heifsem Wasser, in Alkohol und in \u00c4ther. Die L\u00f6sungen haben einen s\u00fcfslichen Geschmack.\u201c 1\nAlso der Ersatz von einem Atom H im bitter schmeckenden PhenylhamstofE\nNH\n/\nC = 0 \\\nNHa\ndurch 1 Methyl CH8 gen\u00fcgt schon, um aus dem bitter schmeckenden Molek\u00fcl\n1 Eugen Sell, Bonn: \u201eBeitr\u00e4ge zur Kenntnis der Tolylreihe\u201c. 1863. Liebigs Annalen 126, 8. 158.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nWilhelm Sternberg.\ndas siils schmeckende\nzu bilden. Hier zeigt sich also ganz besonders die irrige Anahme vom Einflufs der \u00c4thylgruppe auf die periphere Nervenendigung der Geschmacksnerven f\u00fcr das Zustandekommen des s\u00fcfsen Geschmackes.\nDie Verbindungen\no- und m-Tolylhamstoff sind zwar dargestellt worden, der Geschmack dieser K\u00f6rper ist jedoch nicht angegeben.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliche\u00bb u. Tats\u00e4chliche\u00bb aus d. Physiologie dies s\u00fc\u00dfen Geschmackes. 279\nEbenso ist vom Oxytolylhamstoff1\n\" - Oxytolylhamstoff C,H4 <\u00a7h^CO?NH, (2)\n\u2022der Geschmack nicht bemerkt.\n\u201eDitolylsulfoharastoff oder das Ditolylsulfocarbamid * *\nC16HieN4S\nist nnl\u00f6shch in Wasser und in kaltem Alkohol. Auch dieser K\u00f6rper ist, gleich der entsprechenden Phenylverbindung, durch \u00abinen auffallend bitteren GeBchmack charakterisiert.\u201c\nEine andere Tolylverbindung, die s\u00fcfs schmeckt, ebenfalls den Rest NH\u2014CO enth\u00e4lt, ist die Toluylendiaminoxams\u00e4ure, deren Salze S\u00fcsstoffe darstellen\nCH,\n^^jNH-CO-COOH\nNH-CO-COOH\n[Toluol ist C,H6.CH8 =\nToluyl C0H4-CH, =\nToluylen CeH,.CHs =\nA\n1 H. G. S\u00f6dkbbaum u. O. Wid ma kn, 1889, Ber. XXII, 8. 1668. Upsala, Uniy. Laborat. \u201eDerivate des o \u25a0 Amidobenzylalfcohols.\u201c\n* Eugen Sell, Bonn: \u201eBeitr\u00e4ge zur Kenntnis der Tolylreihe.\u201c 1863. Liebigs Annalen 126, 8. 161.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nWi\u00fcielm Stembery.\n\"vrvT\nCOOH\nDie Aminos\u00e4ure der zweibasischen Oxals\u00e4ure | ist die\nCOOH COOH\nOxamins\u00e4ure = Oxams\u00e4ure = Aminoxams\u00e4ure j\nCO-NH,.\n\u201eWird das rohe Toluylendioxamid\n\u201e\u201e / (2) NH-CjOj-NHa\nU4)NH C902-NH2\nmit Wasser ausgewaschen, so nimmt dasselbe einen sehr intensiv s\u00fcfs schmeckenden K\u00f6rper auf.1 Derselbe ist das durch Hydratation aus dem Dioxamid entstandene Ammoniaksalz der\n(1) CHg\n0NH-CO COOH\n(2)\n= C.H8\nNH CO COOH\n(4)\n[ (1)CH*\nI (2)NH-CjO\u00e4 - OH 1(4)NH-Cj04.0H\nToluylendioxams\u00e4ure. Bei langsamem Eindunsten der L\u00f6sung im Exsikkator verliert das Salz einen Teil der Base; der kristallinische R\u00fcckstand ist aber, auf Zusatz von wenig Ammoniaksalz wieder vollkommen zur stark s\u00fcfs schmeckenden Fl\u00fcssigkeit l\u00f6slich.\u201c\nEine technische Bedeutung haben diese S\u00fcfsstoffe freilich niemals erlangt, ebenso ist \u00fcber den Grad ihrer S\u00fcfskraft nichts bemerkt worden. Wichtig ist es, den Geschmack der homologen Verbindung kennen zu lernen, deren Methyl-Derivat die Toluylen-diaminoxams\u00e4ure darstellt,\nCH8\nj^jNH\u2014CO-COOH NH\u2014CO \u2014 COOH .\nn\u00e4mlich denjenigen der m - Phenylendioxams\u00e4ure.\n1 Hugo Schiff u. A. Vanni: \u201eUmwandlungen des Amidotolyl-oxamaethans.\u201c 1891. Florenz Univert\u00e4ts-Laboratorium. Ber. d. deutsch, chem. Ges. XXIV, S. 1316.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmlicheg u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 281\nj^^jNH-CO\u2014COOH NH\u2014CO\u2014COOH.\nDenn s\u00fcfs schmecken gemeinsam die beiden entsprechenden Saccharine\nCH,\nhingegen nicht die beiden entsprechenden Verbindungen CHS\nvon denen die erste s\u00fcfs, die letztere bitter schmeckt.\nAllein die Darsteller1 dieser m - Phenylendioxams\u00e4ure\nj/^N|_NH\u2014CO\u2014COOH\nI\nNH\u2014CO-COOH,\n1 1896 Ber. d. deutsch, chem. Ges. XXIX, S. 2640. Richard Meyer u. Alb. Sbeligeb : \u201e\u00dcber die Einwirkung von Oxal\u00e4ther auf aromatische Amidok\u00f6rper.\u201c Braunschweig, techn. Hochschule. Laboratorium f. analyt. u. techn. Chemie.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nWilhelm Sternberg,\nwelche dieselbe untersucht und beschrieben haben, erw\u00e4hnen daselbst nichts vom Geschmack ihrer Salze.\nEs schmecken also jedenfalls s\u00fcfs die beiden Verbindungen :\nCH\u00bb\nj^^j-NHCOCOOH I\nN-H\n/\nC = 0\n\\\nCOOH\nVerbindungen also der Rest CH*\nI\nNH\n/\n0 = 0\n\\\nUm nun diesen Rest zum S\u00fcfsstoff zu machen, bedarf es in beiden F\u00e4llen noch der Wiederholung des einmal bereits bestehenden NH-Restes.\nEbenso schmecken von S\u00e4uren noch folgende S\u00e4uren s\u00fcfs: C*H4(NH,) \u2022 CH* \u2022 CH(NHs)COOH \\\na-Aminophenyl-a-Aminopropions\u00e4ure, wie auch die einfache a-Aminos\u00e4ure\nOH3.CH(NH8)COOH\ns\u00fcfs schmeckt.\nHingegen schmeckt die p-Nitrophenyl-a-Aminopropions\u00e4ure = 4 - Nitro -1 * - Aminohydrozimts\u00e4ure\np-CsH4(NO), \u2022 CH* \u2022 CH(NHJ- COOH\nCH,\nNH\n/\nC = 0 NH*\nGemeinsam ist diesen\n1 A. 229, 228.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliche\u00bb u. Tats\u00e4chliche\u00bb aus d. Physiologie de\u00bb \u00bb\u00fcften Geschmackes. 283\n= NO,\no CH, - CH(NH,) \u2022 COOH\nbitters\u00fcTs.\nIm Gegensatz zu diesen schmeckenden S\u00e4uren steht nun die S\u00e4ure des Dulcins selbst, welche nicht s\u00fcfs schmeckt.\nS\u00fcfs schmecken die drei Verbindungen:\nCH,\nN-H\n/\nC = 0\ns\nNH,\nCH,\n6\nNH\n/\nc = o\n\\h,\nCH,\nCH,\n\u00d4\nNH\n/\nC = 0\nVnh\u201e\nletzterer S\u00fcfsstoff verliert nun seine ganze S\u00fcfse, wenn der S\u00e4urerest ins Molek\u00fcl eintritt. Denn die S\u00e4ure1:\nCOOH\nCH,\n0\nN-H\n/\nC = 0\n\\h,\nist geschmacklos.\n1 1897 Ber. d. deutsch, ehern. Ges. XXX, 647 C\u00fcrtis C. Howard: \u201e\u00dcber p- Amidophenoxylessigs\u00e4ure und Derivate derselben.\u201c","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nWilhelm Sternberg.\np-Phenoxylessigs\u00e4urecarbamid\nNH,-CO-NH-C8II4 \u2022 0 \u2022 CH, \u2022 COOH NH,\n/\nCO\n\\\nNH\n0 \u2022 CHS \u2022 COOH\nDie Darstellung dieses Carbamides der Phenoxylessigsfture aus dem salzsauren Salz der Amidos\u00e4ure und cyansaurem Kalium wurde haupts\u00e4chlich zu dem Zweck vorgenommen, um festzustellen, ob die dem p - Phenetolcarbamid, Dulcin, analoge Verbindung auch den siifsen Geschmack desselben besitze. \u201eWider Erwarten1 erwies sie sich indessen nicht s\u00fcfs, sondern zeigte nur einen ihrer chemischen Natur entsprechenden, schwach sauren Geschmack.\u201c Freilich ist die Verbindung sehr schwer in kaltem Wasser l\u00f6slich, ziemlich leicht in siedendem Wasser.\nAuch der \u00c4thylester* * besitzt keinen siifsen Geschmack:\nDer p - Phenoxylessigs\u00e4ure - \u00c4thylestercarbamid\nNH, \u2022 CO \u2022 NH \u2022 C8H4 \u2022 0 \u2022 CHgCOO \u2022 C,HS NH,\n/\nCO\nXNH \u2014\to-ch,-coo-c,h5\nist in kaltem Wasser wenig l\u00f6slich und besitzt keinen s\u00fcfsen Geschmack.\nDie p-Amidophenoxyles8igs\u00e4ure\nnh,-c6h4-o-ch,.cooh\nNH,\nO O-CH,-COOH\nist ebenfalls nicht s\u00fcfs schmeckend. Dabei ist das Salz, die salzsaure p - Amidophenoxylessigs\u00e4ure, in Wasser s\u00e9hr leicht l\u00f6slich. Im Gegensatz zu dieser einbasischen S\u00e4ure des Dulcins\n1 1897 Ber. XXX, S. 547 C\u00fcrtis C. Howard: \u201eOber p-Amidophenoxylessigs\u00e4ure und Derivate derselben.\u201c\n* Ebenda S. 548.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fc\u00dfen Geschmackes. 285\nCOOH\nI\nch2\nI\no\nNH\nCO\n\\\nnh2\nist die zweibasische Diaminos\u00e4ure s\u00fcfs\nj^^J\u2014 NH-CO-COOH\nk-H\ny\nC = 0\n\\\nCOOH\nDabei sind beiden Verbindungen gemeinsam folgendeMomente :\n1.\tBeide Verbindungen sind S\u00e4uren und enthalten den S\u00e4urerest COOH.\n2.\tBeide Verbindungen besitzen dasselbe Kemger\u00fcst mit 1 NH-Rest\nN-H\n/\nC=0","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nWilhelm Sternberg.\n3.\tAufserdem ist beiden Verbindungen gemeinsam noch der Gehalt an Methylen CH, \u2014\n4.\tBeide Verbindungen enthalten ein zweites Mal den Rest NH \u2014\nAllein in der einen geschmacklosen S\u00e4ure sind die beiden entgegengesetzten Gruppen, die stark positive NH,-Gruppe und die stark negative Carboxylgruppe COOH, m\u00f6glichst weit voneinander r\u00e4umlich entfernt, in der anderen s\u00fcfs schmeckenden Verbindung im Gegenteil m\u00f6glichst gen\u00e4hert.\nJedenfalls aber ist auch dieser neue S\u00fcfsstoff, die Dicarbon-s\u00e4ure, als eine Aminos\u00e4ure aufzufassen, die die Methylgruppe in Para-Stellung zu dem einen Hamstoffrest besitzt.\nS\u00fcfs schmeckt noch ein weiteres \u00c4thylderivat einer Aminos\u00e4ure, der \u00c4thylester der Iminosuccinamins\u00e4ure\nCOO \u25a0 C,H5\nI\nCH .\nI > NH CH /\nI\nCO \u2022 NH,\nOb der entsprechende Methylester ebenfalls s\u00fcfs schmeckt, ist nicht erwiesen:\nIminosuccinamins\u00e4ure Methylester\nCOO \u2022 CHg\n!\nCH s I > NH CH /\nI\nCO \u2022 NH,\nVergleicht man die Konstitution dieses S\u00fcfsstoffes\nCOO \u2022 C,H5\nI\nC \u2022 H l> NH C \u2022 H\nI\nc = o\n^NH,\nmit der des Dulcins, so ergibt sich folgendes:","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches \u00ab. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 287\n1.\tC = 0\n\\\nNHS ist beiden S\u00fcfsstoffen gemeinsam.\n2.\tNH ein zweites Mal ist beiden S\u00fcfsstoffen gemeinsam,\n3.\tder \u00c4thylrest ebenfalls.\n4.\tDulcin ist ein Derivat eines \u00c4thers, dieser S\u00fcfsstoff ist ein Ester.\nNun gibt es noch einen weiteren S\u00fcfsstoff, sogar von hervorragender S\u00fcfskraft, ein Hamstoffderivat.\nDieser S\u00fcfsstoff ist der von Franchimont 1 dargestellte unsymmetrische Dimethylhamstoff, a-a-Dimethylharnstoff\nNHg \u2022 CO \u2022 N (CH\u201e )j,\nwelchen man aus Kaliumcyanat und Dimethylaminsulfat in sehr s\u00fcfs schmeckenden grofsen Kristallen erhalt, nicht der von Wurtz aus Methylcyanat und Methylaminsulfat erhaltene symmetrische Dimethylhamstoff, a-b-Dimethylhamstoff :\nNH \u2022 CH8\n/\nC = 0\n\\\nnh-ch8\n1 \u201eM. Franchimont rappelle \u00e0 ce sujet que la Dim\u00e9thylur\u00e9e est aussi sucr\u00e9e.\u201c Association fran\u00e7aise pour l'avancement des sciences. S\u00e9ance du 14 ao\u00fbt 1889. Compte rendu de la 18\u201c\u00ab session Paris, premi\u00e8re partie, p. 218, Discussion. Recueil des travaux chimiques de Pays-Bas par H. P. N. Franchimont, T. II 1883, 8. 121. Extraits : \u201eL'action de l\u2019acide azotique r\u00e9el (anhydre) sur les corps amid\u00e9s\u201c par A. P. N. Franchimont.\nM\u00e9moires et communications: \u201eL\u2019action de l\u2019acide azotique sur les amines, les acides amid\u00e9s et les amid\u00e9s\u201c par A. P. N. Franchimont. II S. 328. Introduction S. 334: \u201eC\u2019est pourquoi j\u2019ai pr\u00e9par\u00e9 quelques d\u00e9riv\u00e9s m\u00e9thyliques de l\u2019ur\u00e9e dont un, \u00e0 savoir la dim\u00e9thylur\u00e9e non sym\u00e9trique n\u2019\u00e9tait pas encore d\u00e9crit jusqu\u2019ici\u201c (V. ce Recueil T. II, 8. 122).\n\u201eLa dim\u00e9thylur\u00e9e dissym\u00e9trique.\u201c \u201eElle cristallise tr\u00e8s bien, en grands cristaux durs, d\u2019un go\u00fbt fortement sucr\u00e9.\u201c Recueil des travaux chimiques de Pays-Bas, III, S. 223. \u201eL\u2019action de l\u2019acide azotique sur les amines, les acides amid\u00e9s et les amides\u201c par A. P. N. Franchimont. Chapitre III. L\u2019ur\u00e9e et ses d\u00e9riv\u00e9s m\u00e9thyliques. Leide 6 juillet 1884.\nAcad\u00e9mie Royale des Sciences \u00e0 Amsterdam Section de physique. S\u00e9ance du 30 juin 1883. Communiqu\u00e9 par l\u2019auteur. S. 122. \u201eLa dim\u00e9thylur\u00e9e non sym\u00e9trique. Cette substance donne de grands cristaux durs, d\u2019un go\u00fbt tr\u00e8s doux. La di\u00e9thylur\u00ebe non sym\u00e9trique a aussi un go\u00fbt tr\u00e8s doux.\u201c","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nWilhelm Steinberg.\nDieser symmetrische Dimethylharnstoff ist geschmacklos, ebenso wie der symmetrische Di-p-Phenetol-harnstoff geschmacklos ist:\nNH-C\u201eH4 -0-C,Hs\n/\nc'=o\nVNHCeH4-O.C4H5\nAber ebenso, wie aa-Dimethylharnstoff NH\u00bb \u2022 CO \u2022 N(CHs)g\nsehr s\u00fcfs schmeckt, schmeckt auch a a-Di\u00e4thylharnstoff1\nNH2.CO-N(C\u00e4Hs)3\ns\u00fcfs.\nDie anderen Derivate sind jedoch geschmacklos: Methylham stoff, Methylureid\nNHs-CO-NH(CH8).2\n\u00c4thylharnstoff\nNH2-CO-NH(C3H5)\nist ungemein l\u00f6slich in Wasser, kaltem Alkohol.\n1 \u201eJ\u2019ai pr\u00e9par\u00e9 aussi (V. ce Recueil, T. II, S. 122) la di\u00e9thylur\u00e9e non sym\u00e9trique, dont je n'ai rien pu trouver dans la litt\u00e9rature except\u00e9 quelques mots de M. Volhard, dans lesquels il dit qu\u2019elle ee d\u00e9double sous l\u2019influence des alcalis en di\u00e9thylamine, acide carbonique et ammoniaque, mais sans d\u00e9scription ult\u00e9rieure. Un de mes amis me fit observer que ce corps \u00e9tait d\u00e9crit dans le livre de V. v. Richtbk (Chemie der Kohlenstoffverbindungen) mais les propri\u00e9t\u00e9s indiqu\u00e9es l\u00e0 n'\u00e9taient pas celles que j\u2019avais trouv\u00e9es. Par cons\u00e9quent j\u2019ai pri\u00e9 M. v. R. de m\u2019indiquer la source d'o\u00f9 il avait puis\u00e9 ses donn\u00e9es. M. v. R. a bien voulu me r\u00e9pondre qu\u2019il lui \u00e9tait impossible de la retrouver, et qu\u2019il serait bien possible qu\u2019il eut commis une erreur.\u201c\n* Fbanchimont, R. 3, 220.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 289\nDi\u00e4thylharnstoff\nab : CO(NH-CjH8), ist leicht in Wasser l\u00f6slich.\nTrime thylharnstoff\nNH(CH8).CO-N(CH5)s sehr l\u00f6slich in Wasser.1\nTetramethylharnstoff* *\nCOp^CH,),],.\nist leicht l\u00f6slich in Alkohol und \u00c4ther.\nTri\u00e4thylharn stoff\nN(C\u00e4H6)4 \u2022 CO \u25a0 NH(C8H6),\nTetraft thylharnstoff\nCO[N(C,H,),]t-\nfl\u00fcssig, riecht pfefferminzartig, unl\u00f6shch in Wasser, ab-Methyl\u00e4thylharnstoff\nNH(CH,).C0-NH(CsH6).\nPropylharnstoff\nNHt \u2022 CO \u2022 NH \u2022 CgH,. Dipropylharnstoff\n1.\taa-Derivat NHs-CO-N(C3H,), ist \u00e4u\u00fcerst l\u00f6slich*\n2.\tab-Derivat\nNH(C8H-).CO-NH(C8H7).\nUnsymmetrischer\na a - NH, \u2022 CO \u2022 N \u2022 [CH(CH8)S]S. 2,2-Dimethopropylharnstoff\nNHj -CO-NH-CHj -C(CH8)8\nleicht l\u00f6slich in Alkohol und Benzol, schwerer in Wasser und \u00c4ther.\naa-(a)-(/?)-Diphenylh arn stoff*\nNHs-CO-N(C6H5)8.\na b - (\u00df) - (a) - Diphenylharnstoff (Carbanilid)\nCO(NH.CsH8)8\nsehr wenig l\u00f6shch in Wasser, l\u00f6slich in Alkhol und \u00c4ther. Dianisylhamstoff5\n1 Fbaschimokt, R. 3, 226.\n*\tFbamchimont, R. 3, 229.\n*\tBl. [3] 9, 103.\n*\tB. IX, 715.\n\u00bb Otto M\u00fchlh\u00e4dskb : \u201e\u00dcber o - Anisidin- u. Amidodimethylhydrochinon.\u201c I D. 1880, S. 21.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 38.\n19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nWilhelm Sternberg.\n/N<CeH4-OCH,\nc = o\nN<C4H4.O.CH8\nist von M\u00fchlh\u00e4\u00fcsee dargestellt und beschrieben worden, doch ist es nicht sicher, ob der K\u00f6rper die entsprechende Konstitution :\nC = 0\nhat. \u00dcber seinen Geschmack hat M\u00fchlh\u00e4\u00fcsee nichts angegeben-Doch wird man wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dafa auch er jedenfalls nicht s\u00fcfs schmeckt.\nEbenso ist nichts \u00fcber den Geschmack der f\u00fcnf anderen Isomeren des Di-Para-Phenetolcarbamid bekannt. Diese sind 1. symmetrischer Di - Ortho - Phenetolcarbamid\no-c3h6\nH |\nH |\n0-C2H5\n2. symmetrischer Di - Meta - Phenetolcarbamid\nH\no-csh8","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliche\u00bb u. Tats\u00e4chliche\u00bb aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 291\n3. unsymmetrischer Ortho- Meta - Phenetolcarbamid\n4. unsymmetischer Ortho-Para-Phenetolcarbamid\n'\u2022C,HS\n5. unsymmetrischer Meta-Para-Phenetolcarbamid\n0-C,H5\n\u25ba CtHs\nAlle diese f\u00fcnf isomeren Di - Phenetolcarbamide sind noch darstellbar, tats\u00e4chlich aber noch nicht hergestellt worden.\nDemnach stehen gegen\u00fcber den geschmacklosen Verbindungen :\nNH \u2022 CHg\tNH \u2022 C,H4 \u2022 0 \u2022 CsH6 1\n/ /\nC = 0\tC = 0\n^ NH-CHg\t^NH \u2022 C8H4 \u2022 0 \u2022 C,H6\n1 Thoiu.\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nWilhelm Sternberg.\ndie S\u00fcfsstoffe:\nNH*\n\nC = 0\n\\\nN<\nCH\nCH\n8\n8\nNH-H\n/\nC = 0\nV(CHJ,\nNH-H\n/\nC = 0\n'nh-c.h.-o-c.h,\nEs ist also Erfordernis zum Zustandekommen des s\u00fclsen Geschmackes, dafs eine NH, - Gruppe freibleibt und nicht substituiert wird.\nEtwas \u00c4hnliches wird bei den Abk\u00f6mmlingen des Saccharins beobachtet. Denn alle Derivate dieses \u00e4ltesten, Stickstoff- und sogar auch noch Schwefel-haltigen, S\u00fclsstoffes werden g\u00e4nzlich geschmacklos, sobald man die Imidgruppe durch andere Radikale ersetzt.\nDagegen haben die im Kern substituierten Derivate den gleichen s\u00fcfsen Geschmack wie z. B. Amidodulcin.\nVon Hamstoffderivaten schmecken demnach s\u00fcfs:\nNH,\n/\nC=-0\n\\\nNH\u2014C6H*.CHS\n1. NH,\n/\nC = 0\nN-H\n/\nc=o\n\\\nNH,\n3.\nNH,\n/\nC = 0 \\\nNH.C,H4.O.CH,\nc,h5\nNH,\nNH,\n/\nC^O\n\\\nNH-CjHi-O-CjHj","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 298\nAus dem bitterschmeckenden Harnstoff\nNH*\n/\nC = 0 \\\nNH*\neinen S\u00fcfsstoff zu bilden, gen\u00fcgt es also, die Methylgruppe zweimal an einem und demselben Stickstoffatom zu fixieren :\nNH*\n/\nC = 0\nXn<ch*\nAus dem bitterschmeckenden Phenylhamstoff\nNH*\ny\nC = 0\n\\\nNH-C.H*\neinen S\u00fcfsstoff zu bilden, gen\u00fcgt es, ebenfalls die Methylgruppe einzuf\u00fcgen :\nNH*\ny\nc=o\nN'nH-CbH4.CHs\nNH,\nc = o\nnhc,h4.och8\nNH,\ny\nc = o\n^NHC.H.-OCH,\nI\nCH,","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nW\u00eflkdm Sternberg.\nIm Gegensatz zum S\u00fcfsstoff p - Phenetolcarbamid\nNH y\nc =\n\\\nNH,\niO\"oc\u2019h\u2018\nc,h6o-\n-NH ^ro NH.>C0\nist \u00c4thoxybenzimidazolon\nNH\nC = 0 \\/\t\\\u20140-CsHs\ngeschmacklos.1 Freilich zieht Cohn die M\u00f6glichkeit in Betracht, dafs dem von ihm dargestellten K\u00f6rper, dem die s\u00fcfsende Eigenschaft abgeht, die Lactimformel zukommt\nC3H5O.C4Hg<NH / C-OH\nAlsdann ermangelt ihm die Analogie mit der offenen Harnstoffkette.\nEine andere s\u00fcfs schmeckende Verbindung eines Hamstoff-restes mit einer S\u00e4ure, ein Ureid, ist seit vielen Jahren bekannt Ureide sind gewisse Verbindungen des Harnstoffes mit organischen S\u00e4uren, die in ihrer Konstitution den S\u00e4ureamiden entsprechen. Die Verbindung der Brenztraubens\u00e4ure oder Pyruvin-s\u00e4ure\nCHS\nI\nCO\nI\n__________ COOH\n1 Cohn: \u201eZur Kenntnis des o-Amidophenetidins.\u201c 1899. Ber. d. deutsch, chem. Ges. XXXII, S. 2240.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches \u00ab. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fc\u00dfen Geschmackes. 295\nmit Harnstoff\nNH-H\n/\nCO\n\\\nNH-H\nzum Ureid gibt das Pyruvinureid :\nN = C-CH*\n/\nC = 0\t|\n\\\nNH \u2014CO CH*\nI\nC = N v = |\t) CO\nCO \u2014 NH /\nDiese ringf\u00f6rmige Verbindung wird nun zum Stifsstoff, wenn man nur einmal die Nitrogruppe in die Methylgruppe einf\u00fchrt. Denn Nitropyruyinureid1\n\u201e\u201e\u201e\u201e nr. / N : C \u2022 CH* (N0S) C4H*N,04 = C0^NH.r-^\n\u2022 CO\nCH* (NO,)\nI\nC =N v\nI >co\nCO \u2014 NH '\nla \u201emono-ur\u00e9ide pyruvique nitr\u00e9e\u201c\nC4H\u00ae(AzO*)Az*Os = CH,(AzO,)\nC = Az v\n)CO\nCO \u25a0 AzH /\nist ein S\u00fcfsmittel.\n1 Bsilstbin, Organ. Chemie, 2. \u00c0ufl. 1886, Bd. I, 8. 1038. (3. Aufl., I, 8. 1346); Wubtz, Dictionnaire de chimie pure et appliqu\u00e9e, Bd. III. Paris 1878, 8. 579, 680. \u201eCe d\u00e9riv\u00e9 nitr\u00e9 est en belles lames brillantes, d\u2019une jaune p\u00e2le, peu soluble dans l\u2019eau froide, soluble dans environ 25 fois son poids d\u2019eau bouillante. Sa saveur est sucr\u00e9e.\u201c","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nWilhelm Sternberg.\n\u201eM. Grima\u00fcx a constat\u00e9 ce go\u00fbt, il y a quinze ans, dans une ur\u00e9ide pyruvique nitr\u00e9e qu\u2019il avait pr\u00e9par\u00e9e.\u201c 1 Dagegen schmeckt\nUr\u00e9ide tribromopyruvique C5 *H8Br8Az4 *02\nnicht 8\u00fcfs\n\u201eelle a une saveur \u00e2cre.8 Andere Ureide sind:\nDi-\u00c4thyl-Malonyl-Harnstoff resp. Diftthylbarbiturs\u00e4ure, unter dem pharmakologischen Handelsnamen \u201e Veronal\u201c bekannt.\n(Malons\u00e4ure COOH\nCH,\nI\nCOOH)\nC,H5>C<CO-NH>CO\n(C2H5)j : C : (CO \u2022 NH), : CO\nDiese Verbindung ist in 12 Teilen kochenden, 146 Teilen Wassers von 20\u00b0 C l\u00f6slich und schmeckt trotzdem, wenn auch nicht intensiv, so doch deutlich und dermafsen bitter, dafs diese unangenehme Bitterkeit vom Kranken, sogar in den kleinsten Dosen, l\u00e4stig empfunden wird.\nDer \u00c4thylester der Carbamins\u00e4ure, Urethan\nNH,\n/\nCO\n\\\no-c,h5\nschmeckt bitter, ebenso schmeckt Phenylurethan\nNH-CA\noo/\nVc,h6\nbitter.\n1 Gbihacx, Annales de chimie et de physique, T. 11, S 368 u. 373 (5. s\u00e9rie\n1874\u20141883). Association fran\u00e7aise pour l'avancement des sciences. S\u00e9ance\ndn 14 ao\u00fbt 1889. Compte rendu de la 18m\u00ab session, Paris, premi\u00e8re partie,\nS. 278, Discussion.\n* Wurtz, Dictionnaire de chimie pure et appliqu\u00e9e, S. 680.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des silfsen Geschmackes. 297\nErsetzt man in einigen dieser s\u00fcfs schmeckenden Harnstoff-Derivate den Sauerstoff durch den chemisch ihm \u00e4ufsert nahe stehenden Schwefel, so verwandelt sich der s\u00fcfse Geschmack in den bitteren. Hierbei f\u00fchrt auch Cohn ], ebenso wie Ehelich bei den besprochenen S\u00fcfsmitteln, den Einflufs der \u00c4thylgruppe auf die Erzeugung des s\u00fclsen Geschmackes an:\n\u201eDie Einf\u00fchrung einer \u00c4thoxylgruppe in den Phenylthio-hamstoff bewirkt einen Umschlag von bitter nach s\u00fcfs bin.\u201c Dieselbe Beobachtung wiederholt nun Cohn* nochmals bei Besprechung der Derivate des Dulcins: \u201eDie im Kern substituierten Derivate haben \u00e4hnlichen Geschmack z. B. p-\u00c4thoxy-phenylthiohamstoff (Beelinebblau, Joum. prakt. Chemie 30, 97 ff.).\nC2H5\u20140\u2014C#H4\u2014NH-CS\u2014nh2\nu. a. schmecken gleichfalls schwach s\u00fcfs.\u201c\nAuf eine briefliche Anfrage mufste jedoch der Verfasser (18. IX. 1904) mir zugeben, dafs diese seine Angaben irrig sind. Er hat nochmals Phenylthiohamstoff und p - \u00c4thoxyphenylthio-harnstoff dargestellt und sich mit mir vom bitteren Geschmack dieser Verbindungen \u00fcberf\u00fchren k\u00f6nnen.\nEben denselben Irrtum, ebenfalls auf die Originalarbeit von Beelinebblau sogar hinweisend, begeht auch Beilstein 8 : \u201eAthyl-\u00e4ther des Oxyphenylthioharnstoffs\nOH \u2022 CeH*\u2014NH\u2014CS\u2014NH2,\nn\u00e4mlich\nC2H6 \u2022 O \u2022 C,H4\u2014NH\u2014CS\u2014NH2\n(J. pr. [2] 30, 108) ist in Wasser etwas leichter l\u00f6slich als die isomere o-Verbindung, schmeckt s\u00fcfs.\u201c\nDiese Angabe ist aber auch durchaus falsch.\nDenn in der von Georg Cohn, ebenso wie von Beilstein angef\u00fchrten Originalarbeit sagt Beelinebblau 1 * * 4 ausdr\u00fccklich das Gegenteil :\n1 Dr. G boro Cohn: \u201e\u00dcber k\u00fcnstliche S\u00fcfsstoffe\u201c. Apotheker-Zeitung 12. Nov. 1898. Nr. 91, S. 796.\n*\tApotheker-Zeitung, Nr. 92, vom 16. Nov. 1898. Dr. Georg Cohn: \u201e\u00fcber k\u00fcnstliche S\u00fcfsstoffe\u201c, S. 805.\n*\tBbilstein 1888, Bd. 2, S. 466.\n4 Dr. J. Berlinerblau : Journal f. praktische Chemie, 1884, Bd. 30, S. 108 : \u201e\u00dcber die Einwirkung von Chlorcyan auf Ortho- und auf Para-Amidophenetol.\u201c und Ber. d. deutsch, chem. Ges. Jahrg. 17 (1884), Beferate 8. 609, 610.","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nWilhelm Stemhei ji\n\u201eDer Para-, sowie auch der Ortho-\u00c4thoxyphenylthiohamstoff schmecken sehr bitter.\u201c\nDas ist also p- und o - Thio - Dulcin\nC,HsO-C,H4 .NH-CS\u2014NH,\nEs ist ersichtlich, wie die \u00c4nderung der Angabe einer Qualit\u00e4t in die entgegengesetzteste zu Fehlschl\u00fcssen f\u00fchren uiufs. Darum sind gerade auf diesem Gebiete alle Angaben mit einer peinlichen Genauigkeit wiederzugeben. Denn auf keinem anderen Sinnesgebiet werden die Angaben mit einer nur ann\u00e4hernd \u00e4hnlichen Willk\u00fcr gemacht und ge\u00e4ndert.\nDie zugeh\u00f6rige Ortho-Verbindung, \u00c4thyl\u00e4ther des o-Oxy-phenylthiohamstoffs schmeckt, wie auch Beilstein 1 richtig angibt, ebenfalls sehr bitter.\nEbenfalls schmeckt \u00c4thylenthiohamstoff\nCS<NH>C*H<\n\u00e4ufserst bitter.\nDie entsprechenden Verbindungen haben folgende Geschmacksqualit\u00e4ten :\nThioharnstoff, Thiocarbamid, Sulfoharnstoff\nNH,\n/\nC = S\n\\\nNH,\nschmeckt bitter.\nPhenylthioharnstoff, Phenylsulfocarbamid ist sehr wenig l\u00f6slich,\nNH,\n/\nC = S\n\\\nnh-c6h5\nin Wasser nur 0,26 in 100 und schmeckt trotzdem \u00e4ufserst bitter. Thiosinamin = Allylthiohamstoff, Rhodallin\nNH,\n/\nC = S\n\\\nnh-csh5\n1 Beilstein, S. 460. J. pr. Chem., Bd. 30, S. 106.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 299\nist wenig l\u00f6slich und schmeckt doch aufserordentlich bitter. S\u00e4mtliche Versuchspersonen geben an, dafs der Geschmack unverkennbar und intensiv bitter ist.\nVon Thiophosgen, Thiocarbonchlorid\nCSC1,\nwird h\u00e4ufig angegeben, es sei \u201evon s\u00fcfslichem Geruch\u201c, wie dies ja auch von HsS angegeben wird.\n\u00ab - Methylthiobiuret schmeckt intensiv bitter:\nNH(CHS) \u2022 CO \u2022 NH \u2022 CS \u2022 NH,,\nc-\u00c4thylthiobiuret schmeckt intensiv bitter:\nNH(C,H6) \u2022 CO \u25a0 NH \u2022 CS \u2022 NH,,\nc-Methyldithiobiuret schmeckt intensiv bitter:\nNH(CH,) \u2022 CS \u2022 NH \u2022 CS \u2022 NH,.\nStellt man die Sauerstoffverbindungen den entsprechenden Schwefelverbindungen gegen\u00fcber, so ergibt sich folgendes: Harnstoff schmeckt bitter, Thiohamstoff schmeckt bitter:\nNH,\tNH,\n/\t/\nC=0\tC=S\n\\\t\\\nNH,\tNH,\nPhenylhamstoff schmeckt bitter, Phenylthiohamstoff schmeckt bitter:\nNH,\n/\nC = 0\n\\\nNH.C.H,\nNH,\n/\nC = S\n\\\nNH-CgH,\no-Phenetolcarbamid ist geschmacklos, o-Phenetolsulfocarbamid schmeckt nach Beblinebblau bitter:","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nWilhelm Sternberg.\n,\ni\nNH,\n/\nC = 0 \\\nNH.C4H4.OC,H4\n(0)\nNH,\n/\nc = s\n\\\nNH.CaH4.0-C,H4\n(0)\np - Phenetolcarbamid schmeckt,entschieden sehr siiTs, p-Phene-tolsulfocarbamid schmeckt bitter:\nNH,\n/\nC = 0\n\\\nNH.CeH4.0-C,H6\n(p)\nC3H5\no\nNH\n/\nc = s\n\\\nNH,\nNH\n/\nc = s\n\\\nNH.C#H4.OC,H6\n(p)\nC,H\n\u00d4\nNH,","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 301\nVom Monoanisylsulfohamstoff1\n/N<C,H4-O.CHg\nc=s\n\\<H\nund Dianisylsulfohamstoff2\n^<0,04-0. ch3\nc = s\nV^<H H* *\u2014O CH\u00ab\nhat M\u00fchlhauser keine Angaben bez\u00fcglich des Geschmackes gemacht.\np - Ani6olcarbaraid schmeckt s\u00fcfs, p - Anisolsulfocarbamid ist nicht bekannt, p-Monotolylcarbamid schmeckt s\u00fcfs:\nC8 H4 (CHg ) \u2022 NH\u201400\u2014NH, Ditolylsulfocarbamid schmeckt bitter:\n[CgH4(CH3)]9-N4H8.CS.\nWas nun die Isomeren des Para-Phenetolcarbamid bzw. Para - Anisolcarbarnid betrifft, n\u00e4mlich das Ortho - Phenetol-carbamid und das Ortho-Anisolcarbarnid, so sagt Berlinerblau \u00fcber deren Geschmack: \u201eDer Para-, sowie auch der Ortho-\u00c4thoxyphenylthioharnstoff schmecken sehr bitter, w\u00e4hrend die entsprechenden Harnstoffe einen s\u00fcfsen Geschmack besitzen.\u201c\nAus dieser Bemerkung glaubt man, entnehmen zu d\u00fcrfen, dafs auch der Ortho - \u00c4thoxyphenylhamstoff s\u00fcfs schmeckt. Doch gibt Berlinerblau selbst bei anderer Gelegenheit an, dafs dieses o- Dulcin geschmacklos ist.\n\u201eM. Berlinerblau * en faisant agir le cyanate de potasse sur les sels d\u2019amidobenzol a obtenu un corps sucr\u00e9, bien que peu soluble dans l\u2019eau, sa formule est\n1 S. 22.\n*\tb . 2a\n*\tDr. J. \u00e4uLrNZ&BLA\u00fc: \u201e\u00dcber die Einwirkung von Chlorcyan auf Ortho und auf Para-Amidophenetol.\u201c Journal f. prakt. Chemie 1884, Bd. 30, 8. 108.","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nWilhelm Sternberg.\nC6H4(OC* *Hs), (AzH-COAzH*)4\nson isom\u00e8re ortho est insipide, son analogue sulfur\u00e9 en CSAzH1 est amer. L\u2019auteur ne croit pas qu\u2019il y ait un autre exemple de diff\u00e9rences organoleptiques aussi marqu\u00e9es entre des isom\u00e8res ou homologues.\u201c\nDiese letztere Ansicht von Beklinebblau ist nicht richtig. Derjenige, der zuerst o \u2022 Methoxyphenylcarbamid\n= CHaO \u2022 C.H4\u2014NH\u2014CO\u2014NH,\ndargestellt hat, M\u00fchlh\u00e4usee 3, macht keine Angaben \u00fcber den Geschmack dieser Verbindung.\n\u201eDer Mono - Anisylharustoff\nC,H4(OCH*NHCO-NH,),\n/^<QH4\u2014O-CHj C==0\n\\<g\nwird \u00e4hnlich wie der Mono - Phenylhamstoff erhalten und bildet farblose, in heifsem Wasser und Alkohol leicht, in kaltem Wasser schwer l\u00f6sliche Kristalle, die der 145,5\u00b0 schmelzen.\u201c\nAuf meine Veranlassung hat mm aber auch diese Verbindungen die Firma J. D. Riedel in Berlin hergestellt. Die Pr\u00fcfung mit diesen beiden Verbindungen wurde von mir an einer Reihe von weiblichen Versuchspersonen, die ein gutes Gebifs besitzen, morgens vorgenommen, bevor die Versuchspersonen irgend etwas zu sich genommen hatten. S\u00e4mtliche Versuchspersonen geben an :\n0 - Methoxyphenylcarbamid\nist geschmacklos,\n1 M. Berline rbla\u00fc, Prof, \u00e0 l\u2019Univ. de Berne. \u201eSur une mati\u00e8re Bucr\u00e9e aromatique\u201c association fran\u00e7aise pour l\u2019avancement des sciences. Compte rendu de la 18\u201c\u00ae session, premi\u00e8re partie S. 278. Paris, s\u00e9ance du 14 ao\u00fbt 1889.\n* Beilstbin, Handb. d. organ. Chemie, dritte Aufl., 1896, Bd. Il, S. 709. Justus Liebios Annalen der Chemie, 1882, Bd. 207, 244. Otto M\u00fchlh\u00e4usis : \u201e\u00dcber o- Anisidin- und Amidodimethylhydrochinon.\u201c I-D. 1880, S. 20.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Irrt\u00fcmliches u. Tats\u00e4chliches aus d. Physiologie des s\u00fcfsen Geschmackes. 303\no - \u00c4thoxyphenylcarbamid\nist geschmacklos.\nWie also die p-Verbindungen beide den Geschmack besitzen, so haben auch beide den Geschmack in der o-Stellung verloren. m-\u00c4thoxy- bzw. m - Methoxyphenylcarbamid\nOCsH5\nI\no\n0-CHg\nNH2\nsind noch nicht dargestellt, wohl weil die Meta-Reihe beim Amido-phenol sehr schwer zug\u00e4nglich ist. Es w\u00fcrde interessant sein, ihren Geschmack zu erfahren. Die Kenntnis desselben w\u00fcrde uns jedenfalls einen weiteren Einblick in das Gebiet des Zusammenhanges zwischen Konstitution und S\u00fcfBkraft gestatten.\n\u00dcbersieht man die angef\u00fchrten Derivate des S\u00fclsmittels Dulcin, dieses Abk\u00f6mmlinges des Harnstoffs, so mufs man freilich zugeben, dafs, wie H. Ebdmann1 gelegentlich der Besprechung des Dulcins hervorhob, unsere theoretischen Erkenntnisse sich durch die neue \u00fcberraschende Entdeckung dieses zweiten Stickstoff-haltigen S\u00fcfsmittels der aromatischen Reihe nicht wesentlich vertieft haben. \u201eDas Dulcin schliefst sich seiner Konstitution nach weder den hydroxylreichen K\u00f6rpern (welche alle, aber weit weniger intensiv, s\u00fcfs schmecken), noch dem schwefelhaltigen Saccharin an, steht vielmehr in n\u00e4chster Beziehung zu den von dem Para - Amidophenol derivierenden Antipyreticis, namentlich zum Phenacetin.\u201c Allein je gr\u00f6fser die Zahl der S\u00fcfsmittel\n1 H. Ebdhjjo\u00ee, Halle. Sitzung 1. Dez. 1892, Naturwissenschaftl. Verein f. Sachsen u. Th\u00fcringen, Korrespondenzblatt des Vereins. S. 101.\nNH \u2014\n/\nC = 0\n\\\nNHg","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nWilhelm Sternberg.\ngerade aus dieser dritten Klasse aller S\u00fcfsstoffe, n\u00e4mlich aus der Reihe der Stickstoff-haltigen aromatischen S\u00fcfsmittel wird, desto sicherer wird sich der Zusammenhang von Geschmack und Chemismus ermitteln lassen m\u00fcssen. Jedenfalls l\u00e4fst aber diese Betrachtung schon erkennen, wie sehr sich das Urteil \u00fcber den Geschmack ein und derselben Substanz \u00e4ndern kann, wie sehr sogar die Angabe \u00fcber das Urteil einer Geschmacksqualit\u00e4t allm\u00e4hlich mit der Zeit sich ver\u00e4ndern l\u00e4fst, wie sehr schliefslich aber daf\u00fcr auch die theoretischen Schlufsfolgerungen der \u00c4nderung bed\u00fcrfen. Denn noch h\u00e4ufiger und leichter als die optischen T\u00e4uschungen sind solche des Geschmackes.\n(Eingegangen am 3. November 1904.)","page":304}],"identifier":"lit32032","issued":"1905","language":"de","pages":"259-304","startpages":"259","title":"Irrt\u00fcmliches und Tats\u00e4chliches aus der Physiologie des s\u00fc\u00dfen Geschmackes","type":"Journal Article","volume":"38"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:34:53.754568+00:00"}