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{"created":"2022-01-31T15:23:47.250141+00:00","id":"lit32036","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ephrussi, P.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 37: 56-103, 161-234","fulltext":[{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"(Ane dem psychologischen Institut su G\u00f6ttingen.)\nExperimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\nVon\nP. Ephbubsi.\nInhal tsYerzeichnis.\nSeite\nEinleitung...................................................67\nErster Teil.\n\u00dcber du \u00f6konomische Lernen bei paarweise elniupr&gendem Stoffe.\nKapitel I. Versuche mit sinnlosem Stoffe.\ng 1. Versuchsanordnung......................................66\n\u00a7 2. Versuchsreihen 1\u20144.....................................70\n\u00a7 3. \u00dcber das mechanische und du unterstfltcte Lernen der\nsinnlosen Silbenreihen.............................76\n\u00a7 4. Versuche mit unterst\u00fctztem Lernen. Versuchsreihe 6. Ein-\nschlagende Ergebnisse aus den Versuchsreihen 23\u201426 . .\t80\nKapitel II. Versuche mit russisch - deutschen Vokabelpaaren.\n\u00a7 6. \u00dcbersicht \u00fcber die Arten der benutzten Lernstoffe....\t82\n\u00a7 6. Versuchsreihen 6\u201410....................................83\ng 7. Die individuellen Differenzen hinsichtlich des Richtigkeits-\nund Falschheitsbewufstseins...........................90\nKapitel III. Versuche mit Wort- und Zahlenreihen.\ng 8. \u00dcber den Aufbau der Reihen.............................96\ng 9. Versuche ohne Benutzung des Kymographions. Versuchsreihen 11\u201415................................................97\n\u00a7 10. Versuche mit Benutzung des Kymographions. Versuchsreihen 16, 17 und 18. Versuchsreihe 19 mit Anwendung\nvon Zahlenmaterial...................................100\nKapitel IV. Erkl\u00e4rung der Resultate und erg\u00e4nzende Versuche.\ng 11. \u00dcber die Hauptmomente, die f\u00fcr den Ausfall der Resultate\nmalsgebend sind......................................161\n\u00a7 12. Vergleichung beider Verfahrensweisen hinsichtlich der Assoziationen, die dahin wirken, dafs bei Gegebensein des zweiten","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n57\nSeite\nGliedes eines Paares das erste reproduziert wird. Versuchsreihen 30\u201422 .............................................. 168\n\u00a7 13. Versuche mit Distanzierung der Paare. Versuchsreihen 23\u2014 25 171 \u00a7 14. Einige Bemerkungen Ober die bei den Versuchen benutzten\nLernstoffe.................................................177\n8 15. Die L\u00e4nge der Trefferzeiten einerseits bei den mechanischen\nund andererseits bei den unterst\u00fctzten Assoziationen. . . 179\nZweiter Teil.\nDer Elnflnfg der Lesegeschwindigkeit auf das Elnpr\u00e4gen.\nKapitel V. Versuche nach dem Treffer- und nach dem Erlernungsverfahren.\n8 16. Versuche nach dem Trefferverfahren. Versuchsreihen 26\u201428 183 \u00a7 17. Versuche nach dem Erlernungsverfahren. Versuchsreihen\n29-32\t............................................ 188\n8 18. Bemerkung betreffs der Geschwindigkeit des Hersagens. . 194 \u00a7 19. Weitere Best\u00e4tigungen der bisherigen Resultate. Versuchsreihen 33 und 34........................................196\nKapitel VI. Erkl\u00e4rung des paradoxen Resultats.\n\u00a7 20. Diskussion der bisherigen Resultate auf Grund gewisser numerischer Ergebnisse und der Aussagen der Versuchspersonen ...................................................199\n\u00a7 21. Versuchsreihen 36 und 36. \u00dcber die Abh\u00e4ngigkeit, in welcher der Abfall der Assoziationen bei fortschreitender Zeit zu der\nLesegeschwindigkeit\tsteht Versuchsreihe 37 .......... 207\nKapitel VII. \u00dcber den Einflufs der Geschwindigkeit des Lesens vom kraft\u00f6konomischen Standpunkte aus.\n8 22.\tVersuchsanordnung.\tVersuchsreihen 38\u201441.............214\nAnhang.\n\u00dcber die Wirkung der einzelnen Wiederholungen.\n\u00a7 1.\tVersuchsanordnung.\tVersuchsreihe 1\u20146..............222\nEinleitung.\nDie Fragen \u00fcber die \u00d6konomik des Lernens scheinen anf den ersten Blick von vorwiegend praktischem Interesse zu sein. Die einzelnen Probleme, die sich auf diesem Gebiete er\u00f6ffnen, so unscheinbar und einfach sie auch zun\u00e4chst aussehen m\u00f6gen, k\u00f6nnen indessen bei exakten Methoden der Untersuchung eine Reihe neuer rein theoretischer Gesichtspunkte aufschliefsen und unser Wissen sowohl in methodologischer als auch namentlich in sachlicher Hinsicht wesentlich f\u00f6rdern. Die praktische Frage als solche tritt w\u00e4hrend der Versuche selbst ganz in den Hintergrund des Interesses, und es bleibt nach Abschlufs der Untersuchung und erfolgter Entscheidung des Problems nunmehr","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nP. Ephrussi.\nden P\u00e4dagogen die Aufgabe \u00fcberlassen, daraus weitere Konsequenzen zu ziehen und Anwendungen f\u00fcr die p\u00e4dagogische Praxis zu finden. Vorliegende Untersuchung, deren ersten Ausgangspunkt auch eine Frage aus dem Gebiete der \u00d6konomik des Lernens bildete, ging von vornherein darauf aus, sich nicht mit der blofsen Konstatierung und Entscheidung der f\u00fcr die Praxis an sich nicht unwichtigen Probleme zu begn\u00fcgen, sondern vor allem sollte sie im Anschlufs an die in den letzten zwei Jahrzehnten gemachten Untersuchungen des Ged\u00e4chtnisses und seiner Gesetzm\u00e4fsigkeit einen weiteren Beitrag \u00fcber die Vorg\u00e4nge liefern, die bei dem Auffassen, Behalten und Reproduzieren von Lem-material im Spiele sind.\nDie Frage, die zuerst untersucht werden sollte, schliefst sich an die Arbeit von Lottie Steffens \u00fcber Lernen im ganzen und Lernen in Teilen (Zeitsehr. f. Psychol. 22) an. Das Material, welches genannte Forscherin angewandt hat, war zum Teil sinnvoller Art (Strophen), zum Teil bestand es aus sinnlosen Silbenreihen. Die benutzte Methode war die Erlemungsmethode, d. h. der dargebotene Stoff mufste in der gegebenen Reihenfolge der Glieder zuletzt wieder als Ganzes reproduziert werden. Nun kommen aber sowohl in der Schulpraxis wie auch im gew\u00f6hnlichen Leben sehr oft auch solche F\u00e4lle vor, wo es blofs darauf ankommt, die Bestandteile des betreffenden Lemmaterials nur paarweise zu assoziieren. Ich erinnere an die F\u00e4lle, wo Vokabeln einer fremden Sprache mit den entsprechenden W\u00f6rtern der Muttersprache, St\u00e4dtenamen mit den zugeh\u00f6rigen Einwohnerzahlen und sonstige statistische oder historische Tatsachen mit den entsprechenden numerischen Daten zu assoziieren sind. Wir haben demzufolge zwei Arten von Lemmateriai zu unterscheiden, n\u00e4mlich erstens solches, das im ganzen oder, wie ich mich im Anschlufs an die von Labguieh des Bancels (L\u2019Ann\u00e9e psychologique 8) benutzte franz\u00f6sische Bezeichnungsweise kurz aus-dr\u00fccken will, global eingepr\u00e4gt werden soll, zweitens solches, das paarweise einzupr\u00e4gen ist. Steffens hat, wie angedeutet, in Beziehung auf Lemmateriai der ersteren Art die Frage untersacht, ob das Lernen im ganzen oder das Lernen in Teilen vom zeit\u00f6konomischen Standpunkte aus zweckm\u00e4fsiger ist, d. h. innerhalb k\u00fcrzerer Zeit zum Ziele f\u00fchrt. Die analoge Frage erhebt sich auch beim Lernstoffe der zweiten Art. Auch bei dem paarweise einzupr\u00e4genden Lemmateriai kann man auf zweifache","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n59\nWeise verfahren. Man kann erstens das Lesen im ganzen stattfinden lassen, d. h. die ganze Reihe von einzupr\u00e4genden Paaren (von Silben, Vokabeln u. dgl.) so lange oder so oft von Anfang bis zu Ende in der gegebenen Reihenfolge durchgehen, bis man den Stoff beherrscht, oder man kann zweitens jedes einzelne Paar mehrmals hintereinander wiederholen und dann erst zum folgenden Paare \u00fcbergehen und in dieser jedes einzelne Paar mehr oder weniger oft unmittelbar hintereinander wiederholenden Weise die ganze Reihe so oft durchnehmen, bis der gew\u00fcnschte Grad der Einpr\u00e4gung erreicht scheint. Ich will dieses Verfahren in Ermangelung eines anderen geeigneten Ausdrucks kurz als das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen bezeichnen. Welche Art des Lesens, das Lesen im ganzen oder das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen, ist nun in diesem Falle \u00f6konomischer? Es liegt auf der Hand, dafs man bei jeder Frage im Gebiete der \u00d6konomik des Lernens das zeit\u00f6konomische Moment und das kraft\u00f6konomische Moment auseinander zu halten und besonders zu untersuchen hat. Da indessen das zeit\u00f6konomische Moment das allgemein n\u00e4chstliegende und beim gegenw\u00e4rtigen Stande der psychologischen Forschung am sichersten entscheid-bare ist, so habe ich mich bei dem soeben aufgestellten Problem mit der Untersuchung dieses Hauptmomentes begn\u00fcgt. Die so eben aufgeworfene Frage ist also dahin zu verstehen, dafs untersucht werden soll, welche von den beiden erw\u00e4hnten Lemweisen innerhalb desselben Zeitabschnittes eine h\u00f6here Gesamtleistung (gemessen nach der Trefferzahl und Trefferzeit) ergibt.\nBei der Verfolgung dieser mir vom Herrn Professor M\u00fclles gestellten Aufgabe sowie anderer im Laufe meiner Untersuchung sich aufdr\u00e4ngender, die \u00d6konomik des Lernens betreffender Fragen lag es mir nun ob, den Umst\u00e4nden des gew\u00f6hnlichen Lebens mich m\u00f6glichst nahe anzuschliefsen, aber nur so weit, als es den Forderungen der wissenschaftlichen Exaktheit nicht widerspricht.\nDie bei Verfolgung der erw\u00e4hnten Aufgabe benutzte Methode war, wie bereits angedeutet, die von M\u00fclles und Pilzecker {Zeitschr. f. Psychol., Erg\u00e4nzungsband 1) und Jost (Zeitschr. f. Psychol. 14) schon mit grofsem Erfolge benutzte Treffermethode. Sind ja doch bei derselben die gegebenen Lernstoffe auch nur paarweise einzupr\u00e4gen und hinterher die den einzelnen Paaren entsprechenden Assoziationen in bestimmter Reihenfolge zu pr\u00fcfen,","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nP. Ephruss.\nganz \u00e4hnlich wie z. B. bei der Erlernung der Bedeutung lateinischer Vokabeln der Sch\u00fcler lateinische und deutsche W\u00f6rter paarweise assoziiert und hinterher der Lehrer diese Assoziationen in beliebiger Reihenfolge pr\u00fcft. So weit ich mieh sinnloser Silben bedient habe, verfuhr ich in derselben Weise wie die genannten Forscher, abgesehen von einem Punkte. W\u00e4hrend n\u00e4mlich bei den Versuchen jener Forscher der Versuchsperson stets die Instruktion eingepr\u00e4gt wurde, dafs die etwaigen beim Lesen der Silben der Versuchsperson zum Bewu\u00dftsein kommenden Nebenvorstellungen m\u00f6glichst zur\u00fcckzudr\u00e4ngen seien, also ein rein mechanisches Lernen angestrebt wurde, habe ich in einigen meiner mit sinnlosen Silben angestellten Versuchsreihen das unterst\u00fctzte Lernen ausdr\u00fccklich zugelassen, d. h. in solchen Reihen, in denen ich es mit Versuchspersonen zu tun hatte, denen sich assoziative Hilfen und f\u00f6rderliche Ankl\u00e4nge ganz besonders scharf aufdr\u00e4ngten, wurden diese Versuchspersonen angewiesen, sich ein Zur\u00fcckdr\u00e4ngen dieser Hilfen nicht angelegen sein zu lassen. Beim Vorzeigen mu\u00dften die Versuchspersonen genaue Angaben \u00fcber das etwaige die Einpr\u00e4gung unterst\u00fctzt habende Moment zu Protokoll geben. Nachstehende Untersuchung wird zeigen, in wie hohem Grade der Umstand, ob das Einpr\u00e4gen ein wesentlich mechanisches oder ein unterst\u00fctztes im angedeuteten Sinne ist, den Charakter der Resultate (hinsichtlich der Assoziationsfestigkeit, objektiven Richtigkeit und subjektiven Sicherheit) beeinflu\u00dft.\nMeiner speziellen Aufgabe gem\u00e4\u00df n\u00e4herten sich ferner meine Versuche den Verh\u00e4ltnissen des gew\u00f6hnlichen Lebens auch insofern in einem h\u00f6heren Grade, als ich mich nicht auf sinnloses Silbenmaterial beschr\u00e4nkte, sondern Lernstoffe von verschiedener Art benutzte. So verwandte ich bei dieser ersten Frage au\u00dfer den Silbenreihen auch Wortpaare, die aus je einer russischen und der dazu geh\u00f6rigen deutschen Vokabel bestanden, ferner auch Reihen, deren einzupr\u00e4gende Paare aus je einem zweisilbigen Worte und einer dreistelligen Zahl zusammengesetzt waren. Bei den Versuchen, die sich auf die weiteren Fragen bezogen, wurden auch noch andere Arten von Lernstoff ben\u00fctzt, z. B. sinnvolles Material (Strophen), Zahlenreihen und Reihen sinnhaltiger W\u00f6rter. Die Anwendung verschiedener Arten von Lemmaterial hat meine Versuche nicht allein \u00e4u\u00dferlich vervollst\u00e4ndigt, sondern, wie wir weiterhin sehen werden, erst \u00fcberhaupt","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge twr Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n61\neine vollst\u00e4ndige L\u00f6sung des Problems erm\u00f6glicht und den hier in erster Linie in Betracht kommenden Gesichtspunkt an die Hand gegeben. Es hat sich dabei herausgestellt, dafs die Unterschiede in der Art des Lemmaterials (namentlich die gr\u00f6fsere oder geringere Gel\u00e4ufigkeit desselben) die Resultate nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Beziehung beeinflussen, so dafs man bei verschiedenen Stoffen unter sonst gleichen Umst\u00e4nden direkt entgegengesetzte Resultate erhalten kann. In methodologischer Hinsicht ergibt sich hieraus die wichtige Regel, dafs man die mit einem bestimmten Lemmaterial erhaltenen Resultate nicht ohne weiteres auf jeden anderen Stoff \u00fcbertragen soll.\nDie Zusammenfassung der mit verschiedenen Lernstoffen erhaltenen Ergebnisse wird zweierlei zeigen:\n1.\tBestehen die einzupr\u00e4genden Paare aus ungel\u00e4ufigen Gliedern, wie das bei Silben der Fall ist, so hat das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen den Vorzug vor dem Lesen im ganzen (vorausgesetzt, dafs die unmittelbar aufeinander folgenden Wiederholungen jedes Paares nicht so zahlreich sind, dafs im Verlauf derselben ein unwillk\u00fcrliches Nachlassen der Aufmerksamkeit eintritt).\n2.\tHat es dagegen die Versuchsperson mit einem ihr bereits ganz gel\u00e4ufigen Stoffe zu tun, z. B. mit W\u00f6rtern aus der Muttersprache und mit Zahlen, so treten weiterhin zu erw\u00e4hnende sekund\u00e4re Faktoren in den Vordergrund und lassen die Resultate, je nach der Individualit\u00e4t der Versuchsperson, mehr oder weniger zugunsten des zweiten Verfahrens ausfallen.\nVersuchen wir die Tatsache zu erkl\u00e4ren, dafs die Ergebnisse je nach der Art des benutzten Lernstoffes verschieden sind, so er\u00f6ffnet Bich uns die Erkenntnis eines neuen, in der Lehre vom \u00f6konomischen Lernen bis jetzt fast ganz unber\u00fccksichtigt gebliebenen Faktors. Die Gesichtspunkte, zu denen die bisherigen Untersuchungen \u00fcber die \u00d6konomik des Lernens gef\u00fchrt haben, liefen darauf hinaus, dafs sie betonten, es sei das Lemverfahren so zu gestalten, dafs die Assoziationen gem\u00e4fs ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Wiederholungszahl und der Art ihrer zeitlichen Verteilung m\u00f6glichst g\u00fcnstig ausfielen. Meine Versuchsergebnisse zeigen, dafs die Assoziationsst\u00e4rke, welche unter bestimmten Umst\u00e4nden erzielt wird, zugleich auch von der Gel\u00e4ufigkeit der zu assoziierenden Vorstellungen abh\u00e4ngt, in dem Sinne,","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nP. Ephrutti,\ndafB mit der gr\u00f6fseren Gel\u00e4ufigkeit des Lemmaterials die gr\u00f6fsere Assoziierbarkeit verbunden ist. F\u00fcr die \u00d6konomik des Lernens ergibt sich der weitere Gesichtspunkt: Von zwei sonst gleichwertigen Verfahrensweisen ist diejenige die zweckm\u00e4fsigere, bei welcher eine geringere Wiederholungszahl gen\u00fcgt, um das Lorn-material auf einen h\u00f6heren Grad der Gel\u00e4ufigkeit zu bringen, bei der also bei gegebener Wiederholungszahl eine gr\u00f6fsere Zahl der Wiederholungen der eigentlichen Einpr\u00e4gungsarbeit, der Herstellung der Assoziationen, zugute kommt. Wie wir weiterhin sehen werden, erkl\u00e4rt sich aus der G\u00fcltigkeit dieses Gesichtspunktes das oben erw\u00e4hnte Resultat, dafs bei wenig gel\u00e4ufigem Lemmaterial das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen vor dem Lesen im ganzen den Vorzug hat.\nWie sich bei der Kompliziertheit des Einpr\u00e4gungsprozesses von selbst versteht, kommen bei den beiden Lemweisen aufser dem soeben angef\u00fchrten Gesichtspunkte noch andere Gesichtspunkte in Betracht. Die weiteren, daraufhin angestellten Versuche haben ergeben, dafs die beiden Lernweisen sich nicht blofs hinsichtlich der Assoziationen unterscheiden, welche vom ersten Gliede eines Paares auf das zweite f\u00fchren, sondern auch hinsichtlich derjenigen Assoziationen, die dahin wirken, dafs beim Gegebensein des zweiten Gliedes eines Paares das erste Glied reproduziert werde.\nAuf Grund weiterer Erw\u00e4gungen bin ich ebenso wie hinsichtlich der Art des benutzten Lernmaterials in einigen F\u00e4llen auch hinsichtlich der Weise seiner Vorf\u00fchrung \u00fcber die bisherigen Arbeiten hinausgegangen. W\u00e4hrend sonst die bei einem Versuche paarweise einzupr\u00e4genden Glieder (Silben, W\u00f6rter, Zahlen) ganz ebenso wie bei M\u00fcllkb und Schumann mit gleichen Abst\u00e4nden voneinander sukzessiv vorgef\u00fchrt wurden, f\u00fchrte ich bei einigen weiteren Versuchen die einen Silbenreihen in der \u00fcblichen (M\u00fclleb und ScHUMANNschen) Weise, die anderen dagegen so vor, dafs jedes einzupr\u00e4gende Silbenpaar von dem n\u00e4chstfolgenden durch ein gr\u00f6fseres leeres Intervall getrennt war.\nDie bei dem letzteren Verfahren erhaltenen Resultate f\u00fchren zur Frage des zweiten Hauptteiles meiner Arbeit, dessen Aufgabe es war, den Einflufs der Lesegeschwindigkeit zu untersuchen. Denn auch beim \u00dcbergang zu einer langsameren Lesegeschwindigkeit findet neben einer Verl\u00e4ngerung der Zeit, w\u00e4hrend welcher jedes Glied der einzupr\u00e4genden Reihe sichtbar iBt, auch","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zw Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n63\neine Vergr\u00f6fserung des zeitlichen Intervalles statt, das die anf einander folgenden Paare voneinander trennt, allerdings gleichzeitig auch eine Verl\u00e4ngerung des Intervalles, das zwischen die Glieder jedes einzelnen Paares f\u00e4llt.\nH\u00e4tte ich mich nur vom Gesichtspunkte der praktischen Wichtigkeit dieser Frage leiten lassen, so h\u00e4tte ich danach streben m\u00fcssen, eine Reihe von Geschwindigkeiten des Lesens hinsichtlich ihres \u00f6konomischen Wertes bei verschiedenen Stoff arten und Individuen genau zu bestimmen. Ich nahm mir aber vor, den tats\u00e4chlichen Einflufs der verschiedenen Geschwindigkeiten nur in seinen Hauptgrundz\u00fcgen zu untersuchen, dagegen n\u00e4her festzustellen, auf welchen psychologischen Faktoren und Gesetzen der Einflufs der Lesegeschwindigkeit beruht. Hierbei bediente ich mich sowohl des Treffer- wie auch des Erlemungsverfahrens.\nBei den Versuchen nach dem Trefferverfahren hatte die Versuchsperson Silbenreihen oder die aus W\u00f6rtern und Zahlen bestehenden Reihen bei verschiedenen Rotationsgeschwindigkeiten der Kymographiontrommel, aber w\u00e4hrend des gleichen Zeitraumes zu lesen. Je schneller somit jede einzelne Lesung vor Bich ging, eine desto gr\u00f6fBere Wiederholungszahl konnte in der gegebenen Zeit erzielt werden. Bei den Versuchen nach dem Erlernungs verfahren mufsten Silbenreihen oder Strophen bei verschiedenen Lesegeschwindigkeiten bis zur ersten fehlerfreien Reproduktion gebracht werden. Eine Vergleichung der mittels beider Methoden gewonnenen Resultate ergab nun ein paradoxes Verhalten. W\u00e4hrend man im Falle der Anwendung der Treffermethode, d. h. bei der Aneignung eines nur paarweise einzupr\u00e4genden Stoffes, bei weitem zweckm\u00e4fsiger verf\u00e4hrt, wenn man die gegebene Lernzeit mit einer relativ beschr\u00e4nkten Zahl langsamer Lesungen ausf\u00fcllt, ist es bei Anwendung der Erlemungsmethode, das heilst also bei Einpr\u00e4gung eineB Stoffquantums, das im ganzen zu reproduzieren ist, innerhalb der von mir untersuchten Grenzen \u00f6konomischer die Geschwindigkeit des Lesens m\u00f6glichst zu steigern.\nDie von mir verfolgte und, wie ich glaube, auch gel\u00f6ste Aufgabe, dieses paradoxe Verhalten zu erkl\u00e4ren, f\u00fchrte mich zur Konstatierung der eigent\u00fcmlichen Tatsache, dafs der Abfall in der Zeit bei den Assoziationen, die durch rasches Lesen hergestellt worden sind, viel steiler ist als bei denjenigen, die bei einem langsamen Tempo des Lesens zustande gebracht worden sind. Der Abfall der Assoziationsst\u00e4rke in der Zeit kommt nun","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nP. Ephrutsi.\nbeim Erlemungs verfahren, wenigstens in derjenigen Form, in welcher es bei meinen Versuchen benutzt worden ist (n\u00e4mlich als Methode der unmittelbaren Erlernung), gar nicht in Betracht, dagegen spielt er bei Benutzung des Trefferverfahrens (wegen der Zeit, welche das Vorzeigen s\u00e4mtlicher betreffenden Silben oder W\u00f6rter in Anspruch nimmt) selbst dann eine Rolle, wenn das Vorzeigen unmittelbar nach der letzten Lesung beginnt. Im Lichte dieses Sachverhaltes l\u00e4fst sich verstehen, dafs die Steigerung der Lesegeschwindigkeit sich bei der Treffermethode anders als bei der Erlemungsmethode geltend machen kann. Eine n\u00e4here Er\u00f6rterung der Faktoren, die bei Erkl\u00e4rung des Einflusses der Lesegeschwindigkeit heranzuziehen sind, wird weiterhin in \u00a7 20 gegeben werden.\nEin Verfahren, das vom zeit\u00f6konomischen Standpunkte aus das zweckm\u00e4fsigste ist, braucht nicht auch vom kraft\u00f6kono-misehen Standpunkte aus betrachtet das geeignetste zu sein, d. h. nicht dasjenige zu sein, welches die geringste Eraft-ausgabe erfordert und die geistige Leistungsf\u00e4higkeit am wenigsten herabBetzt. Ich habe daher auch vom kraft\u00f6konomischen Standpunkte aus einige Untersuchungen \u00fcber den Einflufs der Geschwindigkeit des Lesens angestellt. Es mag sogleich hier darauf aufmerksam gemacht werden, dafB wir zurzeit noch nicht wissen, ob eine bestimmte geistige Inanspruchnahme (z. B. durch Erlernung von Silbenreihen) die geistige Leistungsf\u00e4higkeit f\u00fcr anderweite T\u00e4tigkeitsgebiete (z. B. Auswendiglernen anderweitigen Materials, Auffassungsversuche, Rechnen, wissenschaftliches Nachdenken usw.) in gleicher Weise beeinflufst.1 Solange dieser\n1 Auf die hierhergeh\u00f6rigen, wenig zahlreichen Versuche von Wsyoah\u00bb (Kr\u00e4p dins Psychol. Arbeiten 2) gehe ich hier nicht ein.\nDafs eine sehr starke und lange andauernde geistige Inanspruchnahme eine Erm\u00fcdung f\u00fcr alle Arten nachfolgender geistiger Besch\u00e4ftigungen bewirkt, ist sowohl durch die Erfahrungen des gew\u00f6hnlichen Lebens, als auch durch die Resultate vorliegender Erm\u00fcdungs-Versuche bereits festgestellt. Hier handelt es sich aber blofs um die Wirkungen einer nur m\u00e4fsigen geistigen Erm\u00fcdung, wie eine solche z. B. durch die Erlernung einiger Silbenreihen hervorgerufen wird. Wir wissen, dafs im rein physiologischen Gebiete eine andauernde angestrengte T\u00e4tigkeit gewisser Muskeln (durch die Verschleppung der Erm\u00fcdungsgifte) eine Herabsetzung der Leistungsf\u00e4higkeit auch der nichtbeteiligt gewesenen Muskeln bedingt; hingegen ist es zweifelhaft und jedenfalls noch nicht erwiesen, dais eine nur m\u00e4fsige, nur \u00fcber eine beschr\u00e4nkte Anzahl von Minuten sich erstreckende Inanspruchnahme gewisser Muskeln auch auiaer-","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n65\nPunkt nicht klargestellt ist, kann man auf Grund erhaltener Versuchsresultate ein Verfahren nicht allgemein f\u00fcr kraft-\u00f6konomischer erkl\u00e4ren als ein anderes, eondem nur mit der einschr\u00e4nkenden Voraussetzung, dafs die Beeinflussung der Leistungsf\u00e4higkeit durch die verschiedenen Verfahrensweisen mittels solcher Versuche gepr\u00fcft werde, als man selbst bei den betreffenden Untersuchungen angestellt hat. Meine hierhergeh\u00f6rigen Versuche betrafen die Beeinflussung der Leistungsf\u00e4higkeit im weiteren Auswendiglernen und im Auffassen visueller Eindr\u00fccke.\nDa ich die M\u00f6glichkeit hatte, eine bei Laboratoriumversuchen \u00fcber das Ged\u00e4chtnis bisher wohl noch nicht erreichte Zahl (\u00fcber 30) verschiedener Versuchspersonen zu benutzen, unter denen sich, wie zu erwarten, auch einige befanden, die ohne bestimmte Fragestellung meinerseits \u00fcber wertvolle Selbstbeobachtungen zu berichten wufsten, so war ich in der Lage, eine Reihe typischer und individueller Differenzen hinsichtlich des Auffassungs-, Er-lemungs- und Reproduktionsvorgangs zu konstatieren. Dieselben werden in \u00a7\u00a7 3 und 7 zum Gegenstand besonderer Er\u00f6rterung gemacht.\nIch schicke hier bereits die Bemerkung voraus, dafs die Versuchspersonen im folgenden mit Buchstaben, die Herren mit Konsonanten, die Damen mit Vokalen bezeichnet werden. Die bei den angedeuteten Versuchen benutzten Versuchspersonen waren die folgenden:\nDie Herren Anbrae, cand. math., Bernstein, Ing. und lie. math., v. Boqaewsky, stud. phil., Golowinsky, stud. med., Jablonsky, stud, jur., K\u00e4mmerer, cand. phil., Lewkowitz, cand. phil., Mitschnik, cand. rer. nat., M\u00f6nch, cand. math., Podtjaoin, stud, med., Redepenning, stud, med., Revesz, Dr. jur., Schor, cand. math., Snissabenko, stud, med., Woloschin, stud, philos.\nDie Damen Frl. Gamm, stud, math., Hesse, Jacob, stud, phil., Nobbe, stud, math., Schwietering, v. Ustromsky, stud. rer. nat., Wurmb, stud. phil.\nAufser den genannten Versuchspersonen habe ich noch 3 halberwachsene M\u00e4dchen (Clara Patzlee, 13 Jahr, Schaper, 15 Jahr, Wiecke, 16 Jahr) mit einer mehr oder weniger voll-\nhalb der letzteren eine merkbare Beeintr\u00e4chtigung der Muakelerregbarkeit erkennen l\u00e4\u00fcst.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 87.\t&","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nP. Ephruesi.\nst\u00e4ndigen Volksschulbildung bei einigen besonders hervorzuhebenden Versuchsreihen hinzugezogen.\nAls Anhang zu den Untersuchungen, \u00fcber deren Gang ich im vorstehenden kurz berichtet habe, teile ich eine von mir im Winter 1900 zu Breslau begonnene und im Winter 1901 in G\u00f6ttingen abgeschlossene, nach der Methode der Hilfen an-ge8tellte Untersuchung \u00fcber \u201edie Wirkung der einzelnen Wiederholungen\u201c mit. Da dieser Gegenstand in keinem n\u00e4heren Zusammenh\u00e4nge mit den oben er\u00f6rterten Fragen steht, so kann ich von einer vorl\u00e4ufigen Berichterstattung \u00fcber den Gang dieser Versuche hier absehen. Die Versuchspersonen, die mir bei dieser Untersuchung zur Verf\u00fcgung standen, werden im Eing\u00e4nge des Anhanges angef\u00fchrt.\nErster Teil.\n\u00dcber das \u00f6konomische Lernen bei paarweise einzupr\u00e4gendem Stoffe.\nKapitel I.\nVersuche mit sinnlosem Stoffe.\n\u00a7 1. Versuchsanordnung.\nDie ersten Versuchsreihen, die zur Beantwortung der bereits auf S. 59 aufgeworfenen Frage, ob das Lesen im ganzen oder das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen bei Erlernung eines paarweise einzupr\u00e4genden Stoffes \u00f6konomischer ist, dienen sollten, wurden mit sinnlosem Material und bei folgender Versuchsanordnung angestellt. Es wurden zehnsilbige normale Silbenreihen nach dem M\u00fcllek- und Sc human Nschen Verfahren \u2014 die Eigent\u00fcmlichkeiten desselben (Vorf\u00fchrung der Reihen mittels einer rotierenden Kymographiontrommel usw.) k\u00f6nnen hier als bekannt vorausgesetzt werden \u2014 der Versuchsperson vorgef\u00fchrt.1 Ich will die Reihen, an denen das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen zur Anwendung kam, kurz als die H-Reihen und die Reihen, die im ganzen gelesen wurden, als die G-Reihen bezeichnen. Was nun zun\u00e4chst die ersteren Reihen anbelangt, so\n1 Die Reihen stammen von M\u00fclles und Schumann und waren mir vom Herrn Prof. M\u00fclleb freundlichst zur Verf\u00fcgung gestellt.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n67\nwurde jeder der 5 Takte einer solchen Reihe je 5 mal untereinander auf einem Papierstreifen aufgezeichnet, und zwar war der Abstand der Mittelpunkte von 2 benachbarten Silben 2,5 cm, so dafs bei der hierbei ben\u00fctzten f\u00fcr 20 Silben bestimmten Trommel vom Umfange 53,5 cm jede H- Reihe mit den ihr entsprechenden 50 aufzuschreibenden Silben 2 ganze Streifen und die H\u00e4lfte eines dritten in Anspruch nahm. Der Versuchsleiter hatte jedesmal nach dem Ablesen der 20. oder 40. Silbe (d. h. nach Absolvierung der 5 Lesungen des 2. oder des 4. Taktes der Reihe) den Schirm schnell etwas zu verschieben, um den Spalt auf die 1. Silbe des folgenden Streifens zu bringen. Das Zeitintervall (1,2\u20141,9 Sek.), daB zwischen dem Verschwinden der letzten Silbe eines Taktes und dem Erscheinen der 1. Silbe des folgenden verflofs, war gerade ausreichend, um nach einiger \u00dcbung dieses Verschieben des Schirmes leicht ausf\u00fchren zu lassen.1 Damit die Versuchsbedingungen beim Lesen der G-Reihen m\u00f6glichst dieselben seien wie beim Lesen der H- Reihen, war\n1 In der eich an die Untersuchung von Lottie 8teffens anschliefsen-den Abhandlung von Pentschew \u201e\u00dcber die \u00d6konomik und Technik dee Lernens\u201c (Archiv f\u00fcr die gesamte Psychologie 1) unterwirft der Verf. das Verfahren der Schirmverschiebungen, das auch von Steffens angewandt wurde, einer Kritik. Meinen Erfahrungen und den Ergebnissen meiner Versuche gem\u00e4fs \u00f6bt das Verschieben des Schirmes keinen irgendwie ins Gewicht fallenden Einflufs auf die Resultate aus. Selbstverst\u00e4ndlich wird dabei die Voraussetzung gemacht, dafs sowohl die Versuchsperson wie auch der Versuchsleiter eine gen\u00fcgende \u00dcbung besitzen und mit guter Konzentration der Aufmerksamkeit bei den Versuchen sind. Ist aber diese Voraussetzung erf\u00fcllt, so ist das Verschieben des Schirmes weder f\u00fcr die Versuchsperson noch f\u00fcr den Versuchsleiter st\u00f6rend, und es kommen die bei Pentschew angegebenen Falle, \u201ein denen der Schirm bei der schnellen Schiebung nicht gerade vor die betreffende Reihenh\u00e4lfte gestellt war\u201c, schwerlich vor. \u00dcber den Wert der Versuche, die Pentschew angestellt hat, um den Einflufs des Verschiebens des Schirmes zu beweisen, l\u00e4fst sich nicht urteilen, da die Zahl der angestellten Versuche nicht mitgeteilt wird (vgl. S. 422), man aufserdem nicht weifs, wie weit die bei diesen Versuchen benutzte Versuchsperson ge\u00fcbt war, welcher Umstand in diesem Falle sehr wesentlich ist, und weil drittens die ganze Beschreibung und Besprechung dieser Versuche so wenig klar ist, dafs jede n\u00e4here Stellungnahme ausgeschlossen ist. So viel ich sehen kann, haben die von ihm angestellten Versuche, bei denen die Verschiebung des Schirmes stattfand, bedeutend bessere Resultate ergeben als die anderen Versuche, wobei aber doch das ganze Ergebnis zweideutig bleibt, weil die beiden benutzten Versuchsarten sich auch noch in anderer Hinsicht unterscheiden.\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nP. Ephrtitsi.\ndie 6r- Reihe jedesmal auf dem 4. Streifen desselben Papierbogens aufgeschrieben und zwar zweimal hintereinander, entsprechend dem schon erw\u00e4hnten Umstande, dafs jeder Streifen 20 Silben fafste. Nach je 5 Wiederholungen des betreffenden Lernstoffes, d. h. nach 5 Lesungen einer G- Reihe, bzw. nach einmaliger Absolvierung der 5fachen Lesungen aller Takte einer U - Reihe, wurde ein Intervall von 7 */* Sek. bis 10 Sek. ein-geschoben, w\u00e4hrend dessen die Trommel sich gerade um eine halbe Rotation weiter bewegte. Dieses Intervall wurde beim Lesen einer H- Reihe vom Versuchsleiter dazu benutzt, den Spalt des Schirmes wieder vor den ersten Streifen zu bringen, so dass nach Ablauf der halben Rotation die erste Silbe der Reihe Bich der Versuchsperson wieder darstellte. Handelte es sich um eine G-Reihe, so wurde das Intervall dadurch ausgef\u00fcllt, dafs eine H\u00e4lfte des entsprechenden Streifens, auf der die Reihe dem obigen gem\u00e4fs gerade einmal aufgeschrieben war, vorbeirotierte, und das Lesen begann hierauf wieder von der ersten Silbe ab. Selbstverst\u00e4ndlich war durch Vorhaltung eines zweiten Schirmes daf\u00fcr gesorgt, dafs w\u00e4hrend des erw\u00e4hnten Intervalles keine der Silben der Versuchsperson sichtbar wurde. Je nachdem also das aus 5 Silbenpaaren bestehende Lemmaterial 10, 15 oder 20 mal von der Versuchsperson wiederholt werden sollte, wurden solche Intervalle einmal oder zwei- oder dreimal bei den beiden Reihenarten eingeschoben.\nWegen der Einschiebung der Intervalle, die, wie zu erkennen, aus technischen Gr\u00fcnden geschah, ist das von mir benutzte Verfahren als ein solches zu bezeichnen, bei welchem eine Verteilung der Wiederholungen mit engen Intervallen1 stattfand. Ich bemerke im voraus, dafs sp\u00e4ter mitzuteilende Versuchsreihen, in denen die Verteilung mit Intervallen unterblieb, entsprechende Resultate ergeben haben wie diese Versuchsreihen. Wie erw\u00e4hnt, war die Zahl der Wiederholungen, welche beim Lesen einer H-Reihe ein und derselbe Takt unmittelbar hintereinander erfuhr \u2014 ich will diese Zahl im folgenden als die H\u00e4ufungszahl bezeichnen \u2014 in diesen Versuchsreihen gleich 5. In den sp\u00e4teren Reihen wurde die H\u00e4ufungszahl gelegentlich nach unten hin variiert; dar\u00fcber aber wurde nicht hinausgegangen, erstens deshalb, weil eine solche Konstellation, bei der die H\u00e4ufungszahl sehr hoch\n1 Vgl. M\u00fcllfb und Pilzeckek, S. 234 und 235.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n69\nist, weder vom praktischen noch vom theoretischen Standpunkte aus in Betracht kommen kann ; denn es hegt auf der Hand, dafs die Aufmerksamkeit des Lernenden sich bei hoher Anzahl der unmittelbar aufeinander folgenden Wiederholungen eines und desselben Taktes, Wortpaares u. dgl. stark abstumpft. Man wird z. B. den Takt feum tis nicht 12 mal hintereinander mit angespannter Aufmerksamkeit wiederholen. Auch w\u00fcrde die Benutzung sehr hoher H\u00e4ufungszahl grofse Arbeit und technische Umst\u00e4ndlichkeiten mit sich gebracht haben, da jeder Takt einer H-Reihe so viele Male, als die H\u00e4ufungszahl betragen h\u00e4tte, h\u00e4tte aufgeschrieben werden m\u00fcssen, wenn anders an dem Prinzip festgehalten werden sollte, dais die //-Reihen und die G-Reihen in m\u00f6glichst vergleichbarer Weise der Versuchsperson vorzuf\u00fchren seien.\nDie Versuche fanden in s\u00e4mtlichen Versuchsreihen t\u00e4glich zu derselben Tagesstunde statt.1 In jeder Sitzung wurden 2 H- Reihen und 2 G-Reihen auf die angegebene Weise und im troch\u00e4ischen Rhythmus gelesen. Die Rotationsgeschwindigkeiten und die Wiederholungszahlen waren je nach den Versuchspersonen verschieden. Die Pausen, die das Lesen der einzelnen Reihen voneinander trennten, wurden je nach der vorhergehenden Wiederholungszahl gleich 1 Min. 30 Sek. bis 2 Min. 30 Sek. genommen. Nach der letzten Lesung der 4. Reihe verflofs eine Pause von 5 Min. Hierauf begann das Vorzeigen der betonten Silben aus allen 4 Reihen nach der Treffer- und Zeitmethode, und zwar war auch das \u00e4ufsere Verfahren ganz dasselbe wie das von M\u00fcllee und Pilzeckek in ihren sp\u00e4teren Versuchsreihen benutzte (Anwendung des Lippenschl\u00fcssels statt deB Schalltrichters). Die Zeitlagen des Lesens der verschiedenen Reihen, sowie die Reihenfolge des Vorzeigens der betonten Silben wurden nach den von M\u00fcller und Schumann (Zeitschr. f. Psychol. G) und M\u00fcllek und Pilzeckeb angegebenen Vorschriften in diesen sowie in allen folgenden Versuchsreihen stets aufs genaueste reguliert. Soweit die etwaige Ab\u00e4nderung nicht ausdr\u00fccklich vermerkt ist, hielt ich mich bei\n* Nur Versuchsreihe 5 wurde zur einen H\u00e4lfte vor den Pflngstferien 1902, zur anderen H\u00e4lfte nach denselben angestellt. Da die Resultate gem\u00e4is der gleichm\u00e4\u00dfigen Disposition der Versuchsperson in beiden H\u00e4lften wesentlich gleich ausgefallen sind, ist weiterhin von einer Sonderung derselben nach den beiden H\u00e4lften der Versuchsreihe abgesehen worden.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nP. Ephruts\u00ef.\nder Instruktion der Versuchspersonen und auch bei der Klassifikation der beim Vorzeigen erhaltenen Antworten mit den dazu geh\u00f6rigen Zeitwerten ganz an die von den genannten Forschem aufgestellten Regeln (vgl. M\u00fcller und Pilzecker S. 11). Wir werden somit bei der Darstellung der Resultate zwischen Treffern, Teiltreffem, falschen F\u00e4llen und Nullf\u00e4llen zu unterscheiden haben. Auch bezeichne ich (M\u00fcller und Pilzeckeb, S. 26 u. 27) \u201emit n stets die Gesamtzahl der Vorzeigungen, welche f\u00fcr die betreffende Versuchskonstellation stattfanden, mit r die relative (d. h. im Verh\u00e4ltnisse zu n genommene) Trefferzahl, mit f die relative Zahl der falschen Silben und mit v die relative Zahl der Nullf\u00e4lle. Die relative Zahl der Teiltreffer kann man stets aus den angef\u00fchrten Werten von r, f und v entnehmen, da dieselbe gleich 1-r-f-v sein mufs. Tr, Tf, T, sind die in Tausendsteln einer Sekunde ausgedr\u00fcckten Durchschnittswerte der Trefferzeiten, der Zeiten der falschen F\u00e4lle und der Zeiten der Nullf\u00e4lle. Bei der Berechnung dieser Durchschnittswerte wurden die einzelnen Beobachtungswerte genau so, wie sie sich durch die Ablesungen am Chronoskope ergaben, benutzt. Die erhaltenen Durchschnittswerte aber wurden in der vierten Stelle abgerundet, so dafs z. B. an Stelle des berechneten Wertes 2233 (2238) der Wert 2230 .(2240) hingeschrieben wurde.\u201c Aufserd ein werde ich auch bei Angabe der Resultate einer Versuchsreihe stets die Zahl der kleinen Trefferzeiten (vgl. M\u00fcller und Pilzecker, \u00a7 5 u. 6) mit anf\u00fchren.\n\u00a7 2. Versuchsreihen 1\u20144.\nVersuchsreihe 1. Versuchsperson A. Die Versuche umfafsten 24 Tage und wurden t\u00e4glich zwischen 11 und 12 Uhr vormittags angestellt. Beginn am 29. Januar, Ende am 23. Februar 1902. Die \u00fcberall kurz mit R zu bezeichnende Dauer einer Trommelrotation war = 15 Sek., die Wiederholungszahl, die ich kurz mit W bezeichnen werde, betrug f\u00fcr jede Reihe 20. Da sich bei der Versuchsperson A. schon w\u00e4hrend der Vorversuche die Tendenz zeigte, bei den sp\u00e4teren Wiederholungen der Takte einer /i-Reihe (etwa von der dritten Wiederholung ab) die Silben schon vor ihrem Erscheinen in dem Schirmausschnitte auszusprechen, so wurde ihr ebenso wie den folgenden Versuchspersonen die Instruktion noch besonders eingesch\u00e4rft, dafs in allen Reihen die Silben stets nur abzulesen und nicht aus dem Ged\u00e4chtnis zu","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n71\nreproduzieren seien. Die Resultate dieser Versuchsreihe sind in nachstehender Zusammenstellung enthalten, in welcher die unter T<2000 stehenden Zahlen 20 und 12 besagen, dafs unter den Trefferzeiten, welche die H- Reihen oder G-Reihen ergeben haben, sich 20 bzw. nur 12 befanden, die kleiner als 2000 waren.\n\tr\tTr\tTV <2000\tf\tV\tT.\n1?-Reihen\t0,46\t4280\t20\t0,23\t0,25\t11740\n<?- \u201e\t0,34\t4120\t12\t0,25\t0,36\t9670\n(\u00bb = 240)\nDie Zahlenwerte von Tf sind, weil f\u00fcr uns hier belanglos, weggelassen worden. Die relative Zahl der Teiltreffer ist in dieser sowie in anderen Zusammenstellungen der Raumersparnis halber nicht besonders angef\u00fchrt, da dieselbe, wie schon erw\u00e4hnt, = 1-r-f-v ist und mithin aus den angef\u00fchrten Werten von r, f und v entnommen werden kann. Man gelangt zu demselben Ergebnis , wenn man die Teiltreffer mit den Volltreffern zu-sammenfafst.\nVersuchsreihe 2. Versuchsperson K. 20 Versuchstage. B (Rotationsdauer) = 18 Sek., W (Wiederholungszahl) \u2014 20.\n\tr\tTr\t7V<2000\tf\t\u00ab\tTr\nH- Reihen\t0,44\t10900\t23\t0,42\t0,12\t69 300\nG- \u201e\t0,30\t13 880\t9\t0,56\t0,12\t66 590\n(\u00bb = 200)\nWie zu ersehen, zeichnet sich K. ganz besonders durch die L\u00e4nge der von ihm gelieferten Zeitwerte aus. Schon die Trefferzeiten sind in dieser Reihe von einer auffallenden L\u00e4nge. In einem noch h\u00f6heren Mafse gilt dies aber von den Zeiten der Nullf\u00e4lle, die in Wirklichkeit noch erheblich l\u00e4nger waren als die hier angef\u00fchrten Durchschnittswerte. K. pflegte in den meisten F\u00e4llen (65\u201470 \u00b0/0) noch immer zu \u00fcberlegen und nach der richtigen Silbe zu suchen, auch nachdem das Chronoskop bereits abgelaufen und das Zeigerwerk zum Stehen gekommen war. Da das von mir benutzte Chronoskop nach einem Laufe von 80 Sek. von neuem aufgezogen werden mufste, so konnten die den Betrag von 80 Sek. \u00fcberschreitenden Zeiten nicht mehr gemessen werden und wurden nur vom Versuchsleiter besonders vermerkt. Im","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nP. Ephrutsi.\nZusammenhang mit der soeben erw\u00e4hnten Eigent\u00fcmlichkeit von K. steht es, dafs in dieser Versuchsreihe die Zahl der falschen F\u00e4lle im Verh\u00e4ltnis zur Zahl der Nullf\u00e4lle eine erheblich gr\u00f6fsere als bei irgend einer anderen Versuchsperson ist. Eine n\u00e4here Er\u00f6rterung dieser Eigent\u00fcmlichkeiten, die in einem engen Zusammenh\u00e4nge damit zu stehen scheinen, wie sich bei der betreffenden Versuchsperson die subjektive Sicherheit in Beziehung auf die Richtigkeit oder Falschheit der im Bewufstsein auftauchenden Silben verhielt, wird in \u00a7 7 stattfinden.\nVersuchsreihe 3. Versuchspereon M. Diese Reihe wurde mit M. unmittelbar nach Beendigung einer l\u00e4ngeren Versuchsreihe, in welcher ein anderer Lernstoff (Wort- und Zahlenpaare) zur Anwendung gekommen war, angestellt und konnte schon nach 8 Versuchstagen, die ganz einstimmige und mit den obigen zwei Versuchsreihen \u00fcbereinstimmende Resultate ergeben hatten, abgeschlossen werden. R \u2014 19 Sek., W = 15.\n\tr\tTr\t7V<5000\tf\tV\tT,\n.ff-Keihen\t0,38\t6660\t9\t0,24\t0,35\t10040\n\u201e\t0,26\t8200\t4\t0,11\t0,59\t9130\n(n = 80)\nBetrachten wir die Ergebnisse dieser 3 ersten Versuchsreihen, so sehen wir, dafs das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen sich bei paarweise einzupr\u00e4gendem sinnlosen Stoffe als durchweg \u00f6konomischer erwiesen hat als das Lesen im ganzen und zwar in betr\u00e4chtlichem Grade. Folgende Tatsachen gestatten uns diesen Schlufs zu ziehen:\n1.\tBeim Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen ergibt sich eine bedeutend h\u00f6here Trefferzahl als beim Lesen im ganzen. Auch bei einer Vergleichung der Resultate gleicher Versuchstage (vgl. M\u00fclleb und Sch\u00fcmann, S. 271) sieht man mit Deutlichkeit den Vorzug des ersteren Verfahrens. Die IT-Reihen ergaben in der Versuchsreihe 1 an 14 Versuchstagen mehr Treffer als die G-Reihen, und nur an 5 Tagen war die Trefferzahl bei den G-Reihen eine gr\u00f6fsere als bei den H- Reihen. In Versuchsreihe 2 stehen diese Zahlen im Verh\u00e4ltnis von 14 zu 2, in Versuchsreihe 3 von 5 zu 2.\n2.\tDas erstere Verfahren zeigt sich auch dann als das vorteilhaftere, wenn wir die Reproduktionsgeschwindigkeiten in R\u00fcck-","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n73\nsicht ziehen, namentlich dann, wenn wir aus den von M\u00fcller und Pilzecker 1 angef\u00fchrten Gr\u00fcnden das hier ausschlaggebende Verfahren der \u201eZ\u00e4hlung der kleinen Trefferzeiten\u201c anwenden. Auch hiernach zeigt sich die gr\u00f6fsere Assoziationsfestigkeit auf seiten der U- Reihen.\n3. In \u00dcbereinstimmung mit dem Vorstehenden Bteht es auch, dafs die Zeiten der Nullf\u00e4lle (T,) beim //-Verfahren l\u00e4nger aus-fallen als beim G -Verfahren ; denn dies weist auf einen h\u00f6heren Bekanntheitsgrad der aus den //-Reihen stammenden Silben hin (vgl. M\u00fcller und Pilzecker, S. 31 ff.).\nVersuchsreihe 4. Versuchsperson 0. 36 Tage. R = 16 Sek. W konnte bei 0., der das Lernen der Silben leicht fiel, gleich 10 genommen werden. Diese Versuchsreihe wurde durch 36 Tage aus folgendem Grunde durch gef\u00fchrt. Es zeigte sich n\u00e4mlich, dafs im Fortschritte der Versuchsreihe die Konzentration der Aufmerksamkeit der Versuchsperson immer mehr nachliefs, und es erhob sich die Frage, ob bei mangelhafter Konzentration der Aufmerksamkeit die Differenz der Resultate der H- und G-Reihen in gleichem Sinne wie in den bisherigen Versuchsreihen ausfallen werde. Ich teile demgem\u00e4fs die Versuchsreihe in 2 H\u00e4lften, so dafs jede H\u00e4lfte 18 Tage umfafst.\n\tr\tTr\tTr< 2000\tf\tV\nErste f ET-Reihen\t0,36\t3550\t}\t21\t0,23\t0,33\nH\u00e4lfte 1 G- \u201e\t0,31\t3380\t1\t21 n = 180)\t0,29\t0,36\n\t\tr\tTr\tTr <2000\tf\tV\nZweite J\tH - Reihen\t0,23\t3820\t11\t0,42\t0,29\nH\u00e4lfte \\\t<7- \u00bb\t0,31\t4050\t16\t0,40\t0,26\n(\u00bb = 180)\n1 Ich mache bereits hier darauf aufmerksam, dafs ebenso wie in diesen Versuchsreihen sich auch in allen anderen (mit nur wenigen Ausnahmen) gezeigt hat, dafs der gr\u00f6fseren Trefferzahl zugleich auch die gr\u00f6fsere Zahl kleiner Trefferzeiten zugeh\u00f6rt. Es besteht in dieser Beziehung ein bemerkenswerter Parallelismus. Der Einflufs des Alters der Assoziationen, der bei gleicher Trefferzahl f\u00fcr alte Assoziationen geringere Reproduktions-geschwindigkeiten erhalten l\u00e4fst als f\u00fcr junge, kam bei meinen Versuchen nicht in Betracht.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nP, Kphrutsi.\nVergleichen wir die Resultate beider Fraktionen miteinander, so findet zun\u00e4chst die obige, auf Grund meiner Beobachtung der Versuchsperson aufgestellte Behauptung, dafs im weiteren Verlaufe der Versuchsreihe die Aufmerksamkeit eine weniger konzentrierte gewesen sei, darin eine Best\u00e4tigung, dafs, w\u00e4hrend sonst infolge des Einflusses der fortschreitenden \u00dcbung die 2. H\u00e4lfte einer Versuchsreihe mehr Treffer zu ergeben pflegt als die 1. H\u00e4lfte, ein entsprechendes Verhalten hier nicht zu konstatieren ist; die H-Reihen haben in der 2. H\u00e4lfte der Versuchsreihe sogar weniger Treffer ergeben als in der 1. H\u00e4lfte. Ferner zeigen die durchschnittlichen Trefferzeiten, sowie auch die kleinen Trefferzeiten eine Verminderung der Reproduktionsgeschwindigkeit in der 2. Fraktion. Endlich ist f\u00fcr das Nachlassen der Aufmerksamkeit in den sp\u00e4teren Versuchstagen noch der Umstand sehr charakteristisch, dafs die relative Zahl der falschen F\u00e4lle sowohl bei den H- wie bei den G - Reihen in der 2. Fraktion merklich zugenommen hat. Dies besagt, dafs die Versuchsperson sp\u00e4terhin einen weniger strengen Mafsstab bei ihren Antworten zugrunde legte, \u00f6fter aufs Geratewohl antwortete.\nWas nun die Hauptfrage, das Verh\u00e4ltnis zwischen den Resultaten der H- Reihen und G-Reihen, anbelangt, so zeigt sich in der 1. H\u00e4lfte dieser Versuchsreihe 4, ebenso wie in den Versuchsreihen 1\u20143 das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen vorteilhafter als das Lesen im ganzen, wenigstens wenn man die relativen Trefferzahlen, auf die es ja in erster Linie ankommt, miteinander vergleicht. Aber das Verhalten der Aufmerksamkeit, die bereits hier weniger konzentriert war als in den Versuchsreihen 1\u20143, hat es doch mit sich gebracht, dafs der Unterschied in den Trefferzahlen hier nicht mit solcher Deutlichkeit zugunsten des H -Verfahrens ausgefallen ist wie bei den obigen Versuchsreihen, und dafs die Trefferzeiten sogar eher einen Vorzug der G-Reihen als der H-Reihen ergeben. Die Ergebnisse der 2. H\u00e4lfte der Versuchsreihe, in der, wie bewiesen, die Konzentration der Aufmerksamkeit eine noch mangelhaftere war, zeigen in ganz unzweideutiger Weise den ersten 3 Versuchsreihen gegen\u00fcber ein direkt entgegengesetztes Verhalten. Das G-Verfahren erweist sich hier sowohl in bezug auf die Trefferzahl als auch in Beziehung auf die Trefferzeit (die Zahl der kleinen Trefferzeiten) dem //-Verfahren \u00fcberlegen. Dieses Resultat darf uns aber nicht veranlassen, die Schlufsfolgerungen, die wir aus den Ergebnissen","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Qed\u00e4chtni\u00bb.\n75\nder ersten drei Versuchsreihen gezogen haben, in Frage zu stellen \u2014 wir werden weiterhin sehen, dafs die Resultate dieser drei Versuchsreihen durch eine ganze Anzahl anderer Versuchsreihen best\u00e4tigt worden sind \u2014, sondern wir haben nur die weitere Folgerung zu ziehen, dafs bei mangelhafter Konzentration der Aufmerksamkeit die Resultate anders ausfallen als bei normaler Konzentration, indem bei minderer Aufmerksamkeit das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen seinenVorzug vor dem Lesen im ganzen verliert oder gar hinter das letztere zur\u00fccktritt. Dieses Verhalten hat man darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs eine mangelhafte Konzentration der Aufmerksamkeit die Resultate des //-Verfahrens in einem viel st\u00e4rkeren Grade nachteilig beeinflufst als diejenigen des G-Ver fahrens. Wir sehen ja, dafs sich beim \u00dcbergange von der 1. H\u00e4lfte der Versuchsreihe zur 2. H\u00e4lfte die Resultate (Trefferzahl, Zahl der kleinen Trefferzeiten) der H- Reihen viel mehr verschlechtern als die Resultate der G-Reihen. Es liegt in den Besonderheiten beider Lernweisen und wurde auch von der Versuchsperson 0. sowie auch vom Herrn Prof. M\u00fclleb bei einigen mit ihm angestellten orientierenden Versuchen ganz von selbst zu Protokoll gegeben, dafs man beim Lesen der G-Reihen durch die (wenigstens bei den ersten Wiederholungen vorhandene) .Neuheit und Ungel\u00e4ufigkeit der Silbenfolgen viel eher veranlafst wird sich aufmerksam zu verhalten als beim Lesen der //-Reihen, bei denen die sp\u00e4teren der unmittelbar aufeinander folgenden Wiederholungen eines und desselben Silbenpaares die Versuchsperson leicht langweilen, weniger Aufmerksamkeit erfordern und sehr leicht eine wesentlich nur motorische Einpr\u00e4gung erfahren. Im Lichte dieses Tatbestandes wird uns sp\u00e4terhin der Umstand leicht begreiflich sein, dafs das Lesen im ganzen und das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen sich hinsichtlich ihres \u00f6konomischen Wertes bei verschiedenen Lernstoffen verschieden verhalten.\n\u00a7 3. \u00dcber das mechanische und das unterst\u00fctzte Lernen der sinnlosen Silbenreihen.\nIn den bisher angef\u00fchrten Versuchsreihen waren die Versuchspersonen (\u00e4hnlich wie bei den Versuchen von Ebbinghaus *, M\u00fclleb und Schumann, M\u00fclleb und Pilzecker, Jost usw.) an-\n1 \u00dcber das Ged\u00e4chtnis. Leipzig 1885.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nP. Ephrussi.\ngewiesen, sich beim Einpr\u00e4gen der Silbenfolgen der Unterst\u00fctzung durch etwaige Hilfen, z. B. Ankl\u00e4nge an bekannte W\u00f6rter, nicht zu bedienen, derartige Momente vielmehr m\u00f6glichst zur\u00fcckzudr\u00e4ngen. Es wurde ein, wie man sich auszudr\u00fccken pflegt, rein mechanisches Lernen angestrebt, d. h. es sollte beim Lesen der Silbenfolgen der einpr\u00e4gende Vorgang m\u00f6glichst nur darin bestehen, dafs die visuellen, akustischen oder motorischen Silbenvorstellungen unmittelbar (lediglich infolge ihrer Aufeinanderfolge) miteinander oder mit ihren absoluten Stellen assoziiert werden. Eine gewisse Anzahl von Versuchspersonen konnten dieser Instruktion ohne besonderes Bem\u00fchen nahezu vollkommen Folge leisten; die sinnlosen Silben rufen bei diesen Versuchspersonen \u00fcberhaupt keine Nebengedanken oder Nebenvorstellungen, Reminiszenzen an irgend welche \u00e4hnlich klingenden oder \u00e4hnlich aussehenden W\u00f6rter u. dgl. hervor und werden nur als nichts weiter bedeutende Buchstabenkomplexe aufgefafst.1 * 3 Diese Versuchspersonen machten im Laufe der Versuchsreihe und auch nach Abschlufs derselben oftmals die Bemerkung, die Silben seien \u201eschrecklich sinnlos\u201c, \u201e\u00fcberraschend sinnlos\u201c, man k\u00f6nne sich nichts dabei denken u. dgl. mehr. Bei anderen Versuchspersonen dagegen, und deren Anzahl war auch nicht gering, machen sich vielfach schon beim ersten Durchlesen einer Silbenreihe die mannigfaltigsten Hilfsvorstellungen ganz von selbst, d. h. ohne ein darauf gerichtetes Bem\u00fchen der Versuchsperson geltend.\u2019 Es finden sich sogar Versuchspersonen, bei denen (wenigstens bei Benutzung einer mittleren Rotationsgeschwindigkeit) die Mehrzahl der Silbenfolgen solche Hilfen erwecken ; doch bleiben auch bei derartigen Versuchspersonen Silbenfolgen \u00fcbrig, die nur eine rein mechanische Einpr\u00e4gung erfahren. Das Lernen, bei dem die Versuchsperson sich auf Hilfsvorstellungen wesentlich st\u00fctzt, bezeichne ich, wie fr\u00fcher (S. 60) bemerkt, im Unterschied zum rein mechanischen Lernen, als das unterst\u00fctzte Lernen.\n1 So haben z. B. im Laufe der Versuchsreihe 1, wo Versuchsperson A.\nim ganzen (die Vorversuche einbegriffen) \u00fcber 1200 Silben gelesen hat, nur\n3 Silben Nebenvorstellungen hervorgerufen, in der Versuchsreihe 2 kamen blofs 4 Hilfen (unter ca. 1500 gelesenen Silben) vor.\n* Entsprechende individuelle Verschiedenheiten in bezug auf das Eintreten von assoziativen Hilfen beim Lernen sinnloser Silbenreihen wurden auch von M. Keiver Smith beobachtet, Philos. Studien, 16, S. 230, 248 und 262. Weitere Beobachtungen findet man bei Pkntschew a. a. 0., 1, 8. 437, 465, 466 und 486, sowie bei Oodem, ebenda, 2, 8. 93 ff.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n77\nDie Hilfen, die beim LeBen sinnloser Silben Vorkommen, sind ihrer Natur nach entweder HilfBvorstellungen, die durch eine Silbe oder einen Komplex von Silben erweckt werden (z. B. beim Takt k\u00f6Bch lam die Hilfsvorstellung \u201eLamm\u201c, bei faak neit die Vorstellung \u201eFahrenheit\u201c) oder sie sind Hilfsgedanken, die darin bestehen, dafs gewisse Eigent\u00fcmlichkeiten oder Beziehungen der Bestandteile einer Silbe oder eines Silbenkomplexes vergegenw\u00e4rtigt werden (so z. B. tauchte beim Lesen des Taktes rur l\u00fcm der Gedanke auf: r und 1 sind Liquida, m ist nasal, Liquida und Nasal geh\u00f6ren zueinander). Ihrer Wirkung nach sind die Hilfen teils Aufmerksamkeitshilfen, indem sie nur dazu dienen, die betreffende Silbe dem Bewu\u00dftsein st\u00e4rker aufzudr\u00e4ngen, teils assoziative Hilfen, indem sie beim Vorzeigen der einen Silbe als f\u00f6rderliches Zwischenglied der Reproduktion das Finden der zugeh\u00f6rigen Silbe erleichtern. Des n\u00e4heren ergeben sich von diesem Gesichtspunkte aus etwa 5 Hauptarten von Hilfen.\n1.\tNur die erste oder nur die zweite der beiden zu assoziierenden Silben wird durch eine blofse Aufmerksamkeitshilfe f\u00fcr das Bewufstsein hervorgehoben; so rief beim Takt neis l\u00fcf die erste Silbe die Vorstellung \u201enice\u201c (englisch) hervor, bei hef tach brachte die zweite Silbe die Vorstellung \u00bbTag\u201c zum Bewufstsein.\n2.\tBeide Silben des Taktes rufen durch Assoziation eine und dieselbe Vorstellung hervor. Beim Vorzeigen der einen Silbe wird mittels dieser gemeinsamen Nebenvoretellung das Finden der zweiten erleichtert.1 Bei d\u00f6z puf z. B. war eine derartige Hilfe die Vorstellung \u201est\u00fcrmische Worte\u201c.\n3.\tJede der beiden Silben des Taktes ruft eine Vorstellung oder einen Gedanken hervor, der nur als AufmerkBamkeitshilfe f\u00fcr die betreffende Silbe dient, ohne dafs zwischen den beiden Hilfen ein n\u00e4herer Zusammenhang besteht oder gestiftet wird, der den \u00dcbergang von der ersten Silbe zur zweiten wesentlich erleichterte. Beispiel: bei teil hok kamen die isolierten Nebenvorstellungen \u201eTeil\u201c und \u201ehoc\u201c.\n4.\tDer Fall, dafs die beiden Hilfen nicht einen n\u00e4heren Zusammenhang zueinander zeigen, kommt jedoch nur sehr selten vor, in der Regel steht die Sache so, dafs eine assoziative Hilfe gegeben wird, indem die von den beiden Silben reproduzierten Nebengedanken oder Nebenvor-\n1 Ob die Hilfe in einem Falle wirklich nur dadurch f\u00f6rderlich war, dafs sie die Aufmerksamkeit auf eine Silbe des Taktes mehr konzentrieren liefs, l\u00e4fst sich gegebenen Falles im allgemeinen nicht mit Sicherheit entscheiden. Wenn z. B. beim Lesen von p\u00f6z met der Versuchsperson die Hilfsvorstellung \u201eMettwurst\u201c gekommen ist, so bleibt zun\u00e4chst zweifelhaft, ob hierdurch nur die Silbe met gehoben und damit ihre Assoziation mit p\u00f6z gef\u00f6rdert worden iBt, oder ob nicht vielmehr beim Vorzeigen von p\u00f6z die charakteristische Vorstellung \u201eMettwurst\u201c und erst dadurch die Silbe met reproduziert worden ist. Nat\u00fcrlich kann unter Umst\u00e4nden in solchen F\u00e4llen die Aussage der Versuchsperson die Entscheidung geben. Es ist nach dem hier Bemerkten \u00fcberfl\u00fcssig, hervorzuheben, dafs eine Hilfe viel fach gleichzeitig als Aufmerksamkeitshilfe und als assoziative Hilfe wirken wird.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nP. Ephmti.\nStellungen in einer n\u00e4heren Beziehung zueinander stehen, so dafs beim Vorzeigen der einen Silbe die mit derselben assoziierte Nebenvorstellung, sei es direkt, sei es indirekt mittels eines oder mehrerer Zwischenglieder, die mit der anderen Silbe assoziierte Nebenvorstellung reproduziert und hierdurch die Reproduktion der letzteren Silbe erleichtert. Es liegt vielfach so, dafs die durch die erste Silbe reproduzierte Neben Vorstellung gewisse mit ihr in Beziehung stehende Vorstellungen in Bereitschaft setzt, von denen dann die eine oder die andere durch die zweite Silbe aus diesem oder jenem Grunde v\u00f6llig ins Bewufstsein gef\u00fchrt wird. Beispiel: bei nasch seiz die Nebenvorstellungen \u201enaschen und s\u00fcfs\u201c, bei baar m\u00f6n \u201ebaar und money\u201c.\n6. Im bisherigen Falle wurde durch die erste Silbe des Taktes eine Nebenvorstellung reproduziert und das Lesen der zweiten Silbe f\u00fcgte eine zweite Neben Vorstellung hinzu. Es kommen nun aber auch Falle vor, wo die Hilfsvorstellung oder der Hilfsgedanke erst nach dem Lesen beider Silben eintritt. Hierbei kann der Vorgang von zweifacher Art sein. Es kann erstens der ganze Komplex eine Vorstellung hervorrufen, die beim Vorzeigen der ersten Silbe wieder erweckt werden und damit zur zweiten Silbe f\u00fchren kann. So z. B. kam beim Takt nir b\u00e4n die Hilfsvorstellung \u201eNirvana\u201c, bei faak neit \u201eFahrenheit\u201c. Zweitens kann eine Beziehung zwischen den Bestandteilen beider Silben, z. B. den Anfangskonsonanten derselben, vergegenw\u00e4rtigt werden; diese Beziehung kommt beim Vorzeigen der ersten Silbe wieder in Erinnerung und hilft die zweite Silbe zu reproduzieren. So tauchte bei r\u00fcf peil der Gedanke auf \u201e\u00dcbergang von r zu 1 und von f zu p\u201c, oder bei d\u00f6t g\u00fcl \u201ezwei umgelautete Vokale\".\nEs sei hier ausdr\u00fccklich nochmals betont, dafs alle solche und \u00e4hnliche Hilfen nicht auf irgend welchem mnemotechnischen Wege entstanden sind, und dafs sie \u00fcberhaupt niemals willk\u00fcrlich gesucht worden sind. Die Aussagen der Versuchspersonen lauten in dieser Beziehung ganz bestimmt.1\nDie oben erw\u00e4hnte Verschiedenheit in der Art der Auffassung sinnloser Silben ist bei meinen Versuchspersonen mit solcher Deutlichkeit zutage getreten, dafs ich mit Sicherheit behaupten kann, dafs wir es mit einer typischen Differenz zu tun haben ; wir m\u00fcssen also hier zwischen zwei, selbstverst\u00e4ndlich durch \u00dcbergangsstufen miteinander verkn\u00fcpften, Typen, einem mechanischen und einem ingeni\u00f6sen Auffassungstypus unterscheiden. Es w\u00e4re verfr\u00fcht, sich dar\u00fcber zu \u00e4ufsern, inwieweit der Auffassungstypus, der selbstverst\u00e4ndlich sich nicht\n1 Nach obigem erkennt man ohne weiteres, dafs eine eingehende Untersuchung der Hilfen, die beim Lesen sinnloser Silben und anderen Lernmateriales sich darbieten, einen wesentlichen Beitrag zu unserer Kenntnis der verschiedenen Arten von Assoziationen (zur Klassifikation der Assoziationen) liefern w\u00fcrde.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n79\nallein beim Lesen sinnloser Silben geltend machen kann, in einem engeren Zusammenh\u00e4nge mit dem gesamten geistigen Habitus des Individuums steht. Ich begn\u00fcge mich damit, folgende hierher geh\u00f6rigen Beobachtungen anzuf\u00fchren. Gem\u00e4fs der Selbstbeobachtung der Versuchspersonen U., E. und S., die einen ausgepr\u00e4gt ingeni\u00f6sen Typus zeigten, pflegen dieselben auch bei der Aneignung anderer Lernstoffe (z. B. bei der Erlernung der Bedeutung der W\u00f6rter fremder Sprachen oder bei der Einpr\u00e4gung von numerischen Daten) sich meistens auf Hilfsvorstellungen auch rein \u00e4ufserer Natur zu st\u00fctzen, die ihnen das Behalten und Reproduzieren des Einzuprftgenden sehr erleichtern. Dagegen wufsten die Versuchspersonen B. und C., die zum mechanischen Typus geh\u00f6ren, von einer solchen Art des Lernens nichts zu berichten. Auch kam bei meinen sp\u00e4teren Versuchen, wo andere Stoffe erlernt wurden, diese spezifische Differenz der Versuchspersonen klar zum Vorschein. Die genannte Versuchsperson S. konnte in der Versuchsreihe 13, in der 3stellige Zahlen mit 2silbigen Worten zu assoziieren waren, bei 45 unter 80 richtig reproduzierten Zahlen die Hilfe angeben, die sie beim Einpr\u00e4gen unterst\u00fctzt hatte. Dagegen kamen bei der Versuchsperson B. beim Lesen desselben Stoffes nur 2 solche F\u00e4lle unter 76 vor. Derartige Tatsachen scheinen darauf hinzuweisen, dafs der Auffassungstypus eine durchgreifende Eigenschaft der Versuchsperson ist. Auf der anderen Seite ist nicht zu \u00fcbersehen, dafs es Versuchspersonen gibt, die in den ersten Versuchstagen in ausgepr\u00e4gter Weise ein durch Hilfen unterst\u00fctztes Lernen zeigen, aber bei nachhaltiger Wiederholung der Instruktion, rein mechanisch zu lernen, allm\u00e4hlich dieser Instruktion mit grofser Ann\u00e4herung ganz zu folgen verm\u00f6gen.1 Bei der Versuchsperson E. vermochte aber auch die nachhaltigste Einpr\u00e4gung obiger Instruktion keine wesentliche \u00c4nderung der Lernweise zu bewirken. Es kommen sogar F\u00e4lle vor (meine Versuchsperson F. geh\u00f6rt hierher), wo im Verlaufe der Versuche ein anf\u00e4nglich rein mechanisches Lernen in ein mehr durch Hilfen unterst\u00fctztes \u00fcbergeht. Ebenso ist zu beachten, dafB unter meinen Versuchspersonen solche (Versuchsperson K. und M.) Vorkommen, die beim Erlernen sinnloser Silbenreihen so gut wie gar keine Hilfen\n* Hierher geh\u00f6rt z. B. Versuchsperson O. Vgl. auch Lottie 8tetters a. a. O. S. 342.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nP. Ephrussi.\nbenutzten, dagegen bei der Einpr\u00e4gung gel\u00e4ufigerer Stoffe (Vokabeln, Zahlen) durch Hilfen wesentlich unterst\u00fctzt wurden. Zum Schlufs mag hier noch beil\u00e4ufig die Tatsache erw\u00e4hnt werden, dafs diejenigen (3) meiner Versuchspersonen, die Studierende der Philologie waren, sich als ganz ausgepr\u00e4gte Vertreter des ingeni\u00f6sen Typus zeigten.1 Diese Tatsache begreift sich ohne weiteres daraus, dafs beim Lesen von Silbenreihen den Philologen im allgemeinen mehr sprachliche Ankl\u00e4nge kommen werden und \u00f6fter Besonderheiten des Aufbaues der Silbenfolgen auffallen werden als den sonstigen Versuchspersonen.\n\u00a7 4. Versuche mit unterst\u00fctztem Lernen.\nVersuchsreihe 5. Einschlagende Ergebnisse aus den Versuchsreihen 23\u201425.\nBei den im vorstehenden dargelegten tats\u00e4chlichen Verh\u00e4ltnissen glaubte ich meine Aufgabe dahin erweitern zu m\u00fcssen, dafs ich neben dem rein mechanischen auch das unterst\u00fctzte Lernen mit in Untersuchung zog. Einige der Versuchspersonen, bei denen ich w\u00e4hrend der Vorversuche die Zugeh\u00f6rigkeit zum ingeni\u00f6sen Typus konstatiert hatte, wurden nicht dahin instruiert, die Hilfsvorstellungen m\u00f6glichst zur\u00fcckzudr\u00e4ngen, sondern nur angewiesen, sich keinerlei besonderer mnemotechnischer Kunstgriffe zu bedienen. Die nachstehenden Versuchsreihen, die sich von den bisherigen durch diese besondere Instruktion * * der Versuchspersonen unterscheiden, sollten zeigen, wie sich bei unterst\u00fctztem Lernen das H- Verfahren und das G-Verfahren zueinander verhalten. Man sieht aus der Zusammenstellung der Resultate, dafs das ff-Verfahren auch beim unterst\u00fctzten Lernen dem G-Verfahren sowohl hinsichtlich der Trefferzahl wie auch hinsichtlich der Reproduktionsgeschwindigkeit betr\u00e4chtlich \u00fcberlegen ist. Als ein weiteres, unsere Hauptfrage nicht betreffendes, Resultat mag hier zugleich noch hervorgehoben werden, dals im Falle des unterst\u00fctzten Lernens die Versuchsperson eine gr\u00f6fsere Zuverl\u00e4ssigkeit bei ihren Reaktionen zeigt, d. h. relativ weniger falsche Silben nennt. Fafst man die relative Zahl (f) der falschen\n1 Vgl. M. Keiver Smith a. a. O. S. 230.\n* Auch wurde die Instruktion in diesen wie in allen nachfolgenden Versuchsreihen insofern erweitert, als die Versuchspersonen beim Vor-xeigen des Stoffes stets diejenigen F\u00e4lle besonders angeben muTsten, in denen sie beim Einpr\u00e4gen durch eine Hilfe unterst\u00fctzt waren.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge rur Lehre vom Oed\u00e4chtnit.\n81\nFalle oder noch besser das Verh\u00e4ltnis dieser Zahl f zur relativen\nZahl v der Nullf\u00e4lle ins Auge, so ?eigt sich, dafs f bzw. ~ in\n\u25a0den nachstehenden Versuchsreihen im allgemeinen hedeutecd geringer ausgefallen ist als in den fr\u00fcheren Versuchsreihen, wo das Lernen im wesentlichen ein rein mechanisches war. Ein \u25a0weiterer Vorteil, den das unterst\u00fctzte Lernen vor dem mechanischen besitzt, besteht, wie wir in \u00a7 15 n\u00e4her sehen werden, darin, dafs es durchweg eine gr\u00f6fsere Reproduktionsgeschwindigkeit ergibt als das mechanische Lernen.1\nVersuchsreihe 5. Versuchsperson L. 24 Versuchstage. 2? = 19 Sek, W =16.\n1 '\t\tTr\tTr< 2000\t'\tV\nIT- Reihen 9\t0,41\t3930\t36\tj\t0,3\t0,63\n-\u00f6- \u201e i\t0,21\t3620\t17\t0,3\t0,76\n(\u00bb = 240)\nN\u00e4here Angaben \u00fcber die Versuchsreihen 23, 24 und 25, in denen w\u00e4hrend jeder Sitzung neben zwei anderweiten Reihen auch eine fl-Reihe und eine fl- Reihe der Versuchsperson vorgef\u00fchrt wurden, folgen weiterhin (\u00a7 13). Hier gen\u00fcgt es, die f\u00fcr die fl- und fl.-Reihen erhaltenen Resultate anzuf\u00fchren.\nVersuchsreihe 23. Versuchsperson U.\n\tr\tTr\tTr < 2000\tf\tV\nfl- Reihen\t0,70\t6050\t10\t0,4\t0,19\no- \u201e\t0,46\t6160 (\u00bb =\t4 80)\t0,10\t0,36\nVersuchsreihe 24. Versuchsperson E.\t\t\t\t\t\n\tr\tTr\tTr <2000\tf\tV\nfl-Reihen\t0,37\t4110\t8\t0,22\t0,33\nG- *\t0,28\t4080 (\u00ab =\t2 60)\t0,12\t0,63\n1 F\u00fcr die naheliegende, aber nicht auf so einfachem Wege, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, sicher erweisbare Behauptung, dafs beim nnterstfltzten Lernen auch die Trefferzahl allgemein g\u00fcnstiger sei als beim mechanischen Lernen, reichen die von mir erhaltenen Resultate nicht aus. Es geh\u00f6rt auch keineswegs zu meiner Aufgebe, zu dieser Frage Stellung zu nehmen.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 87.\n6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nP. Ephrutu.\nDie Resultate der Versuchsreihe 25 sind insofern von besonderer Bedeutung, als in dieser Versuchsreihe die H\u00e4ufungszahl f\u00fcr die H-Reihen nicht, wie in den bisher erw\u00e4hnten Versuchsreihen, = 5, sondern = 3 war.\nVersuchsreihe 25. Versuchsperson U.\n\tr\tTr\tTr <3000\tf\t0\nH- Reihen\t0,49\t6730\t10\t0,17\t0,32\nff- \u00bb\t0,32\t4730\t7\t0,17\t0,46\n(n = 72)\nDie Verringerung der H\u00e4ufungszahl in der Versuchsreihe 25 wurde lediglich zum Zwecke der Orientierung durchgef\u00fchrt; es lag aufserhalb meiner Aufgabe, die Untersuchung nach dieser Richtung hin zu vervollst\u00e4ndigen und etwa festzustellen, ob die Benutzung der H\u00e4ufungszahlen 4, 3 oder 2 nicht noch bessere (bzw. weniger g\u00fcnstige) Resultate ergeben h\u00e4tte als die bei meinen Versuchen mit sinnlosem Stoffe meistens ben\u00fctzte H\u00e4ufungszahl 5. Mir schien, dafs eine Heranziehung noch anderer Lernstoffe von gr\u00f6fserer Wichtigkeit f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der festgestellten Tatsachen sein k\u00f6nnte als eine Fortsetzung der Untersuchung mit Variierung der H\u00e4ufungszahl. Ich habe mich daher auf eine solche Variierung auch in den sp\u00e4teren Versuchsreihen nur mehr beil\u00e4ufig eingelassen.\nKapitel II.\nVersuche mit russisch-deutschen Vokabelpaaren,\n\u00a7 5. \u00dcbersicht \u00fcber die Arten der benutzten Lernstoffe.\nIm Laufe aller meiner Untersuchungen sind folgende 4 Hauptarten von Lernstoffen von mir benutzt worden:\n1.\tsinnloses Material (sinnlose Silbenreihen),\n2.\tsinnvolles Material (Strophen), das nat\u00fcrlich nur da benutzt worden ist, wo es sich um einen global (vgl. S. 3) einzupr\u00e4genden Stoff handelte und folglich die Erlernungsmethode zur Anwendung kam.\n3.\tIm einzelnen sinnhaltiges Material, das entweder in Wortreihen, d. h. Reihen sinnhaltiger W\u00f6rter der Mutter-","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n83\nspr\u00e4che oder in Zahlenreihen oder in Wort- und Zahlen* reihen, d. h. in Reihen bestand, deren einzupr\u00e4gende Paare sich aus je einem sinnhaltigen Worte und einer Zahl zusammen* setzten. Dieses Lernmaterial ist dadurch charakterisiert, dafs jedes Glied einzeln f\u00fcr sich genommen Sinn enth\u00e4lt, ohne dafs es in einem n\u00e4heren inneren Zusammenh\u00e4nge zu dem anderen mit ihm zu assoziierenden Gliede der Reihe steht.\n4. Sinnschaffendes Material (Vokabelreihen), bestehend aus einem Worte einer der Versuchsperson ganz fremden (russischen) Sprache und dem der Bedeutung nach dazu geh\u00f6rigen Worte der (deutschen) Muttersprache. Der Versuchsperson war stets bekannt, dais das deutsche Wort die Bedeutung des russischen wiedergab, was psychologisch vielleicht nicht irrelevant war. Es kann Bich nat\u00fcrlich unter Umst\u00e4nden empfehlen, die Assoziationen zwischen deutschen W\u00f6rtern und ganz beliebig gew\u00e4hlten russischen W\u00f6rtern vollziehen zu lassen; man wird bei diesem Verfahren \u00fcber ein umfangreicheres Material verf\u00fcgen. Ich habe die Assoziationen zwischen den sinnentsprechenden W\u00f6rtern beider Sprachen her-steilen lassen, weil auf diese Weise ein h\u00f6heres Interesse der Versuchsperson f\u00fcr die Erlernung der Wortpaare geweckt wurde.\n\u00a7 6. Versuchsreihen 6\u201410.\nIn den nachfolgenden Versuchsreihen 6\u201410 wurden Reihen erlernt, die in der soeben angedeuteten Weise aus russisch -deutschen mit lateinischen Buchstaben geschriebenen Wortpaaren bestanden. Den eigentlichen Versuchen gingen immer Vorversuche voran, w\u00e4hrend deren die f\u00fcr die Deutschen ungewohnten Buchstabenkombinationen der russischen Sprache der Versuchsperson mehr oder weniger gel\u00e4ufig gemacht wurden. Um m\u00f6glichste Gleichm\u00e4fsigkeit in der Beschaffenheit des Materials zu erzielen, wurden in jeder Versuchsreihe entweder lauter einsilbige oder lauter zweisilbige W\u00f6rter benutzt. Die Wortpaare, die zum gr\u00f6fsten Teil aus Hauptw\u00f6rtern, zum Teil aber auch aus Zeitw\u00f6rtern, Adjektiven usw. bestanden, wurden aus einem russischdeutschen W\u00f6rterbuch ausgesucht und untereinander gemischt. Von vornherein wurden solche Paare ausgeschlossen, in denen das russische Wort dem entsprechenden deutschen oder auch dem entsprechenden franz\u00f6sischen oder englischen Worte ganz gleich oder Behr \u00e4hnlich ist, ferner alle diejenigen Paare, in denen die Aussprache des russischen Wortes f\u00fcr eine mit\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nP. Ephrutti.\nslavisehen Sprachen nicht vertraute Versuchsperson besonders schwierig sein mufs. Im ganzen verf\u00fcgte ich etwa \u00fcber 200 einsilbige und 400 zweisilbige von diesem Standpunkte aus einwandsfreie Wortpaare.\nDes n\u00e4heren habe ich beim Anfban der Beihen noch folgende Regeln befolgt :\n1.\tdie miteinander zu vergleichenden Beihen enthielten gleich viele der verschiedenen Wortarten (Substantivs, Verba etc.);\n2.\tdiejenigen Wortpaare, die aus zweisilbigen W\u00f6rtern bestanden, die besonders wenig oder besonders viel Buchstaben umfafsten, wurden m\u00f6glichst gleichm&Jjsig Uber die verschiedenen Reihen verteilt;\nS. eine unmittelbare Aufeinanderfolge solcher Paare, bei denen die russischen W\u00f6rter denselben Anfangsbuchstaben hatten, wurde vermieden; bestanden die aufeinander folgenden Paare aus einsilbigen W\u00f6rtern, so durfte auch der Vokal zweier benachbarter russischer W\u00f6rter nicht derselbe sein.\n4. Die von mir auch sonst stets befolgte Regel, nach dem Aufbau der Beihen jedesmal vor der Sitzung durch das Los zu bestimmen, welche Reihe nach dem H- und welche nach dem G-Verfahren einzupr&gen sei, wurde selbstverst\u00e4ndlich auch bei diesen Versuchsreihen von mir fest-gehalten. Absichtlich abgesehen habe ich von der Aufstellung weiterer komplizierterer Vorschriften, an die man in Hinblick auf eine Reihe von psychologischen Faktoren, die sich bei diesem Lernmaterial geltend machen (Gel\u00e4ufigkeit der W\u00f6rter, Gef\u00f6hlston derselben, Eindringlichkeit des von dem Worte reproduzierten visuellen Bildes u. dgl. mehr) von vornherein denken kann.\nIn den Versuchsreihen 6\u20149 wurde der Lernstoff nicht mittels der Kymographiontrommel der Versuchsperson vorgef\u00fchrt, sondern letztere hatte denselben (wie auch in der gew\u00f6hnlichen Schulpraxis \u00fcblich) aus einem vor ihr auf dem Tische liegenden Hefte abzulesen. Die Vokabelpaare jeder Reihe standen untereinander, d. h. jedes Paar kam auf eine neue Zeile der Seite ; das russische, zuerst auszusprechende Wort befand sich links, das deutsche rechts. Vor Beginn des Lesens einer Reihe erfuhr die Versuchsperson vom Versuchsleiter, ob jedes Paar mehrmals hintereinander zu wiederholen sei (H-Verfahren), oder ob die Reihe im ganzen gelesen werden solle (G-Verfahren). W\u00e4hrend des Lesens einer Reihe war die Seite von einem darauf liegenden verschiebbaren und mit einem Spalte versehenen Schirme so verdeckt, dafs immer nur das zu lesende Vokabelpaar der Versuchsperson durch den Spalt sichtbar war. Nach dem Lesen des letzten Paares einer Reihe hatte die Versuchsperson den Spalt wieder auf das erste Paar zu bringen (was nat\u00fcrlich so geschah,","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n85\ndafs die auf der Papierseite stehenden Paare von der Versuehsr person nicht gesehen werden konnten) und die Lesungen in derselben Weise fortzusetzen; die Wiederholungen einer Reihe h\u00f6rten jedesmal nach einem verabredeten Signal des Versuchsleiters auf: Die allgemeine Instruktion der Versuchsperson betreffs ihres Verhaltene blieb dieselbe wie in den bisherigen Versuchsreihen; das unterst\u00fctzte Lernen wurde beim Einpr\u00e4gen der Vokabelpaare allgemein zugelassen. Au&erdem war die Versuchsperson instruiert, beim Lesen der W\u00f6rter sich ein bestimmtes mittleres Tempo zu w\u00e4hlen und dasselbe bei allen Reihen m\u00f6glichst gleich-m&fsig einzuhalten. Die Zeiten, die die Lesungen einer Reihe in Anspruch nahmen, wurden jedeemal mittels einer F\u00fcnftelsekundenuhr gemessen. Die in den nachstehenden Tabellen unter dem Buchstaben t angef\u00fchrten Zahlen geben die Zeit in Sekunden an, die das einmalige Lesen aller Paare einer Z?-Reihe und einer G-Reihe durchschnittlich beanspruchte, und wurden auf die Weise erhalten, dafs die auf eine H-Reihe und die auf eine G-Reihe im Durchschnitt aufgewandte Gesamtlesezeit durch die Zahl der Wiederholungen, die jedes einzelne Paar erfuhr, dividiert wurde. Zum Vorzeigen, das je nach der Leistungsf\u00e4higkeit der Versuchsperson zwei Minuten nach dem Lesen jeder Reihe oder 24 Stunden nach dem Lesen aller Reihen einer Sitzung stattfand, gelangten alle deutschen W\u00f6rter der Reihen.\nBei den zwei ersten Versuchsreihen, die auf die soeben angegebene Weise angestellt wurden, dienten als Versuchspersonen zwei junge M\u00e4dchen (Wiecks und Sch\u00e4fer), die im Besitze der Volksschulbildung waren und nie eine fremde Sprache gelernt hatten. Diese Versuchsreihen sollten zeigen, welches Lernverfahren bei einem derartigen Bildungsgrade zu besseren Resultaten f\u00fchrt. Da die Versuchsperson Wiecke mehrere Sitzungen hindurch fast gar keine Treffer ergab, so umfafsten bei ihr die eigentlichen Versuche blofs 6 Tage1 ; bei der leichter lernenden Versuchsperson Schaper erhielt ich 10 eigentliche Versuchstage. In jeder Sitzung wurden 2 Reihen, eine G- und eine H- Reihe, gelesen, die aus je 8 Paaren einsilbiger Vokabeln bestanden. Bei beiden Versuchspersonen war W \u2014 16. Die H\u00e4ufungszahl\n1 Ich teile auch die Resultate dieser kuraen Versuchsreihe mit, da die Differenzen auch hier schon mit gen\u00fcgender Deutlichkeit hervortreten.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nP. Ephrusti.\nwar bei den H- Reihen = 2, d. h. jedes Paar aus einer H- Reihe wurde zweimal hintereinander wiederholt. Das Vorzeigen geschah immer 2 Minuten nach dem Lesen jeder Reihe. Bei diesen beiden Versuchspersonen habe ich mich statt der \u00fcblichen Form des Treffer - und Zeitverfahrens einer primitiveren Form desselben bedient, bei welcher die vorzuzeigenden deutschen W\u00f6rter in einer zuf\u00e4lligen Reihenfolge auf einer Papierseite aufgeschrieben waren; die Versuchsperson hatte beim Erscheinen eines Wortes im Spalte des \u00fcber die Seite hin bewegten Schirmes dasselbe lautlos abzulesen und darauf mit der entsprechenden russischen Vokabel (bez. mit dem W\u00f6rtchen \u201enichts\u201c) laut zu reagieren. Dieses Verfahren, das f\u00fcr die hier in Rede stehenden Versuchspersonen geeigneter zu sein schien als das kompliziertere Trefferund Zeitverfahren, war mit keiner Messung der Reproduktionszeiten verbunden.\nVersuchsreihe 6. Versuchsperson Schapeb.\n\tr\tf\tV\tt\nJT-Reihen\t1\t0,25\t0,44\t0,26\t14\nG- \u201e\t0,16\t0,49 (n = 80)\t0,31\t16\nVersuchsreihe\t\t7. Versuchsperson Wiecke.\t\t\n\tr\tf\tV\tt\nH- Reihen\t0,25\t0,41\t0,25\t16\nG- \u201e\t0,13\t0,46\t0,35\t20\n(n = 48)\nVersuchsreihe 8. Versuchsperson K. Die hier benutzten Reihen bestanden aus je 12 Paaren einsilbiger Vokabeln. 8 Versuchstage. W = 9. H\u00e4ufungszahl bei den H- Reihen = 3. Vorzeigen nach 24 Stunden. Das Vorzeigen der vor 24 Stunden gelesenen (24) deutschen W\u00f6rter fand stets am Anf\u00e4nge der Sitzung statt. Hierauf folgte nach einer 5 Minuten langen Pause das Lesen der beiden neuen Reihen (einer G- und einer H- Reihe).\n! r\t\tTr\t2V<2000J\tf\tV\tt\nff-Reihen\t0,64\t5670\t13 j 0,7\t0,22\t22\nG \u201e\t0,44\t6600\t2 ! 0,10\t0,31\t23\n(\u00bb = 96)","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n87\nVersuchsreihe 9. Versuchsperson K. Die Reihen bestanden aus je 8 Paaren zweisilbiger Vokabeln. 12 Versuchs-tage. W \u2014 9. In jeder Sitzung wurden 3 Reihen gelesen, n\u00e4mlich eine H- Reihe mit der H\u00e4ufungszahl = 2 (\u00c4, - Reihe), \u00abine H-Reihe mit der H\u00e4ufungBzahl = 4 (H4- Reihe) und eine G- Reihe. Vorzeigen nach 24 Stunden am Beginn jeder Sitzung.\nr i\t\tTr\t2V<2000\tf\t\tl\nf?,-Reihen\t0,47\t7400\t17\t0,17\t0,24\t18\n-\u00ae\u00bb* \u00bb\t0,37\t6140\t16\t0,24\t0,25\t17\nG\t\u201e\t0,36\t6910\t9\t0,27\t0,23\t20\n(\u00bb = 96)\nVersuchsreihe 9 w\u00e4re noch weiter fortgesetzt worden, wenn sich nicht im Laufe der Versuche ein Faktor herausgestellt h\u00e4tte, der die Hi-Reihen gegen\u00fcber den anderen Reihen benachteiligte und seinen Grund in der Einfachheit des Verfahrens selbst hatte. Beim viermaligen Wiederholen eines und desselben Taktes konnte n\u00e4mlich die Versuchsperson sich nicht mit voller Aufmerksamkeit auf das Einpr\u00e4gen des Stoffes konzentrieren, das innere Z\u00e4hlen der Wiederholungen nahm sie beim Lesen dieser Reihen1 immer mehr oder weniger in Anspruch. Dazu kam noch der zweite Umstand, dafs, obwohl Versuchsperson K, einen sehr gleichm\u00e4fsigen Rhythmus einzuhalten vermochte, das Lesen einer G-Reihe infolge deB \u00f6fteren Verschiebens des Schirmes bei ihr, wie bei allen anderen Versuchspersonen, meistens etwas l\u00e4nger dauerte als das Lesen einer Ht- und namentlich einer H4 - Reihe, und es war von vornherein nicht sicher zu entscheiden, ob bzw. wie dieser Faktor die Resultate der verschiedenen Konstellationen beeinflufste. Diese beiden Mifsst\u00e4nde, die bei der Vorf\u00fchrung des Lernstoffes mittels der Kymographiontrommel ganz wegfallen, zeigen uns wiederum den Vorzug, den die Benutzung des Kymographions bei Ged\u00e4chtnisversuchen hat.\nVersuchsreihe 10. Versuchsperson N. Aus den soeben angegebenen Gr\u00fcnden geschah in dieser Versuchsreihe, die zur Kontrolle der vier letzten dienen sollte, die Vorf\u00fchrung der\n1 Eine entsprechende Inanspruchnahme der Aufmerksamkeit bei den H-Reihen mit der H\u00e4ufungszahl 2 oder 3 wurde von den Versuchspersonen nicht beobachtet.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nP. Bp\u00e0mmi,\nVokabeln \u00efnitfels d\u00f4e KymographionS und zwar auf eine etwas andere Weise ale bei den Versuchen mit sinnlosem Stoff. Um etwaige Einwendungen auszusohliefsen, habe ich in dieser Versuchsreihe, ebenso wie in der auf S. 82 angef\u00fchrten' Versuchsreihe 26 mit sinnlosem Lernstoff sowie auch bei den sp\u00e4terem Versuchen mit Wort- und Zahlenreihen, auf die Zuhilfenahme der Verteilung mit engen Intervallen (vgl. S. 68) g\u00e4nzlich verzichtet. In der Versuchsreihe 10 bestand jede Reihe aus 8 zweisilbigen Wortpaaren. Jede Reihe f\u00fcllte einen 82 cm langen Papierstreifen aus. Da unsere gr\u00f6fste Kymographionttomme! nur einen Umfang von 63,5 cm hat, so wurde zum Zwecke dieser Versuche noch eine Hilfstrommel aus Messing benutzt; diese zweite Trommel stand in 24 cm Entfernung1 parallel zur Kymo-graphiontrommel, deren Umfang 41,4 cm betrug. Der Papierbogen, der \u00fcber die beiden Trommeln gespannt war, bewegte sich bei einem gr\u00f6fseren treibenden Gewichte des Kymographions mit einer gen\u00fcgend konstanten Geschwindigkeit. Jedes Wortpaar kam auf eine und dieselbe Zeile des Bogens, so dafs das russische Wort links stand, das deutsche rechts. Die beiden Glieder jedes Paares wurden nur deshalb der Versuchsperson hier nicht sukzessiv wie bei den sinnlosen Silben, sondern simultan vorgef\u00fchrt, weil eine gen\u00fcgend konstante Rotationsgeschwindigkeit des ganzen Systems bei einer noch gr\u00f6fseren L\u00e4nge des Papierbogens nicht so einfach zu erzielen gewesen w\u00e4re.\nJedes Paar wurde also durch den (in entsprech\u00e9ndem Malse verl\u00e4ngerten) Schirmspalt der Versuchsperson gleichzeitig sichtbar.\nDie Abst\u00e4nde zwischen zwei benachbarten Paaren waren gleich 2,5 cm, der Abstand zwischen dem letzten und dem ersten Paare gleich 4,5 cm. Handelte es sich uin eine Hl - Reihe, so war jedes Paar viermal hintereinander geschrieben. Bei den Ha- Reihen war jedes Paar zweimal unmittelbar hintereinander auf den Papierstreifen aufgetragen, und die auf diese Weise entstehende Reihenfolge von 16 Paaren wurde zweimal aufgezeichnet. Denf-entsprechend wurde jede G - Reihe viermal hintereinander aufgeschrieben. Die Versuchsreihe dauerte 18 l'\u00e2ge. W war gleich 12, \u00c8 stets gleich \u00d40 Sek., d. h. auf die Vorf\u00fchrung von 8 Wort- i paaren kam stets eine Zeit von ca. 22,5 Sek. In jeder Sitzung\n1 Die Entfernung wurde \u00abwischen den Mittelpnnkten der beiden Achsen gemessen.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\nwurden 3 Reihen gelesen, n\u00e4mlich eine i?a-R\u00e9ihe, eine H4-Reih\u00ab und eine G-Reihe. Das Vorzeigen (Treffer- und ZeitverfahreU) fand 24 Stunden nach dem Lesen am Beginn jeder Sitzung statt.\n\tr\tTr\tTr < 2000\tf\tV\nBf Reihen\t0,26\t4080\t9\t0,0\t0,72\nfir \u00bb\t0,28\t3640\t13\t0,3\t0,66\nG- \u00bb\t0,22\t3680\t9\t0,1\t0,74\n(n = 144)\nBlicken wir n\u00fcn auf die Resultate der 5 Versuchsreihen 6\u201410 zur\u00fcck, so zeigt sich, dafs die Ergebnisse der Versuche mit sinnschaffendem Stoffe, trotz der Verschiedenheit der Versuchspersonen und der Modifikationen in der Art der Vorf\u00fchrung dieses Stoffes, sowohl unter sich, wie auch mit den Hauptresultaten der Versuchsreihen 1\u20145, die mit sinnlosem Stoffe angestellt worden sind, in unverkennbarer Weise \u00fcbereinstimmen. Das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen ergibt auch hier, obwohl mit geringerer Sch\u00e4rfe, als es bei dem sinnlosen Stoffe der Fall ist, durchweg gr\u00f6fsere Trefferzahlen als das Lesen im ganzen.1 Die Ausnahme, welche die //t-Reihen der Versuchsreihe 9 in dieser Hinsicht fast bilden, namentlich wenn man auch die Teiltreffer mit ber\u00fccksichtigt, l\u00e4fst sich aus der oben (S. 32) angef\u00fchrten Fehlerquelle befriedigend erkl\u00e4ren; aufserdem aber wird auch in diesem Falle der ung\u00fcnstige Ausfall der Trefferzahl bei den #* *- Reihen durch die merklich k\u00fcrzere Trefferzeit mehr \u00f6der weniger kompensiert. Auch in den anderen Versuchsreihen ergibt eine Ber\u00fccksichtigung der Durchschnittswerte der Trefferzeit und eine Z\u00e4hlung der kleinen Trefferzeiten, dafs das H-Ver-fahren im allgemeinen zu einer gr\u00f6fseren Reproduktionsgeschwindigkeit f\u00fchrt. Der oben erw\u00e4hnte Umstand, dafs die Lesungen einer ff-Reihe in den Versuchsreihen 6\u20149 durchweg l\u00e4ngere Zeiten beansprucht haben als die Lesungen der H-Reihen, konnte, wenn \u00fcberhaupt, so jedenfalls nur zum Vorteil des G-Verfahrens wirken.\u00ae Wenn nun die Resultate trotzdem zu-\n1 Auf die besondere Stellung, welche die Versuchsreihen 6\u201410 durch das benutzte Verfahren (Vorzeigen des zweiten Gliedes jedes Paares) einnehmen, komme ich in \u00a7 12 noch zu sprechen.\n* Vgl. Kapitel 5 u. 6.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nP. Ephrussi.\ngunsten des H- Verfahrens ausgefallen sind, bo kann dieser Umstand die Beweiskraft der genannten 4 Versuchsreihen nur erh\u00f6hen.\nEs mufs hier zuletzt noch erw\u00e4hnt werden, dafs bei der Klassifikation der Fehler aus den Versuchsreihen 0 und 10, in denen zweisilbige, d. h. ans 4\u20148 Buchstaben bestehende russische W\u00f6rter reproduziert werden sollten, ich es f\u00fcr zweckm\u00e4fsiger gehalten habe zu den Teiltreffern nicht blofs diejenigen F\u00e4lle zu rechnen, in denen das reproduzierte Wort hinsichtlich eines seiner Buchstaben falsch war, sondern auch diejenigen, in denen zwei oder mehr Buchstaben falsch waren, aber wenigstens eine 8ilbe ganz korrekt wiedergegeben wurde. Da es sich beim Studium der Ergebnisse zeigte, dafs bei den vorhandenen Differenzen in der Zahl der Volltreffer die Hauptresultate ganz unbeeinfiufst davon bleiben, ob man Teiltreffer verschiedener Ordnungen unterscheidet oder blofs die Gesamtzahl derselben betrachtet oder gar die Teiltreffer der zweiten Art zu den falschen F\u00e4llen hinzurechnet, so habe ich der Raumersparnis halber die verschiedenen Arten der Teiltreffer nicht besonders in den Tabellen angef\u00fchrt.\n\u00a7 7. Die individuellen Differenzen hinsichtlich des Richtigkeits- und Falschheitsbewufstseins.\nIn den neueren experimentellen Untersuchungen ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dafs die subjektive Sicherheit und Unsicherheit bei der Reproduktion fr\u00fcher eingepr\u00e4gter Vorstellungen keineswegs immer als Mafsstab der objektiven Richtigkeit betrachtet werden kann, und besonders ist hervorgehoben worden, dafs in bezug hierauf sehr grofse individuelle Verschiedenheiten bestehen. Auch bei meinen Versuchen ist die Mangelhaftigkeit des Bewufstseins der Richtigkeit oder Falschheit der reproduzierten Silben oder kurz ausgedr\u00fcckt die Mangelhaftigkeit des Richtigkeits- und Falschheitsbewufstseins bei einer Versuchsperson so stark zutage getreten, dafs die hierbei gewonnenen Resultate eine eingehendere Ber\u00fcck-\u00dfichtigung verdienen. Wie erw\u00e4hnt, hat Versuchsperson K. in Versuchsreihe 2 eine auffallend hohe Zahl falscher F\u00e4lle ergeben. In der \u00fcberwiegenden Mehrzahl bestehen diese F\u00e4lle aus Silben, die in derselben Sitzung, aber in einer anderen Reihe, oder in derselben Reihe, aber in einem anderen Takte (reihenrichtige falsche F\u00e4lle) vorgekoramen sind, oder aus solchen, die hinsichtlich eines Buchstabens mit der richtigen \u00fcbereinstimmen, u. a. m.1\n1 \u00dcber die \u00fcberhaupt vorkommenden Arten der falschen F\u00e4lle vgl. M\u00fcller u. Pilzbckeb, Kap. 7.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n91\nNur selten, namentlich an den ersten Versuchstagen, kamen auch ganz unmotivierbare falsche F\u00e4lle vor, d. h. solche, \u201edie keiner in der letzten Zeit gelesenen Silbenreihe angeh\u00f6ren, nicht Umkehrungen oder Kombinationen vor kurzem dagewesener Silben sind, auch nicht auf passiver Substitution beruhen\u201c usw.1 Im ganzen, d. h. die H- Reihen mit den G-Reihen zusammen betrachtet, war in dieser Versuchsreihe die Zahl f der falschen F\u00e4lle \u00fcber 10 \u00b0/0 gr\u00f6fser als die Trefferzahl r und \u00fcber viermal so grofs als die Zahl v der Nullf\u00e4lle. Ein entsprechendes Verh\u00e4ltnis ist in den anderen Versuchsreihen, z. B. in den Versuchsreihen 1 und 3, in denen ebenso wie in der Versuchsreihe 2 die Silben auf rein mechanischem Wege eingepr\u00e4gt wurden, bei weitem nicht vorgekommen. Leider lassen sich in dieser Beziehung die Resultate der verschiedenen Versuchsreihen infolge Fehlens einer v\u00f6lligen Gleichheit aller Versuchsumst\u00e4nde (Rotationsgeschwindigkeit, Wiederholungszahl) nicht direkt miteinander vergleichen; jedenfalls aber waren dieselben gerade in Versuchsreihe 2, wo zugleich die gr\u00f6fsere Wiederholungszahl und die geringere Rotationsgeschwindigkeit zur Anwendung kamen, f\u00fcr die Einpr\u00e4gung g\u00fcnstiger als in jenen beiden anderen Versuchsreihen.\nAufser dem hohen Werte, den die Zahl der falschen F\u00e4lle in Vergleich zu r und zu v besitzt, ist f\u00fcr Versuchsperson K. noch ein zweiter Umstand charakteristisch. Nachdem ich bei den Vorversuchen konstatiert hatte, dafs K. sehr zur Nennung falscher Silben neige, erteilte ich ihm in nachdr\u00fccklicher Weise die Instruktion, nicht jede beliebige in seinem Bewufstsein auftauchende Silbe, sondern nur eine ihm richtig erscheinende Silbe zu nennen. Ferner hatte diese Versuchsperson ebenso wie alle anderen in denjenigen F\u00e4llen, wo sie betreffs der Richtigkeit der genannten Silbe besonders sicher oder unsicher war, dies mittels der Ausdr\u00fccke \u201esicher\u201c und \u201eunsicher\u201c besonders zu Protokoll zu geben. Die in dieser Beziehung von den Versuchspersonen gemachten Aussagen geben nun Aufschlufs \u00fcber die subjektive Sicherheit derselben bei den richtigen und falschen Reproduktionen. Bei dem rein mechanischen Lernen gab die Mehrzahl der Versuchspersonen zwar gelegentlich beim Nennen einer tats\u00e4chlich richtigen Silbe das Urteil \u201eunsicher\u201c zu Protokoll, andererseits aber\n1 M\u00fcller u. Pilzeckeb, 8. 231.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nP. Ephrussi.\nhatten diese Versuchspersonen beim Nennen einer falschen Silbe in der Regel das Bewufstaein, dafs sie auch falsch sein k\u00f6nne, und gaben demselben durch das Urteil \u201eunsicher\u201c Ausdruck. Versuchsperson K. nun zeigte in dieser Beziehung eine frappant\u00bb Abweichung; die Aussage \u201eunsicher\u201c kommt bei ihr nach dem Nennen einer richtigen Silbe kein einziges Mal vor, aber auch beim Nennen einer falschen Silbe ist bei ihr nur sehr selten en Zweifel an ihrer Richtigkeit vorhanden, so dafs die Aussage \u201eunsicher\u201c auch nach den fehlerhaften Reproduktionen nur in einigen wenigen F\u00e4llen vorkommt. Dagegen sind bei K. nicht wenige F\u00e4lle verzeichnet, wo er nach dem Nennen einer falschen Silbe seine \u00dcberzeugung von ihrer Richtigkeit ausdr\u00fccklich zu Protokoll gab. In 9 solchen F\u00e4llen gab er das Urteil \u201esicher\u201c und in 8 solchen F\u00e4llen sogar das Urteil \u201eganz sicher\u201c zu Protokoll. Bei den anderen Versuchspersonen kommen analoge F\u00e4lle so gut wie nie oder nur ganz ausnahmsweise vor. Von vornherein k\u00f6nnte man meinen, dafs diese Unwahrhaftigkeit malgr\u00e9 lui vielleicht nur durch ein besonderes Verhalten der Versuchsperson K., z. B. durch mangelhafte Aufmerksamkeit oder ein falsches Verst\u00e4ndnis der Instruktion, bedingt sei. Diese Annahme ist aber im vorliegenden Falle keineswegs zutreffend; denn K., der, nebenbei bemerkt, Mathematiker ist, zeichnete sich als eine \u00e4ufserst eifrige Versuchsperson aus, die stets mit der besten Aufmerksamkeit bei der Sache war. Die Disposition von K. blieb im Laufe der Versuchsreihe stets gleichm\u00e4\u00dfig und gut Auch wurde die oben erw\u00e4hnte Instruktion der Versuchsperson in einer ganz unzweideutigen Weise immer von neuem wiederholt. Einige Beobachtungen und andererseits auch Aussagen der Versuchspersonen legen die Vermutung nahe, dafs die individuellen Differenzen hinsichtlich des Richtigkeit\u00bb- und Falsch-heitsbewufstaeins von den individuellen Verschiedenheiten im Ablaufe des Reproduktionsprozesses selbst wesentlich abh\u00e4ngig sind. Versuchsperson K. machte gelegentlich nach dem Vorzeigen einer Silbe, auf welche sie nach mehr als 70 Sek. langem \u00dcberlegen schliefslich mit dem W\u00f6rtchen \u201eNichts\u201c reagiert hatte, folgende Bemerkung: \u201ein solchen F\u00e4llen geht eine Masse Silben durch den Kopf, mindestens ein halb Dutzend\u201c. Diese Aussage veranlafste mich, in einigen sp\u00e4teren Versuchsreihen die Versuchspersonen zu instruieren, nach erfolgter Reaktion mit dem Lippenschl\u00fcssel anzugeben, ob und welche Silben ihnen","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n93\nbeim \u00dcberlegen zum Bewufstsein gekommen seien. Es bat sich dabei gezeigt, dafs auch in dieser Beziehung individuelle Unter-sehiede bestehen. Bei den einen Versuchspersonen kommen \u00e4hnlich wie bei K. w\u00e4hrend der \u00dcberlegungszeit in einem Nullfalle vielfach mehrere Silben zum Bewufstsein, die in derselben oder einer fr\u00fcheren Sitzung vorgekommen sind oder hinsichtlich ihres Eintretens gar nicht n\u00e4her erkl\u00e4rbar sind; dagegen wird bei den anderen Versuchspersonen in einem Nullfalle w\u00e4hrend der \u00dcberlegungszeit im allgemeinen keine bestimmte Silbe be-wufst. Auch bei den richtigen und bei den falschen F\u00e4llen kommen bei den Versuchspersonen vom ersten Typus in der \u00dcberlegungszeit aufser der Silbe, die zuletzt genannt wird, \u00f6fters noch verschiedene andere Silben zum Bewufstsein, w\u00e4hrend bei den Versuchspersonen vom zweiten Typus in solchen F\u00e4llen meist nur eine einzige Silbe, eben diejenige, die tats\u00e4chlich, sei es richtiger-, sei es f\u00e4lschlicherweise, genannt wird, zum Bewufst-aein kommt. Bei diesem zweiten Typus von Versuchspersonen wirken die Assoziationen sozusagen eindeutiger als bei dem enteren TypuB. Die nach verschiedenen Richtungen gehende Wirksamkeit der Assoziationen kann bei K. sowohl die Ursache davon sein, dafs die falschen F\u00e4lle bei ihm so zahlreich sind, als auch den zweiten damit im Zusammenhang stehenden Umstand bedingen, dafs die richtigen Silben im Vergleich zu den f\u00e4lschen keine besondere, ausgezeichnete Stellung f\u00fcr sein Bewufstsein einnehmen, wie es bei den Versuchspersonen der zweiten Art im allgemeinen der Fall ist. Auch stehen die auf S. 71 erw\u00e4hnten L\u00e4ngen der mit K. erhaltenen Zeitwerte offenbar in einem direkten Zusammenhang mit der bei ihm bestehenden vielfachen Wirksamkeit der Assoziationen. Die Trefferzeiten fallen deshalb so lang aus, weil die richtige Silbe im allgemeinen erst genannt wird, nachdem sie mit anderen gleichfalls im Be-wufBtsein auftauchenden Silben um den Vorzug gek\u00e4mpft bat. In einem noch h\u00f6heren Grade gilt dies von den Zeiten, welche die falschen sowie namentlich die Nullf\u00e4lle ergeben haben. Bei dem in seinem Bewufstsein vor sich gehenden Wettstreit der Vorstellungen kann sich K. oft nach 60\u201480 Sek. oder noch l\u00e4nger dauerndem \u00dcberlegen weder f\u00fcr eine bestimmte Silbe noch f\u00fcr das W\u00f6rtchen \u201eNichts\u201c entscheiden.1\n1 Ich brauche nicht besonders hervorzubeben, dafs sehr lange \u00dcberlegungszeiten, z. B. solche, die mehr als 60 Sekunden dauerten, in sehr","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nF. Ephnmi.\nWas den n\u00e4heren Vorgang beim \u00dcberlegen anbelangt, so scheint es nach einigen Aussagen der Versuchsperson K., dab dieselbe dazu neigt, die richtige Silbe dadurch zu bestimmen, dafs sie die durch die vorgezeigte Silbe erweckten Silben der Reihe nach innerlich durchnimmt und daraufhin ansieht, inwieweit sie zu jener Silbe zu passen scheinen. Bei den Versuchspersonen der oben erw\u00e4hnten anderen Art, bei denen es nicht das \u00dcbliche ist, dafs sich eine Mehrzahl von Vorstellungen zur Auswahl stellen, spielt nat\u00fcrlich ein solcher Vorgang des Durch-probierens keine entsprechende Rolle.\nWie oben angef\u00fchrt, wurde K. noch in den Versuchsreihen 8 und 9 benutzt, in denen er russisch - deutsche Vokabelpaare zn lernen hatte. Hier zeigte sich sein Richtigkeit\u00ab - und Falschheits-bewufstsein auf einem viel h\u00f6heren Niveau; w\u00e4hrend im Vergleich zu der Versuchsreihe 2 die Zahl der richtigen F\u00e4lle sich erh\u00f6ht, ist gleichzeitig auch die Zahl der Nullf\u00e4lle eine gr\u00f6lsere, hingegen die Zahl der falschen F\u00e4lle eine geringere. Auch ist die Versuchsperson bei den falschen F\u00e4llen meistens \u201eunsicher\u201c. Trotzdem kam es auch bei diesem Lernstoffe manchmal vor, dafs K. ein Wort nannte und auch f\u00fcr das richtige hielt, das tats\u00e4chlich aus einer anderen Reihe stammte oder sogar ganz falsch war. Solche F\u00e4lle kamen bei Versuchsperson N., die, ebenso wie K. in Versuchsreihe 9, zweisilbige Vokabelreihen zu lernen hatte, kein einziges Mal vor. Auch war bei N. die Zahl der falschen F\u00e4lle sowie deren Verh\u00e4ltnis zur Zahl der Nullf\u00e4lle ein bei weitem geringeres als bei K. in der Versuchsreihe 9.\nDen Umstand, dafs die Zahl der falschen F\u00e4lle in Versuchsreihe 9 betr\u00e4chtlich geringer ist als in Versuchsreihe 2, hat man wohl zum grofsen Teil darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs in der ersteren Versuchsreihe das Lernen ein unterst\u00fctztes war. Wie wir gesehen haben, kommen beim unterst\u00fctzten Lernen allgemein auch dann bedeutend weniger falsche F\u00e4lle vor als beim mechanischen Lernen, wenn der einzupr\u00e4gende Stoff ein sinnloser ist. Auch wird das Richtigkeits- und Falschheitsbewufstsein beim\nseltenen Fallen bei K. zu Treffern f\u00fchrten. Dies l\u00e4fst die Frage aufwerfen, ob es f\u00fcr ein solches Individuum in der Praxis des Lebens zweckm\u00e4fsig ist, unter derartigen Umst\u00e4nden so lange \u00dcberlegungszeiten behufs Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis anzuwenden, ob die wenigen richtigen Reproduktionen, die dabei erzielt werden, den betr\u00e4chtlichen Zeitverlust lohnen.","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n95\nunterst\u00fctzten Lernen in der Regel insofern ein vollkommeneres, als die assoziativen Hilfen als Anhaltspunkte f\u00fcr die subjektive Sicherheit dienen. Die von vornherein sich darbietende Vermutung, dafs die assoziativen Hilfen selbst Anlafs zu falschen Reproduktionen geben (indem z. B. in dem Falle, wo die Silbe leuk mit der Neben Vorstellung \u201eBadeort\u201c assoziiert worden ist, hinterher an Stelle von leuk eine andere einem Badeorte entsprechende Silbe genannt wird), hat sich bei meinen Versuchen nur sehr wenig best\u00e4tigt. Endlich sei noch bemerkt, dafs in Versuchsreihe 6 und 7 ich aus guten Gr\u00fcnden auf die Selbstbeobachtung der Versuchspersonen verzichtet habe und daher keine besonderen Schl\u00fcsse in Beziehung auf das Richtigkeitsund Falschheitsbewufstsein der in diesen Versuchsreihen benutzten Versuchspersonen ziehen kann.\nKapitel III.\nVersuche mit Wort- und Zahlenreihen.\n\u00a7 8. \u00dcber d en Aufbau der Reihen.\nAls eine dritte Art von Lernmaterial, das bei der Untersuchung der Frage \u00fcber das Lernen im ganzen und das Lernen mit geh\u00e4uften Wiederholungen benutzt wurde, dienten Reihen, deren einzupr\u00e4gende Paare aus je einem zweisilbigen Worte der Muttersprache und einer dreistelligen Zahl zusammengesetzt waren. Diese Kombination schien, wie bereits angedeutet, deshalb zweckm\u00e4fsig, weil auch in der gew\u00f6hnlichen Praxis derartige oder analoge Lernstoffe sehr h\u00e4ufig Vorkommen, z. B. im Falle der Einpr\u00e4gung von Jahreszahlen historischer Ereignisse, von St\u00e4dtenamen mit den entsprechenden Einwohnerzahlen oder von sonstigen statistischen Daten. Bei diesen Versuchen wurden 3 russische Versuchspersonen, die mir gerade zur Verf\u00fcgung standen, benutzt. Das Wortmaterial bestand daher aus russischen zweisilbigen W\u00f6rtern, die mit den \u00fcblichen russischen Buchstaben geschrieben waren. Auch hier waren die W\u00f6rter aus einem W\u00f6rterbuch ausgesucht und beim Aufbau der Reihen zuf\u00e4llig herausgegriffen worden. Was die Zahlen anbetrifft, so mufs vor allem bemerkt werden, dafs die Versuchsperson instruiert war, dieselben als dreistellige Zahlen, nicht als einzelne Ziffern aufzufassen und (russisch) auszusprechen. Vor dem Aufbau der einzelnen Reihen wurde jede der \u00fcberhaupt vorhandenen dreistelligen Zahlen auf","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"P. Ephruan.\neinen besonderen Zettel aufgetragen mit Ausnahme aller derjenigen, welche 2 oder 3 gleiche Ziffern enthalten (wie z. B. die Zahlen 636, 775, 444) und infolgedessen wahrscheinlich in Beziehung auf ihre Auffassung und Einpr\u00e4gung eine besondere Stellung gegen\u00fcber den anderen Zahlen eingenommen haben w\u00fcrden.\nBeim Aufbau der einzelnen Reihen wurden aufserdem noch folgende Punkte beachtet:\n1.\tDie Zahlen, die eine Null enthalten, wurden gleichm\u00e4fsig an die zu vergleichenden Reihen verteilt.\n2.\tDasselbe Prinzip wurde durchgef\u00fchrt auch bei den Zahlen, deren ein Element die Ziffer 1 ist; da es ferner behufs Erzielung m\u00f6glichster Gleichartigkeit der Reihen auch nicht gleichg\u00fcltig schien, wie oft die 1 in den miteinander zu vergleichenden Reihen am Anf\u00e4nge, in der Mitte oder am Ende einer Zahl stand, so suchte ich auch in dieser Beziehung m\u00f6glichste Gleichf\u00f6rmigkeit herzustellen.\n3.\tEs wurde daf\u00fcr Sorge getragen, dafs Zahlen, welche eine und dieselbe Ziffer an gleicher Stelle haben, durch mindestens 2 andere Paare voneinander getrennt waren.\nDiese Regeln, die ich auf Grund von Selbstbeobachtungen, die bei einigen an mir und meiner Schwester angestellten orientierenden Versuchen gemacht wurden, entworfen habe, \u2014 anderweitige sichere Anhaltspunkte lagen nicht vor \u2014 haben einen nur provisorischen Wert und m\u00fcssen jedenfalls bei der Untersuchung feinerer Fragen erg\u00e4nzt werden. Dafs aber die Befolgung der oben angef\u00fchrten Punkte, namentlich auch der von vornherein fraglich erscheinenden Punkte 1 und 2, nicht \u00fcberfl\u00fcssig war, daf\u00fcr liefert den Beweis die nach Abschlufs der hier in Rede stehenden Versuchsreihen erschienene Abhandlung von Ranschbub\u00f6 (Zeitschr. f. Psychol. 30), in welcher derselbe (S. 57 ff.) auf Grund von Versuchen mit sechsstelligen Zahlen unter anderem feststellt, dafs Zahlen, die die Ziffer 0 oder 1 enthalten, leichter aufgefafst werden, als Zahlen, die diese Ziffern nicht enthalten.\nJede Reihe enthielt 8 Paare, also 8 W\u00f6rter und 8 Zahlen. Das Wort bildete stets das zuerst auszusprechende, links stehende Glied des Paares. Auch bei diesem Lernmaterial, ebenso wie bei den Vokabeln, war die Hinzuziehung von Hilfsassoziationen bei allen Versuchspersonen zugelassen.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n97\nDm Schema, welches oben (S. 77f.) bei der Einteilung der bei sinnlosem Stoffe vorkommenden Hilfen aufgestellt wurde, pafst der Hauptsache nach auch f\u00fcr die Hilfsassoziationen, welche bei den Wort- und Zahle\u00bb reihen vorkamen. Auch bei diesem Lernstoffe sind Aufmerksamkeita-hilfen und assoziative Hilfen zu unterscheiden. Als Beispiel f\u00fcr die Aufmerksamkeitshilfen seien die folgenden hier angef\u00fchrt: Beim Lesen des Paares kossar (M\u00e4her) \u2014 663 rief da\u00bb Wort bei einer Versuchsperson den Nebengedanken an Law\u2122 beim M\u00e4hen 1 * * * * * * hervor, bei dem Paare Magnet \u2014 931 war es dagegen nur die Zahl, bei welcher eine Neben Vorstellung kam, n\u00e4mlich der Gedanke, dafs sie eine absteigende Reihe der Potenzen von 3 darstellt, ln vielen F\u00e4llen riefen die beiden Glieder eines Paares jedes einzeln f\u00fcr sich eine Hilfsvorstellung hervor, oder sie waren beide von einem und demselben sie fester miteinander verbindenden Nebengedanken begleitet. 8o wurde das Einpr\u00e4gen des Paares obuch (Axt) \u2014 901 durch den Gedanken unterst\u00fctzt, dafs dies eine Axt aus dem vorigen Jahre sei.1 Ferner st\u00fctzte sich die Versuchsperson in manchen F\u00e4llen darauf, dafs in einem Worte der Buchstabe o vorkam, w\u00e4hrend in der entsprechenden Zahl eine Null stand; ferner auch darauf, dafs das Wort und der Name der Zahl denselben Anfangsbuchstaben hatten, oder dafs sowohl in dem Wort wie auch in dem Namen der Zahl mehrere verwandte Laute (z. B. Zischlaute) vorkamen u. dgl. m. Endlich scheint der Umstand, der sich auch bei den anderen Lernstoffen geltend machte, von gewissem Interesse zu sein, dafs bei den meisten Versuchspersonen sich auch habituelle assoziative Hilfen mit Deutlichkeit zeigten, d. h. diese Versuchspersonen zeigten eine Tendenz, eine bestimmte Art von Hilfen \u00f6fters zu gebrauchen. So taucht z. B. bei der Versuchsperson S. viel h\u00e4ufiger als bei den anderen Versuchspersonen beim Lesen der Zahlen 792, 789 u. a. m. der Gedanke an die franz\u00f6sische Revolution auf; die Versuchsperson M. pflegt dagegen mit Vorliebe die Summe einzelner Ziffern zu bestimmen und sich auf diese Weise die Zahl besser einzupr\u00e4gen. So wurde z. B. bei der Zahl 314 die Hilfe : 3 -f-1 = 4, benutzt.\n\u00a7 9. Versuche ohne Benutzung desKymographions.8 Versuchsreihen 11\u201415.\nBei den ersten f\u00fcnf Versuchsreihen, die mit sinnhaltigem Stoffe angestellt wurden, las die Versuchsperson die Reihen nicht von einer rotierenden Kymographiontrommel ab, sondern in ganz derselben Weise wie in den Versuchsreihen 6\u20149 aus einem vor ihr liegenden Hefte. Die sonstige Versuchsanordnung blieb bei\n1 Eine Szene aus dem Roman \u201eAnna Karenina\u201c von L. Tolstoi.\n*\tDieser Versuch wurde im Jahre 1902 angestellt.\n*\tDiese Versuche wurden zum Teil gleichzeitig mit den Versuchs-\nreihen 6\u20149 angefangen, als mir die auf S. 87 n\u00e4her erw\u00e4hnte Unvoll-\nkommenheit der bei diesem Verfahren benutzten Vorf\u00fchrungsweise des\nLernstoffes noch nicht bekannt war.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 97.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nP. Ephrussi.\ndiesen Versuchen dieselbe wie in den Versuchsreihen 6\u20149. In den Versuchsreihen 11, 12 und 18 wurden in jeder Sitzung zwei Reihen, d. h. je eine H- und eine G -Reihe abwechselnd an der fersten oder zweiten Stelle, gelesen; in den Versuchsreihen 14 und 15 wurden an jedem Versuchstage je vier Reihen (mit regel-m\u00e4fsiger Abwechslung der Zeitlage) gelesen. Die H\u00e4ufungszahl bei den H- Reihen war stets gleich drei. Zwei Minuten nach dem Lesen jeder Reihe wurden der Versuchsperson die betreffenden 8 Worte am Vorzeigeapparat vorgef\u00fchrt, wobei die zugeh\u00f6rigen Zahlen reproduziert werden sollten. Bei der Zusammenstellung der Resultate ist die fr\u00fchere Unterscheidung von richtigen, falschen, Nullf\u00e4llen und Teiltreffern beibehalten worden. Dabei sind als Teiltreffer ganz analog wie bei den sinnlosen Silben F\u00e4lle zusammengefafst, wo die genannte Zahl hinsichtlich zweier Ziffern (z. B. der ersten und der dritten) mit der richtigen Zahl \u00fcbereinstimmte oder die vollst\u00e4ndige Umkehrung der richtigen Zahl darstellte.\nVersuchsreihe 11. Versuchsperson M. 8 Versuchstage. W = 12.\n\t\tTr\tTr < 2000\t*\t*\nIT-Reihen\t0,61\t3650\t4\t0,6\t0,22\nG- \u201e\t0,77\t4100\t10\t0,6\t0,13\n(n = 64)\nVersuchsreihe 12. Versuchsperson C. 8 Versuchstage. W = 12.\n\tr\tTr\tTr < 2500\tf\tV\nII- Reihen\t0,30\t4730\t4\t0,20\t0,38\n<?- ,\t0,45\t4670\t8\t0,16\t0,31\n(n - 64)\nVersuchsreihe 13. Versuchsperson S. 12 Versuchstage. W = 12.\n\tr\tTr\tTr < 1200\tf\tV\nIT-Reihen\t0,42\t2930\t11\t0,13\t0,42\nG- \u201e\t0,38\t3210\t8\t0,10\t0,49\n(n = 96)","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4gt zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n99\nVersuchsreihen 14 und 15. Versuchsperson S. 8Versuchs-tage. Diese beiden Versuchsreihen sind gleichzeitig nebeneinander angestellt worden und unterscheiden sich blofs hinsichtlich der Wiederholungszahl. Dieselbe war in der Versuchsreihe 14 gleich 12, in der Versuchsreihe 15 gleich 6. Es sollte dabei festgestellt werden, ob eine Verringerung von W die Differenzen der Resultate beider Konstellationen irgendwie merkbar beeinflufst. Die Versuchsperson hatte in jeder Sitzung 4 Reihen zu lernen, darunter 2 (eine G-und eine IT-Reihe) bei W = 12 und zwei Reihen bei W = 6.\nVersuchsreihe 14.\n\tr\tTr\tTr <1200\tf\tV\nH- Reihen\t0,58\t3360\t8\t0,8\t0,31\nff- \u201e\t0,64\t3020\t13\t0,5\t0,30\n(\u00bb = 64)\nVersuchsreihe 15.\n\tr\tTr\tTr < 1200\tf\tV\nif-Reihen\t0,41\t3170\t4\t0,8\t0,41\nff- \u201e\t0,47\t2800\t10\t0,6\t0,39\n(\u00bb = 64)\nStellt man die Ergebnisse dieser letzten 5 Versuchsreihen den Resultaten der fr\u00fcheren Reihen gegen\u00fcber, so \u00fcberzeugt man sich sofort, dafs die Versuche mit Wort- und Zahlenmaterial entgegengesetzt ausfallen als die mit sinnlosem Lernstoffe. Der deutliche Vorzug, den das //-Verfahren in den Versuchsreihen 1\u20145 und bei den einschalgenden Versuchen aus den Versuchsreihen 23\u201425 hatte, macht in Versuchsreihe 11, 12, 14 und 15 einem gegenteiligen Verhalten Platz.1 Nur Versuchsreihe 13 l\u00e4fst einen Vorteil der fl-Reihen erkennen, der indessen so gering ist, dafs eine Zur\u00fcckf\u00fchrung desselben auf nicht ausgeglichene Zuf\u00e4lligkeiten nicht ausgeschlossen ist. Bevor ich an die Erkl\u00e4rung dieses Tatbestandes herantreten konnte, mufste zun\u00e4chst noch durch kontrollierende Versuche, welche wiederum mit dem Wort- und Zahlenmaterial, aber bei Benutzung des Kymo-\n1 Von den Versuchsreihen 6\u201410 sehe ich hier ans dem in der Anmerkung 1 auf 8. 89 angedeuteten Grunde ab.\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nP. Ephrutei.\ngraphions anzustellen waren, der Verdacht ausgeschlossen werden, dafs das in den Versuchsreihen 11, 12, 14 und 15 gefundene Resultat nur durch die Unvollkommenheit der oben erw\u00e4hnten Vorf\u00fchrungsweise des Lernstoffes bedingt sei.\n\u00a7 10. Versuche mit Benutzung des Kymographions. Versuchsreihen 16, 17 und 18. Versuchsreihe 19 mit Anwendung von Zahlenmaterial.\nEs wurden wiederum zwei Trommeln benutzt (vgl. S. 88); der Papierbogen, auf dem die Wort- und Zahlenpaare auf getragen wurden, war 75 cm lang. Der Abstand der Mittelpunkte zweier benachbarter Paare war gleich 3 cm, der Abstand zwischen dem letzten und dem ersten Paar gleich 4,5 cm. In jeder Sitzung wurden zwei Reihen gelesen, eine H- und eine G -Reihe. Die H\u00e4ufungszahl bei den iT-Reihen war gleich drei. Das Vorzeigen jeder Reihe fand 2 Min. nach ihrem Lesen statt.\nVersuchsreihe 16. Versuchsperson M. 8 Versuchstage. W = 6. R \u2014 60 Sek.\n\t\tTr\tTr < 2000\t! r\tV\nH- Reihen\t0,53\t3250\t11\t0,14\t0,20\n\u201e\t0,56\t3730\t9\t0,13\t0,19\n(\u00bb = 64)\nVersuchsreihe 17. Versuchsperson C. 8 Versuchstage. W =12. R = 62 Sek.\n\tr\tTr\tTr <2500\tf\tt;\nS- Reihen\t0,31\t4170\t10\t0,14\t0,50\nG- \u201e\t0,45\t4660\t6\t0,6\t0,44\n(n = 64)\nVersuchsreihe 18. Versuchsperson S. 8 Versuchstage. W = 6. R = 60 Sek.\n\tr\tTr\tTr <1200\t1 f\tV\nH- Reihen\t0,47\t3340\t8\t!\t0,9\t0,33\n-G- \u201e\t0,48\t2530\t10\t1 0,6\t0,33\n(n = 64)","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n101\nDie Differenzen der den beiden Lernweisen entsprechenden Resultate haben sich hier etwas ausgeglichen. Es bleibt aber immer noch im ganzen genommen ein kleiner Vorteil des Lesens im ganzen bestehen.1\nNoch mehr zeigte sich das G- Verfahren dem H-Verfahren \u00fcberlegen in Versuchsreihe 19, welche Herr Prof. M\u00fclleb die Freundlichkeit hatte, bei Gelegenheit seiner anderweitigen Versuche mit Herrn Dr. R\u00fcckle (Mathematiker) zur Vergleichung jener beiden Lernweisen unter Anwendung von Zahlenmaterial mit anzustellen. Nach den Feststellungen von Herrn Prof. M\u00fclleb \u00fcberragt das Zifferngedftchtnis von Dr. R\u00fcckle auch die bekannten Ged\u00e4chtnisse von Ina\u00fcdi und Diamandi. Dr. R\u00fcckle st\u00fctzt sich beim Lernen und Hersagen der Ziffernreihen ganz wesentlich auf Assoziationen und Hilfen, die ihm aus seiner Kenntnis der Zahlen, ihrer Eigenschaften und Beziehungen entspringen. Auch bei dieser Versuchsreihe 19 geschah das Einpr\u00e4gen in solcherWeise. N\u00e4here Auskunft \u00fcber diese Versuchsreihe und ihre Resultate enth\u00e4lt der folgende von Herrn Prof. M\u00fclleb mir zur Verf\u00fcgung gestellte Bericht:\n\u201eW\u00e4hrend der betreffenden Versuchsperiode wurden dem R. am Schl\u00fcsse jeder Sitzung zwei Zahlenreihen, eine 6?-Reihe und eine LT-Reihe, vorgelesen. Jede der beiden Reihen bestand aus 10, vom vierten Versuchstage ab aus 12, sechsstelligen Zahlen, welche dem R. als solche (nicht als einzelne Ziffern) vorgelesen wurden und zwar so, dafs jeder Komplex dreimal vorgelesen wurde. Die Art und Weise, wie diese drei Lesungen zeitlich verteilt wurden, war indessen bei den G-Reihen eine andere als bei den H- Reihen. Die G-Reihe wurde dreimal im ganzen gelesen und zwar so, dafs niemals eine Pause beim Lesen gemacht wurde, sondern die zehn Komplexe stets unmittelbar hintereinander gelesen wurden und ebenso auch nach der ersten oder zweiten Lesung des zehnten Komplexes unmittelbar zur zweiten bzw. dritten Lesung des ersten Komplexes \u00fcbergangen wurde. Bei der H- Reihe fanden die drei Lesungen jedes sechsstelligen Komplexes unmittelbar hintereinander statt, so dafs zuerst der\n1 Resultate, welche gleichfalls zeigen, dafs bei entsprechender Versuchsanordnung das sinnhaltige Material das (?-Verfahren vorteilhafter erscheinen lftfet als das H \u25a0 Verfahren, haben auch die Versuchsreihen 21 und 22 ergeben.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nP. Ejjhnmi.\nerste Komplex dreimal hintereinander von mir vorgelesen winde, dann unmittelbar darauf der zweite Komplex die drei Lesungen erfuhr u. s. f. Das Lesen der Komplexe fand bei allen Versuchen in m\u00f6glichst gleicher Weise und mit m\u00f6glichst gleicher Geschwindigkeit statt. Die Gesamtzeit der dreimaligen Lesungen der 10 Komplexe wurde jedesmal gemessen; sie betrug im Mittel bei den G-Reihen 2 Min. 37 Sek., bei den fl-Reihen 2 Min. 36 Sek. Selbstverst\u00e4ndlich wurde hinsichtlich der Zeitlage der G- und fl-Reihen regelm\u00e4fsig gewechselt, indem an den einen Tagen die G-Reihe, an den anderen Tagen die fl-Reihe zuerst gelesen wurde. Bei Beginn jeder Sitzung des n\u00e4chsten Tages (nach etwa 22 Stunden) wurden nun die Assoziationen, die durch die Lesungen der G- und fl-Reihe zwischen den Bestandteilen der sechsstelligen Komplexe gestiftet worden waren, (mittels einer Art des Trefferverfahrens) in der Weise gepr\u00fcft, dafs ich die ersten drei Ziffern jedes Komplexes ihrem Stellenwerte nach aussprach, und R. darauf die drei letzten Ziffern desselben Komplexes zu nennen hatte. War also z. B. in der an einem Tage gelesenen fl-Reihe der Komplex 482340 vorgekommen, so sprach ich dann bei der am n\u00e4chsten Tage stattfindenden Pr\u00fcfung die Worte \u201evierhundert und zweiundachtzig tausend\u201c aus, uud R. hatte die Worte \u201edreihundert und vierzig\u201c hinzuzuf\u00fcgen. Auch bei diesem Pr\u00fcfungsverfahren fand selbstverst\u00e4ndlich der erforderliche Wechsel der Zeitlage statt, indem die Komplexe der G- und der fl-Reihe in angemessener Weise abwechselnd zur Pr\u00fcfung kamen. Die Resultate dieser sich \u00fcber 10 G-Reihen und 10 fl-Reihen erstreckenden Versuche waren nun folgende: sowohl die G-Reihen als auch die fl-Reihen umfafsten im ganzen genommen 114 sechsstellige Komplexe. R. hat seiner Aufgabe, zu der vorgesagten ersten H\u00e4lfte des Komplexes die zweite H\u00e4lfte zu nennen, bei 59 Komplexen der G-Reihen, dagegen nur bei 42 Komplexen der fl-Reihen voll gen\u00fcgt. Bei den \u00fcbrigen Komplexen versagte er entweder v\u00f6llig, oder er reagierte in der Weise, dafs er eine falsche Zahl nannte. In solchen F\u00e4llen (falschen F\u00e4llen)1 war indessen die von R. genannte Zahl (Komplexh\u00e4lfte) nicht immer ganz unrichtig, sondern\n1 Wie zu erwarten, war in diesen falschen F\u00e4llen die von R. genannte Zahl nicht selten eine solche, die in einem anderen der Tags zuvor gelesenen sechsstelligen Komplexe als Komplexh\u00e4lfte vorgekommen war.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n103\nzuweilen stimmte sie mit der richtigen Zahl hinsichtlich einer oder zwei Ziffern \u00fcberein. Z\u00e4hlen wir, um diese Koinzidenzen mit zu ber\u00fccksichtigen, alle Ziffern zusammen, hinsichtlich deren die von R. genannte Zahl richtig war, so erhalten wir folgendes Resultat: bei den G - Reihen sind die von R. genannten Zahlen hinsichtlich 197, bei den fl--Reihen nur hinsichtlich 143 Ziffern richtig ausgefallen. Es war also die bei den G- Reihen benutzte Verteilungsweise der Lesungen der Ziffernkomplexe f\u00fcr das Behalten vorteilhafter als die bei den H-Reihen benutzte.\u201c Die von Dr. R\u00fcckle bei diesen Versuchen zu Protokoll gegebenen Selbstbeobachtungen werde ich weiterhin ber\u00fccksichtigen.\nDie Hauptergebnisse unserer bisherigen Versuche (abgesehen von Versuchsreihe 6\u201410) lassen sich kurz folgendermafsen formulieren:\n1.\tBei der Einpr\u00e4gung von sinnlosen Silben ist das Lesen mit geh\u00e4uften Wiederholungen im allgemeinen betr\u00e4chtlich \u00f6konomischer als das Lesen im ganzen.\n2.\tBei der Einpr\u00e4gung vonZahlen oder vonWort-und Zahlenpaaren f\u00fchrt eher das Lesen im ganzen zu besseren Resultaten.\n(Schlufs folgt.)","page":103},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"161\n(Aus dem psychologischen Institut zu Gottingen.)\nExperimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\nVon\nP. Ebhbubbi.\nSchlafs.)\nKapitel IV.\nErkl\u00e4rung der Resultate und erg\u00e4nzende Tersuche.\n\u00a7 11. \u00dcber die Hauptmomente, die f\u00fcr den Ausfall der Resultate mafsgebend sind.\nEs erhebt sich nun die Frage, wie der verschiedene Ausfall \u25a0der Resultate in den mit sinnlosem Materiale einerseits und sinnschaffendem Lernstoffe andererseits angestellten Versuchsreihen zu erkl\u00e4ren ist. Offenbar haben wir diese Diskrepanz der Resultate irgendwie auf die Verschiedenheit der benutzten Lernstoffe zur\u00fcckzuf\u00fchren. Schon dasjenige, was die Versuchspersonen auf Grund ihrer Selbstbeobachtung zu Protokoll gegeben haben, l\u00e4fst schliefsen, dafs der hier ausschlaggebende Unterschied der benutzten Lernstoffe in folgendem besteht: Die Wort- und Zahlenreihen sowie die Zahlenreihen sind aus Gliedern zusammengesetzt, welche, soweit es sich um ihr Gelesenwerden (Aufgefafst- und Ausgesprochenwerden) handelt, f\u00fcr erwachsene .gebildete Versuchspersonen schon von vornherein eine nahezu\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie \u00bb7.\t11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nP. Ephrusd.\nmaximale Gel\u00e4ufigkeit besitzen, w\u00e4hrend die sinnlosen Silben (und die fremdsprachlichen Vokabeln) ungel\u00e4ufig sind und zun\u00e4chst nur mit einer gewissen Schwierigkeit gelesen werden k\u00f6nnen.\nUm sich klarzumachen, inwiefern diese Verschiedenheit der Lernstoffe hinsichtlich der Gel\u00e4ufigkeit eine Verschiedenheit der Resultate von der oben betrachteten Art zur Folge haben konnte, mufs man sich den psychischen Vorgang, der bei der Einpr\u00e4gung der verschiedenen Stoffe nach dem G-Verfahren und nach dem H- Verfahren stattfindet, n\u00e4her vergegenw\u00e4rtigen. Bei jedem Lesen eines Lemst\u00fcckes hat man zwei Wirkungen des Lesens zu unterscheiden, erstens die Gel\u00e4ufigmachung der Glieder des Lernst\u00fcckes in Beziehung auf Auffassung und Aussprechen, zweitens die Assoziierung der Glieder, die eigentliche Einpr\u00e4gung. 1 Handelt es sich um Erlernung eines ungel\u00e4ufigen Stoffes, z. B. von Silben oder Fremdw\u00f6rtern, so kommt die Versuchsperson bei der ersten Lesung einer solchen Reihe in der Regel noch nicht dazu, Assoziationen zwischen den Gliedern der Reihe herzustellen. Vielmehr ist die Hauptenergie der Versuchsperson darauf gerichtet, die einzelnen Silben resp. W\u00f6rter richtig abzulesen, mit ihnen m\u00f6glichst vertraut zu werden. So \u00e4ufserte sich Versuchsperson K. am Schl\u00fcsse der Versuchsreihe 9 folgendermafsen : \u201eDas erste Mal wird das Wort (das Fremdwort) blofs seiner Komposition nach, dem Klange und dem Bilde nach aufzufassen versucht.\u201c* *\nFassen wir speziell unsere beiden in Frage stehenden Lern-\n1 Denn die Stiftung der von Glied zu Glied fahrenden Reproduktionstendenzen, nicht die Gel\u00e4ufigmachung ist der eigentliche Zweck des Lernens.\n* Eine hierhergeh\u00f6rige charakteristische \u00c4ufserung einer Versuchsperson ist auch in der bereits erw\u00e4hnten Untersuchung von M. Kzivzb-Smith (S. 251) angef\u00fchrt. Diese Versuchsperson, ein Bulgare, dem schon das blofse Lesen der deutschen Schrift Schwierigkeit machte, gab am 2. Versuchstage, als er vom Versuchsleiter nach der zw\u00f6lften Lesung einer Reihe aufgefordert wurde, dieselbe herzusagen, folgende Antwort zu Protokoll: \u201eAber ich habe noch nicht angefangen zu lernen, ich habe nur die Silben ausgesprochen und war fast fertig die Gruppierung anzufangen.\u201c Auch betreffs ihrer Versuchsperson Wi. \u00e4ufsert sich Kbivsb - Smith (S. 232 f.) folgendermafsen: \u201eAm Anfang fiel das Aussprechen der Silben schwer; sobald es aber die Versuchsperson beherrschte, fing sie an zu gruppieren und begann nun erst die Silben zu lernen.\u201c","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n163\nweisen ins Auge, so wird gem\u00e4fs der weiteren Aussage dieser Versuchsperson bei der ersten nach dem G-Verfahren stattfindenden Lesung der Eindruck von den soeben gelesenen Silben oder W\u00f6rtern \u201edurch die neuen Wortbilder verdr\u00e4ngt\u201c ; es wiederholt sich im wesentlichen derselbe Vorgang auch bei den nachfolgenden Lesungen, d. h. das Hauptgewicht wird noch immer nicht auf die Herstellung von Assoziationen, sondern auf das Vertrautwerden mit den einzelnen Gliedern der Reihe gelegt. Erst wenn die Reihe nach einer gewissen Anzahl von Lesungen in ihrem ganzen Verlaufe bis zu einem gewissen Grade gel\u00e4ufig geworden ist, kann die durchgehende Herstellung der Assoziationen vor sich gehen. Ob nun dieser bestimmte Grad der Gel\u00e4ufigkeit schon bei der zweiten, dritten oder erst bei den sp\u00e4teren Lesungen erreicht wird, h\u00e4ngt nat\u00fcrlich von dem einzelnen Falle ab.1 Ist aber die zu lesende Reihe eine E- Reihe, d. h. erfolgt die zweite Lesung eines Paares unmittelbar nach der ersten, so ist die Vorstellung von den soeben gelesenen zwei Silben noch frisch, perseveriert noch und wird durch die darauf folgenden Wiederholungen desselben Paares \u201enoch verst\u00e4rkt\u201c, wie sich einmal eine Versuchsperson ausdr\u00fcckte.\n1 Im obigen ist \u00fcberhaupt noch angenommen, dafs die vorgeschriebene Lesegeschwindigkeit sich innerhalb der \u00fcblichen, nicht zu niedrigen Grenzen h\u00e4lt. Findet das Lesen mit einer unterhalb dieser Grenzen liegenden, geringen Geschwindigkeit statt, so kann es, wie wir in \u00a7 20 sehen werden, dahin kommen, dafs infolge der geringen Anspannung, welche dann das blofse Lesen des Lernmaterials erfordert, schon bei der ersten Lesung die Herstellung von Assoziationen in merklichem Grade beginnt. Auch bei schnellen Lesegeschwindigkeiten mufs es nat\u00fcrlich Vorkommen, dafs einzelne Paare von Silben u. dgl., die sich durch ihre An-kl\u00e4nge an bekannte Worte oder aus \u00e4hnlichen Gr\u00fcnden besonders leicht aufdr\u00e4ngen, schon bei der ersten Lesung sich in gewissem Grade einpr\u00e4gen. Die oben angeBtellte Betrachtung soll eben nur eine solche sein, die f\u00fcr die Verh\u00e4ltnisse im grofsen und ganzen gilt. \u2014\nDafs eine st\u00e4rkere Inanspruchnahme des Bewufstseins durch die Lesearbeit f\u00fcr die Herstellung der Assoziationen hinderlich ist, l\u00e4fst folgende Deutung zu. Man kann etwa annehmen, dafs ein ungel\u00e4ufiger Stoff \u00fcberhaupt nur sehr schwach perseveriert, und dafs die Glieder desselben nicht eher untereinander assoziiert werden, als bis sie eine gewisse Gel\u00e4ufigkeit erreicht haben. Hierbei erscheint es nicht ausgeschlossen, dafs auch das Prinzip der r\u00fcckwirkenden Hemmung mit im Spiele sei, insofern die geistige Inanspruchnahme, welche das Lesen eines ungel\u00e4ufigen Gliedes, z. B. Wortes, erfordert, zugleich der Perseveration der vorausgegangenen Glieder und demgem\u00e4fs auch den Assoziationen derselben nachteilig sei.\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nP. Ephrwrti.\nS\nMan kann also ganz allgemein Sagen, dafs beim //-Verfahren im Vergleich zum G-Verfahren eine geringere Zahl von Wiederholungen durch die Gel\u00e4ufigmachung absorbiert -wird, und folglich, da W f\u00fcr beide Verfahrensweisen konstant ist, eine gr\u00f6fsere Zahl f\u00fcr die Bildung der Assoziationen \u00fcbrig bleibt. Nimmt man (mit M\u00fcller und Schumann) das Quantum der bei den aufeinander folgenden Wiederholungen zur Verf\u00fcgung stehenden Aufr\u00fcerksamkeitsenergie als begrenzt an, so kann man das soeben Bemerkte auch folgendermafsen ausdr\u00fccken: das H-Verfahren ist vor dem G-Verfahren aus dem Grunde im Vorteil, \u25a0weil beim ersteren ein geringeres Quantum der Aufmerksamkeitsenergie auf die Gel\u00e4ufigmachung verwandt wird und daher ein gr\u00f6fseres Quantum derselben der Herstellung der Assoziationen zugute kommt.1 Die vorstehenden S\u00e4tze beziehen sich selbstverst\u00e4ndlich nur auf einen Lernstoff von ungel\u00e4ufiger Art. Anders dagegen liegt die Sache bei der Einpr\u00e4gung eines von vornherein gel\u00e4ufigen Stoffes, z. B. der Zahlen oder der Wort-und Zahlenpaare. Hier vollzieht sich die Herstellung Von Assoziationen bei normaler Konzentration der Aufmerksamkeit und bei einer nicht zu grofsen Geschwindigkeit des Lesens (s. hier\u00fcber Kap. 5 ff.) ebenso wie bei den H-Reihen auch bei den G-Reihen schon von der ersten Lesung ab. Versuchsperson M. machte gelegentlich die Bemerkung, dafs sie schon beim ersten Lesen der Wort- und Zahlenpaare das Gef\u00fchl habe, sie zu kennen. Das Lesen des Stoffes geht mit solcher Leichtigkeit vor sich, dafs es bei guter Konzentration der Versuchsperson sozusagen weniger als eine ganze Wiederholung f\u00fcr sich braucht. Aus diesem Grunde b\u00fcfst das //-Verfahren den Vorteil, den es bei einem ungel\u00e4ufigen Stoffe hat, bei dem gel\u00e4ufigen Lernstoffe g\u00e4nzlich ein.\nDer Umstand, dafs das Lernen der Silben in vielen F\u00e4llen ein unterst\u00fctztes war, \u00e4ndert nichts daran, dafs dieser Lernstoff im allgemeinen sis ungel\u00e4ufig zu betrachten ist. Denn die assoziativen Hilfen substituieren sich keineswegs vollst\u00e4ndig an Stelle der betreffenden Glieder des Stoffes selbst ; dem letzteren mufs h\u00e4ufig erst ein gewisser Grad der Gel\u00e4ufigkeit\n1 Hierher geh\u00f6rt offenbar auch z. B. die Tatsache, dafs man allgemein Gedrucktes leichter und schneller versteht als Geschriebenes. Jeder, der \u00fcber reiche Erfahrungen auf diesem Gebiete verf\u00fcgt, weifs, wie sehr die inhaltliche Beurteilung geschriebener, insbesondere schlecht geschriebener Abhandlungen durch die Schwierigkeit des Lesens erschwert ist.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\tJ$5\nerteilt werden, damit eine hinl\u00e4ngliche Wirksamkeit der Hillen m\u00f6glich sei. Ferner bedarf es wohl kaum einer besonderen Anseinanderetzung, dafs die Silben, so wie die fremdsprachlichen Vokabeln mit gr\u00f6fserer Schwierigkeit gelesen werden als Zahlen oder W\u00f6rter der Muttersprache. Es mag an die von B. Ebdmann und Dodge festgeBtellte Tatsache erinnert werden, dais von Buchstaben, die der Versuchsperson im Wortzusammenhang vor-gefQhrt werden, bei einer und derselben Expositionszeit eine gr\u00f6fsere Anzahl erkannt wird als von Buchstaben, welche ohne Wortzusammenhang dargeboten werden, und dafs auch W\u00f6rter der Muttersprache leichter erkennbar sind als fremdsprachliche W\u00f6rter.\nWie wir auf S. 75 gesehen haben, brachte das H-Verfahren, schon bei einem ungel\u00e4ufigen Stoffe eine mangelhafte Konzentration der Aufmerksamkeit mit sich. Die Aussagen verschiedener Versuchspersonen, die bei der Erlernung der Silben oder der russisch - deutschen Vokabeln beteiligt waren, stimmen mit den oben angef\u00fchrten Selbstbeobachtungen von Herrn Prof. M\u00fcller und der Versuchsperson O. ganz \u00fcberein. Verschiedene Versuchspersonen fanden, dafs das G-Verfahren \u201edie Aufmerksamkeit mehr anstrengt\u201c, dafs bei den if-Reihen, namentlich mit einer h\u00f6heren H\u00e4ufungszahl, die Aufmerksamkeit eher \u201eentlastet wird\u201c, dafs man bei diesem Verfahren eher \u201eausruhen kann\u201c u. \u00e4. Trotzdem war dieser Faktor (abgesehen von der Versuchsreihe mit Versuchsperson 0.) zu schwach, um bei normalem Verhalten der Versuchsperson im Endresultat der betreffenden Versuchsreihen zum Ausdruck zu kommen. Aber bei der Einpr\u00e4gung des sinnhaltigen Stoffes machte sich das ungleiche Verhalten der Aufmerksamkeit bei den if-Reihen und bei den G-Reihen in einem noch viel st\u00e4rkeren Grade geltend. Schon beim Beginn der Versuche mit den Wort- und Zahlenreihen (d. h. bei den ersten Vorversuchen) wurde es mir klar, dafs man hier die H\u00e4ufungszahl in den if-Reihen nicht \u00fcber 3 steigern darf, wenn man nicht auch die musterhaftesten Versuchspersonen zu einer direkten Abneigung gegen derartige Versuche bringen will. Aber auch die H\u00e4ufungszahl 3, die, so viel es sich aus einigen wenigen Versuchen schliefsen l\u00e4fst, bei der Einpr\u00e4gung von Silben oder Vokabeln der Versuchsperson recht angenehm ist, war beim sinnhaltigen Stoffe schon langweilig. So erkl\u00e4rte Dr. R\u00fcckle, dafs bei den if-Reihen die unmittelbar aufeinander folgenden drei Nennungen eines und desselben Komplexes langweilig und f\u00fcr die Aufmerksamkeit erm\u00fcdend seien. Dagegen haben, seiner Aussage gem\u00e4fs,","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nP. Ephmsti.\ndie G-Reihen \u201eden Vorteil, dafs sie erlauben, beim 2. H\u00f6ren der Komplexe zu pr\u00fcfen, was man weifs, und dann bei der 2. und 3. Wiederholung die Aufmerksamkeit ganz besondere auf die schwachen Stellen zu lenken\u201c. Ganz in \u00dcbereinstimmung damit bemerkte gelegentlich auch die Versuchsperson M., dafs sie beim G-Verfahren besser zu lernen glaube, weil im Falle der Benutzung des H-Verfahrens man bei den sp\u00e4teren Lesungen desselben Taktes \u201eumsonst die Zeit verliert\u201c. Auch bei den guten Versuchspersonen mufste bei Benutzung des sinnhaltigen Stoffes die Konzentration der Aufmerksamkeit in den H- Reihen ganz unwillk\u00fcrlich nachlassen. Daraus erkl\u00e4rt sich ohne weiteres die Tatsache, dafs bei Benutzung solchen Stoffes das G-Verfahren sich gegen\u00fcber dem H-Verfahren sogar etwas \u00fcberlegen erwies.\nDafs nun aufser den Faktoren, die zur Erkl\u00e4rung der gewonnenen Resultate soeben angef\u00fchrt wurden, auch noch andere Faktoren von mehr oder weniger untergeordneter Bedeutung von Einflufs auf den Ausfall der Versuche gewesen seien, ist in anbetracht der Kompliziertheit der Vorg\u00e4nge, welche bei jeder Ged\u00e4chtnisarbeit vor sich gehen, prinzipiell nicht zu bestreiten. So lafst sich z. B. hier die Tatsache anf\u00fchren, dafs das B-Verfahren, weil es den mit einem gegebenen Silbenpaare verbundenen Assoziationen mehr Zeit zur Wirksamkeit l\u00e4fst, dem Auftauchen von assoziativen Hilfen g\u00fcnstiger ist, so dafs in der Tat auch derartige Hilfen bei den fl--Reihen meistens zahlreicher waren als bei den G-Reihen. Ferner hat nach Aussage von Dr. R. das G -Verfahren bei ihm auch ans dem Grunde einen Vorteil vor dem if-Verfahren, weil man beim ersteren viel eher zu einem \u00dcberblick \u00fcber die ganze Reihe von Komplexen und hiermit zu einer der Einpr\u00e4gung der einzelnen Komplexe f\u00f6rderlichen Wahrnehmung der Beziehungen, die zwischen einzelnen Komplexen bestehen, gelangt. Aufserdem kann man z. B. geltend machen, dafs vielleicht der Einflufs der absoluten Stellen bei den beiden Lernweisen in verschiedenem Mafse ins Gewicht falle, oder dafs vielleicht der sensorische Charakter des Lernens bei beiden Lernweisen etwas verschieden sei u. dgl. m. Indessen haben die Selbstbeobachtungen der Versuchspersonen und die Beobachtungen des Versuchsleiters, sowie auch eine Pr\u00fcfung der Resultate von diesen Gesichtspunkten aus nichts ergeben, was darauf hinwiese, dafs diese soeben angedeuteten Faktoren den Ausfall der Versuche in nennenswertem Grade mit bestimmt h\u00e4tten, so dafs ein weiteres Eingehen hierauf \u00fcberfl\u00fcssig erscheint. Zwei weitere Gesichtspunkte, auf die man noch hinweisen kann, kommen in den n\u00e4chsten beiden Paragraphen zur Sprache.\nAuf Grund der vorstehenden Feststellungen und Er\u00f6rterungen k\u00f6nnen wir folgende Haupts\u00e4tze aufstellen:","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n167\n1.\tDie Herstellung von Assoziationen zwischen den Gliedern eines einzupr\u00e4genden Lernstoffes beginnt wesentlich nur dann, wenn dieser Stoff einen bestimmten Grad der Gel\u00e4ufigkeit besitzt resp. erreicht hat.\n2.\tI\u00dft der zu erlernende Stoff von ungel\u00e4ufiger Art, so wird eine gewisse Anzahl von Wiederholungen darauf verwandt, denselben auf ein bestimmtes Niveau der Gel\u00e4ufigkeit zu bringen. Daraus ergibt sich, dafs unter sonst gleichen Umst\u00e4nden von 2 zu vergleichenden Memoriermethoden im allgemeinen diejenige \u00f6konomischer ist, bei der auf die Herstellung der f\u00fcr die Assoziationsbildung notwendigen Gel\u00e4ufigkeit eine geringere Anzahl von Wiederholungen verwandt wird.1\n3.\tHandelt es sich um einen der Versuchsperson in hohem Mafse gel\u00e4ufigen Stoff, so wird der \u00f6konomische Wert der von uns untersuchten Verfahrensweisen in erster Linie durch Faktoren bestimmt, die bei einem ungel\u00e4ufigen Stoffe eine mehr sekun-\n1 Eine sehr sch\u00f6ne Best\u00e4tigung findet dieser Satz auch in den von Pbhtschbw neuerdings angestellten, bereits erw\u00e4hnten \u201eUntersuchungen zur \u00d6konomie und Technik des Lernens\u201c, die erschienen sind, als vorliegende Abhandlung der Hauptsache nach bereits abgeschlossen war. Die in Frage stehenden Versuche von Pentbchew ergaben, dafs bei erwachsenen Versuchspersonen das Lernen im ganzen (von global einzupr\u00e4gendem Lernstoff) sowohl bei Benutzung von sinnvollem wie auch von sinnlosem Stoff eine geringere Wiederholungszahl erfordert als das Lernen in Teilen. Hingegen zeigte sich bei Kindern das Lernen im ganzen nur dann als vorteilhafter, wenn der zu lernende Stoff ein sinnvoller war; handelte es sich um sinnlose Silbenreihen, so f\u00fchrte das Lernen in Teilen zu besseren Resultaten. Die Erkl\u00e4rung, die Pentbchew f\u00fcr diese Ergebnisse gibt, ist die folgende: \u201eSinnloses Material bietet Kindern viel gr\u00f6fsere Schwierigkeiten als Erwachsenen, weil es ihnen noch an artikulatorischer \u00dcbung fehlt. Sinnlose Silben besitzen f\u00fcr Kinder nicht denselben Grad der Gel\u00e4ufigkeit beim Sprechen wie f\u00fcr Erwachsene. Infolge dieser laut-physiologischen Schwierigkeit erfordert eine G-Reihe von sinnlosen Silben bei Kindern gr\u00f6fsereAnstrengung als eine fraktionierende Reihe\u201c (a. a. 0. S. 622). Das Lernen in Teilen mufste in dem in Rede stehenden speziellen Falle den Vorzug vor dem Lernen im ganzen besitzen, weil beim ersteren Verfahren die f\u00fcr die Herstellung der Assoziationen erforderliche Gel\u00e4ufigkeit eher als beim zweiten erreicht wird.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"108\nP. Ephraim.\ndire Rolle spielen, a. B. durch die Anreizung, welche die Aufmerksamkeit bei der benutzten Vorf\u00e4hrungsweise des Lernstoffes erh\u00e4lt.\n\u00a7 12. Vergleichung beider Verfahrensweisen hinsichtlich der Assoziationen, die dahin wirken, dafs bei Gegebensein des 2. Gliedes eines Paares das L reproduziert wird. Versuchsreihen 20\u201422,\nDie obige Charakterisierung der beiden Lemweisen ist nicht vollst\u00e4ndig. In den bisherigen Versuchsreihen (abgesehen von Versuchsreihe 6\u201410) wurden das G-Verfahren und das ff-Ver-fahren in Beziehung darauf verglichen, inwieweit sie die Bildung der sogenannten intentioneilen Assoziationen beg\u00fcnstigen, d. h. derjenigen Assoziationen, welche sich dahin geltend machen, dafs bei Gegebensein des 1. Gliedes eines Paares das 2. reproduziert werde. Man kann aber noch die Frage aufwerfen, wie sich bei beiden Verfahrensweisen diejenigen hier kurz als die komplement\u00e4ren Assoziationen zu bezeichnenden Assoziationen verhalten, die dahin wirken, dafs bei Gegebensein des 2. Gliedes eines eingepr\u00e4gten Paares das 1. genannt werde. Diese Frage ist, namentlich vom praktischen Standpunkte aus, nicht ohne Wichtigkeit.\nEine leichte \u00dcberlegung zeigt, dafs der Einpr\u00e4gungswert des i?-Verfahrens in seinem Verh\u00e4ltnisse zu dem Einpr\u00e4gungswerte des G-Verfahrens steigen mufs, wenn man anstatt der intentionellen Assoziationen die komplement\u00e4ren pr\u00fcft. Ist z. B. die H\u00e4ufungszahl = 5, so folgt das erste Glied jedes Paares in den ff-Reihen viermal unmittelbar auf das zweite Glied, w\u00e4hrend in den G-Reihen das erste Glied eines Paares \u00fcberhaupt niemals unmittelbar nach dem zweiten gelesen wird, und die komplement\u00e4ren Assoziationen \u00fcberhaupt nur dadurch in gewissem Grade hergestellt werden, dafs durch das Lesen eines Paares neben der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen Assoziation zwischen dem ersten und dem zweiten Gliede des Paares nat\u00fcrlich noch eine schw\u00e4chere r\u00fcckl\u00e4ufige Assoziation zwischen beiden Gliedern geschaffen wird.\nMan kann meinen, dafs eine Best\u00e4tigung der vorstehenden Betrachtung bereits in den Resultaten der Versuchsreihen 6\u201410 gegeben sei, in denen russisch - deutsche Vokabelpaare gelesen","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n169\nwurden und stets nur das an zweiter Stelle gelesene deutsche Wort vorgezeigt wurde.1 In der Tat haben wir gesehen, dafs in diesen Versuchsreihen dafs If-Verfahren bessere Resultate ergeben hat als das ff-Verfahren. Auf Grund dieses Verhaltens l\u00e4fst sich indessen nicht die Frage entscheiden, wie sich das G\u00fcteverh\u00e4ltnis zwischen dem H-Verfahren und dem G-Verfahren \u00e4ndert, wenn man statt der intentioneilen Assoziationen die komplement\u00e4ren pr\u00fcft ; denn die intentionellen Assoziationen sind in diesen Versuchsreihen 6\u201410 gar nicht gepr\u00fcft worden. Dieser Mangel wurde in Versuchsreihe 20\u201422 vermieden.\nIn diesen Versuchsreihen wurden den Versuchspersonen wiederum Reihen nach dem H- und nach dem G-Verfahren vorgef\u00fchrt. Zum Vorzeigen kamen in einer f\u00fcr die Versuchsperson ganz imdurchsichtigen Weise und zuf\u00e4llig abwechselnd in der einen H\u00e4lfte aller F\u00e4lle die ersten, in der anderen H\u00e4lfte die zweiten Glieder. So wurden in Versuchsreihe 20, in welcher an jedem Versuchstage 4 zehnsilbige Reihen erlernt und sonach im ganzen 20 Silben vorgezeigt wurden, stets 10 betonte und 10 unbetonte Silben vorgezeigt. Die Reihenfolge des Vorzeigens der betonten und der unbetonten Silben wurde am Beginn der Versuchsreihe vom Versuchsleiter durch Los bestimmt. Die Versuchsperson war instruiert, dafs ihr in jedem einzelnen Falle so gut eine betonte wie eine unbetonte Silbe vorgezeigt werden k\u00f6nne, und dafs sie stets diejenige Silbe zu reproduzieren habe, welche zu demselben Takte wie die vorgezeigte geh\u00f6re. In den Versuchsreihen 21 und 22, in welchen das Wort- und Zahlenmaterial benutzt wurde, gelangten zum Vorzeigen wiederum in einer durch das Los bestimmten Weise teils die ersten, teils die zweiten Glieder der Paare, d. h. abwechselnd die W\u00f6rter oder die Zahlen. Selbstverst\u00e4ndlich war die Versuchsperson auch hier in der erforderlichen Weise instruiert.\nVersuchsreihe 20. Versuchsperson J. 12 Versuchstage, Die Art der Vorf\u00fchrung der in dieser Versuchsreihe zu lernenden zehnsilbigen Reihen war dieselbe wie in den Versuchsreihen 1\u20145.\n1 Die ans der obigen Betrachtung sich ergebende Bedeutung dieses Vorgehens habe ich damals (am Anf\u00e4nge meiner Untersuchung) noch nicht OberBehen. Selbstverst\u00e4ndlich besitzen jene Versuchsreihen auch so, wie sie angestellt worden sind, noch ihren Wert.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nP. Ephrusai.\nW \u2014 20. R \u2014 18,5 Sek. Das Vorzeigen f\u00fcr alle in einer Sitzung gelesenen 4 Reihen erfolgte 5 Min. nach dem Lesen der letzten (vierten) Reihe. Das Lernen war ein vorwiegend unterst\u00fctztes. Die nachfolgende Tabelle enth\u00e4lt die bei den beiden Arten des Vorzeigens erhaltenen Trefferzahlen.\nBetonte Silben vorgezeigt\tUnbetonte Silben vorgezeigt\nH-Reihen G-Reihen\tH- Reihen G-Reihen\n0,42\t0,32\t0,35\t0,10\n(\u00bb = 120)\nVersuchsreihe 21. Versuchsperson B. 12 Versuchstage. In jeder Sitzung wurden 2 Wort- und Zahlenreihen in derselben Weise wie in den Versuchsreihen 16\u201418 der Versuchsperson vorgef\u00fchrt. W \u2014lb. R = 62 Sek. Das Vorzeigen der W\u00f6rter oder Zahlen fand f\u00fcr beide Reihen 5 Min. nach dem Lesen der 2. Reihe statt.\nW\u00f6rter vorgezeigt ZT-Reihen G-Reihen 0,38\t0,58\nZahlen vorgezeigt ZT-Reihen\tG-Reihen\n0,31\t0,29\n(n == 96)\nVersuchsreihe 22. Versuchsperson M. 8 Versuchstage. Beim Lesen des Stoffes war die Versuchsanordnung dieselbe wie in den Versuchsreihen 11\u201415, mit dem einzigen Unterschiede, dafs beide Glieder des Paares nicht nebeneinander auf einer und derselben Zeile aufgeschrieben waren, sondern analog wie bei den Silbenreihen stand hier das 2. Glied (d. h. die Zahl) unter dem 1. Gliede (dem Worte). W = 6. Das Vorzeigen der W\u00f6rter oder Zahlen fand wiederum f\u00fcr beide Reihen 5 Min. nach dem Lesen der 2. Reihe statt.\nW\u00f6rter vorgezeigt ZT-Reihen G-Reihen 0,36\t0,42\nZahlen vorgezeigt ZT-Reihen\tG-Reihen\n0,39\t0,25\n(n = 64)\nWie man aus den Tabellen sieht, ist beim Vorzeigen der ersten Glieder der Paare, in v\u00f6lliger \u00dcbereinstimmung mit den fr\u00fcheren Ergebnissen, die relative Trefferzahl bei dem if-Verfahren viel h\u00f6her als bei dem G-Verfahren, wenn es sich um","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n171\nsinnlosen Stoff handelt, dagegen geringer, wenn der einzupr\u00e4gende Stoff ein sinnhaltiger ist. Anders steht es dagegen beim Vorzeigen der zweiten Glieder, also bei der Pr\u00fcfung der komplement\u00e4ren Assoziationen. Hier fallen die Resultate allgemein, sowohl bei dem Silbenmaterial als auch beim Wort- und Zahlenmaterial, zugunsten des //-Verfahrens aus. Besonders deutlich tritt dieser Umstand hervor, wenn man die in den beiden Reihenarten beim Vorzeigen der 2. Glieder erhaltenen Trefferzahlen im Verh\u00e4ltnis zu den Treffern, die beim Vorzeigen der 1. Glieder erhalten wurden, betrachtet.\nDas Vorstehende gibt Anlafs, noch folgendes zu bemerken. Angenommen, es handle Bich darum, eine Reihe von Paaren nach dem H-Verfahren mit der H\u00e4ufungszahl 5 zu lesen. Dann wird bei jeder 5 maligen Wiederholung eines und desselben Paares, wie oben hervorgehoben, viermal das 2. Glied des Paares vor dem 1. Gliede gelesen, und diese 4 Aufeinanderfolgen des 2. und des 1. Gliedes des Paares dienen, wie die vorstehenden Resultate zeigen, dazu, die komplement\u00e4re Assoziation in betr\u00e4chtlichem Grade herzustellen. Da aber eine Aufeinanderfolge zweier Glieder neben der dieser Aufeinanderfolge entsprechenden vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen Assoziation zugleich auch noch eine, allerdings bedeutend schw\u00e4chere, r\u00fcckl\u00e4ufige Assoziation schafft, so m\u00fcssen die soeben erw\u00e4hnten 4 Aufeinanderfolgen des 2. und des 1. Gliedes des Paares aufser im Sinne einer Herstellung der komplement\u00e4ren Assoziation auch noch in dem Sinne wirken, dafs eine schw\u00e4chere Assoziation hergestellt werde, welche sich dahin geltend mache, dafs beim Gegebensein des 1. Gliedes des Paares das 2. reproduziert werde, d. h. jene 4 Aufeinanderfolgen m\u00fcssen im Sinne einer Verst\u00e4rkung der intentionellen Assoziation wirksam sein. Hiermit lernen wir ein neues sekund\u00e4res Moment kennen, welches in Beziehung auf die Bildung der intentionellen Assoziationen einen Vorteil des if-Verfahrens ergibt.\n\u00a7 13. Versuche mit Distanzierung der Paare.\nVersuchsreihen 23\u201425.\nPrinzipiell betrachtet kann die vergleichende Untersuchung des ff-Verfahrens und des //-Verfahrens noch in mannigfaltiger Weise ausgedehnt werden, insofern man Zusehen kann, wie sich das G\u00fcteverh\u00e4ltnis beider Verfahrensweisen gestaltet, wenn man","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172.\nP Bphrusai,\ndiesen oder jenen der beim Lesen oder Lernen in Betracht kommenden Umst\u00e4nde, z. B. die Geschwindigkeit des Lesens, die Reihenl\u00e4nge usw., in bestimmter Weise variiert. Von allen diesen m\u00f6glichen Fragen habe ich nur eine, die mir auf Grund theoretischer \u00dcberlegungen von besonderem Interesse erschien, experimentell n\u00e4her verfolgt, n\u00e4mlich die Frage, wie sich das. Verh\u00e4ltnis der \u00f6konomischen Werte jener beiden Lern weisen verhalte, wenn man die einzelnen zu lesenden Paare nicht unmittelbar, sondern distanziert, d. h. durch l\u00e4ngere Intervalle (r\u00e4umlicher und zeitlicher Art) voneinander getrennt, aufeinander folgen l\u00e4fst. Diese Distanzierung der Paare wurde dadurch bewirkt, dafs der f\u00fcr 20 (bzw. f\u00fcr 12) Silben bestimmte, gleich-m\u00e4fsig linderte Papierbogen der Kymographiontrommel nicht wie gew\u00f6hnlich Linie f\u00fcr Linie beschrieben wurde, sondern nach, je einem aufgeschriebenen Paare wurden 2 Zeilen leer gelassen, das 1. Glied des 2. Paares kam also nicht auf die 3. sondern auf die 5. Zeile, usf. Es entstanden sonach zwischen den benachbarten Paaren Intervalle, welche, je nach dem Umfang der benutzten Trommel, 75 mm oder 90 mm lang waren und demnach je nach der Rotationsgeschwindigkeit etwa 2,2 bis 2,8 Sek. dauerten. Bei den G-Reihen kam also nach dem 1. Paare und dem darauf folgenden Intervall das 2. Paar der Reihe, dann wiederum nach einem Intervall das 3. Paar usf., bei den H- Reihen kam nach dem 1. Paare und dem darauf folgenden Intervall wiederum das 1. Paar, hierauf nochmals ein Intervall und das 1. Paar usw.\nIn jeder Sitzung wurden im ganzen 4 Silbenreihen gelesen, darunter eine G- und eine H- Reihe mit Distanzierung der Paare und eine einfache G-Reihe und eine einfache H- Reihe, die zum direkten Vergleich mit den beiden ersteren Reihen dienen sollten und in der fr\u00fcheren\t(S.\t66 ff.)\tWeise der Versuchsperson\tvorgef\u00fchrt wurden. Ich\tbezeichne\tim folgenden den Fall, wo\teine\nG- und eine H-Reihe mit Distanzierung der Paare vorgef\u00fchrt wurden, als die Hauptkonstellation A, dagegen den Fall, wo die Paare jeder G- und H- Reihe in gew\u00f6hnlicher Weise aufeinander folgten, als die Vergleichskonstellation B, ferner die PT-Reihen aus der Konstellation A als die Ha-Reihen, die H-Reihen aus der Konstellation B\tals\tdie .\u00f6),-Reihen und analog dazu\tdie\nanderen Reihen als\tG\u201e-\tund\tG6- Reihen. Das Vorzeigen\tder\nbetonten Silben aus den 4 in einer Sitzung gelesenen Reihen","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n173\nfand in allen 3 Versuchsreihen 23\u201425 5 Min. nach dem Lesen der letzten Reihe statt. Die benutzten Reihen waren in den Versuchsreihen 23 und 24 zehnsilbig, in Versuchsreihe 25 dagegen zw\u00f6lfsilbig. Die H\u00e4ufungszahl war in den 2 ersteren Versuchsreihen = 5, in Versuchsreihe 25 = 3. Die Instruktion der Versuchspersonen war bei der Konstellation A dieselbe wie bei der Konstellation B (vgl. S. 70). Ferner ergibt sich ohne weiteres aus der obigen Beschreibung der Versuchsanordnung, \u2022dafs die Dauer der s\u00e4mtlichen Lesungen einer Reihe bei der A-Konstellation stets das Doppelte betrug wie bei der Konstellation B.\nVersuchsreihe 23. Versuchsperson U. 16 Versuchstage. Infolge der rasch fortschreitenden \u00dcbung wurde W, das anf\u00e4nglich = 20 war, nach 4 Tagen auf 15 verringert; an den l\u00e9tzten 8 Tagen war es sogar nur = 10. R \u2014 20,5 Sek.\n1\t'\tTr\tTr < 2000\tf\tV\nHa - Reihen\t0,76\t4470\t9\t0,4\t0,14\nGa- \u201e\t0,63\t3960\t11\t0,5\t0,26\nHb- \u201e\t0,70\t6150\t10\t0,4\t0,19\nGh- \u201e\t0,45\t5050\t4\t0,10\t0,36\n(\u00bb==80)\nVersuchsreihe 24. Versuchsperson E. 12 Versuchstage. W = 15. R = 18 Sek.\nII I1\tr\t\tTr\tTr <2000\tf\tV\n-Ha-Reihen\t0,58\t7370\t8\ti\t0,13\t0,20\nGa- \u201e\t0,60\t3260\t10\t0,15\t0,18\nSb- \u201e\t0,37\t4110\t8\t0,22\t0,33\nGb- \u201e\t0,28\t4080\t2\t0,12\t0,63\n(w = 60)\nVersuchsreihe 25. Versuchsperson U. 12 Versuchstage. W = 12. R \u2014 12 Sek.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nP. Ephrussi.\n\tr\tTr\tTr < 3000\tf\tV\nHa- Reihen\t0,68\t4810\t16\t0,16\t0,19\nG.-\t\u201e\t0,49\t4680\t10\t0,11\t0,32\n.Hi- \u201e\t0,49\t6730\t10\t0,17\t0,32\n</\u00bb- \u201e\t0,32\t4730\t7\t0,17\t0,46\n(\u00bb = 72)\nEin Blick auf die vorstehenden Resultate zeigt, dafs der Vorteil, den das //-Verfahren vor dem (/-Verfahren besitzt, f\u00fcr die Versuchsperson U. bei der Konstellation A ein deutlich geringerer war als bei der Konstellation B, und dafs bei der Versuchsperson E. das erstere Verfahren zwar bei der Konstellation B gleichfalls vorteilhafter war als das zweite Verfahren, hingegen bei der Konstellation A sich als das weniger vorteilhafte Verfahren erwiesen hat. Die Distanzierung der Paare hat sich also dahin geltend gemacht, den Vorzug des Z7-Verfahrens in negativer Richtung zu \u00e4ndern.\nWas nun die Deutung dieses Verhaltens anbelangt, so mufs vor allem der Gedankengang, der mich auf die Anstellung der 3 letzteren Versuchsreihen f\u00fchrte, hier angegeben werden. Bei der Analyse der falschen F\u00e4lle aus den ersten Versuchsreihen hatte sich gezeigt, dafs die Zahl der reihenrichtigen falschen F\u00e4lle im allgemeinen in den (/-Reihen bedeutend h\u00f6her ist als in den //-Reihen.1 So ist z. B. in Versuchsreihe 2 die Zahl der reihenrichtigen falschen F\u00e4lle bei den G-Reihen im ganzen = 22, bei den H- Reihen dagegen nur = 12. Ebenso sind in Versuchsreihe 4 die entsprechenden Zahlen = 31 und 8. Dieses Verhalten der falschen F\u00e4lle deutet nun darauf hin, dafs das G-Verfahren die Nebenassoziationen st\u00e4rker ausfallen l\u00e4fst als das //-Verfahren.\nAuch bei der Untersuchung von Lottie Steffens \u00fcber das Lernen im ganzen und das Lernen in Teilen hatte sich bekanntlich ergeben, dafs das zweite Verfahren \u201ebei gleicher Lernarbeit die Assoziationen, welche den \u00dcbergang von einem Abschnitte zum n\u00e4chstfolgenden vermitteln, im allgemeinen\n1 Bei der Pr\u00fcfung der falschen Falle kamen namentlich die Versuchsreihen in Betracht, in denen die Gesamtzahl der falschen Falle eine betr\u00e4chtliche war, d. h. die Versuchsreihen, wo sinnloser Stoff auf rein mechanischem Wege eingepr\u00e4gt wurde.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n175\nschw\u00e4cher ausfallen l\u00e4fst\u201c als das Verfahren des Lernens im ganzen (a. a. O. S. 364). Dieser Umstand machte sich dahin geltend, das Lernen in Teilen weniger \u00f6konomisch ausfallen zu lassen als das Lernen im ganzen. Nun handelte es sich bei Steffens um global einzupr\u00e4genden Stoff, w\u00e4hrend es sich bei meinen Versuchen um nur paarweise einzupr\u00e4genden Stoff handelt. Bei letzterem kommt es nur darauf an, dafs die in-tentionelle Assoziation, welche die Glieder eines Paares miteinander verbindet, stets m\u00f6glichst fest ausfalle; alle \u00fcbrigen Assoziationen, die bei der Lesung des Lernmaterials gestiftet werden, kommen nur als hemmende Konkurrenten f\u00fcr die intentioneile Assoziation, sowohl hinsichtlich ihrer Bildung als auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, in Betracht. Sind z. B. A und B, C und D . . . P und Q 8 Paare von Gliedern (z. B. Silben), so sind die Assoziationen, die sich durch mittelbare Folge zwischen A und C, C und E usf. bilden, nicht ohne gewissen Nutzen, wenn diese 16 Glieder in der gegebenen Reihenfolge global einzupr\u00e4gen sind, hingegen nachteilig, wenn es sich darum handelt, diese G\u00fceder nur paarweise einzupr\u00e4gen, z. B. A nur mit B m\u00f6glichst fest zu assoziieren. Im letzteren Falle entspringt aus der zwischen A und C gestifteten Assoziation nur eine Hemmung f\u00fcr die intentioneile Assoziation zwischen A und B. Analoges wie von den zwischen dem 1., 3., 5. usw. Gliede gestifteten Assoziationen gilt auch von den \u00fcbrigen Nebenassoziationen. Nehmen wir also z. B. an, es handle sich um paarweise einzupr\u00e4gendes Silbenmaterial, und zwar sei W = 15 und die H\u00e4ufungszahl bei den H-Reihen = 5. Alsdann wird z. B. die dritte Silbe in einer H-Reihe nur dreimal in der Weise gelesen, dafs sie auf die erste Silbe mit blofser Zwischenschiebung der zweiten Silbe folgt. Hingegen findet eine solche Aufeinanderfolge der ersten und dritten Silbe in den G-Reihen nicht weniger als 15 mal statt. Es ist klar, dafs diese Differenz beider Verfahrensweisen nicht ohne weiteres als belanglos angesehen werden kann, und dafs wir hier vielleicht einen Faktor ber\u00fchren, der als ein zweiter sekund\u00e4rer Faktor betrachtet werden kann, welcher sich zugunsten des iZ-Verfahrens geltend macht. Dafs in der Tat bei den G-Reihen diejenigen Assoziationen, welche die verschiedenen aufeinander folgenden Paare (AB, CD, EF usw.) miteinander verkn\u00fcpfen und einer nur paarweisen Einpr\u00e4gung des Lernmaterials eher sch\u00e4dlich als n\u00fctzlich sind, st\u00e4rker ausfallen als","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nP. Ephrui\u00eai.\nbei den H-Reihen, beweisen auch die Aussagen verschiedener Versuchspersonen; dieselben wiesen darauf hin, dafs sie die Reihenfolge aller Glieder einer G-Reihe nach einer Anzahl von Wiederholungen beherrschten, wo dies bei den if-Reihen noch lange nicht der Fall war.\nWie bereits fr\u00fcher angedeutet, kann auch die r\u00fcckwirkende Hemmung hier eine Rolle spielen. Dieselbe kommt offenbar nicht blols in Betracht, wenn nach Beendigung der Lesungen einer Reihe eine neue Reihe in Angriff genommen wird, sondern auch die Lesung eines Teiles, z. B. eines Paares einer Reihe, \u00fcbt nach dem Prinzip dieser Hemmung einen nachteiligen Einfluis auf die Konsolidierung der Assoziationen der unmittelbar vorher gelesenen anderen Teile (Paare der Reihe) aus. Es ist sehr fraglich, ob dieser Einflufs der r\u00fcckwirkenden Hemmung bei den G-Reihen in gleichem Grade sich geltend macht wie bei den H- Reihen.\nBei der Distanzierung der Paare der G\u201e- und Ha-Reihen von Versuchsreihe 23\u201425 mufsten nun die Hemmungen, welche von den die Bestandteile verschiedener Paare verbindenden Assoziationen ausgehen, und ebenso die r\u00fcckwirkende Hemmung wesentlich schw\u00e4cher ausfallen als bei dem gew\u00f6hnlichen Ver-8uchsmodus, und eine auf dem Verhalten dieser Hemmungen beruhende verschiedene Wirksamkeit des H-Verfahrens und G-Verfahrens sich mehr oder weniger ausgeglichen zeigen.\nWie oben bereits festgestellt wurde, hat die Distanzierung der Paare in der Tat zu einer deutlichen Verwischung der Differenzen der beiden Lernweisen gef\u00fchrt. Und hiermit scheinen die obigen \u00dcberlegungen betreffs der Mitwirkung der erw\u00e4hnten Hemmungen eine bemerkenswerte Best\u00e4tigung gefunden zu haben. Als ganz sichergestellt kann indessen diese Best\u00e4tigung nicht gelten, weil prinzipiell betrachtet dem Bedenken Raum bleibt, dafs bei der Konstellation A die Versuchspersonen in den Pausen, welche die einzelnen aufgeschriebenen Paare voneinander trennten, gelegentlich das soeben gelesene Paar innerlich wiederholt h\u00e4tten, und zwar diese innerlichen Wiederholungen bei den G-Reihen h\u00e4ufiger oder in einer wirksameren Weise stattgefunden h\u00e4tten als bei den H- Reihen. Allerdings war den Versuchspersonen in diesen Versuchsreihen, ebenso wie auch sonst, ein solches innerliches Wiederholen des Gelesenen streng untersagt, auch liefs die \u00e4ufserliche Beobachtung der Versuchs-","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n177\npersonen in jenen Pansen nichts (z. B. keinerlei Lippenbewegungen) erkennen, was auf ein leises Sprechen hindeutete, \u00abo dafs wir es hier nur mit einem aus prinzipieller \u00dcberlegung entsprungenem Bedenken zu tun haben.\nHinsichtlich obiger Versuchsreihen 23\u201425 m\u00f6ge hier noch auf einen Punkt aufmerksam gemacht werden. Wie bereits erw\u00e4hnt, haben die Lesungen einer Reihe bei der Konstellation A stets doppelt so viel Zeit in Anspruch genommen wie bei der Konstellation B. Dabei ist aber bei der ersteren Konstellation {sowohl den Trefferzahlen als auch den Trefferzeiten nach) allgemein eine h\u00f6here Assoziationsfestigkeit erzielt worden als bei der Konstellation B. Wie in der Einleitung (S. 62 f.) bereits n\u00e4her bemerkt worden ist, war dieses Verhalten der Anlafs daf\u00fcr, dafs ich noch in eine Untersuchung des Einflusses der Lesegeschwindigkeit auf das Lernen eintrat.\n\u00a7 14. Einige Bemerkungen \u00fcber die bei den Versuchen benutzten Lernstoffe.\nDa die bei meinen Versuchen zum ersten Male benutzten Lernstoffe, n\u00e4mlich die Vokabelreihen (die russisch-deutschen Vokabeln) und die Wort- und Zahlenreihen, sich im ganzen als sehr brauchbar erwiesen haben, so mufs ich die Vorz\u00fcge dieser Arten von Lemmaterial besonders hervorheben und ihre weitere Benutzung empfehlen. Wie bekannt, hat das Material sinnloser Silben, insbesondere die normalen Reihen von M\u00fclleb und Schumann, die zwei grofsen und nicht genug zu sch\u00e4tzenden Vorz\u00fcge der Reichhaltigkeit und gr\u00f6fseren Gleichm\u00e4fsigkeit. Demgegen\u00fcber hat das sinnhaltige, wie namentlich das sinnschaffende Material den Vorzug, dafs es die Leistungsf\u00e4higkeit \u25a0der Versuchspersonen in der Regel sehr erh\u00f6ht. So ergab z. B. Versuchsperson K. nach einer langen Reihe von Vorversuchen in Versuchsreihe 2, wo sinnlose Silben erlernt wurden, bei den G-Reihen im ganzen 30\u00b0/0 Treffer. Dabei bestand jede Reih\u00ab aus nur 10 Silben, W war = 20, und das Vorzeigen fand 5 Min. nach dem Lesen statt. Dagegen hat dieselbe Versuchsperson bei den Versuchen mit einsilbigen Vokabelpaaren, denen fast keine Vorversuche vorangingen, bei den G-Reihen 44\u00b0/0 Treffer ergeben; hierbei bestanden die Reihen aus 12 Paaren, W war nur = 9, und das Vorzeigen geschah erst 24 Stunden nach dem Lesen. Manche Fragen, bei denen an die Leistungs-\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie S7.\t12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nP. Ephrussi.\nf\u00e4higkeit der Versuchsperson gr\u00f6fsere Anspr\u00fcche gestellt werden, z. B. die auf der Tagesordnung der Ged\u00e4chtnisforschung stehenden Fragen \u00fcber das Behalten f\u00fcr l\u00e4ngere Zeitr\u00e4ume, werden sich am leichtesten mittelst des sinnschaffenden Stoffes untersuchen lassen. Es ist durchaus nicht jedermanns Sache, bei der Einpr\u00e4gung von Silbenreihen noch nach 24 Stunden (geschweige denn nach 48 und mehr Stunden) eine gen\u00fcgende Trefferzahl zu ergeben. Dagegen werden bei der Erlernung von Vokabeln auch Individuen mit einem Durchschnittsged\u00e4chtnisse dieser Forderung nachkommen k\u00f6nnen.\nDie Erh\u00f6hung der Leistungsf\u00e4higkeit beruht zum Teil auch darauf, dafs die Versuchspersonen dem sinnhaltigen, besonders aber dem sinnschaffenden Stoffe ein viel gr\u00f6fseres Interesse entgegenbringen als den sinnlosen Silben. Dieses durch den Stoff selbst erweckte nat\u00fcrliche Interesse ist aufserdem noch insofern ein Faktor, welcher der Untersuchung im allgemeinen sehr f\u00f6rderlich ist, als es dem Versuchsleiter die Aufgabe erleichtert, eine gen\u00fcgende Anzahl von Versuchspersonen bei den Versuchen festzuhalten. Auch ist das Lernenlassen eines sinnhaltigen oder sinnschaffenden Stoffes insofern vorteilhafter, als man dabei nur wenig Vorversuche braucht. Hier sind Vorversuche im allgemeinen nur dazu n\u00f6tig, die Versuchspersonen an die Versuchsanordnung, Umgebung usw. zu gew\u00f6hnen, und nicht, wie es bei den Silben der Fall ist, zugleich auch dazu, um ihnen erst die n\u00f6tige Vertrautheit mit dem Lernmaterial zu geben.\nAuch der Einflufs der \u00dcbung macht sich bei jenen beiden Stoffarten viel weniger geltend als bei dem Silbenmaterial. Endlich sei noch erw\u00e4hnt, dafs unter Umst\u00e4nden, z. B. bei Untersuchungen \u00fcber individuelle Differenzen, gerade die gr\u00f6fsere Kompliziertheit des sinnhaltigen und des sinnschaffenden Stoffes, welche demselben, gem\u00e4fs der verschiedenen Bedeutung der W\u00f6rter, der verschiedenen Lebhaftigkeit der mit ihnen verkn\u00fcpften Reproduktionen usw., eignet, auch als ein Vorzug dieser Lernstoffe angesehen werden kann.\nFreilich war das von mir benutzte Vokabelmaterial, so wie auch das Wort- und Zahlenmaterial, etwas knapp. F\u00fcr den Fall, dafs es sich um l\u00e4ngere Versuchsreihen handelt, k\u00f6nnte man indessen auch diesem Mifs-stande gegen\u00fcber mehr oder weniger Abhilfe schaffen. So k\u00f6nnte mau bei den Wort- und Zahlenreihen die fr\u00fcher erw\u00e4hnten Beschr\u00e4nkungen fallen lassen und alle vorhandenen dreistelligen Zahlen ohne Ausnahme benutzen. Nach dem Aufbrauch dieses Vorrates k\u00f6nnte man dieselben","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n179\nZahlen mit anderen W\u00f6rtern verkn\u00fcpfen. Bei dem Vokabelmaterial, das nat\u00fcrlich hinsichtlich der fremden Sprache, welcher die einen Vokabeln entnommen werden, die mannigfaltigsten Variationen zul\u00fcfst, k\u00f6nnte man die einzelnen Beihen nicht blofs aus einsilbigen oder aus zweisilbigen W\u00f6rtern zusammenstellen, wie ich bei meinen Versuchen tat, sondern (wie es neuerdings im hiesigen Institut versucht worden ist) W\u00f6rter mit verschiedenen Silbenzahlen benutzen. Die hierbei entstehende gr\u00f6fsere Un-gleichm\u00e4fsigkeit des Materials lftfst sich im wesentlichen dadurch unsch\u00e4dlich machen, dafs man die verschiedenen Kombinationen, die hinsichtlich der Silbenzahlen der zu einem Paare miteinander zu verkn\u00fcpfenden W\u00f6rter m\u00f6glich sind, auf die verschiedenen miteinander zu vergleichenden Konstellationen in gleichm&fsiger Weise verteilt.\nIm Hinblick auf die Ergebnisse meiner Versuche glaube ich mich nicht weiter dar\u00fcber auslassen zu m\u00fcssen, wie f\u00f6rderlich es f\u00fcr die Entscheidung mancher Probleme des Ged\u00e4chtnisses ist, wenn man dabei mit mehreren Lernstoffen operiert. W\u00e4hrend bei Anwendung der Erlernungsmethode die Versuche mit dem sinnlosen Stoffe durch Versuche mit sinnvollem Stoffe am besten zu vervollst\u00e4ndigen sind, bietet sich bei Anwendung des Treffer-verfahren\u00df der sinnschaffende sowie der sinnhaltige Stoff als eine sehr zweckm\u00e4fsige Erg\u00e4nzung der normalen Silbenreihen dar.\n\u00a7 15. Die L\u00e4nge der Trefferzeiten einerseits bei den mechanischen und andererseits bei den unterst\u00fctzten Assoziationen.\nIn verschiedenen Versuchsreihen hatten die Versuchspersonen die spezielle Instruktion erhalten, nach den Reaktionen am Lippenschl\u00fcssel stets die F\u00e4lle besonders zu Protokoll zu geben, wo irgend eine Hilfe das Einpr\u00e4gen des vorgezeigten Paares unterst\u00fctzt hatte. Dabei stellte sich, wie bereits erw\u00e4hnt, heraus, dafs auch bei Versuchspersonen vom ausgepr\u00e4gt ingeni\u00f6sen Typus das Einpr\u00e4gen mancher Paare auf rein mechanischem Wege vor sich ging. Selbstverst\u00e4ndlich sind die in den bisherigen Zusammenstellungen der Resultate angegebenen durchschnittlichen Trefferzeiten \u00fcberall aus s\u00e4mtlichen in der betreffenden Versuchsreihe und bei dem betreffenden Lemverfahren erhaltenen Trefferzeiten abgeleitet worden, ungeachtet dessen, ob das Einpr\u00e4gen in den einzelnen F\u00e4llen ein rein mechanisches oder ein unterst\u00fctztes war. Wir wollen jetzt diejenigen F\u00e4lle, wo die Paare rein mechanisch erlernt wurden, von denjenigen sondern,\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nP. Ephruui\nwo das Einpr\u00e4gen durch Hilfen unterst\u00fctzt war.1 Wir erhalten so in den betreffenden Reihen statt einer durchschnittlichen Trefferzeit \u00fcberall zwei, n\u00e4mlich einerseits eine f\u00fcr die, kurz ausgedr\u00fcckt, mechanischen Assoziationen und eine andere f\u00fcr die unterst\u00fctzten Assoziationen. Es erscheint nun nicht ohne Interesse, diese Trefferzeiten miteinander zu vergleichen, und zwar soll diese Vergleichung sowohl bei mehreren Versuchspersonen, bei denen das unterst\u00fctzte Lernen \u00fcberhaupt ins Gewicht fiel, als auch bei den verschiedenen Lernstoffen durchgef\u00fchrt werden. Nat\u00fcrlich konnten jene beiden mittleren Trefferzeiten im allgemeinen nur aus einer beschr\u00e4nkten und ungleichen Anzahl von Beobachtungswerten abgeleitet werden.2 Um die aus den nicht ausgeglichenen Zuf\u00e4lligkeiten entspringenden Abweichungen und Schwankungen der Durchschnittswerte einiger-mafsen unsch\u00e4dlich zu machen, ist in der nachstehenden Tabelle neben der durchschnittlichen Trefferzeit jedesmal noch die k\u00fcrzeste Trefferzeit angegeben, die einerseits bei dem mechanischen und andererseits bei dem unterst\u00fctzten Lernen erhalten worden ist.* * (Siehe die Tabelle auf S. 181.)\nWie die Tabelle zeigt, haben die unterst\u00fctzten Assoziationen in der grofsen Mehrzahl der F\u00e4lle k\u00fcrzere Trefferzeiten ergeben als die mechanischen Assoziationen, und zwar gilt dies sowohl dann, wenn man nur die Durchschnittswerte betrachtet, als auch dann, wenn man die kleinsten Zeiten ins Auge fafst. Die Abweichungen, welche in einigen F\u00e4llen zugunsten der mechanischen Assoziationen sich zeigen, sind wohl auf nicht ausgeglichene Zuf\u00e4lligkeiten zur\u00fcckzuf\u00fchren. Es haben also unsere Resultate ergeben, dafs die unterst\u00fctzten Assoziationen im allgemeinen zu einer gr\u00f6fseren Reproduktionsgeschwindigkeit f\u00fchren als die mechanischen Assoziationen.\n1 Von einer Scheidung der letzteren F\u00e4lle in besondere Gruppen je nach der Art der benutzten Hilfe mufste hierbei abgesehen werden, da die Zahlen der den einzelnen Mittelwerten zugrunde liegenden Beobachtungen zu gering ausgefallen w\u00e4ren.\n*\tAlle zweifelhaften F\u00e4lle, in denen es sich aus dem Protokoll nicht sicher feststellen liefs, ob das Einpr\u00e4gen dabei ein mechanisches oder ein unterst\u00fctztes war, wurden bei diesen Zusammenstellungen nicht in Betracht gezogen.\n*\tDas Verfahren der Z\u00e4hlung der kleinen Trefferzeiten oder gar die Angabe der Zentralwerte war wegen der zu geringen Anzahl der Mlle hier nicht angebracht.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n181\nVor- ; '1 Buchs- | | reihe 1 i !\t\tMittlere Trefferzeit i\t\tK\u00fcrzeste Trefferzeit\t\n\tVer- fahren\tbei mechanischen Assoziationen\tbei unterst\u00fctzten Assozia- ! tionen\tbei mechanischen Assoziationen\tbei unterst\u00fctzten Assoziationen\n; 5\t/ G :\t3680\t4130\t2280\t1200\n0\ti\t\\ H\t6400\t3700\t2450\t1040\n\t( Ga\t4470\t4520\t2460\t1790\n:\t9*\t) Sa i\t9980\t3190\t2610\t1460\n\t1 Gb\t5760\t3790\t1150\t1400\n\ty Hb\t7960\t3470\t2140\t1450\n|! 20\tl G |\t4630\t3220\t1670\t1300\n\t\\ H\t6040\t3620\t1480\t1410\n\ti L\t3860\t2310\t940\t770\n!\t351\tj M\t2740\t2530\t1050\t710\n\t's\t3980\t2660\t960\t690\n\t( G\t9010\t4090\t960\t910\n9\tJET,\t8750\t2810\t920\t1000\n\tl H<\t5390\t7470\t1030\t1030\n\tt G\t6430\t2420\t1930\t1400\n'' 10\tB,\t5470\t3280\t2190\t1470\n\t1 Bt\t3910\t3290\t1480\t1500\n,1\tIR\t1 G\t5040\t2800\t510\t1090\nl| 3\t\\ H\t3900\t2010\t740\t710\nH 11\t{ G\t3060\t2820\t860\t780\n\tV H\t4250\t3020\t670\t770\n11\t/ G\t4980\t6380\t1720\t1300\n\t1 \\H\t3990\t5460\t2140\t2100\n1 ! I\u00df\t! ( G\t4980\t4510\t1630\t1090\n\ti 1 H\t4920\t4100\t1590\t940\nLern-\nstoff\nsinn-\nloser\nder\nsinn-\nhaltiger\nDieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick gewissen Beobachtungen zu widersprechen, welche Binet in seiner \u201ePsychologie des grands calculateurs et joueurs d\u2019\u00e9checs\u201c (Paris 1894) mitteilt. Er bestimmte n\u00e4mlich bei Versuchen mit Ziffemreihen\ndie Lernzeiten, so wie namentlich auch die Hersagezeiten bei drei verschiedenen Versuchspersonen. Diese Versuchspersonen waren der Mnemotechniker Abnould und die bekannten Zahlenk\u00fcnstler Inaudi und Diamandi. Nun zeigte sich, dafs Abnould, der auf Grund seiner mnemotechnischen Hilfen bei l\u00e4ngeren Ziffemreihen stets k\u00fcrzere Lernzeiten erzielte als Diamandi, betr\u00e4chtlich l\u00e4ngere Reproduktionszeiten ergab als der letztere\nVgl. Kap. VI.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nP. Ephrusri.\nund als Inaudt, die sich beim Lernen auf keine besonderen Kunstgriffe zu st\u00fctzen pflegten. Binet erkl\u00e4rt dieses Verhalten daraus, dafs Abnould, der seiner mnemotechnischen Methode gem\u00e4fs beim Einpr\u00e4gen von Zahlen dieselben durch gewisse W\u00f6rter oder S\u00e4tze ersetzt, beim Hersagen die bereits fest eingepr\u00e4gten Wortfolgen in die entsprechenden Zahlen oder Zahlenkomplexe zur\u00fcck\u00fcbersetzen mufs : \u201eSa lenteur de r\u00e9p\u00e9tition nous para\u00eet \u00eatre le signe ext\u00e9rieur et palpable de la traduction qu'il est oblig\u00e9 de faire pour remplacer par des chiffres les phrases mn\u00e9motechniques.\u201c1 Da eine derartige \u00dcbersetzung bei Diamandi und bei Ina\u00fcdi nicht vorkam, so begreift sich imschwer, dafs sie das Eingepr\u00e4gte schneller herzusagen vermochten. Man k\u00f6nnte nun meinen, dafs, ebenso wie das auf mnemotechnische Hilfen sich st\u00fctzende Hersagen von Abnould die l\u00e4ngeren Hersagezeiten ergeben habe, auch bei meinen Versuchen die durch assoziative Hilfen2 unterst\u00fctzten Reproduktionen l\u00e4ngere Trefferzeiten h\u00e4tten liefern m\u00fcssen als die rein mechanischen Reproduktionen. Allein es besteht zwischen dem mnemotechnischen Lernen von Abnould und dem unterst\u00fctzten Lernen meiner Versuchspersonen der folgende sehr wesentliche Unterschied. W\u00e4hrend beim ersteren die Hilfen (W\u00f6rter, S\u00e4tze) sich an Stelle der einzupr\u00e4genden Glieder (Ziffern) | substituieren, verhalten sich beim unterst\u00fctzten Lernen meiner Versuchspersonen die Hilfen wesentlich anders: sie ersetzen nicht die mechanischen Assoziationen zwischen den in Verbindung miteinander einzupr\u00e4genden Gliedern, sondern f\u00fcgen sich denselben als die Verbindung der Glieder verst\u00e4rkende Momente hinzu. Mag also die Hilfe vor der Reproduktion des zu nennenden Gliedes zum Bewufstsein gelangen, oder mag dieselbe, wie nach den \u00fcbereinstimmenden Aussagen der Versuchspersonen sehr h\u00e4ufig der Fall ist, erst nach der Nennung jenes Gliedes der Versuchsperson zur Erinnerung kommen, eine Verl\u00e4ngerung der Reaktionszeit kann aus der Mitwirkung derselben im allgemeinen nicht entspringen.\n1 A. a. O. S. 186.\n8 Dafs nur die assoziativen Hilfen, nicht aber die Aufmerksamkeitsh\u00fcten sich in Parallele mit den mnemotechnischen Hilfen bringen lassen, ist leicht zu verstehen ; denn nur die assoziativen Hilfen enthalten, \u00e4hnlich wie die mnemotechnischen Hilfen, eine n\u00e4here Verkn\u00fcpfung der aufeinanderfolgenden Glieder, w\u00e4hrend bei den Aufmerksamkeitshilfen blofs die einzelnen Glieder f\u00fcr sich besser eingepr\u00e4gt werden.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n183\nZweiter Teil.\nDer Einflufs der Lesegeschwindigkeit auf das Einpr\u00e4gen.\nKapitel V.\nVersuche nach dem Treffer- und nach dem Erlernung\u00bbverfahren.\n\u00a7 16. Versuche nach dem Trefferverfahren.\nVersuchsreihen 26\u201428.\nDie Frage, welchen Einflufs die Geschwindigkeit des Lesens auf das Einpr\u00e4gen aus\u00fcbt, erhebt sich sowohl in Beziehung auf den Fall, dafs es sich um einen global einzupr\u00e4genden Stoff handelt, als auch in Beziehung auf den Fall, dafs ein nur paarweise einzupr\u00e4gender Stoff gegeben ist. Wir wenden uns zun\u00e4chst zu den Versuchsreihen 26\u201428, in denen der Einflufs der Lesegeschwindigkeit bei Lernstoffen der zweiten Art mittels des Treffer- und Zeitverfahrens festgestellt werden sollte. Als Lernstoff dienten in den zwei ersten Versuchsreihen zehnsilbige normale Reihen, in der Versuchsreihe 28 die bei meinen fr\u00fcheren Versuchen benutzten Wort- und Zahlenreihen. Die Variierung der Geschwindigkeit der Vorf\u00fchrung des Lernstoffes und mithin der Lesegeschwindigkeit geschah dadurch, dafs das treibende Gewicht des Kymographions und die Einstellung der Friktionsscheibe am letzteren ge\u00e4ndert wurde. Da es sich um die Erlangung eines allgemeinen \u00dcberblickes \u00fcber den Einflufs der Lesegeschwindigkeit handelte, so habe ich mich darauf beschr\u00e4nkt, nur eine geringe Anzahl der Tempi des Lesens zu benutzen. Das schnellste Tempo wurde bei jeder Versuchsperson so gew\u00e4hlt, dafs dieselbe den ihr vorgef\u00fchrten Lernstoff gerade noch laut ablesen konnte, ohne sich zu verlesen oder zu versprechen. Da die Versuchspersonen im Ablesen von der Kymographiontrommel verschieden ge\u00fcbt waren und zum Teil von Haus aus ein verschiedenes psychisches Tempo besafsen, so fiel die gew\u00e4hlte gr\u00f6fste Rotationsgeschwindigkeit bei verschiedenen Versuchspersonen verschieden aus. So konnte bei der vielfach benutzten Versuchsperson M. die Rotationsdauer B \u2014 7,6 Sek. genommen werden, w\u00e4hrend bei der Versuchsperson Z., die zum ersten Male an derartigen Versuchen teilnahm, B nicht unter 8,4 Sek. genommen werden konnte, wenn man eine st\u00f6rende Aufregung und Unruhe derselben","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nP. Ephrusd.\nvermeiden wollte. Im allgemeinen dauerte bei der geringsten Geschwindigkeit eine Rotation etwa doppelt so lange als bei der gr\u00f6lsten, und zwar wurde diese geringste Geschwindigkeit auch von den Versuchspersonen als \u201elangsam\u201c oder \u201esehr langsam\u201c empfunden und bezeichnet. Zwischen diesen beiden Grenzen befanden sich eventuell die gepr\u00fcften mittleren Geschwindigkeiten.\nDie r\u00e4umlichen Abst\u00e4nde zwischen den aufeinanderfolgenden Gliedern einer Reihe blieben bei den verschiedenen Rotationsgeschwindigkeiten in diesen sowie in den nachfolgenden Versuchsreihen, bei denen das Kymographion benutzt wurde, stets dieselben. Es betrug der Abstand zwicben den beiden Linien, auf denen zwei aufeinanderfolgende Glieder geschrieben waren, bei den Silbenreihen sowie bei den Wort- und Zahlenreihen 3 cm. Beim ersteren Lernstoff wurde die Trommel vom Umfange 35,7 cm benutzt, beim zweiten die vom Umfange 53,5 cm. Das zeitliche Intervall zwischen dem Erscheinen zweier anfeinanderfolgenden Linien betrug sonach bei den Silbenreihen bei der Rotationszeit 16 Sek., 8 Sek. und 7,6 Sek. bzw. 1,344, 0,672, 0,639 Sek., bei den Wort- und Zahlenreihen bei der Rotationsgeschwindigkeit 26,6 Sek. und 13,3 Sek. bzw. 1,49 und 0,746 Sek. Das leere Intervall zwischen dem letzten und dem ersten Gliede einer Reihe war bei den Silben = 8,5 cm, bei den Wort- und Zahlenreihen = 9 cm. Da diese r\u00e4umlichen Intervalle bei den verschiedenen miteinander zu vergleichenden Rotationa-geschwindigkeiten stets dieselben blieben, so erhielt die zeitliche Pause zwischen den einzelnen Lesungen einer Reihe mit der Verringerung der Rotationsgeschwindigkeit eine dementsprechende Verl\u00e4ngerung.\nBetreffs der Pausen zwischen den einzelnen Lesungen einer Reihe ist eine zweifache Fragestellung m\u00f6glich. Man kann erstens, wie ich es bei meinen Versuchen tat, das r\u00e4umliche Intervall zwischen dem Endglieds und dem Anfangsgliede der Reihe bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten konstant sein lassen; dabei wird von der Gesamtzeit, die auf die eigentlichen Lesungen und die Pausen entf\u00e4llt, bei den verschiedenen Geschwindigkeiten ein gleicher Bruchteil von den Pausen beansprucht Andererseits kann man auch mit einer zeitlichen Konstanz der Intervalle operieren, indem man die r\u00e4umlichen Abst\u00e4nde zwischen den End-und Anfangsgliedern der Reihen so nimmt, dafs nach jeder Lesung einer Reihe bei den verschiedenen Geschwindigkeiten eine gleich lange zeitliche Pause stattfindet; in diesem Falle w\u00fcrde aber bei den greiseren Geschwindigkeiten ein gr\u00f6fserer Bruchteil der Gesamtzeit auf die Pausen","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n185\nentfallen als bei den geringeren, und es ist nicht vorauszusehen, wie dieser Faktor die Resultate beeinflufst. Infolge dieses Umstandes schien mir die Fragestellung n\u00e4her zu liegen, wie sich die verschiedenen Lesegeschwindigkeiten hinsichtlich ihres \u00f6konomischen Wertes verhalten, wenn bei gleicher Gesamtzeit des Lesens bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten ein und derselbe Bruchteil der Gesamtzeit auf die Pause zwischen den einzelnen Lesungen entf\u00e4llt; bei meinen Versuchen wurde demnach, wie angegeben, die durch diese Fragestellung gegebene Anordnung der r\u00e4nmlichen Konstanz der Intervalle durchgef\u00fchrt. Eine gewisse Berechtigung hat aber auch die zweite Fragestellung. Bei den \u201eUntersuchungen Aber den Einflufs der Geschwindigkeit des lauten Lesens auf das Erlernen und Behalten von sinnlosen und sinnvollen Stoffen\u201c hat Ooden sowohl das von mir benutzte Verfahren der r\u00e4umlichen Konstanz der leeren Intervalle als auch das Verfahren der zeitlichen Konstanz der Pause durchprobiert.\nDie Gesamtzeit, welche die Lesungen in Anspruch nahmen, war bei allen Rotationsgeschwindigkeiten stets dieselbe, so dais die Anzahl der Lesungen, welche eine Reihe erfuhr, sich umgekehrt verhielt wie die Zeitdauer einer einzigen Lesung, oder anders ausgedr\u00fcckt, zwischen Lesegeschwindigkeit und Zahl der Lesungen der Reihe volle Proportionalit\u00e4t bestand. Die Versuchsperson wurde vor jeder Sitzung von neuem daran erinnert, dafs sie sich bei den mit verschiedenen Geschwindigkeiten zu lesenden Reihen m\u00f6glichst gleichm\u00e4fsig zu verhalten habe, im \u00fcbrigen war die den Versuchspersonen erteilte Instruktion dieselbe, wie bei M\u00fcller und Pilzecker (a. a. O. S. 8 ff.). Das Lernen war in allen drei Versuchsreihen ein wesentlich mechanisches. Das Vorzeigen aller ersten Glieder der Paare fand in allen drei Versuchsreihen in jeder Sitzung 5 Min. nach dem Lesen der letzten Reihe statt. In diesen wie in allen nachfolgenden Versuchsreihen fand selbstverst\u00e4ndlich hinsichtlich der Zeitlage des Lesens sowie des Vorzeigens ein regelm\u00e4fsiger Wechsel statt. Ich werde im folgenden diejenigen Reihen, welche bei der grofsen Geschwindigkeit gelesen wurden, kurz als die S-Reihen (schnellen Reihen) und diejenigen, welche bei der geringen Rotationsgeschwindigkeit vorgef\u00fchrt wurden, als die L- Reihen (langsamen Reihen) bezeichnen. Wurde noch eine mittlere Rotationsgeschwindigkeit benutzt, so sollen die bei derselben gelesenen Reihen kurz die M- Reihen heifsen. Wurden 2 mittlere Geschwindigkeiten angewandt, so nenne ich die Reihen, welche bei der der schnellsten Geschwindigkeit n\u00e4her stehenden mittleren Geschwindigkeit gelesen wurden, die M- Reihen, dagegen die bei der geringeren mittleren Geschwindigkeit gelesenen Reihen","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nP. Ephrumi.\ndie M\" - Reihen. Der K\u00fcrze halber werde ich im folgenden das Trefferverfahren einfach als das T-Verfahren, das Erlernungsverfahren als das i?-Verfahren bezeichnen.\nVersuchsreihe 26. Versuchsperson Z. 16 Versuchstage.\nIn jeder Sitzung wurden 4 Reihen gelesen und 2 Geschwindigkeiten benutzt, so dafs auf jede Geschwindigkeit 2 Reihen entfielen. Bei den S-Reihen war R \u2014 8,4 Sek., bei den L-Reihen \u2014 14 Sek. W war bei den S- Reihen \u2014 20, bei den L - Reihen = 12. Die Gesamtzeit, welche die Lesungen einer Reihe in Anspruch nahmen, betrug also stets 2 Min. 48 Sek. Nach dem Lesen jeder Reihe fand eine 2 Min. lange Pause statt.\ni\tr\tTr\tTr < 2000\tf\t\nL- Reihen\t0,36\t3920\t20 j\t0,8\t0,53\ns- \u201e i\t0,24\t4780 (\u00bb =\t8 ll 160)\t0,11\t0,62\nVersuchsreihe 27. Versuchsperson M. 24 Versuchstage. Auch hier wurden in jeder Sitzung 4 Reihen gelesen. Im ganzen wurden 4 Geschwindigkeiten untersucht. Am ersten, dritten, f\u00fcnften usw. Tage wurden 2 Af - Reihen bei R \u2014 9,5 Sek. und 2 L-Reihen bei R = 19 Sek. gelesen, am zweiten, vierten sechsten usw. Tage 2 S-Reihen bei R \u2014 7,6 Sek. und 2 M'-Reihen bei R = 12,7 Sek. W war bei den L- Reihen = 8, den AT'-Reihen = 12, den AT-Reihen = 16 und bei den S- Reihen = 20.1\nl! r\t\tTr\tTr <6000\t! f\tV\nL- Reihen\t0,38\t7430\t10\t0,16\t0,44\nM\"- \u201e\t0,40\t6650\t19\t0,14\t0,43\nM \u201e\t0,42\t7290\t12\t0,14\t0,42\n8- \u201e\t0,25\t8390\t3\t0,17\t0,53\n(\u00bb = 120)\n1 Die Lesungen einer M '-Reihe beanspruchten also (bei R = 12,7 Sek. und W = 12) eine Zeit von 152,4 Sek., w\u00e4hrend die Lesungen einer bei einer anderen Geschwindigkeit gelesenen Reihe immer 152 Sek. dauerten. Es w\u00e4re eine \u00fcbertriebene Genauigkeit, wenn wir solche geringe Abweichungen bei dieser oder bei den sp\u00e4teren Versuchsreihen irgendwie ber\u00fccksichtigen wollten.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n187\nVersuchsreihe 28. Versuchsperson W. 12 Versuchstage. In jeder Sitzung wurden 2 achtpaarige Wort- und Zahlenreihen gelesen.1 Bei den S-Reihen war R = 13,3 Sek. und W = 18, bei den L- Reihen R \u2014 26,6 Sek. und W = 9. Zum Vorzeigen gelangten stets nur die W\u00f6rter aus den betreffenden Reihen.\nI1 ! r\t\tTr\tTr < 1500\tf\tV\nA-Reihen 1\t0,46\t4750\t6\t0.21\t0,25\n8- \u201e\t0,36\t3760\t2\t0,25\t0,32\n(\u00bb = 96)\nDie Resultate aller drei Versuchsreihen zeigen in \u00dcbereinstimmung miteinander, dafs die Leistungen der Versuchspersonen betr\u00e4chtlich besser bei dem langsamen Tempo der L- Reihen als bei dem rascheren Tempo der S- Reihen ausfallen. Sowohl die Trefferzahlen als auch die durchschnittlichen Trefferzeiteu und die Zahlen der kleinsten Trefferzeiten weisen darauf hin, dafs die langsamere Geschwindigkeit des Lesens zu einer gr\u00f6fseren Assoziationsfestigkeit gef\u00fchrt hat. Ferner ergaben auch die mittleren Geschwindigkeiten der M'- und der M\"- Reihen in der Versuchsreihe 27 bessere Resultate als die gr\u00f6fste Geschwindigkeit der S-Reihen. Die mittleren Geschwindigkeiten zeigen sich auch im Vergleich zum langsamsten Tempo etwas g\u00fcnstiger, doch sind die Differenzen hier, sowie auch bei Vergleichung der Resultate der M'- Reihen mit denjenigen der M\"-Reihen nur gering. Man erh\u00e4lt ein mit diesen Ergebnissen wesentlich \u00fcbereinstimmendes Bild, wenn man die Resultate der Versuchsreihen 26 und 27 fraktioniert. So fallen z. B. die in je 4 Tagen erhaltenen Treffer fast durchweg bei den L -, M'- und M\"- Reihen h\u00f6her als bei den S-Reihen aus. Ebenso klar fallen die Ergebnisse bei Anwendung des Verfahrens der Vergleichung der Resultate gleicher Versuchstage aus. Die S-Reihen ergaben z. B. in Versuchsreihe 27 an 11 Versuchstagen weniger Treffer und blofs an 3 Versuchstagen mehr Treffer als die L-Reihen; an den 2 \u00fcbrigen Tagen war die Trefferzahl bei beiden Lesegeschwindigkeiten gleich.\n1 Die beiden Glieder eines Paares standen selbstverst\u00e4ndlich nicht nebeneinander, sondern untereinander.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nP. Ephrmti\nDie obigen Versuchsergebnisse, die wir weiterhin noch reichlich best\u00e4tigt finden werden (vgl. Versuchsreihe 33, 34, 35, 36 u. 37), m\u00f6gen zur vorl\u00e4ufigen Orientierung gen\u00fcgen. Wir wenden uns nunmehr zu der Untersuchung des Einflusses der Lesegeschwindigkeit bei Anwendung des I?-Verfahrens.\n\u00a717. Versuche nach dem Erlernungsverfahren. Versuchsreihen 29\u201432.1\nIn den drei ersten nach dem ^-Verfahren angestellten Versuchsreihen wurde sinnvoller Stoff benutzt, und zwar hatten in den Versuchsreihen 29 und 30 die deutschen Versuchspersonen G. und R. Strophen der Schillerschen \u00dcbersetzung der \u00c4neide (der \u201eZerst\u00f6rung von Troja\u201c), in Versuchsreihe 31 die russische Versuchsperson D. Strophen der Dichtung \u201eGromoboy\u201c von Jukowsky zu lernen. Beide Dichtungen sind sehr lang und in verh\u00e4ltnism\u00e4fsig sehr gleichm\u00e4fsigen achtzeiligen Strophen geschrieben. An jedem Versuchstage wurden 4 Strophen bei verschiedener Geschwindigkeit des Lesens bis zum ersten fehlerfreien Hersagen eingepr\u00e4gt.* * Die Strophen wurden direkt vom Buche abgelesen. Das Tempo, in dem das Lesen einer Strophe vor sich gehen sollte, wurde jedesmal vor Beginn des Lesens der Strophe der Versuchsperson mittels eines Metronoms angegeben. Die Versuchsperson hatte, sowie das Metronom in Gang gesetzt worden war, eine Zeit lang in dem angegebenen Tempo laut zu z\u00e4hlen und stellte sich auf diese Weise auf das betreffende Tempo ein. Noch w\u00e4hrend des Schlagens des Metronoms begann auf ein vom Versuchsleiter gegebenes Signal hin das Lesen der Versuchsperson. Nachdem dieselbe aber 1\u20142 Zeilen unter der Kontrolle des Metronoms gelesen hatte, wurde dieses angehalten, und die Versuchsperson hatte nun un-\n1 Chronologisch sind die Versuchsreihen 29\u201432 noch vor den obigen Versuchsreihen 27 \u2014 29 ausgef\u00fchrt, und zwar wurden die Versuchsreihen 29, 30 und 32 im Winter 1900/01 auf Veranlassung von Herrn Prof. Ebbikghact im psychologischen Institut zu Breslau angestellt; die Versuchsreihe 31 habe ich w\u00e4hrend der im Sommer 1901 in Kufsland zugebrachten Ferienzeit durchgef\u00fchrt. Die bei diesen Versuchen beteiligten Versuchspersonen waren die Herren Jablonsky, Lewkowitz und Mitschnik.\n* Es ist noch zu bemerken, dafs in diesen Versuchsreihen bei Beginn jeder Sitzung zun\u00e4chst die vor 24 Stunden eingepr\u00e4gten Strophen wiedererlernt wurden. Auf die Resultate dieser Wiedererlernungen komme ich weiterhin (\u00a7 21) beil\u00e4ufig zu sprechen.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n189\ngest\u00f6rt das Lesen in der angegebenen Geschwindigkeit weiter fortzusetzen.1 Der gr\u00f6fsten der in diesen Versuchsreihen benutzten Geschwindigkeiten (vgl. Ebbinghaus, Grundz\u00fcge d. Psychol. 1, S. 641\u2014642) entsprachen 200 Metronomschl\u00e4ge in der Minute, den beiden mittleren und der geringsten Geschwindigkeit bzw. 150, 120, 100 Metronomschl\u00e4ge. Auf einen Versfufs (2 Silben) entfielen die folgenden Zeiten:\nTempo\tZahl der Metronomschl\u00e4ge\tSekunden\nL\t100\t0,6\nM'\t120\t0,5\nM\t160\t0,4\nS\t200\t0,3\nDie Gesamtzeit, die das Lesen einer Strophe (einschliefslich des fehlerfreien Hersagens) beanspruchte, wurde vom Versuchsleiter mittels einer F\u00fcnftelsekundenuhr bestimmt. Die Versuchspersonen waren in diesen Versuchsreihen 29\u201431 dahin instruiert, das Hersagen jeder Strophe in demselben Tempo vor sich gehen zu lassen, in welchem das Lesen stattgefunden hatte.\nEinige Versuchspersonen, die ich bei der soeben angef\u00fchrten Ver-snehsanordnung benutzen wollte, konnten der Forderung, beim Lesen, sowie namentlich beim Hersagen die ihnen mittels des Metronoms angegebene Geschwindigkeit einzuhalten, nicht Folge leisten, sondern pflegten bei den einzelnen W\u00f6rtern oder S\u00e4tzen bald in ein rascheres, bald in ein langsameres Tempo zu geraten. Diese Versuchspersonen, unter denen sich, beil\u00e4ufig bemerkt, sowohl unmusikalische, wie musikalische befanden, sind nat\u00fcrlich bei den eigentlichen Versuchen nicht benutzt worden. Diejenigen Versuchspersonen aber, welche zu den Versuchsreihen 29\u201431 (sowie zu den sp\u00e4teren Versuchsreihen 41 und 42) herangezogen wurden, vermochten schon nach wenigen Vorversuchen die verschiedenen Tempi richtig einzuhalten.\nDie in den nachstehenden Zusammenstellungen angef\u00fchrten Er-lemungszeiten fallen \u00fcberall l\u00e4nger aus, als den oben mitgeteilten vor-geschriebenen Lesegeschwindigkeiten, der Zahl der zu erlernenden Vers-f\u00fcfse und der angegebenen mittleren Wiederholungszahl entspricht. Diese Verl\u00e4ngerung der Erlernungszeiten r\u00fchrt von den kurzen Pausen, die zwischen die einzelnen Wiederholungen sich einschoben, von dem gelegentlichen Sich - versprechen beim Lesen sowie namentlich bei den Hersage-\n1 Offenbar hat Ogdsn, welcher bei seinen ersten Versuchen Uber den Einflufs der Schnelligkeit des Lesens (a. a. O. S. 108) gefunden hat, dafs \u201edie Metronomschl\u00e4ge als solche st\u00f6rend wirken\u201c, die von Ebbikohaus gegebene Beschreibung des Verfahrens mifsverstanden und das Metronom w\u00e4hrend der ganzen Lernzeit funktionieren lassen.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nP. Ephruwsi.\nversuchen usw. her und zeigte sich, wie leicht zu verstehen, bei den schnellen Reihen etwas ausgepr\u00e4gter als bei den langsamen Reihen. Ferner ist hier noch zu bemerken, dafs die obigen, in Versuchsreihe 29\u201431 benutzten Lesegeschwindigkeiten mit denjenigen, die in Versuchsreihe 26\u201428 beim T- Verfahren benutzt wurden, insofern nicht in eine Linie zu stellen sind, als es sich im einen Falle um mittels des Kymographions vorgef\u00fchlte sinnlose Silbenreihen, im anderen Falle um direkt vom Buche abgelesene Strophen handelt, dafs aber andererseits diese Geschwindigkeiten insofern als analog betrachtet werden k\u00f6nnen, als die in beiden F\u00e4llen gew\u00e4hlten h\u00f6chsten Geschwindigkeiten solche waren, bei denen eine besondere Aufregung und \u00dcberhastung der Versuchspersonen beim Lesen noch nicht eintrat. In den sp\u00e4teren Versuchsreihen, in denen auch bei Anwendung des E- Verfahrens sinnloser Lernstoff mittels des Kymographions der Ver suchsperson vorgef\u00fchrt wurde, kamen bei beiden Pr\u00fcfungsmethoden mehrfach ganz dieselben Lesegeschwindigkeiten zur Anwendung. Endlich ist noch hervorzuheben, dafs ich auch bei den mit dem Kymographion augestellten Versuchen nach dem E-Verfahren (vgl. \u00a7 19 u. 22) bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten nicht die zwischen 2 unmittelbar aufeinanderfolgende Lesungen fallende zeitliche Pause konstant erhalten habe, sondern stets nur das r\u00e4umliche Intervall zwischen Ende und Beginn der Reihe auf dem Papierbogen dasselbe habe sein lassen. Die \u00dcbereinstimmung, welche einerseits die Resultate der mit Hilfe des Metronoms angestellten Versuchsreihen 29\u201431, sowie 40 und 41, und andererseits die Resultate der mit dem Kymographion angestellten Versuchsreihen zeigen, scheint hinl\u00e4nglich darzutun, dafs die bei den letzteren Versuchen vorhandene Abh\u00e4ngigkeit der Pausenl\u00e4nge von der Lesegeschwindigkeit keinen ins Gewicht fallenden Einflufs besafs.\nVersuchsreihe 29. Versuchsperson G. 16 Versuchstage.\n||\tZa '\t\tZc\tW.\nL - Strophen\t2 Min. 24 Sek.\t2 Min. 15 Sek.\t5,4\nM\t\u201e\t2 \u201e 11 \u201e\t2 \u201e\t14 \u201e\t5,4\nM- \u201e\t1 \u201e 62 \u201e\t1\t,\t46 \u201e\t5,3\ns-\t1\t*\t45 \u201e\t1 \u00bb \u00ab \u201e\t6,0\n1 Mit Za wird das arithmetische Mittel der Erlernungszeiten, mit Zc der Zentralwert derselben, mit iVa das arithmetische Mittel der Wiederholungszahlen bezeichnet. Von der Berechnung des Zentralwertes der Wiederholungszahlen habe ich \u00fcberall, wo n < 20 war, abgesehen. Derselbe ist wegen des Umstandes, dafs die beobachtete Wiederholungszabl stets eine ganze Zahl ist, also zwei benachbarte Wiederholungszahlen stets um die Einheit differieren, bei gleichem n unzuverl\u00e4ssiger als der Zentralwert der Erlernungszeiten.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n191\nVersuchsreihe 30. Versuchsperson R. 12 Versuchstage.\n\tZa\tZc\tWa\nL - Strophen\t2 Min. 14 Sek.\t2 Min. 4 Sek.\t4,8\nM \u201e\t2\t\u201e 13\t\u201e\t2 ,,\t5 \u201e\t6,3\nM\t\u201e\t2 \u201e H \u201e\t2 \u201e 1 \u201e\t5,8\ns- \u201e\t1\t\u201e 38\t\u201e\t1\t\u201e 34 \u201e\t6,3\nVersuchsreihe 31. Versuchsperson D. 12 Versuchstage.\nll\tZa \\,\t\tZc\tWa\nL- Strophen\t1\t2 Min. 46 Sek.\t2 Min. 33 Sek.\t6,6\n\u201e\t!\t2\t\u201e\t38 n\t2\t\u201e 42 \u201e\t7,3\nM- \u201e\tj 2\t\u201e\t31\t\u201e\t2\t\u201e 27 \u201e\t7,4\ns- \u201e\t'!\t2\t\u201e\t17\t\u201e\t2 \u201e 10 \u201e\t9,0\nDer Vollst\u00e4ndigkeit halber sollen hier auch die Ergebnisse der Versuchsreihe 32 kurz angegeben werden, in der zw\u00f6lf-silbige sinnlose Reihen der Versuchsperson G mittels der Kyino-graphiontrommel vorgef\u00fchrt wurden. Leider war die Regulierung der Geschwindigkeiten an dem Kymographion, das mir damals in Breslau zur Verf\u00fcgung stand, auf eine nur unvollkommene Weise (mit Hilfe von Windfl\u00fcgeln) m\u00f6glich, so dafs die tats\u00e4chlichen Geschwindigkeiten an verschiedenen Tagen mehr oder weniger von den gew\u00fcnschten abwichen. Ordnet man die Resultate nach den wirklichen Rotationsgeschwindigkeiten der Trommel an, so erh\u00e4lt man Durchschnittswerte, die den obigen vollst\u00e4ndig analog sind. So war bei R \u2014 14,4 Sek. Za \u2014 116 Sek. und Wa = 8, bei R = 7,6 Sek. Za = 110 Sek. und Wa = 14,3.\nDie Resultate der Versuchsreihen 29\u201432 zeigen mit grofser Evidenz, dafs mit der Steigerung der Lesegeschwindigkeit die Erlemungszeit durchweg eine Verk\u00fcrzung erf\u00e4hrt. Es ist also vom zeit\u00f6konomischen Standpunkte aus das S-Tempo als das vorteilhafteste, das L- Tempo als das am wenigsten vorteilhafte zu bezeichnen, w\u00e4hrend die M- und M\u201c- Tempi auch betreffs ihres \u00f6konomischen Wertes eine mittlere Stellung einnehmen.1\n1 Die Wiederholungszahlen werden sp\u00e4terhin eine besondere Ber\u00fccksichtigung finden.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nP. Ephrusiti.\nAuch dieses Ergebnis ist noch durch eine ganze Anzahl nachfolgender Versuchsreihen (Versuchsreihe 33, 38, 39, 40 und 41) best\u00e4tigt worden.\nVergleichen wir nun die Ergebnisse der letzten 4 Versuchsreihen (und der mit ihnen \u00fcbereinstimmenden sp\u00e4teren Versuchsreihen) mit denen, die bei den Versuchsreihen 26 \u2014 28 erhalten worden sind, so zeigt sich ein paradoxes Verhalten. W\u00e4hrend das rasche Tempo bei der Pr\u00fcfung de9 Einflusses der Lesege sch windigkeit mittels des E-Verf ahrens sich \u00f6konomischer als die langsameren Tempi erwies, ergab bei Anwendung des T-Ver-fahrens das rasche Tempo minderwertigere Resultate als die anderen Tempi.\nWerfen wir, bevor wir dieses eigent\u00fcmliche Verhalten weiter verfolgen, noch einen Blick auf die in der neueren psychologischen Literatur bereits vorliegenden Ergebnisse \u00fcber den Ein-flufs der Lesegeschwindigkeit auf das Einpr\u00e4gen, so ist vor allem zu bemerken, dafs das vorliegende Material keineswegs ausreichend ist. So machte z. B. Lottie Steffens (a. a. O. S. 321) bei ihren Versuchen, bei denen, wie bekannt, das E -Verfahren benutzt wurde, die Beobachtung, dafs den gr\u00f6fseren Lesegeschwindigkeiten k\u00fcrzere Lernzeiten entsprachen.1 Auch Ebbinghaus (a. a. O. S. 641) fand bei den an ihm selbst ebenfalls nach dem E- Verfahren angestellten Versuchen, dafs die Steigerung der Geschwindigkeit des Lesens zu einer Verk\u00fcrzung der Erlernungszeiten f\u00fchrte. Endlich hat auch Ogden in seiner bereits erw\u00e4hnten, vor kurzem erschienenen Untersuchung sich die Aufgabe gestellt, den Einflufs der Lesegeschwindigkeit auf das Einpr\u00e4gen mittels des E-Verfahrens zu untersuchen, ist aber dabei zu keinen abschliefsenden Resultaten gekommen. Zwar konstatiert auch er, dafs \u201eim allgemeinen eine Zeitersparnis bei rascheren Tempos innerhalb gewisser Grenzen\u201c erzielt wurde, und \u201ezwar trotz der erheblichen Unterschiede im Typus und in der Lernweise unserer Versuchspersonen\u201c; er f\u00fcgt aber weiter hinzu: \u201eWenn wir genauer Zusehen, ist bei uns durchweg ein Vorteil der mittleren Tempos vor den extremen in zeitlicher Hinsicht hervorgetreten\u201c (S. 176). Letztere Behauptung w\u00fcrde auch dann, wenn sie sich auf hinl\u00e4nglich zahl-\n1 Weitere vereinzelte Angaben einschlagender Art sind bei Ogdex a. a. O. S. 94 ff. verzeichnet.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n193\nreiche Versuche st\u00fctzte, keineswegs im Widerspruch mit den Ergebnissen meiner Versuche sein. Denn die extremen Geschwindigkeiten, welche Ogden benutzt hat, kamen bei meiner Untersuchung \u00fcberhaupt nicht zur Pr\u00fcfung. Der oben auf Grund der Versuchsreihen 26\u201432 von mir aufgestellte Satz soll selbstverst\u00e4ndlich zun\u00e4chst nur innerhalb derjenigen Grenzen gelten, in denen der Einflufs der Geschwindigkeit von mir untersucht worden ist. Es ist schon von vornherein mit grofser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dafs bei sehr hoher Steigerung oder Verlangsamung der Lesegeschwindigkeit die in meinen Versuchsreihen hervorgetretene Gesetzm\u00e4fsigkeit des Einflusses der Lesegeschwindigkeit nicht mehr gilt, indem z. B. ein \u00e4ufserst rasches Tempo sich auch beim E-Verfahren unvorteilhaft erweisen wird, und andererseits ein aufserordentlieh langsames Tempo auch beim T-Verfahren minderwertige Resultate ergeben wird; denn es m\u00fcssen dann solche Momente wie Unruhe, Langeweile und Unlust an der Arbeit u. dgl. m. hinzutreten und ausschlaggebende Bedeutung erlangen.\nOgden macht geltend, dafs es \u201edie Lernweise ist, welche den individuell variierenden Einflufs der Geschwindigkeit bestimmt\u201c (S. 176). An und f\u00fcr sich ist die Annahme durchaus plausibel, dafs, wenn z. B. eine Versuchsperson rein mechanisch, etwa akustisch-motorisch, eine andere dagegen unter wesentlicher Mitbenutzung von mnemotechnischen oder assoziativen Hilfen lerne, alsdann bei der ersteren Versuchsperson die schnelleren, bei der letzteren dagegen die langsameren Lesetempi bessere Resultate erwarten liefsen ; nur hat diese Annahme f\u00fcr diejenigen Grenzen der Lesegeschwindigkeit, innerhalb deren sich meine Versuche bewegt haben, durch meine Resultate keine Best\u00e4tigung gefunden. Obwohl bei meinen hier in Betracht kommenden Ver-ruchsreihen sowohl das rein mechanische, wie auch das unterst\u00fctzte Lernen untersucht wurde, und eine gr\u00f6fsere Anzahl (14) von Versuchspersonen benutzt worden ist, zeigen meine Resultate, dafs bei gleichem Pr\u00fcfungsverfahren sich der Einflufs der Geschwindigkeit bei den verschiedenen Versuchspersonen (trotz der Verschiedenheiten im Typus und in der Lern weise derselben) in ganz analoger Weise gestaltet. Leider k\u00f6nnen auch die eigenen Resultate Ogden\u2019s nicht als eine sichere experimentelle Bekr\u00e4ftigung des obigen von ihm aufgestellten Satzes angesehen werden, da, wie schon angedeutet, die Versuchszahl n bei den\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 37.\t13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nP. Ephrussi.\n\u00fcberhaupt nur an 3 verschiedenen Versuchspersonen angestellten Experimenten desselben eine viel zu geringe war. Aus den numerischen Ergebnissen von Versuchen, bei denen n h\u00f6chstens = 8 und in den \u00fcbrigen F\u00e4llen nur \u2014 5, 4, 3 oder gar 2 war, lassen sich in diesem Gebiete wirklich sichere Schl\u00fcsse \u00fcberhaupt nicht ableiten.\nEine Untersuchung des Einflusses der Lesegeschwindigkeit auf das Einpr\u00e4gen mit Anwendung des T-Verfahrens liegt in der bisherigen Literatur nicht vor. Der Untersuchung von Smith \u201eOn Muscular Memory\u201c ', in welcher die dem 7'-Verfahren verwandte Methode der behaltenen Glieder1 2 benutzt wurde, kann man betreffs der Frage nach dem Einfluss der Lesegeschwindigkeit ein Resultat entnehmen, das mit den Ergebnissen unserer Versuchsreihen 26\u201428 (wie auch 33\u201437) vollst\u00e4ndig \u00fcbereinstimmt. Den Versuchspersonen von Smith wurden sinnlose Silbenreihen w\u00e4hrend einer konstanten kurzen Zeit (20 Sek.) exponiert, und zwar war die auf eine Reihe entfallende Anzahl von Lesungen je nach der Versuchsperson eine verschiedene. Fafst man nun die Zahlen der von jeder Versuchsperson hinterher richtig wiedergegebenen Silben zusammen, so zeigt sich, dafs eine Versuchsperson bei der Pr\u00fcfung um so mehr richtige Silben anzugeben wufste, je langsamer sie die Silbenreihen w\u00e4hrend der Expositionszeit gelesen hatte, d. h. je weniger Lesungen sie auf jede Silbenreihe hatte entfallen lassen. Das n\u00e4here zeigt folgende Tabelle.\nVersuchs- person\tUngef\u00e4hre Zahl der auf eine Beihe entfallenden Lesungen\tGesamtzahl der richtig wiedergegebenen Silben\nB. G.\t1\t1188\nE. H. L.\t2\t1026\nE. C. S.\t3\t786\nC. G.\t3\t683\nJ. P. H.\t4\t569\n\u00a718. Bemerkung betreffs der Geschwindigkeit des\nHersagen s.\nWie angegeben, ging in den Versuchsreihen 29\u201432 das Hersagen einer Strophe in dem Tempo des Lesens derselben vor\n1\tThe Americ. Journal of Psychol. 7, S. 462 ff.\n2\tEbbinghaus a. a. O. S. 625","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Oed\u00e4chtnvs.\n195\nrieh. Im Hinblick hierauf erhebt sich die Frage, ob nicht auch dieser Umstand die Resultate irgendwie beeinflufst habe ; denn es ist wohl denkbar, dafs diese Instruktion f\u00fcr die Resultate der einen Lesegeschwindigkeiten g\u00fcnstiger als f\u00fcr diejenigen der anderen gewesen sei. Von vornherein erscheint hier verschiedenes m\u00f6glich. Einerseits z. B. ist es denkbar, dafs die bei der gr\u00f6fseren Geschwindigkeit des Lesens eingepr\u00e4gten Strophen sich leichter in einem entsprechenden raschen als in einem langsamen Tempo hersagen lassen ; andererseits liegt aber auch die Ansicht nahe, dafs ganz allgemein ein langsames Hersagen h\u00e4ufiger den Erfolg einer vollst\u00e4ndigen Reproduktion bringe als ein schnelles Hersagen. Eine sichere Beantwortung der hier aufgeworfenen Frage w\u00e4re erst auf Grund einer speziellen Untersuchung m\u00f6glich, in der die Geschwindigkeiten des Hersagens in den einen F&llen mit denjenigen des Lernens \u00fcbereinstimmten, in den anderen F\u00e4llen aber teils in dieser, teils in jener Richtung davon abwichen. Da es mir nicht m\u00f6glich war, mich auch auf diese Untersuchung einzulassen, so habe ich den etwaigen Einfiufs der Geschwindigkeit des Hersagens dadurch m\u00f6glichst auszu-schliefsen versucht, dafs ich in den sp\u00e4teren Versuchsreihen 33 und 34 sowie auch 38\u201441 die Instruktion insofern \u00e4nderte, als ich die Versuchspersonen an wies, sich beim Hersagen der verschiedenen Reihen an ein ihnen bequemes, mittelschnelles Tempo zu halten. Die Hauptergebnisse dieser Versuchsreihen stimmen, wie wir sp\u00e4terhin sehen werden, mit den Resultaten der obigen Versuchsreihen 29\u201432 im wesentlichen \u00fcberein. Es l\u00e4fst sich demnach schliefsen, dafs der Einfiufs der Geschwindigkeit des Hersagens gegen\u00fcber dem Einfl\u00fcsse der Lesegeschwindigkeit zur\u00fccktritt.\n\u00a719. Weitere Best\u00e4tigungen der bisherigen Resultate. Versuchsreihen 33 und 34.\nIn jeder der beiden nachstehenden Versuchsreihen kam sowohl das T-Verfahr en als auch das E-Verfahren zur Anwendung, so dafs die sich gegen\u00fcberstehenden Ergebnisse beider Pr\u00fcfungs-Weisen in jeder Versuchsreihe bei derselben Versuchsperson und bei denselben \u00dcbungsstadien erhalten worden sind. In jeder Sitzung wurden vier zw\u00f6lfsilbige normale Reihen bei verschiedenen Rotationsgeschwindigkeiten der Kymographiontrommel der Versuchsperson vorgef\u00fchrt. Um ein m\u00f6glichst gleiches Verhalten\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nP. Ephrumti.\nder Versuchsperson bei den mittels des ^-Verfahrens oder des T-Verfahrens gepr\u00fcften Reihen zu erzielen, fand ein undurchsichtiger Wechsel der beiden Pr\u00fcfungsmethoden statt. Die Versuchsperson mufste gem\u00e4fs der erhaltenen Instruktion beim Beginn des Lesens einer Reihe ebenso darauf gefafst sein, dais das ^-Verfahren Anwendung finden werde, wie darauf, dafe das T-Verfahren zur Benutzung kommen werde. Nachdem die Reihe eine bestimmte Zeit lang mit der gegebenen Geschwindigkeit gelesen worden war, hielt der Versuchsleiter die Trommel an und teilte der Versuchsperson mit, ob die soeben gelesenen Silben mittels des T-Verfahrens gepr\u00fcft oder aber weiter bis zum ersten fehlerfreien Hersagen gelernt werden sollten. Ersteren-falls begab sich die Versuchsperson sogleich nach dem Lippenschl\u00fcssel, wo nach 80 Sek. das Vorzeigen der betonten Silben der Reihe begann, im zweiten Falle blieb sie am Kymographion und setzte nach einer ebenfalls 30 Sek. langen Pause auf ein Signal des Versuchsleiters hin das Lernen der Reihe bei derselben Geschwindigkeit weiter fort bis zum fehlerfreien Hersagen. Die Gesamtdauer der vor dem Anhalten der Trommel absolvierten Lesungen einer Reihe war bei den verschiedenen Reihen stets dieselbe ; die Zeiten, welche auf die mit verschiedenen Geschwindigkeiten vorgef\u00fchrten und hinterher nach dem T-Verfahren gepr\u00fcften Reihen entfielen, waren also, ebenso wie in den Versuchsreihen 26\u201428, bei einer und derselben Versuchsperson stets dieselben. Die untersuchten Geschwindigkeiten waren selbstverst\u00e4ndlich beim T-Verfahren und beim F-Verfahren gleich genommen. Hinsichtlich der Geschwindigkeiten des Hersagens der nach dem \u00a3-Verfahren zu behandelnden Reihen war die Versuchsperson dem oben (S. 195) Bemerkten gem\u00e4fs dahin instruiert, sich beim Hersagen der verschiedenen Reihen an ein ihr bequemes mittleres Tempo zu halten. Die Zeit, die das Lernen einer Reihe in Anspruch nahm, und ebenso die Zeit des Hersagens wurde vom Versuchsleiter jedesmal mittels einer F\u00fcnftelsekundenuhr gemessen.\nDer Wechsel des T- und E- Verfahrens war, wie erw\u00e4hnt, ein f\u00fcr die Versuchsperson undurchsichtiger, d. h. die nach dem T- Verfahren gepr\u00fcften Reihen wechselten mit denen, die nach dem E- Verfahren gepr\u00fcft wurden, an verschiedenen Versuchstagen in einer verschiedenen Weise ab. So i.B wurden in manchen Sitzungen bei jedem Verfahren je 2 Reihen eingepr\u00e4gt, in anderen wurden je 3 Reihen nach dem T-Verfahren und nur eine nach dem E- Verfahren eingepr\u00e4gt oder auch umgekehrt usw. Selbstverst\u00e4ndlich","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n197\nlag diesem bunten Wechsel ein kompliziertes Schema zugrunde, so dafs die verschiedenen Geschwindigkeiten sich sowohl bei den nach dem JE-Verfahren als auch bei den nach dem T- Verfahren zu pr\u00fcfenden Reihen in gleicher Weise auf die verschiedenen Zeitlagen des Lesens verteilten, und aniserdein auch der Einflufs der \u00dcbung sich bei den miteinander zu vergleichenden Reihenarten in wesentlich gleicher Weise geltend machte. Ich f\u00fchre im nachstehenden das in Versuchsreihe 34 benutzte Schema an.1 Dabei Bollen mit T die Reihen bezeichnet werden, bei denen das T- Verfahren angewandt wurde, mit E diejenigen, die nach dem E- Verfahren gepr\u00fcft worden sind; die Buchstaben i, m\", m und * deuten die Lesegeschwindigkeiten, die bei den betreffenden Reihen zur Geltung kamen, an.\nZeit- ! l\u00e4ge\tl.\t2.\t3.\t4.\t5.\t6.\t7.\t8. Tag\nI.\tE.\tTm\tT,\tEm\tjp \u2022\u2022 Lum\tEi\tTm\tTi\nII.\tEm\tTi\tE,\tTm\tTm\tEm\tT,\tEi\nin. 1\tTm\"\tEi\tEm\tTi\tT,\tEm\tE.\tTm\nIV.\tT.\tTm\tTm'\tEi\tEt\tTi\tEm\"\tEm\nVom neunten Versuchstage ab kamen die beiden Pr\u00fcfungsweisen wiederum in derselben Reihenfolge wie vom ersten Versuchstage ab zur Anwendung; nur wurden an den Stellen der Tempi 8 und m\" die Tempi 2 und m benutzt und umgekehrt. Aufserdem wurden in beiden Versuchsreihen Sitzungen eingeschoben, an denen alle 4 Reihen nach dem JE-Verfahren eingepr\u00e4gt wurden; hierdurch wurde erstens eine noch gr\u00f6lsere Undurchsichtigkeit des Schemas f\u00fcr die Versuchspersonen erreicht und zweitens die Zahl der nach dem E- Verfahren gepr\u00fcften Reihen etwas erh\u00f6ht\nVersuchsreihe 33. Versuchsperson U. 17 Versuchstage. Zwei Lesegeschwindigkeiten wurden untersucht. In den ersten 9 Tagen war R in den S-Reihen = 8,5 Sek., in den L - Reihen = 17 Sek., an den letzten 8 Tagen wurde R auf 8 Sek. und 16 Sek. verringert. Auf die nach dem T-Verfahren gepr\u00fcften S-Reihen entfielen jedesmal 8 Wiederholungen, auf die L-Reihen 4. Das Lernen war ein stark unterst\u00fctztes.\nT-V erfahren.\n\tr\tTV\tTr < 1500 1\tf\tV\nL- Reihen\t0,86\t1700\t38\t\\\t0,1\t0,8\n8- \u00bb\t0,80\t2370 (\u00bb =\t32\t1 96)\t0,6\t0,9\n1 In der Versuchsreihe 33, wo im ganzen nur 2 Geschwindigkeiten gepr\u00fcft wurden, wurde das Schema dementsprechend abge\u00e4ndert.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nP. Ephrussi.\ni?-Verfahren.\n\tZa\tZc\tWa\t\nL- Reihen\t2 Min. 47 Sek.\t2 Min. 49 Sek.\t9,9\t14,4\nS- \u201e\t2 \u201e 26 \u201e\t2 \u201e\t23 \u201e\t17,1\t10,1\n(n \u2014 18)\nVersuchsreihe 34. Versuchsperson M. 28 Versuchstage. Bei jeder Pr\u00fcfungsmethode wurden im ganzen 4 Lesegeschwindigkeiten untersucht. Am ersten, dritten, f\u00fcnften usw. Tage kam R \u2014 8 Sek. (S- Reihen) und = 13,3 Sek. (M\"- Reihen), am zweiten, vierten, sechsten usw. Tage R = 20 Sek. (L - Reihen) und = 10 Sek. (M'- Leihen) zur Anwendung. W war dementsprechend in den nach dem T-Verfahren gepr\u00fcften Reihen bei den S-Reihen = 10, bei den M'- Reihen = 8, bei den M\"- Reihen = 6 und bei den A-Reihen = 4.\nT-Y erfahren.\n\tr\tTr\tTr < 1500\tf\tV\nL- Reihen\t0,86\t2920\t14\t0,1\t0,11\nM\"- \u201e\t0,86\t4310\t8\t0,6\t0,7\nM\u2019-\t\u201e\t0,85\t3350\t14\t0,1\t0,10\n. B- \u201e\t0,74\t3580\t8\t0,6\t0,14\n0 = 72)\nA-Verf ahr en.\n\tZa\tZc\tWa\tH\nA-Reihen\t3 Min. 24 Sek.\t3 Min. 25 Sek.\t10,4\t15,6\nM\"- \u201e\t3\t\u201e\t15\t\u201e\t3 \u201e\t8 \u201e\t14,9\t13,1\nM'- \u201e\t3 \u201e\t1 \u201e\t2\t\u201e\t51 \u201e\t18,2\t10,2\n8- \u201e\t3 \u201e 10 \u201e\t3\t\u201e\t3 \u201e\t24,1\t10\n(n = 16)\nWie man sieht, bieten die hier bei beiden Pr\u00fcfungsverfahren erhaltenen Resultate im ganzen ein \u00e4hnliches Bild wie die Resultate, die wir fr\u00fcher einerseits in den Versuchsreihen 26\u201428 und andererseits in den Versuchsreihen 29\u201432 gewonnen haben.\nUnter H wird das arithmetische Mittel der Hersagezeiten angegeben.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n199\nSo zeigt die erste auf Versuchsreihe 33 bez\u00fcgliche Tabelle, dafs im Falle der Anwendung des T-Verfahrens das L- Tempo auch beim unterst\u00fctzten Lernen und sogar bei einem sehr geringen W sowohl eine h\u00f6here Trefferzahl, wie auch k\u00fcrzere Trefferzeiten ergibt als das S-Tempo. Ebenso zeigt die entsprechende erste Tabelle f\u00fcr Versuchsreihe 34, dafs die S - Reihen, namentlich was die Trefferzahl anbetrifft, das am wenigsten g\u00fcnstige Ergebnis geliefert haben, und dafs die Resultate der L-, M\"-, und M'- Reihen sich nur betreffs der Trefferzeiten voneinander unterscheiden. Auf der anderen Seite ist aus den beiden an zweiter Stelle angef\u00fchrten Tabellen f\u00fcr Versuchsreihe 33 und 34 zu sehen, dafs bei Benutzung des E-Verfahrens die geringsten Lesegeschwindigkeiten die l\u00e4ngsten Erlemungszeiten ergeben. Aufser-dem zeigt sich, dafs bei gesteigerter Lesegeschwindigkeit auch die Zeit Bich verk\u00fcrzt, die das Hersagen im Durchschnitt in Anspruch nimmt. Ferner mag bereits hier auf den weiterhin noch n\u00e4her zu besprechenden Punkt hingewiesen werden, dafs in diesen, ebenso wie in den fr\u00fcheren Versuchsreihen 29\u201432 die Wiederholungszahl Wm bei zunehmender Lesegeschwindigkeit gleichfalls anw\u00e4chst, wenn auch nicht im proportionalen Verh\u00e4ltnisse.\nNur in einem Punkte weichen die Resultate der Versuchsreihe 34 von den fr\u00fcheren ab, n\u00e4mlich darin, dafs in dieser Versuchsreihe die gr\u00f6fste Geschwindigkeit sich beim E- Verfahren weniger vorteilhaft erwiesen hat, als die geringere Geschwindigkeit der M'- Reihen. Es ist m\u00f6glich, dafs diese Abweichung einfach aus den nicht ausgeglichenen Zuf\u00e4lligkeiten zu erkl\u00e4ren ist. Andererseits ist es, wie erw\u00e4hnt, zweifellos, dafs bei einer fortgesetzten Steigerung der Lesegeschwindigkeit man bei jeder Versuchsperson schliefslich zu einer Grenze gelangen wird, von welcher ab das raschere Lesen auch beim E- Verfahren seinen Vorteil vor einem langsameren Lesen verliert, und es ist nicht ausgeschlossen, dafs die in dieser Versuchsreihe benutzte grOfste Geschwindigkeit f\u00fcr die betreffende Versuchsperson M. bereits \u00fcber dieser Grenze lag.\nKapitel VI.\nErkl\u00e4rung des paradoxen Resultates.\n\u00a7 20. Diskussion der bisherigen Ergebnisse auf Grund der Aussagen der Versuchspersonen und gewisser numerischer Ergebnisse.\nUm ein Verst\u00e4ndnis unserer bisherigen Resultate, insbesondere eine Erkl\u00e4rung des paradoxen Resultats zu gewinnen,","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nP. Ephru\u00easi.\nwenden wir uns nunmehr zu den im Laufe der Versuchsreihe 26 bis 34 von den Versuchspersonen zu Protokoll gegebenen Aussagen, sowie andererseits zu einigen weiteren, im bisherigen unber\u00fccksichtigt gebliebenen numerischen Ergebnissen dieser Versuchsreihen.\n1.\tWas zun\u00e4chst den subjektiven Eindruck anbelangt, den die verschiedenen Lesegeschwindigkeiten auf die Versuchspersonen machten, so haben, wie auch wohl von vornherein zu erwarten, die einen Versuchspersonen im allgemeinen eine gewisse Vor liebe f\u00fcr das langsamste Tempo, die anderen f\u00fcr die mittleren Tempi oder auch f\u00fcr das schnellste Tempo ge\u00e4ufsert. Die meisten Versuchspersonen erkl\u00e4rten aber, besonders am Beginn der mit ihnen angestellten Versuche, dafs die gr\u00f6fste Geschwindigkeit am wenigsten angenehm und bequem, am meisten \u201eabhetzend\u201c sei. Im engsten Zusammenh\u00e4nge damit steht die weitere Aussage der Versuchspersonen, dafs das rasche Lesen im allgemeinen eine bessere Konzentration der Aufmerksamkeit erfordert als das langsamere. Auf der anderen Seite kamen F\u00e4lle vor, dafs das L- Tempo als sehr unangenehm und langweilig empfunden wurde.1 Betreffs der mittleren Geschwindigkeiten sind keine besonderen Aussagen verzeichnet. Wie die durchg\u00e4ngige \u00dcbereinstimmung der Resultate bei gleichem Pr\u00fcfungsverfahren zeigt, l\u00e4fst sich f\u00fcr die soeben angedeuteten Verschiedenheiten der Versuchspersonen hinsichtlich der Beurteilung der Lesegeschwindigkeiten nichts Entsprechendes an den numerischen Ergebnissen aufweisen.\nWichtiger ist das Nachstehende.\n2.\tEs liegen Aussagen der Versuchspersonen vor, welche den Gedanken nahelegen, dafs die Hemmungen der fr\u00fcher er w\u00e4hnten Art2, insbesondere die r\u00fcckwirkende Hemmung, ganz allgemein, d. h. unabh\u00e4ngig von dem jeweilig angewandten Pr\u00fcfungsverfahren, bei den schnelleren Reihen in einem st\u00e4rkeren Grade als bei den langsameren ins Gewicht fallen, indem bei einer rascheren Lesung das schnelle Nachfolgen eines neuen Gliedes dazu dient, die Perseverationstendenzen der vorausgegangenen Glieder und die Konsolidierung der zwischen den-\n1 Vgl. die analogen Aussagen der von Ogden (a. a. O. S. 120, 135, 139 n. a. m.) benutzten Versuchspersonen.\n* Vgl. zu diesen Ausf\u00fchrungen das auf S. 174\u2014176 Dargelegte.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n201\nselben eingeleiteten Assoziationen in st\u00e4rkerem Grade zu hemmen1 2, und zugleich auch durch die schnellere Aufeinanderfolge der verschiedenen Glieder die Nebenassoziationen derselben st\u00e4rker beg\u00fcnstigt werden.\nAuf die Wirksamkeit der oben angedeuteten Hemmungen ist wohl auch der Umstand wenigstens teilweise zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs, wie die Resultate zeigen, der Einpr\u00e4gungswert einer einzelnen schnellen Lesung im allgemeinen ein geringerer ist als der einer langsameren Lesung. Wir haben ja bereits gesehen, dafs bei den Versuchen nach dem T-Verfahren eine gr\u00f6fsere Anzahl schneller Lesungen durchweg zu schlechteren Resultaten gef\u00fchrt hat als eine geringere Anzahl langsamerer Lesungen. Analog dazu zeigt sich auch, wie schon fr\u00fcher hervorgehoben, im Falle der Benutzung des E-Verfahrens, dafs bei einer Steigerung der Lesegeschwindigkeit auch die Wiederholungszahl im allgemeinen mehr oder weniger zunimmt, wenn sich auch die Erlernungszeiten dabei verk\u00fcrzen.*\nWie wir oben (S. 171 f.) gezeigt haben, ist das Bestehen gewisser Nebenassoziationen (der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen Assoziationen durch mittelbare Folge und der Assoziationen zwischen dem Endgliede eines Taktes und dem Anfangsgliede des n\u00e4chstfolgenden Taktes) in gewisser Hinsicht f\u00f6rderlich, wenn es sich um die Erlernung einer Reihe f\u00fcr Anwendung des E-Verfahrens handelt, hingegen in keiner Hinsicht f\u00f6rderlich oder sogar nachteilig, wenn das T-Verfahren Benutzung finden soll. Der Umstand, dafs das schnellere Lesen die Nebenassoziationen der angedeuteten Art beg\u00fcnstigt, tr\u00e4gt also in gewissem Grade mit dazu bei, unser paradoxes Resultat zu erkl\u00e4ren, dafs eine\n1\tGehen wir \u00fcber dasjenige hinaus, worauf uns die Aussagen der Versuchspersonen hinweisen, so mufs noch darauf aufmerksam gemacht werden, dafs auch der Umstand, dafs bei gr\u00f6fserer Lesegeschwindigkeit die Einwirkungszeit jedes einzelnen Gliedes (z. B. jeder einzelnen Silbe) eine k\u00fcrzere ist, dahin wirken d\u00fcrfte, die Perseveration jedes Gliedes bei h\u00f6herer Lesegeschwindigkeit geringer ausfallen zu lassen.\n2\tGem\u00e4fs dem Einfl\u00fcsse, den die Art der zeitlichen Verteilung der Wiederholungen auf die Assoziationsfestigkeit aus\u00fcbt, kann an dem oben erw\u00e4hnten Verhalten in gewissem Grade auch der Umstand beteiligt sein, dafs die einzelnen Wiederholungen eines und desselben Teiles des zu lernenden St\u00fcckes mit um so geringeren Intervallen aufeinanderfolgen, je gr\u00f6ber die Lesegeschwindigkeit ist.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nP. Ephrussi.\nSteigerung der Lesegeschwindigkeit beim E-Verfahren g\u00fcnstig, beim T-Verfahren dagegen ung\u00fcnstig ist.\n3. Obwohl, wie oben erw\u00e4hnt, beim raschen Lesetempo die schnelle Aufeinanderfolge der einzelnen Glieder der Reihe an und f\u00fcr sich der Perseveration jedes einzelnen Gliedes nicht g\u00fcnstig ist, so hat doch die Steigerung der Wiederholungszahl bei dem raschen Tempo zur Folge, dafs dieser Nachteil nicht blofs kompensiert, sondern sogar \u00fcberkompensiert wird, und die Perseveration nach Beendigung des Lesens bei den mit gr\u00f6fserer Geschwindigkeit vorgef\u00fchrten Reihen st\u00e4rker ist als bei den mit einer geringeren Geschwindigkeit gelesenen. Dieses Verhalten ergibt sich (im Sinne der Ausf\u00fchrungen von M\u00fclleb und Pilzeckeb S. 63 ff.)1 aus einer Tatsache, die sich mir bei einem genauen Studium der Ergebnisse der Versuchsreihen 26 und 27, sowie der in Versuchsreihe 34 beim '/'-Verfahren erhaltenen Resultate ergeben hat, n\u00e4mlich aus der Tatsache, dafs bei Steigerung der Lesegeschwindigkeit auch die Zahl der reihenrichtigen falschen F\u00e4lle zunimmt. Die nachstehende Tabelle gibt die absoluten Zahlen dieser F\u00e4lle an.\nS-Reihen 2 6 3\nL Reihen 0 0 1\nVersuchsreihe\n26\n27\n34\nAuch in Versuchsreihe 33 kommt bei den S- Reihen ein reihenrichtiger falscher Fall vor, w\u00e4hrend die Zahl dieser F\u00e4lle bei den L- Reihen gleich 0 ist. Es sei ferner noch im voraus bemerkt, dafs auch in den weiter anzuf\u00fchrenden Versuchsreihen 35 und 37 die Zahl der reihenrichtigen falschen F\u00e4lle bei den S- Reihen bzw. 4 und 5, bei den L- Reihen nur 3 und 1 ist. Die Zahlen und ihre in Betracht kommenden Differenzen sind freilich nicht grofs, allein es ist schwerlich Zufall, dafs die letzteren durchweg im gleichen Sinne ausfallen.\nWie wir im \u00a7 21 n\u00e4her sehen werden, spielt die hier dargetane Abh\u00e4ngigkeit der Perseverationsst\u00e4rke von der Lesegeschwindigkeit auch eine Rolle mit beim Zustandekommen des paradoxen Resultats.\n1 Man vgl. die Best\u00e4tigung dieser Ausf\u00fchrungen durch K. Brodmann, Journal f. Psychol, u. Neurol. 3, S. 40 ff.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n203\n4. Auch auf den allgemeinen Gesichtspunkt, unter den die im ersten Teil hervorgehobene Tatsache f\u00e4llt, dafs die Bestandteile eines Lemmaterials, um bei ihrem Gegebensein gegenseitige Assoziationen einzugehen, bei den gew\u00f6hnlichen nicht langsamen Lesegeschwindigkeiten zun\u00e4chst einen gewissen Grad der Gel\u00e4ufigkeit besitzen m\u00fcssen, f\u00fchren uns die Aussagen zur\u00fcck, die meine Versuchspersonen in Beziehung auf den Einflufs der verschiedenen Lesegeschwindigkeiten getan haben. Jener allgemeine Gesichtspunkt ist der, dafs die innerliche Synthese der verschiedenen Glieder einer einzupr\u00e4genden Reihe sich nur dann in einem wesentlichen Grade vollziehen kann, wenn von dem gesamten Betrage disponibler geistiger Energie nicht ein zu grofses Quantum von der blofsen Arbeit des Lesens (Auffassens und Aussprechens) beansprucht wird. Finden die Lesungen mit bequemer Langsamkeit statt, so ist die f\u00fcr das blofse Lesen erforderliche Anspannung nur gering, und es kann daher unter Umst\u00e4nden schon von der ersten Lesung ab jene innerliche Synthese der Glieder stattfinden. Ist dagegen die vorgeschriebene Lesegeschwindigkeit eine gr\u00f6fsere, so m\u00fcssen zun\u00e4chst eine Anzahl von Lesungen dazu verwandt werden, den Lernstoff gel\u00e4ufig zu machen, d. h. f\u00fcr die nachfolgenden Wiederholungen die Lesearbeit zu verringern. Mit dieser Betrachtung stimmen nun eben die Aussagen meiner Versuchspersonen durchaus \u00fcberein. So gab z. B. M. folgende Bemerkung zu Protokoll: \u201eBei dem langsamen Lesen wird die eine oder die andere Silbe schon bei der ersten Wiederholung eingepr\u00e4gt, bei dem schnellen beginnt das Einpr\u00e4gen erst bei den sp\u00e4teren Wiederholungen\u201c. Die Aussage, die Versuchsperson U. in bezug hierauf beim unterst\u00fctzten Lernen machte, lautet ganz \u00e4hnlich : \u201eIn den langsamen Reihen versuchte ich schon bei den ersten Umdrehungen nicht blofs zu lesen, sondern auch zu lernen ; in den schnellen Reihen geschah dies nur ausnahmsweise, wenn ich besonders lebhafte Assoziationen hatte\u201c.1 Von diesem Gesichtspunkte aus wird ohne weiteres der Umstand verst\u00e4ndlich, dafs, wie die Resultate der Versuchsreihen 29\u201434 zeigen, die Wiederholungszahlen Wa im Falle der Benutzung sinnlosen Stoffes beim raschen Lesetempo verh\u00e4ltnism\u00e4fsig (d. h. im Vergleich zu den Wiederholungszahlen, welche sich beim langsamen Tempo ergeben)\n1 Vgl. dazu auch Oodek, S. 135.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nP. EphnmL\nh\u00f6her ausfallen als im Falle der Anwendung eines sinnvollen Stoffes. Von demselben Gesichtspunkte aus w\u00fcrde auch zu erwarten sein, dafs beim Operieren mit sinnhaltigem Stoffe das rasche Lesetempo zu relativ weniger ung\u00fcnstigen Resultaten (Trefferzahlen) f\u00fchre als bei Benutzung der sinnlosen Silben. Denn beim Einpr\u00e4gen des sinnhaltigen, d. h. gel\u00e4ufigen Stoffes kann die den intentionellen Assoziationen zugrunde liegende innerliche Synthese auch bei der gr\u00f6fseren Lesegeschwindigkeit unter Umst\u00e4nden schon bei den ersten Lesungen in merkbarem Mafse beginnen. Meine Resultate reichen nicht aus, um diesen Punkt mit Sicherheit zu entscheiden.\nIm Anschlufs an die letzten Ausf\u00fchrungen w\u00e4re noch zu erw\u00e4hnen, dafs bei der Erlernung des sinnvollen Stoffes die Versuchspersonen in verschiedenen Versuchsreihen, z. B. in Versuchsreihen 31 und 39, f\u00fcr einen Vorteil des langsameren Lesens insbesondere den Umstand hielten, daft dabei der logische Zusammenhang des Lernst\u00fcckes leichter als beim raschen Lesen erfafst wird. Aber es zeigten sich in dieser Beziehung auch individuelle Abweichungen; so fand z. B. Versuchsperson R. (Versuchsreihe 30), die im Auswendiglernen von Haus aus gut ge\u00fcbt war und im allgemeinen das S-Tempo allen anderen vorzog, dafs auch bei der grofsen Lesegeschwindigkeit der logische Zusammenhang des einzupr\u00e4genden Stoffes ohne irgendwelche Schwierigkeit vollst\u00e4ndig bewufst werde.\n5. Die Selbstbeobachtungen von M., der in zwei l\u00e4ngeren Versuchsreihen, n\u00e4mlich 27 und 34, als Versuchsperson fungierte, deuten ferner darauf hin, dafs bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten der sensorische Charakter seines Lernens nicht der gleiche war. Der Aussage dieser Versuchsperson gem\u00e4\u00df soll n\u00e4mlich bei ihr beim schnellen Lesen das visuelle Moment stark durch das akustisch-motorische zur\u00fcckgedr\u00e4ngt werden. Aus den Protokollen (zu Versuchsreihe 34) l\u00e4fst sich entnehmen, dafs, nachdem das erste fehlerfreie Hersagen einer S - Reihe bereits stattgefunden hatte, M. hinterher fast nie die Richtigkeit eines in der hergesagten Reihe von ihm genannten Vokales, wohl aber h\u00e4ufig die Richtigkeit des einen oder des anderen in einer Silbe der Reihe ausgesprochenen Konsonanten, namentlich Endkonsonanten, bezweifelte. Dagegen kamen F\u00e4lle letzterer Art nach dem Hersagen einer L- Reihe nur sehr selten vor. Dieser Umstand kann als Beweis daf\u00fcr gelten, dafs das Einpr\u00e4gen der S-Reihen in der Tat im wesentlichen nicht auf visuellem Wege geschah; denn, wie bekannt, werden beim","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zw Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n205\nvisuellen Lernen gerade die Konsonanten sicherer als die Vokale eingepr\u00e4gt.1\nEs ist nicht ausgeschlossen, dafs die hier erw\u00e4hnte \u00c4nderung des sensorischen Charakters des Lernens bei zunehmender Lesegeschwindigkeit in n\u00e4herem Zusammenh\u00e4nge mit der oben angef\u00fchrten Tatsache steht, dafs bei Erh\u00f6hung des Lesetempos zugleich auch die Perseverationsst\u00e4rke anw\u00e4chst Gewisse Erfahrungen erwecken den Eindruck, dafs das akustisch Eingepr\u00e4gte im allgemeinen st\u00e4rker perseveriere als das visuell Eingepr\u00e4gte.\nSoviel sich aus meinen hierauf bez\u00fcglichen Versuchsprotokollen ersehen l\u00e4fst, \u00fcbt die Geschwindigkeit des Lesens beim unterst\u00fctzten Lernen auch insofern auf die Art des Lernens einen Einflufs aus, als der Versuchsperson sich beim rascheren Lesen im allgemeinen eine geringere Anzahl von Hilfen zur Verf\u00fcgung stellt. * Auch bei Lemern vom wesentlich mechanischen Typus stellen sich assoziative oder Aufmerksamkeitshilfen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig viel h\u00e4ufiger beim langsamen Lesen als beim raschen Lesen ein.\nVom letzten Gesichtspunkte aus l\u00e4fst sich ohne weiteres verstehen, weshalb bei den Versuchen von Pentschew (a. a. O. S. 421) die assoziativen Hilfen \u201ebei Erwachsenen nicht vermieden werden konnten\u201c. Der genannte Experimentator operierte ebenso wie M. Keiveb Smith (a. a. 0. S. 232 ff.) bei Vorf\u00fchrung der sinnlosen Silbenreihen mit erheblich geringeren Botationsgeschwindigkeiten, als bei den bisher im hiesigen Institute mit sinnlosen Silbenreihen angestellten Versuchen benutzt wurden.\n6. Ferner spielt auch die innere Antizipierung der Silben vor ihrem direkten Erscheinen im Gesichtsfelde der Versuchsperson hier eine gewisse Rolle, indem eine derartige Vorwegnahme beim langsamen Tempo h\u00e4ufiger geschieht und leichter gelingt als beim raschen. So sagte z. B. U. in bezug hierauf folgendes: \u201eBei den langsamen Reihen versucht man nach den\n*\tVgl. M\u00fclleb und Pilzeckeb, S. 244 ff. Es mag hier bemerkt werden, dafs M. im wesentlichen ein Visueller ist. Wie die Angaben von Ogden (S. 119, 134 und 185) zeigen, wird der sensorische Charakter des Lernens auch bei einer Versuchsperson von vorwiegend akustisch - motorischem Typus bei zunehmender Lesegeschwindigkeit in der idem Obigen entsprechenden) Weise ver\u00e4ndert, dafs das visuelle Moment eine noch geringere Bolle neben dem akustisch - motorischen spielt.\n*\tBest\u00e4tigung auch bei Ogden, 8. 121 und 136.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nP. Ephrussi.\neinzelnen Silben die n\u00e4chste zu antizipieren, bei den schnellen hat man keine Zeit dazu\u201c.1\n7. Endlich verdient eine besondere Erw\u00e4hnung noch der folgende Umstand, der zwar nicht von meinen Versuchspersonen zu Protokoll gegeben wurde, aber bei den Versuchen von Ogden deutlich hervorgetreten ist. Das rasche Lesen gestattet n\u00e4mlich einen viel besseren \u00dcberblick \u00fcber das einzupr\u00e4gende Lernst\u00fcck als das langsame Lesen 2, so dafs im ersteren Falle die Lokalisierung der einzelnen Silben wie der Gruppen besser als im zweiten Falle gelingt. Dieser Umstand kann namentlich bei Anwendung des E-Verfahrens die bei einer gr\u00f6fseren Geschwindigkeit erlernten Reihen beg\u00fcnstigen, w\u00e4hrend er bei einer Pr\u00fcfung nach dem T -Verfahren nicht in gleichem Mafse ins Gewicht f\u00e4llt, da bei diesem Verfahren die Assoziationen mit den absoluten Stellen nicht die gleiche Rolle spielen wie bei dem E-Verfahren.\nObwohl das Vorstehende uns \u00fcber die bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten stattfindenden psychischen Vorg\u00e4nge wesentliche Aufkl\u00e4rungen bietet und f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis des paradoxen Resultats einige Gesichtspunkte enth\u00e4lt, so scheinen doch die letzteren zu einer voll befriedigenden Erkl\u00e4rung desselben auch nach der quantitativen Seite hin nicht auszureichen. Dasjenige Moment, welches f\u00fcr das paradoxe Verhalten der Resultate wirklich in erster Linie mafsgebend war, wird vielmehr erst durch die im nachstehenden Paragraphen mitzuteilenden Versuche festgestellt.\nVon den sonstigen Aussagen meiner Versuchspersonen ist noch zu bemerken, dafs Versuchsperson M. beim Lernen der 12silbigen sinnlosen Reihen (Versuchsreihe 34) von selbst, ohne irgendwelche Vorkenntnisse in diesem Punkte zu haben und auch ohne durch die ihr erteilte Instruktion irgendwie beeinflufst zu sein, die \u00c4ufserung machte, dafs beim Lernen der betreffenden Reihen (E- Verfahren) dieselben stets \u201ein zwei Teile geteilt werden\u201c, und dafs die Silben \u201eje nach ihren Stellen in der Reihenh\u00e4lfte\u201c gemerkt werden.3 Der weiteren Aussage dieser Versuchsperson gem\u00e4fs soll in der Regel \u201ezuerst der erste und der letzte Takt, dann der zweite und der vorletzte und endlich der dritte und drittletzte Takt\u201c eingepr\u00e4gt werden.\n1\tWiederum Best\u00e4tigungen bei Ogden a. a. O. S. 118 und 154.\n2\tOgden a. a. O. S. 119 ff., 134 und 136.\n3\tDiese Aussage stimmt mit den von M\u00fcller und Schumann a. a. O. S. 311 gemachten Beobachtungen ganz \u00fcberein.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n207\n\u00a7 21. Versuchsreihen 35 und 36.\n\u00dcber die Abh\u00e4ngigkeit, in welcher der Abfall def Assoziationen bei fortschreitender Zeit zu der\nLesegeschwindigkeit steht. Versuchsreihe 37.\nWie angegeben, fand in den Versuchsreihen 26\u201428 dai Vorzeigen der Silben (oder der W\u00f6rter) aus s\u00e4mtlichen in der betreffenden Sitzung gelesenen Reihen immer erst 5 Min. nach dem Lesen der letzten Reihe statt. Dagegen folgte das Hersagen der Strophen (oder Silbenreihen) in Versuchsreihe 29\u201432 stets unmittelbar auf das Lesen derselben, wie es ja bei Anwendung des E-Verfahrens der Fall zu sein pflegt. Von vornherein erscheint es m\u00f6glich, dafs diese Verschiedenheit des zeitlichen Intervalles zwischen dem Lesen des Stoffes und dem Pr\u00fcfen des Eingepr\u00e4gten f\u00fcr den Ausfall der Resultate bei beiden Pr\u00fcfungs-methoden nicht gleichg\u00fcltig gewesen sei, und dafs dieser Gesichtspunkt auf irgend eine Weise zur Erkl\u00e4rung des paradoxen Resultates mit herangezogen werden m\u00fcsse. Diese \u00dcberlegung diente als Ausgangspunkt f\u00fcr die Versuchsreihen 35 und 36, in denen untersucht werden sollte, wie sich der Einflufs der Geschwindigkeit des Lesens bei Anwendung des T7-Verfahrens gestaltet, wenn das Vorzeigen direkt auf das Lesen des Stoffes folgt.\nIn diesen Versuchsreihen war die allgemeine Versuchsanordnung sowie die Instruktion der Versuchspersonen dieselbe wie in Versuchsreihe 26\u201428, nur fand das Vorzeigen f\u00fcr jede einzelne Reihe unmittelbar, d. h. ca. 20 Sek.1 nach dem Lesen derselben statt. Aufserdem hielt ich es f\u00fcr zweckm\u00e4fsig, in der Versuchsreihe 35 mit l\u00e4ngeren (16silbigen) Silbenreihen zu operieren. Dabei wurden die von M\u00fclleb und Pilzeckek stammenden 18silbigen Reihen auf die Weise benutzt, dafs die beiden letzten Silben einer Reihe weggelassen, d. h. mittels eines leeren Papierstreifens \u00fcberklebt wurden. Sowohl die Abst\u00e4nde der Mittelpunkte von je zwei benachbarten Silben wie auch der Raum zwischen der letzten und der ersten Silbe einer Reihe waren dieselben wie in den Versuchsreihen 26\u201428.\nVersuchsreihe 35. Versuchsperson S. 9 Versuchstage.\n1 8oviel Zeit war notwendig, damit Versuchsperson und Versuchsleiter sich vom Kymographion zu ihren beim Vorzeigen einzunehmenden Platzen begeben und sich dort f\u00fcr das Weitere vorbereiten konnten.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nP. Ephrussi.\nIn jeder Sitzung wurden drei Reihen gelesen. Bei den S-Reihen war B = 11 Sek. und W = 22, bei den IR-Reihen war B \u2014 15 Sek. und W \u2014 16, bei den L- Reihen B = 24 Sek., W \u2014 10. Die Pause zwischen dem Vorzeigen der Silben einer Reihe und dem Lesen der folgenden Reihe betrug 3 Min. ; das Einpr\u00e4gen war ein unterst\u00fctztes.\n\tr\tTr\tTr < 1500\tf\tV\nA-Reihen\t0,64\t2580\tt 13\t0,6\t0,28\nM- \u201e\t0,58\t2720\t13\t0,6\t0,31\ns- \u201e\t0,32\t2840\t7\t0,14\t0,46\n(n = 72)\nVersuchsreihe 36. Versuchsperson F. Als Lernstoff dienten hier achtpaarige Wort- und Zahlenreihen. 12 Versuchstage. In jeder Sitzung wurden 3 Reihen vorgef\u00fchrt. Bei den S- Reihen war B \u2014 18 Sek. und W = 12, bei den iR-Reihen B \u2014 27 Sek. und W \u2014 8, bei den L- Reihen B \u2014 54 Sek., W = 4. In den ersten Sitzungen war das Lernen ein rein mechanisches, in den sp\u00e4teren kamen hin und wieder Hilfen vor.\n\tr\tTr\tTr < 1500\tf\tV\nA-Reihen\t0,39\t5630\t15\t0,31\t0,22\nM- \u201e\t0,32\t3800\t13\t0,29\t0,33\ns- \u201e\t0,30\t4000\t15\t0,31\t0,28\n(n \u2014 96)\nDie Resultate dieser Versuchsreihen 35 und 36 zeigen zun\u00e4chst eine wesentliche \u00dcbereinstimmung mit den entsprechenden Ergebnissen der Versuchsreihen 26\u201428; die Trefferzahl nimmt bei wachsender Lesegeschwindigkeit ab. Der Umstand, dafs das Vorzeigen in den ersteren Versuchsreihen ohne l\u00e4ngere Pause auf das Lesen folgte, scheint den Ausfall der Resultate im ganzen wenig beeinflufst zu haben.1 Wie wir uns aber sogleich \u00fcber-\n1 Dabei darf aber nicht unerw\u00e4hnt bleiben, dafs in Versuchsreihe 35 das S- Tempo vermutlich bessere und von den Ergebnissen der beiden anderen Tempi weniger differierende Resultate ergeben h\u00e4tte, wTenn nicht im Laufe der Versuchsreihe bei der benutzten Versuchsperson eine rapid zunehmende Semesterm\u00fcdigkeit sich geltend gemacht h\u00e4tte. Bei der gegebenen L\u00e4nge der Silbenreihen und der betr\u00e4chtlichen Wiederholungszahl","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge ntr Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n209\nzeugen werden, zeigt sich bei einer geeigneten Anordnung der Ergebnisse obiger zwei Versuchsreihen mit grofser Evidenz, dafs der Gesichtspunkt, woraufhin diese beiden Versuchsreihen angestellt wurden, in der Tat zutreffend ist.\nBeim Vorzeigen in Versuchsreihe 36 machte ich n\u00e4mlich die Beobachtung, dafs die Versuchsperson nach dem Lesen einer S-Reihe am Anf\u00e4nge des Vorzeigens, d. h. bei den ersten Vorzeigungen, viel mehr Treffer ergab als bei den weiteren Vorzeigungen, w\u00e4hrend beim Vorzeigen nach einer langsamer gelesenen Reihe etwas Entsprechendes sich nicht zeigte.1 Auch der Versuchsperson selbst fiel dieser Tatbestand auf. Um dieses Verhalten n\u00e4her festzustellen und weiter zu verfolgen, habe ich die in Versuchsreihe 35 und 36 erhaltenen Treffer nach den Zeitlagen des Vorzeigens geordnet und zwar so, dafs f\u00fcr jede Reihenart (L-, M- oder S - Reihen) die bei der ersten und zweiten Zeitlage des Vorzeigens erhaltenen Treffer zusammengenommen wurden, ebenso die bei der dritten und vierten, f\u00fcnften und sechsten, siebenten und achten Zeitlage erzielten Treffer. Die nachstehenden Tabellen zeigen in der Tat, und zwar auf eine eklatante Weise, dafs der Abfall der Assoziationen in der Zeit eineFunktion der Lesegeschwindigkeit ist.\nDie Trefferzahlen nach den Zeitlagen geordnet. Versuchsreihe 35.\nZeitlage a\tI\u2014II\tIII\u2014IV\tV\u2014VI\tvu \u2014 vm\nL- Reihen\t11\t15\t9\tii\nM \u201e\t8\t11\t11\tio\n8- \u201e\t11\t6\t5\t' 2\nVersuchsreihe 36.\t\t\t\t\nL- Reihen 1.\t12\t10\t8\t9\nM- \u201e\tii\t11\t8\t6\ti\t7\nS' \u201d J\t13\t9\t5\t! 2\nkonnte die Erm\u00fcdung st\u00e4rker bei den S-Reihen als bei den anderen Reihen mitspielen. Die Protokolle zeigen, dafs die Trefferzahlen in den sp\u00e4teren Sitzungen bei den S- Reihen viel st\u00e4rker abnehmen als bei den anderen Reihen.\n1 Die (8) Vorzeigungen f\u00fcr eine Reihe nahmen in Versuchsreihe 36 einschlietislich der nach den einzelnen Reaktionen vor sich gehenden Aus sagen der Versuchsperson \u00fcber etwaige assoziative Hilfen u. dgl. insgesamt etwa 7 bis 8 Min. in Anspruch.\nZcitichrift f\u00fcr Piyohologie 37.\n14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nP. Eplirumti.\nMan sieht sofort, wie ungleich die Trefferzahlen bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten sich auf die Zeitlagen de\u00bb Vorzeigens verteilen. W\u00e4hrend in der ersten Zeitlage die Trefferzahlen bei den S- Reihen keineswegs geringer ausfallen als bei den anderen (L- und M-Reihen), sind die Treffer aus den ersteren Reihen in den sp\u00e4teren, namentlich aber in den letzten Zeitlagen bedeutend seltener als diejenigen aus den anderen Reihen. Vielleicht noch deutlicher zeigt sich der steilere Abfall der beim raschen Lesen gestifteten Assoziationen, wenn man bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten die bei den 4 ersten Zeitlagen erhaltenen Trefferzahlen mit den bei den 4 letzten Zeitlagen erhaltenen vergleicht.\nAuch die hierher geh\u00f6rigen Ergebnisse der Versuchsreihe 33 und 34 wurden von demselben Gesichtspunkte aus geordnet Zwar war in diesen Versuchsreihen die Zeit, die das Vorzeigen der Silben beanspruchte, wesentlich k\u00fcrzer (nur 3\u20144 Min.) als in den Versuchsreihen 35 und 36, so dafs die Verschiedenheit des Abfalls der Assoziationen in der Zeit weniger deutlich her vortreten konnte; dennoch erhalten wir bei entsprechender Anordnung der Resultate ein dem obigen im wesentlichen analoges Bild. In Versuchsreihe 34 wird die Trefferzahl bei den S- Reihen in den sp\u00e4teren Zeitlagen deutlich geringer, w\u00e4hrend sie bei den L-, M\"- und M- Reihen fast auf derselben H\u00f6he wie in den fr\u00fcheren verbleibt oder sogar noch etwas zunimmt. Auch in Versuchsreihe 33 ist ein etwas steilerer Abfall auf Beiten der S- Reihen zu konstatieren, obwohl hier die Differenz weniger scharf hervortritt.\nDie Trefferzahlen nach den Zeitlagen geordnet.\nVersuchsreihe 33.\t\t\nZeitlage\t'\tI-III\tIV-VI\nL- Reihen\t42\t41\ns-\t40\t37\nVersuchsreihe 34.\t\t\nL- Reihen\t29\t32\nM \u201e\t31\t30\nM \u201e\t30\t31\ns- \u201e\t28\t23","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n211\nSpeziell zum Zweck einer weiteren Best\u00e4tigung des in den letzten Versuchsreihen erhaltenen Resultats wurde noch die Versuchsreihe 37 angestellt. Die Versuche umfafsten 8 Tage. Versuchsperson T. hatte in jeder Sitzung zwei l\u00f6silbige Reihen zu lesen. Bei den S- Reihen war R \u2014 10,5 Sek. und W \u2014 20, bei den L- Reihen R = 21 Sek. und W \u2014 10. Das Vorzeigen fand wiederum 20 Sek. nach dem Lesen der Reihe statt. Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe stimmen in der Tat mit den obigen \u00fcberein.\nDie Trefferzahlen nach den Zeitlagen geordnet.\nZeitlage\tI-IV\tV-VIII\nL-Reihen\t26\t22\ns- \u201e\t14\t6\nNachdem wir uns durch 5 Versuchsreihen, die an 5 verschiedenen Versuchspersonen angestellt worden sind, davon \u00fcberzeugt haben, dafs in der Tat dem schnellen Lesen ein steilerer Abfall der Assoziationen in der Zeit entspricht als dem langsamen Lesen, sind nur noch wenige Worte in Beziehung auf Versuchsreihe 26\u201428 hinzuzuf\u00fcgen, in denen, wie mehrfach erw\u00e4hnt, das Vorzeigen erst 5 Minuten nach dem Lesen der letzten Reihe stattfand. Da soeben gestiftete Assoziationen, wie bekannt, zwar unmittelbar nach dem Lesen sehr schnell, aber schon nach wenigen Minuten nur noch mit bedeutend geringerer Geschwindigkeit abfallen, so begann in diesen Versuchsreihen das Vorzeigen in einem Stadium, wo der Abfall der Assoziationen relativ nur noch langsam vor sich ging. Demgem\u00e4fs l\u00e4fst sich nicht erwarten, dafs in diesen Versuchsreihen die Abh\u00e4ngigkeit des Abfalls der Assoziationen von der Lesegeschwindigkeit hinl\u00e4nglich deutlich hervortrete. In der Tat kann man den Resultaten dieser Versuchsreihen etwas bestimmtes in der hier in Rede stehenden Beziehung nicht entnehmen. Es l\u00e4fst sich also der Einflufs der Lesegeschwindigkeit auf den Abfall der Assoziationen zwar sehr deutlich in den ersten Minuten nach dem Lesen nachweisen, hingegen ist dieser Nachweis, wie zu erwarten, sohwer zu erbringen f\u00fcr diejenigen Stadien, wo der Abfall der Assoziationen ganz allgemein nur noch ein langsamer ist.\nWas nun die Frage anbelangt, worin eigentlich die hier festgeetellte Abh\u00e4ngigkeit des Abf\u00e4lle der Assoziationsetftrke von der Lesegeschwindig-\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nP. Ephrussi.\nkeit ihren Grund habe, so spielt hier wohl die oben (S. 202) dargetane Tatsache mit eine Rolle, dafs die Perseverationsst\u00e4rke bei zunehmender Lesegeschwindigkeit und Zunahme von W anw\u00e4chst. Wir wissen (M\u00fcller und Pilzecker ij 11), dafs die Trefferzahl unter sonst gleichen Umst\u00e4nden um so gr\u00f6fser ist, je st\u00e4rker die Perseverationstendenzen der Glieder der gelesenen Reihe sind, und dafs die Perseverationstendenzen unmittelbar nach dem Lesen der betreffenden Reihe sehr schnell absinken. Besitzen also bei einer Art des Lesens (bei gr\u00f6fserer Lesegeschwindigkeit) die Perseverationstendenzen der Glieder unmittelbar nach dem Lesen eine gr\u00f6fsere St\u00e4rke als bei einer anderen Art des Lesens (bei geringerer Lesegeschwindigkeit), so wird im ersteren Falle die Trefferzahl unmittelbar nach dem Lesen schneller abfallen als im zweiten Falle.\nMan wird vielleicht meinen, den Abfall in der Zeit der bei verschiedenen Lesegeschwindigkeiten gestifteten Assoziationen auch mittels des E- Verfahrens pr\u00fcfen zu k\u00f6nnen, indem man die bei verschiedenen Lesegeschwindigkeiten bis zu einem bestimmten Grade (z. B. der ersten fehlerfreien Reproduktion) eingepr\u00e4gten Lernst\u00fccke nach einem l\u00e4ngeren Zeitintervall (z. B. 24 Stunden) wieder erlernen liefse. Nach unseren obigen Resultaten w\u00e4re dann zu erwarten, dafs die mit grofser Lesegeschwindigkeit erlernten. Reihen mehr Wiederholungen f\u00fcr die Wiedererlernung erfordern, als die mit geringerer Lesegeschwindigkeit erlernten Reihen. Die in bezug auf diese Frage von Ebbinghaus (a. a. 0. S. 642) angegebenen, an ihm selbst gewonnenen Resultate, nach denen die im rascheren Tempo gelernten Strophen auch besser behalten wurden, d. h. nach 24 Stunden innerhalb k\u00fcrzerer Zeit wiedererlernt wurden, scheinen allerdings mit dieser Schlufsfolgerung in Widerspruch zu stehen. Indessen bemerkt Ebbinghaus selbst, dafs \u201eden geringen Differenzen\u201c der von ihm erhaltenen Zeiten der Wiedererlernung bei der (nicht n\u00e4her angegebenen) \u201ebeschr\u00e4nkten Zahl\u201c seiner Versuche \u201ekein grofser Wert beigelegt werden\u201c k\u00f6nne. Ferner besteht bei seinen Versuchen eine Komplikation insofern, als die mit verschiedenen Geschwindigkeiten gelernten Stanzen nach 24 Stunden s\u00e4mtlich mit einer und derselben mittleren Geschwindigkeit wieder zu erlernen waren. Auch ist zu bemerken, dafs er sinnvollen Stoff (Stanzen) benutzte, der vermutlich den Abfall der Assoziationen in der Zeit und seine feineren Gesetzm\u00e4fsigkeiten weniger leicht und deutlich erkennen l\u00e4fst wie der von mir benutzte sinnlose Lernstoff. Ich f\u00fcge hinzu, dafs gem\u00e4fs dem in der Anmerkung 2 zu S. 188 angegebenen auch ich \u00fcber eine Anzahl hierher geh\u00f6riger Resultate verf\u00fcge. Da diese Resultate in den verschiedenen Versuchsreihen verschieden ausgefallen und zugleich nicht zahlreich genug sind, so l\u00e4fst sich denselben ein bestimmter Schlufs nicht entnehmen. Jedenfalls zeigen sie, dafs es nicht m\u00f6glich ist, hinsichtlich der in Rede stehenden Frage durch eine beschr\u00e4nkte Anzahl wenig ausgedehnter Versuchsreihen etwas Sicheres festzustellen.\nDas Wichtigste aber, was hier bemerkt werden mufs, ist dies, dafs, wenn Resultate, die in der oben angedeuteten Weise mittels des JE-Verfahrens \u00fcber die Wiedererlernung der mit verschiedenen Geschwindigkeiten erlernten Reihen gewonnen worden sind, nicht analog sich verhalten wie","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\t213\ndie you mir mittels des T- Verfahrens erzielten Ergebnisse, alsdann hierin nicht ohne weiteres ein Widerspruch zu erblicken ist. Denn das E- Verfahren ist \u00fcberhaupt nicht imstande, uns \u00fcber den Abfall der Assoziationsst\u00e4rke in der Zeit eine unzweideutige Auskunft zu geben, da die Zahl der Lesungen, die f\u00fcr die Wiedererlernung einer Reihe erforderlich ist, nicht blofs von der bei Beginn der Wiedererlernung vorhandenen St\u00e4rke der Assoziationen dieser Reihe abh\u00e4ngig ist, sondern zugleich auch noch von der Suszeptibilit\u00e4t der Assoziationen, d. h. von der \u201eLeichtigkeit, mit welcher dieselben bei eintretenden Neuwiederholungen der betreffenden Silbenfolgen eine bestimmte Erh\u00f6hung ihrer St\u00e4rke erfahren\u201c (M\u00fcllbb und Pilzbckbr, S. 280), abh\u00e4ngt. Wir wissen nicht, in welcher Weise diese Suszeptibilit\u00e4t von der Geschwindigkeit abh\u00e4ngt, mit welcher die Reihen bei ihrer Erlernung gelesen worden sind.\nIch brauche nicht erst zu bemerken, dafs sich die Versuche \u00fcber den Einflufs der Lesegeschwindigkeit auf das Behalten in mannigfacher Weise variieren lassen. Von besonderem Interesse w\u00fcrde es sein, genauer fest-instellen, welchen Einflufs bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten des ersten Erlernens die Geschwindigkeit des Lesens beim Wiedererlernen auf die Resultate aus\u00fcbt. Die Resultate meiner Versuche stimmen am meisten zu der Vermutung, dafs wenigstens innerhalb der bei meinen Versuchen benutzten Grenzen 1 es am schnellsten zum Ziele f\u00fchrt, sich beim Wiedererlemen eines bereits vor 24 Stunden erlernten St\u00fcckes des raschesten Tempos zu bedienen.\nAuf Grund des obigen Satzes, dafs der gr\u00f6fseren Lesegeschwindigkeit ein steilerer Abfall der Assoziationen entspricht, gelangen wir nun zu einer vollkommen befriedigenden Erkl\u00e4rung unseres paradoxen Resultats. Dasselbe beruht in erster Linie darauf, dafs zwar die Resultate der Treffermethode, nicht aber auch diejenigen der Methode der unmittelbaren Erlernung von dem Abfall abh\u00e4ngig sind, den die Assoziationen bei fortschreitender Zeit erfahren. Dieser Abfall der Assoziationen konnte sich nicht geltend machen, als wir jede Reihe sofort bis zum fehlerfreien Hersagen lernen liefsen, wohl aber dann, als wir die durch das Lesen gestifteten Assoziationen nach k\u00fcrzerer oder l\u00e4ngerer Zwischenpause durch die Vorzeigungen des Trefferverfahrens pr\u00fcften. Es konnte sich also der bei der gr\u00f6fseren Lesegeschwindigkeit vorhandene steilere Abfall der Assoziationen auch nur bei Anwendung des letzteren Verfahrens zuungunsten der gr\u00f6fseren Lesegeschwindigkeit geltend machen. Zu der hier gegebenen Erkl\u00e4rung des paradoxen Resultats tritt\n1 Die diesen Versuchen benutzten Geschwindigkeiten waren dieselben wie die in Versuchsreihen 29\u201481 angewandten.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nP. Ephnttti.\ndann noch in mehr nebens\u00e4chlicherWeise das bereits fr\u00fcher (S. 201 u. 206) bemerkte hinzu, n\u00e4mlich der Umstand, dafs die Steigerung, welche die St\u00e4rke gewisser Nebenassoziationen durch eine Erh\u00f6hung der Lesegeschwindigkeit erf\u00e4hrt, zwar dem .E-Verfahren in gewisser Hinsicht g\u00fcnstig, hingegen f\u00fcr das 7-Verfahren gleichg\u00fcltig oder gar nachteilig ist, und dafs die Erleichterung der Lokalisierung der einzelnen Glieder und Gruppen, welche bei Erh\u00f6hung der Lesegeschwindigkeit eintritt, bei dem E-Verfahren mehr ins Gewicht f\u00e4llt als bei dem T-Verfahren.\nKapitel VII.\n\u00dcber den Einflnfs der Geschwindigkeit des Lesens vom kraftdkonomischen Standpunkte aus.\n\u00a7 22. Versuchsanordnung. Versuchsreihen 38\u201441.\nDie Mehrzahl der Versuchspersonen erkl\u00e4rten, wie bereits S. 200 angedeutet, namentlich am Beginn einer Versuchsreihe, dafs die gr\u00f6fste Lesegeschwindigkeit eine st\u00e4rkere Anspannung der Aufmerksamkeit mit sich bringe und anstrengender sei als die \u00fcbrigen Geschwindigkeiten. Diese Aussage legte die Frage nahe, ob bei jedesmaligem Lernen bis zum ersten fehlerfreien Hersagen ein rascheres Lesen nicht auch mit einem gr\u00f6fseren Kraftaufwande verkn\u00fcpft sei und demgem\u00e4fs auch eine st\u00e4rkere Erm\u00fcdung hinterlasse als ein langsameres Lesen. Die bisherigen numerischen Ergebnisse haben gezeigt, dafs die Wiederholungszahl Wa beim schnellen Lesen in der Regel h\u00f6her ist als beim langsamen Lesen. Das Anwachsen der Wiederholungszahl beim raschen Lesen beweist aber noch nicht, dafs diese Lesegeschwindigkeit wirklich einen gr\u00f6fseren Kraftaufwand bewirkt ; die einzelnen Wiederholungen k\u00f6nnen vielmehr je nach der jeweiligen Anspannung der Aufmerksamkeit und je nach der L\u00e4nge der von ihnen in Anspruch genommenen Zeit und anderen Umst\u00e4nden einen verschiedenen Kraftaufwand darstellen. Es w\u00e4re demnach ganz irrt\u00fcmlich, wenn man, wie es z. B. Pentschew bei seinen bereits zitierten Untersuchungen tat, den bei den verschiedenen Lernweisen vorhandenen Kraftaufwand einfach nach der Anzahl der zur Erlernung erforderlichen Wiederholungen bestimmen wollte.1\n1 Die Bestimmung der \u00d6konomischen Weite verschiedener Memoriermethoden in erster Linie auf Grund der zum Erlernen erforderliche#","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n215\nDem soeben bemerkten gem\u00e4fs erfordert die Bestimmung des kraft\u00f6konomischen Wertes verschiedener Lemmethoden, d. h. in unserem Falle der verschiedenen Lesegeschwindigkeiten, eine spezielle Untersuchung f\u00fcr sich. Die nachfolgenden Versuchsreihen 38\u201441 dienen zur Beantwortung der Frage, inwieweit bzw. in welcher Richtung der Einflufs, den andauerndes Lernen auf die Leistungsf\u00e4higkeit der Versuchsperson aus\u00fcbt, von der Lesegeschwindigkeit beim Lernen abh\u00e4ngt.\nDie Versuchspersonen hatten in jeder Sitzung bei einer und derselben Lesegeschwindigkeit 8 Silbenreihen (resp. Strophen), jede bis zum ersten fehlerfreien Hersagen, auswendig zu lernen,\nWiederholungezahl war gerade in der Untersuchung von Pbntschew (\u00dcber das Lernen im ganzen und das Lernen in Teilen) um so weniger angebracht, als, wie es Pbntschew selbst ausdr\u00fccklich betont (vgl. 8. 433 und 622), die Konzentration der Aufmerksamkeit, sowie die durch das Lernen verursachte Erm\u00fcdung der Versuchspersonen bei den verschiedenen Lernweisen in der Tat ganz verschiedene waren.\nBei dieser Gelegenheit mufs noch eins betreffs der in Rede stehenden Abhandlung von Pbntschew bemerkt werden. Derselbe hat gefunden, dafs beim Lernen l\u00e4ngerer sinnvoller St\u00fccke das Lernen im ganzen namentlich insofern viel \u00f6konomischer ist, als dieses Verfahren eine bedeutend geringere Wiederholungszahl als das Lernen in Teilen erfordert. Anderer seits fand er, dafs die Erlernungszeiten (im Falle der Benutzung des sinnvollen Lernstoffes) beim Lernen im ganzen nicht wesentlich k\u00fcrzer ausfielen als beim Lernen in Teilen. Auf Grund dieses Resultates, dafs die ETlernungszeiten sich nicht entsprechend den Wiederholungszahlen verhielten, stellt Pentschew den Satz auf, dafs bei Entscheidung der von ihm untersuchten Frage die Wiederholungszahl \u00fcberhaupt ein viel beweiskr\u00e4ftigerer und deutlicherer Mafsstab sei als die Erlernungszeit (vgl. S. 524). Aber das obige Resultat beruht einfach auf dem Umstande, dafs bei den in Rede stehenden Versuchen von Pbntschew durchaus nicht der wirkliche Einflnfs des Lernens im ganzen oder des Lernens in Teilen festgestellt wurde, sondern neben den Verschiedenheiten dieser Lern weisen war der Einflufs der Geschwindigkeit des Lesens als ein zweiter variabler Faktor mit im Spiele. Aus dem von Pbntschew selbst zu wiederholten Malen angegebenen ergibt sieb, dafs seine Versuchspersonen (anders wie diejenigen von Lottie Steffens, die nach den vorliegenden Angaben und Tabellen derselben bei beiden Lernweisen sich in Beziehung auf die Lesegeschwindigkeit wesentlich gleich verhielten) beim Lernen der Strophen im ganzen langsamer als beim Lernen in Teilen gelesen haben (8. 470 und 524). Pbntschew zieht aber hieraus nicht die Konsequenz, dafs infolge dieser Fehlerquelle die von ihm bei den verschiedenen Lernweisen erhaltenen Resultate an und f\u00fcr sich der erforderlichen Eindeutigkeit entbehren.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nP. Ephrussi.\nund zwar kam an den einen Tagen nur ein rasches Tempo, an den anderen nur ein langsames zur Anwendung. Es sollte nun festgestellt werden, in welcher Weise sich die Lernzeit f\u00fcr eine Reihe (oder Strophe) im Verlaufe einer Sitzung einerseits an den Tagen der gr\u00f6fseren Lesegeschwindigkeit und andererseits an den Tagen der geringeren Lesegeschwindigkeit \u00e4nderte. Um den Ein-flufs der Erm\u00fcdung bei diesen Versuchen m\u00f6glichst deutlich hervortreten zu lassen, wurden die Pausen, die zwischen die einzelnen Reihen (oder Strophen) fielen, k\u00fcrzer genommen (80 bis 90 Sek.), als es sonst bei unseren Versuchen entsprechend der allgemeinen Vorschrift, der Erm\u00fcdung m\u00f6glichst entgegen zu wirken, der Fall war. Da das Memorieren im allgemeinen keine leichte Besch\u00e4ftigung ist1, so konnte man erwarten, dafs bei dem Lernen von 8 Reihen oder Strophen, das im allgemeinen etwa 30\u201445 Minuten beansprucht, etwaige durch die Verschiedenheit der Lesegeschwindigkeiten bedingten Unterschiede der Erm\u00fcdung bereits mit hinl\u00e4nglicher Deutlichkeit hervortreten w\u00fcrden.\nIn Versuchsreihe 38, 39 und 41 wurde die den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten entsprechende Erm\u00fcdung noch auf eine andere Weise gepr\u00fcft, n\u00e4mlich durch Pr\u00fcfung der Auffassungsf\u00e4higkeit der Versuchsperson, wobei die von Cron und Kr\u00e4pelin (Psychol. Arbeiten, Bd. 2) zur Messung der Auffassungsf\u00e4higkeit angegebene Methode benutzt wurde. In den zwei ersteren Versuchsreihen \u2014 auf die Versuchsreihe 41 komme ich noch weiterhin zu sprechen \u2014 hatten die Versuchspersonen am Schl\u00fcsse jeder Sitzung, d. h. nach dem Lernen der letzten (8.) Reihe oder Strophe, sich vor die auf einer vertikalen Achse in Schneckenwindungen rotierende Trommel eines Kymographions zu begeben, auf der 280 zweisilbige deutsche W\u00f6rter aufgezeichnet waren, die bei hoher konstanter Rotationsgeschwindigkeit der Trommel der Versuchsperson durch einen schmalen Spalt sukzessiv sichtbar wurden. Vom Schlufs des Lernens bis zum Beginn der Auffassungsversuche verstrich stets eine Zeit von ca.\n1 Betreffs der Schwierigkeit des Auswendiglernens \u00e4ufsert sich z. B. Kr\u00e4pelin (\u00dcber geistige Arbeit, Jena 1901, S. 27) folgendermafsen : \u201eDas Auswendiglernen geh\u00f6rt zu den anstrengendsten geistigen Arbeiten. Von zehn erwachsenen Versuchspersonen zeigten nicht weniger als sechs bei dieser Aufgabe schon nach der ersten Viertelstunde die Zeichen rasch wachsender Erm\u00fcdung, trotz sehr bedeutender \u00dcbungswirkungen.\u201c","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n217\n2 Minuten. Das eine Auge der Versuchsperson war mit einer schwarzen Klappe verdeckt, mit dem andern hatte sie durch den Spalt auf die vorbeirotierende, mittels einer Gasflamme beleuchtete Trommel zu blicken und dabei m\u00f6glichst viele W\u00f6rter laut abzulesen. Das Verh\u00e4ltnis, in welchem die Zahl der W\u00f6rter, die nach dem Lernen bei gr\u00f6fserer Lesegeschwindigkeit richtig abgelesen wurden, zu der Zahl von richtig abgelesenen W\u00f6rtern steht, welche sich nach dem Lernen bei geringerer Lesegeschwindigkeit ergab, kann ein Urteil \u00fcber den Einflufs der beim Lernen benutzten Lesegeschwindigkeit auf die Auffassungs-f\u00e4higkeit der Versuchsperson gew\u00e4hren.\nVersuchsreihe 38. Versuchsperson Q. 16 Versuchstage. 8 zehnsilbige normale Reihen wurden am 1., 3., 5. usw. Tage bei R = 8 Sek., am 2., 4., 6. usw. Tage bei B = 16 Sek. gelernt. Die Pr\u00fcfung der Auffassungsf\u00e4higkeit fand (nach vorausgeschickter geh\u00f6riger Ein\u00fcbung) an den letzten 8 Versuchstagen statt. Dabei war die Umlaufszeit1 der Trommel = 2 Min. 6 Sek., die Spaltweite an den 4 ersten Tagen = 4,5 mm, an den 4 letzten = 4 mm. Die erste der nachstehenden Zusammenstellungen enth\u00e4lt, wie gew\u00f6hnlich (vgl. Versuchsreihen 29\u201431), die bei den verschiedenen Lesegeschwindigkeiten erhaltenen Durchschnittswerte der Erlemungszeit und der Wiederholungszahl, die zweite gibt die Resultate der Auffassungsversuche an, wobei die Zahl der bei einem Versuche (Vorf\u00fchrung von 280 W\u00f6rtern) durchschnittlich richtig aufgefafsten W\u00f6rter unter den Buchstaben Ar, die entsprechende Zahl der falsch aufgefafsten W\u00f6rter unter Af angef\u00fchrt werden soll. Die Zahl der ausgelassenen W\u00f6rter ist durch die Differenz 280\u2014Ar\u2014Af gegeben. In der an dritter Stelle gegebenen Zusammenstellung soll mit Z' die Erlemungszeit (arithmetisches Mittel), die sich bei den ersten 4 Zeitlagen des Lernens f\u00fcr eine Reihe durchschnittlich ergab, mit Z\" der entsprechende Mittelwert f\u00fcr die Erlernung einer Reihe aus den letzten 4 Zeitlagen bezeichnet werden. Eine analoge Anordnung der Resultate wird auch in den weiteren Versuchsreihen stattfinden.\n1 Unter der Umlaufszeit der Trommel wird hier die Zeit verstanden, wahrend welcher die Trommel bei der Vorfahrung der 280 W\u00f6rter in Rotation war.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nP. Ephrnm-\nZa\t\tZc\tWa\tWc\tE\nL- Reihen\t2 Min. 18 Sek.\t2 Min. 10 Sek.\t9,9\t7,8\t7 Sek\ns- \u201e\t2 \u201e 1 \u201e\t1\t\u201e\t48\t\u201e\t15,5\t13,6\t6 \u201e\n(n = 64)\nNach den g Ar i\tA/\nL- Reihen !, 164\t12\ns- \u201e\ti;\t151\tn\n\tz\tz\tDiflereni\nL- Reihen S- \u201e\t2 Min. 13 Sek. 1 ^ \u00bb\t2 Min. 22 Sek. 2 \u201e 6 \u201e\t+ 9 Sek. + 1t \u201e\nVersuchsreihe 39. Versuchsperson Eu. 12 Versuchstage. Als Lemmaterial dienten Strophen der \u201eZerst\u00f6rung von Troja\u201c. Am 1., 3., 5. usw. Tage wurden die Strophen bei einer Geschwindigkeit, welche 100 Metronom Schl\u00e4gen in der Minute entsprach (vgl. S. 1881), gelesen, am 2., 4. usw. Tage bei der Geschwindigkeit entsprechend 200 Metronomschl\u00e4gen. Bei den Auffassungsversuchen, die auch in dieser Versuchsreihe 8 Tage dauerten, betrug die Umlaufszeit der Trommel 2 Min. 40 Sek., die Spaltweite \u00f6 mm.\nZa\tZc\tWa\tWc\tH\nL- Strophen |] 3 Min. 52 Sek.\t3 Min. 64 Sek.\t6,6\t6,1\t25 Sek.\nS- \u201e\t3 \u201e\t14 \u201e\t2 \u201e 59 \u201e (\u00bb = 48)\t9,1\t8,2\t21 \u201e\nNach den\tAr\tA-f\nA-Strophen\t80\t14\n8- \u201e\t62\t14\nL- Strophen ji\nS- ,,\t,\nZ\u2019\tZ\"\tDifferent\n3 Min. 50 Sek.\t3 Min. 54 Sek.\t+ 4 Sek.\n3 \u201e 32 \u201e\t2\t\u201e\t58 \u201e\t-34 \u201e","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtni\u00bb.\n219\nVersuchsreihe 40. Als Versuchsperson diente in dieser Versuchsreihe das 13 j\u00e4hrige M\u00e4dchen Patzlke. 12 Versuchstage. In jeder Sitzung wurden 8 Abschnitte zu je 8 Zeilen von Julius Lohmeyeb und Edwin Bormann\u2019s \u201eReinecke Fuchs\u201c, jeder bis zum ersten fehlerfreien Hersagen, gelernt. Die Lesegeschwindigkeit entsprach am 1., 3. usw. Tage 100 Metronomschl\u00e4gen, am 2., 4. usw. Tage 200 Metronomschl\u00e4gen in der Minute. Die allgemeine Instruktion war bei dieser Versuchsperson ganz dieselbe wie bei den anderen. Eine Pr\u00fcfung der Auffassungsf\u00e4higkeit fand in dieser Versuchsreihe nicht statt.\n\u00cf\tZa\tZc\tWa\tWc\tH\nL- Strophen\t3 Min. 39 Sek.\t3 Min. 25 Sek.\t7,6\t6,8\t22\nS- \u201e\t!. 3 \u00bb\t7 \u201e\t2\t\u201e 53\t\u201e\t10,9\t10,3\t18\n(\u00bb = 48)\nZ\tZ\"\tDifferenz\nL- Strophen jl 3 Min. 42 Sek.\t3 Min. 36 Sek.\t\u2014 6 Sek.\nS- \u201e\t! 3 \u201e\t14 \u201e\t2\t\u201e 59 \u201e\t- 15\t\u201e\nIn Versuchsreihe 41, die noch vor den vorstehenden Versuchsreihen Orientierungs halber angestellt wurde, war die allgemeine Versuchsanordnung insofern eine andere als in jenen, als die Versuchsperson J. in jeder Sitzung nur 4 zehnsilbige sinnlose Reihen, jede bis zum ersten fehlerfreien Her sagen, zu lesen hatte, darunter 2 Reihen mit einer gr\u00f6fseren und 2 mit einer geringeren Geschwindigkeit. Die beiden bei einer und derselben Rotationsgeschwindigkeit zu lernenden Reihen wurden stets unmittelbar hintereinander, d. h. an erster und an zweiter oder an dritter und an vierter Stelle vorgef\u00fchrt. R war bei den 5-Reihen = 8 Sek., bei den Z-Reihen = 16 Sek. Die Versuchsreihe dauerte 8 Tage. Die Pr\u00fcfung der Auffassungsf\u00e4higkeit wurde in jeder Sitzung zweimal, n\u00e4mlich nach dem Lesen der beiden ersten Reihen und nach dem Lesen der beiden letzten Reihen, vorgenommen. Bei diesen Auffassungsversuchen war die Umlaufszeit der Trommel = 2 Min. 46 Sek., die Spaltweite = 4 mm. Die Pause zwischen den ersten Auffassungsversuchen und dem Lernen der dritten Reihe betrug 3 Minuten.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nP. Ephrussi.\n\t\tZc\tWa\tH\nL- Reihen\t3 Min. 15 Sek\t3 Min. 13 Sek.\t12,7\t10,1\nS- \u201e\t3 \u201e\t7\t\u201e\t2\t\u201e\t53\t\u201e\t23,0\t8,9\n(\u00ab = 16)\nNach den\tAr\tAf\nZ-Beihen\t83\t1\n8- \u201e\t78\t2\nDie f\u00fcr die 4 Versuchsreihen zuerst angef\u00fchrten Tabellen zeigen zun\u00e4chst wiederum, dafs vom zeit\u00f6konomischen Standpunkte aus das raschere Lesetempo innerhalb der benutzten Grenzen bei den verschiedenen Versuchspersonen und Lernstoffen zu besseren Resultaten f\u00fchrt als das langsame Tempo. Aufser-dem best\u00e4tigen die Hauptresultate dieser Versuchsreihen unsere obigen Feststellungen auch insofern, als sie zeigen, dafs im Falle der Benutzung der gr\u00f6fseren Lesegeschwindigkeit die Wiederholungszahlen eine Zunahme erfahren, namentlich bei sinnlosen Stoffen. Ferner fallen auch hier, wie in Versuchsreihe 33 und 34 die Zeiten, die das Hersagen im Durchschnitt beanspruchte, durchweg etwas l\u00e4nger bei den L- als bei den S-Reihen aus; dieser Umstand ist wohl zum grofsen Teil auf die motorische Einstellung der Sprachorgane zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nDie an zweiter Stelle angegebenen Resultate der Versuchsreihen 38, 39 und 41 zeigen ferner, dafs an den Tagen, an denen das Lernen bei gr\u00f6fserer Lesegeschwindigkeit vor sich ging, hinterher eine geringere Anzahl W\u00f6rter von den Versuchspersonen richtig aufgefafst, dagegen eine h\u00f6here Anzahl ausgelassen wurde, als an den Tagen, wo die Pr\u00fcfung der Auffassungsf\u00e4higkeit nach dem Lernen bei geringerer Lesegeschwindigkeit stattgefunden hat; die Zahl der von einer Versuchsperson durchschnittlich falsch abgelesenen W\u00f6rter war nach den verschieden schnellen Lesungen ungef\u00e4hr gleich.1\n___Dieses Ergebnis scheint zu zeigen, dafs das Lernen mit\n1 Wie Chon und Kb\u00e4pelin (a. a. O. S. 214) gezeigt haben, nehmen die Fehler \u201ebei wachsender Erschwerung der Auffassung nur m\u00e4fsig\u201c zu, so dafs es den Anschein hat, \u201eals ob die Auslassungen uns ein zuverl\u00e4ssigeres Bild der wirkenden Auffassungsschwierigkeiten bieten\u201c als die Fehler.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n221\ngr\u00f6fserer Lesegeschwindigkeit die Auffassungsf\u00e4higkeit der Versuchsperson in der Tat st\u00e4rker beeintr\u00e4chtigt, d. h. in Beziehung auf diese F\u00e4higkeit eine st\u00e4rkere Erm\u00fcdung hinterl\u00e4fst als das Lernen mit geringerer Geschwindigkeit. Indessen ist, wie die mitgeteilten Zahlen zeigen, die Differenz im ganzen nur gering.\nDie letzten Zusammenstellungen aus den Versuchsreihen 38\u201440 zeigen miteinander verglichen keinen gleichartigen Verlauf der Ergebnisse und m\u00fcssen daher einzeln betrachtet werden. In Versuchsreihe 38 brauchte die Versuchsperson f\u00fcr die Reihen, die auf die sp\u00e4teren Zeitlagen kamen, bei Benutzung sowohl der gr\u00f6fseren wie auch der geringeren Lesegeschwindigkeit im Durchschnitt l\u00e4ngere Erlemungszeiten als f\u00fcr die Reihen, welche bei den fr\u00fcheren Zeitlagen erlernt wurden, und zwar war diese Verlangsamung bei den S-Reihen sowie bei den L- Reihen fast die gleiche, d. h. die Erm\u00fcdung hat sich bei beiden Lesegeschwindigkeiten in fast gleicher Weise geltend gemacht.\nAuf der anderen Seite stehen die Ergebnisse der Versuchsreihe 40, in der die Erlernungszeiten bei den sp\u00e4teren Zeitlagen eine Verk\u00fcrzung erfahren, und zwar um 15 Sek. bei den S-Reihen und nur um 6 Sek. bei den L- Reihen. In Versuchsreihe 39 endlich ist die durchschnittliche Erlernungszeit bei den sp\u00e4teren Zeitlagen f\u00fcr eine S- Reihe um nicht weniger als 34 Sek. k\u00fcrzer wie bei den fr\u00fcheren Zeitlagen, w\u00e4hrend die Erlemungszeit f\u00fcr eine L - Reihe bei den sp\u00e4teren Zeitlagen sogar eine geringe Verl\u00e4ngerung (4 Sek.) erf\u00e4hrt.\nDiese Ergebnisse lassen schliefsen, dafs in Versuchsreihe 39 und 40 der Einflufs der Erm\u00fcdung durch die Wirksamkeit eines anderweitigen Faktors (oder einer Mehrheit von Faktoren) \u00fcberkompensiert wurde, und zwar mufste dieser Faktor sich in einem erheblich st\u00e4rkeren Grade beim raschen Lesen als beim langsamen geltend machen. Auf Grund unserer gegenw\u00e4rtigen Kenntnisse \u00fcber die Arbeitskurve1 kommen f\u00fcr uns als Faktoren, welche bei der gegebenen Konstellation dem Einfl\u00fcsse der Erm\u00fcdung entgegen wirken, einerseits die \u00dcbung und andererseits die Anregung und der Antrieb in Betracht.a Welche von diesen Fak-\n1 Vgl. Kr\u00e4peli\u00bb \u201eDie Arbeitskurve\u201c, Philo\u00bb. Stud. 19.\n* Diese drei Faktoren konnten sich nat\u00fcrlich im wesentlichen nur w\u00e4hrend des Lernend, nicht aber auch f\u00fcr die nachfolgenden Auffassungs-","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nP. Ephrussi.\ntoren in den vorliegenden F\u00e4llen ausschlaggebend waren, soll hier nicht mit Bestimmtheit entschieden werden. Erw\u00e4hnt mag indessen werden, dals mir eine n\u00e4here Durchmusterung der Resultate einiger Versuchsreihen gezeigt hat, dals in diesen Versuchsreihen sich der Ein flu ('s der \u00dcbung f\u00fcr die verschiedenen Lesegeschwindigkeiten in ann\u00e4hernd gleichem Grade geltend machte. Hiernach ist es nicht wahrscheinlich, dafs in den obigen beiden Versuchsreihen die \u00dcbung derjenige Faktor gewesen sei, welcher der Erm\u00fcdung bei gr\u00f6fserer Lesegeschwindigkeit st\u00e4rker als bei geringerer Lesegeschwindigkeit entgegen wirkte. Selbstverst\u00e4ndlich k\u00f6nnen die im vorstehenden gefundenen ebenso wie die fr\u00fcheren Resultate vor der Hand nur innerhalb der von uns untersuchten Grenzen als g\u00fcltig betrachtet werden. Es w\u00e4re wohl m\u00f6glich, dafs bei l\u00e4ngerem, z. B. auf 11j2\u20142 Stunden sich erstreckenden, Auswendiglernen die Erm\u00fcdung und die oben genannten Faktoren sich anders verhalten und demgem\u00e4fs auch zu anderen Endresultaten f\u00fchren. Auch diese Frage bed\u00fcrfte zu ihrer Beantwortung einer n\u00e4heren und speziellen Untersuchung.\nIch ergreife zum Schl\u00fcsse noch die Gelegenheit, Herrn Professor G. E. M\u00fcller f\u00fcr seine vielfache Anregung bei dieser Arbeit und sein derselben dauernd bew\u00e4hrtes Interesse meinen w\u00e4rmsten Dank auszusprechen. Ferner danke ich allen Herren und Damen, die mir als Versuchspersonen die Ausf\u00fchrung meiner Versuchsreihen erm\u00f6glicht haben, auch an dieser Stelle auf das herzlichste.\nAnhang.\n\u00dcber die Wirkung der einzelnen Wiederholungen.\n\u00a7 1. Versuchsanordnung. Versuchsreihe 1\u20146.\nZweck dieser Untersuchung war es, hinsichtlich der Frage, wie sich ein gegebenes Lernst\u00fcck bei allm\u00e4hlicher Steigerung der Wiederholungszahl dem Ged\u00e4chtnis einpr\u00e4gt, diejenige Aufkl\u00e4rung zu erlangen, die mittels der Methode der Hilfen hier\u00fcber\nversuche geltend machen. Deshalb zeigt sich bei diesen der Einflufs der Erm\u00fcdung ungest\u00f6rt in der obigen Weise.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\n223\nzu gewinnen ist.1 In Versuchsreihe 1\u20147 wurde die Methode der Hilfen ganz in der von Ebbinghaus (Grundz\u00fcge der Psychologie, Bd. I, S. 620) angegebenen Form benutzt. Die Versuchsperson hatte bei diesen Versuchen sinnlose Silbenreihen oder Reihen sinnhaltiger W\u00f6rter der Muttersprache in einem m\u00f6glichst gleichm\u00e4fsigen Tempo mit verschiedenen Wiederholungszahlen zu lesen und unmittelbar nach der letzten Lesung einer Reihe dieselbe in der gegebenen Folge der Glieder und im Tempo des Lesens herzusagen. An den Stellen, an denen die Versuchsperson Fehler machte oder stockte, hatte der Versuchsleiter die dahingeh\u00f6rigen Glieder schnell zu nennen, worauf die folgenden Glieder der Reihe mit oder ohne Hilfe des Versuchsleiters von der Versuchsperson Veiter reproduziert wurden. Die Zahl der Hilfen, die bei einer Reihe erforderlich waren, wurde stets wahrend des Hersagens der Versuchsperson vom Versuchsleiter im Protokollbuche verzeichnet.\nBei der Berechnung der Resultate handelte es sich um die Bestimmung der mit r bezeichneten Zahl der auf eine Reihe durchschnittlich entfallenden richtig wiedergegebenen Glieder, wobei die F\u00e4lle, in denen das genannte Glied hinsichtlich zweier seiner Buchstaben mit dem richtigen \u00fcbereinstimmte, halb zu den F\u00e4llen der richtig wiedergegebenen Glieder und halb zu den F\u00e4llen, wo eine Hilfe erforderlich war, gerechnet wurden. Die F\u00e4lle, wo nur ein Buchstabe eines genannten Gliedes richtig war, wurden ausschliefslich den F\u00e4llen der letzteren Art zugeschlagen. Ich bezeichne im folgenden, wie gew\u00f6hnlich, mit W (Wiederholungszahl) die Zahl der auf eine Reihe entfallenen Lesungen.\nDer Lernstoff wurde in Versuchsreihe 1\u20147 von der Versuchsperson aus einem vor ihr auf dem Tisch liegenden Bogen abgelesen, wobei nat\u00fcrlich beim Lesen einer Reihe alle \u00fcbrigen in derselben Sitzung vorkommenden Reihen zugedeckt wurden; in Versuchsreihe 8 und 9 kam das Kymographion zur Anwendung.\nBei der in Rede stehenden Untersuchung waren im ganzen 5 Versuchspersonen beteiligt, n\u00e4mlich: Herr Prof. Ebbinghaus,\n1 Die Gesichtspunkte, die Jost (Zeitschr. f. Psychol. 14, S. 455 ff.) in Beziehung auf dasjenige geltend gemacht hat, was die Treffermethode f\u00fcr die Beantwortung der obigen Frage zu leisten vermag, gelten in entsprechender Weise auch f\u00fcr die Methode der Hilfen.","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nP. Ephrussi.\nmeine Schwestern Sin aida Ephrussi, stud, med., Anna Ephrussi, Herr Klein, stud. phil. und der 14j\u00e4hrige Gymnasiast Roginsky.\nIn Versuchsreihe 1-\u20144*, in denen Herr Prof. Ebbinghaus als Versuchsperson fungierte, war das Verfahren ein wissentliches, d. h. der Versuchsperson war sowohl der eigentliche Zweck der Versuche, als auch die Zahl der auf die einzelnen Reihen kommenden Wiederholungen im voraus bekannt. Die Sitzungen fanden in Versuchsreihe 1\u20143 in der Regel viermal w\u00f6chentlich, 15\u201420 Minuten nach der von Herrn Prof. Ebbinghaus gehaltenen Vorlesung, statt, in Versuchsreihe 4 zur selben Tagesstunde, aber an den Tagen, an denen Herr Prof. Ebbinghaus keine Vorlesung hielt. In Versuchsreihe 1 und 4 wurden 8 Reihen, in Versuchsreihe 2 und 3 9 Reihen1 2 in jeder Sitzung der Versuchsperson vorgef\u00fchrt. In den beiden ersten Versuchsreihen bestand jede Reihe aus 10 einsilbigen deutschen W\u00f6rtern, in Versuchsreihe 2 aus 12 einsilbigen W\u00f6rtern, in Versuchsreihe 3 aus 10 sinnlosen Silben. Der Rhythmus des Lesens war in der letzten Versuchsreihe daktylisch, in allen \u00fcbrigen troch\u00e4isch. Versuchsreihe 1 und 4 umfassen je 6, Versuchsreihe 2 und 3 je 7 Versuchstage. Die nachstehenden Zusammenstellungen enthalten die Ergebnisse dieser 4 Versuchsreihen.\nVersuchsreihe 1\t\tVersuchsreihe 2\t\tVersuchsreihe 3\t\tVersuchsreihe 4\t\nW\tr\tW\tr\tW\tr\tW\tr\n1\t4,6\t1\t3,0\t1\t3,4\t1\t5,1\n2\t4,2\t2\t4,1\t2\t4,4\t2\t5,2\n3\t6,8\t3\t4,8\t3\t6,8\t3\t6,5\n4\t6,8\t4\t5,7\t4\t5,6\t4\t9,2\n5\t7,9\t5\t6,7\t5\t7,6\t5\t9,0\n6\t7,2\t6\t8,0\t6\t7,8\t6\t9,7\n7\t8,6\t10\t9,7\t7\t7,7\t7\t9,8\n8\t9,1\t12\t10,8\t8\t9,3\t8\t9,5\n\t\t14\t11,6\t9\t9,6\t\t\nIn Versuchsreihe 5 und 6 wurden in jeder Sitzung 8 zehnsilbige sinnlose Reihen von der Versuchsperson im troch\u00e4i-\n1\tDie in diesen Versuchsreihen erhaltenen Resultate sind zum Teil bereits von Ebbinghaus (a. a. O. S. 625\u2014626 und 629) verwertet.\n2\tIn Versuchsreihe 3 wurden indessen an den beiden ersten Versuchstagen nur 8 Reihen bei W = 1\u20148 gelesen.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Oed\u00e4chtni*.\n225\nsehen Rhythmus gelesen. Als Versuchsperson dienten in der ersteren Versuchsreihe A. Epbbussi, in der zweiten S. Ephbussi. Jede Reihe umfafst 8 Versuchstage. Der Zweck der Versuche wurde den Versuchspersonen nicht mitgeteilt. Um ein gleich-m\u00e4fsiges Verhalten der Aufmerksamkeit bei den verschiedenen TFs zu erzielen, wurde der Versuchsperson das jeweilig zu benutzende W nicht angegeben, sondern nur von vornherein mitgeteilt, dafs der letzten Lesung immer ein vom Versuchsleiter gegebenes Signal vorbergehen werde; dieses Signal erfolgte also z. B. bei W = 2 nach der 1. Lesung, bei W \u2014 5 nach der 4. usf., hei W= 1 vor Beginn des Lesens. Die verschiedenen W\u2019b kamen gleich oft auf die verschiedenen Zeitlagen des Lesens, wobei der Wechsel ein cyklischer war. Die Versuche fanden in .diesen wie in den sonstigen Versuchsreihen an einer und derselben Tagesstunde statt.\nVersuchsreihe 6\t\tVersuchsreihe 6\t\nW\tr\tW\tr\n1\t3,6\t1\t2,7\n2\t3,8\t2\t3,1\n3\t3,4\t3\t2,9\n4\t6,4\t4\t3,7\n5\t6,1\t6\t3,8\n6\t6,4\t6\t4.4\n8\t7,7\t8\t6,4\n10\t8,8\t10\t7,2\nDie vorstehenden Ergebnisse zeigen, dafs eine Zunahme der Zahl der richtig reproduzierten Glieder nur im grofsen und ganzen der Steigerung von W entspricht. Des n\u00e4heren ergibt sich, dafs eine Lesung, je nachdem sie nach dieser oder jener Anzahl bereits vorausgegangener Lesungen erfolgt, einen verschiedenen Zuwuchs dr zu dem bereits gegebenen r bewirkt. So entsprach der einzigen Lesung bei W \u2014 1 allgemein ein dr, das gr\u00f6fser war als jedes dr, das einer der nicht an erster Stelle erfolgenden Lesungen entsprach.1\nFerner scheint aufser der ersten Lesung noch ein bestimmtes anderes W f\u00fcr jede Versuchsreihe insofern eine besondere Stellung einzunehmen, als bei diesem W die Zahl r auf einmal\n1 Wir kommen im folgenden auf diesen Umstand noch ausf\u00fchrlicher an sprechen.\nZeitschrift for Psychologie 37.\n16","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nP. Ephrutn.\nstarker als bei den anderen Ws, gleichsam mit einem Sprung, anwachst, um von nun ab allm\u00e4hlich noch weiter zuzunehmen oder aber zun\u00e4chst, d. h. bei dem folgenden h\u00f6heren W, unver\u00e4ndert zu bleiben oder wieder abzunehmen. Dieses charakteristische W war meistens ein geringeres, so z. B. in Versuchsreihe 1 = 3, in Versuchsreihe 3 = 3, in Versuchsreihe 4 = 4, in Versuchsreihe B \u2014 4.\nW\u00fcrde man die W-Werte als Abscissen, die entsprechenden r-Werte als Ordinaten auftragen, so w\u00fcrde man f\u00fcr die meisten Versuchsreihen eine treppenf\u00f6rmig aussehende Kurve erhalten. Die von Ebbinghaus (a. a. O. S. 625) auf Grund der Ergebnisse der Versuchsreihe 2 konstruierte, fast geradlinig verlaufende Kurve ist, wie die Resultate der anderen Versuchsreihen zeigen, f\u00fcr das tats\u00e4chliche Verhalten keineswegs typisch.\n\u00a7 2. Versuchsreihe 7\u20149. Diskussion der Resultate.\nIm bisherigen wurde untersucht, welches r die verschiedenen Ws unmittelbar nach ihrer Absolvierung liefern; in Versuchsreihe 7\u20149 sollte diese Frage weiter verfolgt werden, aufserdem aber noch ermittelt werden, welches r die verschiedenen Wb nach 24 Stunden ergeben, wenn der nach Ablauf dieser Zeit stattfindenden zweiten Pr\u00fcfung noch zwei neue Wiederholungen der Reihe unmittelbar vorausgeschickt worden sind. In Versuchsreihe 7 und 8 hatte die Versuchsperson am 1., 3., 5. usw. Versuchstage, ebenso wie in den fr\u00fcheren Versuchsreihen 1\u20146, die ihr vorgef\u00fchrten Reihen mit verschiedenen W'a zu lesen und nach der Methode der Hilfen herzusagen, am 2., 4., 6. usw. Tage wurde jede der vor 24 Stunden gelesenen Reihen bei derselben Zeitlage wieder zweimal gelesen und unmittelbar nach der zweiten Lesung wiederum nach derselben Methode reproduziert. Versuchsreihe 7 umfafst im ganzen 16 Versuchstage, Versuchsreihe 8 18. Als Versuchsperson diente in Versuchsreihe 7 Herr Roginskt, in Versuchsreihe 8 Herr Klein. Die Versuchsperson hatte in der ersteren Versuchsreihe in jeder Sitzung 8 zehnsilbige Reihen vom Bogen abzulesen, in Versuchsreihe 8 wurde der Lernstoff, der stets aus 9 achtsilbigen normalen Reihen bestand, mittels des Kymographions bei einer Rotationszeit von 7,8 Sek. der Versuchsperson vorgef\u00fchrt. In Versuchsreihe 7 war der Rhythmus des Lesens daktylisch, in Versuchsreihe 8 trochfiisch. Die den Versuchspersonen erteilte Instruktion war dieselbe wie","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge eur Lehre vom Qed\u00e4chtni\u00bb.\n227\nin den Versuchsreihen 5 und 6. In den nachstehenden Tabellen ist mit r die nach der ersten Pr\u00fcfung, mit r' die bei der (nach 24 Stunden vollzogenen) zweiten Pr\u00fcfung erhaltene Zahl richtig angegebener Glieder bezeichnet.\n\tVersuchsreihe 7\t\t\tVersuchsreihe 8\t\t\t\nw\tr\tr\tDill.\tW\tr\tr'\tDill.\n\t\t\tr -r\t\t\t\tr -r\n1\t4\t3,9\t-0,1\t1\t2,4\t3,2\t+ 0,8\n2\t4,1\t6,3\t+ 1,2\t2\t2,2\t3,6\t+ 1,3\n3\t4,7\t5,1\t+ 0,4\t3\t4,3\t5\t+ 0,7\n4\t4,6\t6,6\t+ 1,0\t4\t4,1\t4,6\t+ 0,4\n6\t5,9\t6,2\t+ 0,3\t5\t6\t6,1\t+ 0,1\n6\t6,8\tbfi\t-1,3\t6\t6,6\t4,7\t-0,9\n8\t8^\t6,9\t-2,3\t7\t6,7\t4,8\t-1,9\n10\t8,7\t7,1\t-1,6\t8\t6,3\t6,1\t-1,2\n\t\t\t\t10\t6,7\t6,8\t-1,5\nVersuchsreihe 9.1 Versuchsperson S. Ephkussi. 10 Versuchstage. * Als Lernstoff wurden Reihen benutzt, die aus 6 dreistelligen Zahlen bestanden. Die in einer Sitzung mit verschiedenen W'b gelesenen 6 Reihen wurden, wie in Versuchsreihe 7 und 8, nach 24 Stunden wiederum zweimal wiederholt.\nW\tr\tr'\tDi ff. r'-r\n1\t1,7\t1,9\t+ 0,2\n2\t1,8\t2,3\t+ 1,0\n3\t2,2\t2,3\t+ 0,1\n4\t2,3\t3,2\t+ 0,9\n6\t3,7\t3,7\t0\n6\t3,3\t3\t\u2014 0,3\nBetreffs der Rolle, welche die einzelnen Wiederholungen beim Einpr\u00e4gen spielen, zeigen die vorstehenden Resultate in \u00dcbereinstimmung mit den Ergebnissen der Versuchsreihe 1\u20146, dafs\n1 Vgl. S. 233 f.\n1 An den 2 letzten Versuchstagen fanden t\u00e4glich 2 Sitzungen statt, so dafs die Zahl der Sitzungen im ganzen 12 betr\u00e4gt.\n16*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"S28\nP. Bphrutti.\n^wischen W und r keine direkte Proportionalit\u00e4t besteht, und dafs der ersten Lesung ein gr\u00f6fseres dr entspricht alB jeder der \u00fcbrigen Lesungen. Auch ist bemerkenswert, dafs r in Versuchsreihe 7 bei W = 1\u20144 fast auf derselben H\u00f6he beharrt und erst bei W = 5 auf einmal stark zunimmt. Etwas analoges zeigt sich auch in den beiden anderen Versuchsreihen. Ferner zeigt sich, dafs die Werte r fast durchweg gr\u00f6fser ausgefallen sind als die Werte r, falls W einen geringeren Wert besals (gleich 1\u20145 war), hingegen r' kleiner als r erhalten worden ist, falls W von gr\u00f6fserem Betrage war.\nUm dieses letztere Resultat, ebenso wie die fr\u00fcher konstatierten, zu verstehen, mufs man sich den psychischen Vorgang n\u00e4her vergegenw\u00e4rtigen, der beim Lernen mit verschiedenen Ws statthatte. Bei den in Rede stehenden Versuchen wurden die Versuchspersonen nicht, wie es bei meinen sp\u00e4teren Versuchen stets der Fall war, angewiesen, ihre Aufmerksamkeit m\u00f6glichst gleichm\u00e4fsig den verschiedenen Stellen und Takten der Reihe zuzuwenden, sondern erhielten in bezug auf die Richtung der Aufmerksamkeit \u00fcberhaupt keine bestimmte Instruktion. Die Folge hiervon war, dafs die Versuchspersonen im allgemeinen ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Stellen in der Reihe, vor allem auf die ersten und die letzte vorwiegend zu richten pflegten. Wie die nachstehenden Zusammenstellungen der Resultate zeigen, tritt die Abh\u00e4ngigkeit des Wertes r von der absoluten Stelle in s\u00e4mtlichen Versuchsreihen in der Tat mit grofser Sch\u00e4rfe hervor.\nAus der an erster Stelle angef\u00fchrten Tabelle gewinnt man einen \u00dcberblick \u00fcber die Verteilung s\u00e4mtlicher, in Versuchsreihe 1\u20149 erhaltenen Werte von r auf die verschiedenen absoluten Stellen; in den \u00fcbrigen Tabellen zeige ich an den Ergebnissen dreier Versuchsreihen, wie sich die Werte von r bei verschiedenem Betrage von W auf die verschiedenen Stellen in der Reihe verteilen. Die Zahl \u00bb gibt hier an, wie viele F\u00e4lle insgesamt bzw. bei bestimmtem W im Laufe einer Versuchsreihe auf jede absolute Stelle entfallen sind.\n(Siehe die Tabellen auf S. 229 u. 230.)\nWie die drei letzten Tabellen zeigen, entfallen bei W= 1 und \u00fcberhaupt bei den ersten Wiederholungen die gr\u00f6fsten Werte von r auf die durch die Aufmerksamkeit bevorzugten Stellen in der Reihe, namentlich vor allem auf die erste und","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Qed\u00e4chtni\u00bb.\n229\nOrd der B n\tnungszahl eihenglieder Versuchsreihe\t1\t2\t3\t4\t6\t6\t7\t8\t9\t10\t11\t12\n48\t1\t48\t45\t42\t39\t26\t24\t17,5\t23\t26\t42,6\t\t\n63\t2\t63\t61\t43\t49,6\t28\t27\t28\t33,6\t20\t25,5\t29\t51\n61\t3\t69\t67\t64\t36,6\t38,6\t42,5\t22\t21\t32,6\t51\t\t\n48\t4\t48\t46\t41\t44\t34\t29,6\t28,5\t34\t33,5\t46\t\t\n64\t6\t62\t63\t34\t40,5\t26\t30\t21\t32\t26\t40,6\t\t\n64\t6\t58,6\t47\t22,5\t36\t19\t16,5\t11\t16,6\t17\t29,6\t\t\n64\t7\t64\t47,6\t47\t30,5\t27,6\t34\t26\t31,6 35\t\t43\t\t\n81\t8\t71,6\t67,5\t42,5\t42,5\t34,6\t40\t46,5\t64,5\t\t\t\t\n36\t9\t26,5\t19\t12\t10,6\t12\t6,5\t\t\t\t\t\t\nVersuchsreihe 2.\nOrdnungszahl der Beihenglieder W\t1\t2\t3\t4\t6\t6\t7\t8\t9\t10\t11\t12\n1\t7\t2\t3\t4\t0\t0,5\t0\t0\t0,5\t0\t0\t4\n2\t7\t6\t2\t6\t2\t0\t0\t0,5\t0\t0\t1\t6\n3\t7\t6\t3\t4,6\t2,5\t1,5\t0\t1\t0\t0,5\t1\t6\n4\t7\t6\t6\t5\t2\t2\t1\t3,6\t0\t2\t1\t6\nH 6\t7\t6\t6\t6\t3\t4\t1\t2,6\t1\t2\t3\t6\n\u25a0=J\t8\t7\t7\t6\t7\t2\t2\t6\t6\t3\t3\t4\t5.\n10\t7\t6\t6\t6\t5\t5\t7\t7\t3\t6,5\t5\t6\n12\t7\t7\t5\t6\t6,5\t6\t7\t7\t6,6\t6,6\t7\t7\n14\t7\t7\t6\t7\t6\t7\t6\t7\t7\t7\t7\t7\nVersuchsreihe 7.\nOrdnungszahl der Beihenglieder W\t1\t2\t3\t4\t5\t6\t7\t8\t9\t10\n1\t7\t4\t4\t1,6\t0,5\t2\t2,6\t3\t2,6\t6\n2\t6\t6\t6\t1,5\t1.6\t1,5\t2\t1,6\t1,6\t6 .\nT 3\t6,5\t4\t2,6\t2\t4\t3,5\t3,5\t3\t4,6\t5\nII 4\t7\t4,5\t3,5\t3\t3\t3\t2,6\t4\t2\t4\nI 6\t7\t7\t8\t2,5\t2\t4,5\t2\t5,5\t6,5\t2\n3 6\t5,6\t7\t7\t6\t6,5\t6,6\t2\t4\t5\t6\n8\t8\t8\t8\t7\t4,5\t6\t6,5\t5,6\t6\t7,5\nto\t8\t8\t8\t7\t6,6\t7\t6\t6\t7\t7,5","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nP. Ephruui.\nVersuchsreihe 8.\nOrdnungszahl der Beihenglieder W\t1\t2\t3\t4\t5\t6\t7\t8\n1\t4\t3,6\t0,5\t2\t0,6\t1\t6\t5\n2\t7,5\t5\t2,6\t1\t0\t0,5\t1,5\t2\n3\t7,5\t7\t4,5\t3,5\t6\t4\t3\t4\n4\t8,6\t4\t4\t6\t3\t6\t2,6\t5\nII 6\t8,6\t8\t4\t6\t3,6\t3,5\t7\t6,5\n\u00c6 6\t9\t6,6\t6\t6\t4\t6\t7\t7\n7\t8,6\t7,5\t7,5\t7,5\t7\t7,6\t6,5\t8,5\n8\t9\t8\t6,6\t6\t5\t7\t7\t9\n10\t9\t8\t7\t7,5\t6,6\t6,5\t7\t8,6\nauf die letzte Stelle.* 1 Wurde aber ein h\u00f6heres W benutzt, so erreichten auch die schwierigeren Glieder der Reihe die Reproduktionsschwelle. *\nNach vorstehendem kann man ganz allgemein sagen, dais die einpr\u00e4gende Wirkung einer Lesung, soweit sie sich bei dem benutzten Verfahren verr\u00e4t, eine Funktion der absoluten Stelle ist, in dem Sinne, dafs dieselbe, solange ein gewisses W nicht \u00fcberstiegen ist, f\u00fcr gewisse, von der Aufmerksamkeit bevorzugte Stellen gr\u00f6fser ist als f\u00fcr die \u00fcbrigen Stellen. Dies gilt auch von der einpr\u00e4genden Wirkung der 2 neuen Wiederholungen des folgenden Tages. Diese 2 Neu Wiederholungen haben gleichfalls f\u00fcr jene bevorzugten Stellen eine h\u00f6here einpr\u00e4gende Wirkung als f\u00fcr die \u00fcbrigen Stellen. Da nun bei geringerem W jene bevorzugten Stellen nicht blofs diejenigen sind, welche bei der ersten Pr\u00fcfung meistens richtige Nennungen ergeben haben, sondern auch diejenigen, welche bei den beiden Neuwiederholungen in erster Linie soweit zu f\u00f6rdern sind, dals ihnen bei der zweiten Pr\u00fcfung gleichfalls wieder richtige Nennungen\n1 Ergebnisse einschlagender Art warden anch von Bisst und Hsssi (L'ann\u00e9e ptychol. 1, S. 12, sowie S. 13 Anm.) erhalten. \u2014 Aufserdem worden, wie es sich von selbst versteht, auch solche W\u00f6rter oder Silben gemerkt, welche von Haus aus, z. B. infolge hoher Bekanntheit, eine gr\u00f6ssere Ein-pr\u00e4gbarkeit besafsen.\n1 Ob sich die Aufmerksamkeit bei den sp\u00e4teren Lesungen in besonderem Grade diesen schwierigeren Gliedern der Reihe zugewandt hat, kann in Ermanglung n\u00e4herer Selbstbeobachtungen nicht entschieden werden.","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\t231\nentsprechen, so begreift sich, d&fs bei geringerem W der Wert r' merklich gleich grofs oder sogar gr\u00f6fser ausgefallen ist als \u25a0der Wert r. F\u00fcr die bei geringerem W f\u00fcr die richtigen Nennungen \u00fcberhaupt in Betracht kommenden Stellen vermochte eben die (f\u00fcr diese Stellen st\u00e4rkere) einpr\u00e4gende Wirkung der beiden Neuwiederholungen den innerhalb der verflossenen 24 Stunden stattgefundenen Abfall der Assoziationen zu kompensieren. Anders stand es bei h\u00f6herem W. Hier hatten bei der ersten Pr\u00fcfung auch solche Stellen richtige Nennungen ergeben, welche f\u00fcr die Aufmerksamkeit ung\u00fcnstig lagen, und f\u00fcr welche demgem\u00e4fs auch die einpr\u00e4gende Wirkung der 2 Neuwiederholungen eine nur geringere war, und f\u00fcr welche daher der in den verflossenen 24 Stunden stattgefundene Abfall der Assoziationen durch die einpr\u00e4gende Wirkung der 2 Neuwiederholungen nicht kompensiert werden konnte. Das obige Resultat, dafs die Differenz r\u2019-r bei niedrigerem W positiv, bei h\u00f6herem W negativ ist, erkl\u00e4rt sich also daraus, dais bei niedrigem W in der Hauptsache nur solche Stellen als richtige Nennungen ergebende im Spiele sind, f\u00fcr welche die Aufmerksamkeit und mithin auch die einpr\u00e4gende Wirkung der 2 Neuwiederholungen eine gr\u00f6fsere ist, w\u00e4hrend bei h\u00f6herem W diejenigen Stellen mit in Betracht kommen, f\u00fcr welche die Aufmerksamkeit und der Einpr\u00e4gungswert der 2 Neuwiederholungen nur gering ist.\nEiner besonderen Auseinandersetzung bedarf noch das bei diesen Versuchen erhaltene Resultat, dafs eine gewisse Anzahl von Silben einer sinnlosen Reihe schon nach einer einzigen Lesung hinterher richtig wiedergegeben wurde. Dieses Resultat steht nicht im Widerspruch mit dem fr\u00fcher (S. 167) aufgestellten Satze, dafs die Glieder einer sinnlosen Silbenreihe erst dann gegenseitige Assoziationen eingehen, wenn dieselben einen bestimmten Grad der Gel\u00e4ufigkeit erreicht haben. Es kommen n\u00e4mlich hier, wo es sich um die Methode der Hilfen handelt, folgende besondere Gesichtspunkte in Betracht.\n1. Infolge der hervorragenden Rolle, die der Einflufs der absoluten Stelle bei unseren Versuchen mit der Methode der Hilfen spielte, k\u00f6nnen die dabei erhaltenen richtigen F\u00e4lle nicht als gleichwertig mit denen betrachtet werden, die z. B. bei Benutzung der Treffermethode erhalten werden. Denn bei Benutzung der Methode der Hilfen wird die Nennung des richtigen Gliedes vielfach haupts\u00e4chlich auf Grund der Assoziation er-","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232-\tP Ephrutei.\nfolgen, die zwischen dem betreffenden Gliede und seiner absoluten Stelle besteht, wahrend bei der Treffermethode die absolute Stelle im Vergleich zu den Assoziationen zwischen den aufeinanderfolgenden Gliedern eine geringere Rolle spielt.\n2.\tDer Umstand, dafs das Hersagen der Reihen stets ohne Zwischenpause auf das Lesen derselben folgte, mufs f\u00fcr das in Rede stehende Resultat insofern von Bedeutung sein, als sich beim Hersagen nach den verschiedenen Ws nicht nur die Assoziationen der Glieder untereinander und mit ihren absoluten Stellen wesentlich geltend machen konnten, sondern auch ihre Perseverationstendenzen. Es ist sehr wahrscheinlich, dafs die verschiedenen Ws ganz andere relative Werte von r ergeben h\u00e4tten, wenn das Hersagen durch eine l\u00e4ngere Pause vom Lesen getrennt gewesen w\u00e4re.\n3.\tEndlich ist noch hervorzuheben, dafs in den meisten mit sinnlosem Stoffe angestellten Versuchsreihen (z. B. in Versuchsreihe 5, 6 und 7) das Tempo des Lesens ein ziemlich langsames war.* 1 Schon aus diesem Umstande allein w\u00fcrde die Tatsache, dafs nach einer einzigen Lesung mehrere Silben richtig wiedergegeben wurden, sich im Sinne unserer fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen (vgl. S. 163 Anm. und S. 203) erkl\u00e4ren lassen.\nEe sei an dieser Stelle erw\u00e4hnt, dafs soeben eine Untersuchung tob O. Lipmahn erschienen ist*, die denselben Gegenstand wie der vorliegende Anhang behandelt, nur wurde dort statt der Methode der Hilfen das Treffer-verfahren benutzt. Der Hauptsache nach scheint das Trefferverfahren in diesem Falle analoge Resultate zu ergeben wie die Methode der Hilfen. Die Diskussion der von Lifmann erhaltenen Ergebnisse wird dadurch erschwert, dafs der Verfasser nicht angibt, welche Instruktion seine Versuchspersonen erhielten, ob z. B. das Verfahren in Beziehung auf das jeweilig zu benutzende W ein wissentliches oder ein unwissentliches war. Von einer n\u00e4heren Besprechung der Ergebnisse dieser Versuche m\u00f6chte ich hier absehen und nur bemerken, dafs, wie auf S. 203 der Abhandlung angegeben ist, die bei den Versuchen benutzte Lesegeschwindigkeit eine geringere war, so dafs es ohne weiteres verst\u00e4ndlich wird, dafs bei Anwendung des Trefferverfahrens schon nach einer einzigen Lesung einer Silbenreihe Treffer erhalten wurden.\n1 Leider waren die Versuche in Versuchsreihe 1\u20147 mit keinerlei Zeitmessungen verbunden, so dafs \u00fcber die Geschwindigkeit des Lesens keine sicheren Angaben gemacht werden k\u00f6nnen.\n1 Die Wirkung der einzelnen Wiederholungen auf verschieden starke \u00fcnd verschieden alte Assoziationen, Zeittchr. f. Ptyehol 35.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis.\t233\n\u00a7 3. Bemerkungen \u00fcber die Methode der Hilfen. Modifizierung dieser Methode in Versuchsreihe 9.\nIm Laufe der obigen, mittels der Methode der Hilfen anges teilten Untersuchung sind mir verschiedene M\u00e4ngel dieser Methode, wenigstens in der von mir benutzten Form, entgegengetreten. Besonders wichtig sind die folgenden Punkte:\n1.\tDie sogenannten \u201eHilfen\u201c werden von der Versuchsperson vielfach eher als St\u00f6rungen empfunden ; die Stimme des Versuchsleiters wirkt gern\u00e4fs den Aussagen einiger meiner Versuchspersonen verwirrend und erschwert die Reproduktion. Es ist vielleicht kein blofser Zufall, dafs derartige Aussagen von Versuchspersonen herr\u00fchren, die vorwiegend visuell zu sein schienen.1\n2.\tNicht jede Versuchsperson ist imstande, der Instruktion, die Reihen mit der Geschwindigkeit herzusagen, mit der dieselben gelesen wurden, wirklich Folge zu leisten, namentlich bei einem geringeren W. Solche Versuchspersonen behaupten, sie w\u00fcrden weniger Hilfen brauchen, wenn ihnen l\u00e4ngere Zeiten f\u00fcr die \u00dcberlegung zur Verf\u00fcgung st\u00e4nden.\n3.\tDie falschen F\u00e4lle k\u00f6nnen vom Versuchsleiter, der ja beim Hersagen mit aktiv ist und aufserdem die Zahl der Hilfen, zu verzeichnen hat, nicht mit Vollst\u00e4ndigkeit protokolliert werden.\n4.\tEs ist endlich auch sehr wesentlich, die Geschwindigkeit des Lesens genau zu regulieren.\nDie soeben angegebenen Fehlerquellen habe ich in der bereits auf S. 227 angef\u00fchrten Versuchsreihe 9 auf folgende Weise zu eliminieren versucht.\nDer Lernstoff wurde, wie fr\u00fcher erw\u00e4hnt, mittels des Kymo-graphions der Versuchsperson vorgef\u00fchrt Die Hilfen wurden nicht akustisch, sondern visuell der Versuchsperson gegeben; diese hatte nach dem Lesen einer Reihe sich vor den (bei dem Treffer- und Zeitverfahren benutzten) Vorzeigeapparat zu setzen. Das Prisma desselben, auf welchem die soeben gelesenen Zahlen in der richtigen Reihenfolge aufgeschrieben waren, stand wie gew\u00f6hnlich hinter einem Schinne. Nachdem die Versuchsperson die erste Zahl (richtig oder falsch) reproduziert oder das W\u00f6rtchen \u201enichts\u201c ausgesprochen hatte, liefs der Versuchsleiter die\n\u2022 Solche Aussagen machte s. B. Herr Prof. M\u00fcllsb und Frl. v. Wnn>-Hsuf, die bei einigen orientierenden Versuchen als Versuchspersonen fungierten, aufserdem auch meine Schwester S. Efhbussl","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nP. Ephrutti.\nbetreffende richtige Zahl im Schirmspalt erscheinen; die Versuchsperson hatte dieselbe lautlos abzulesen und die folgende zu reproduzieren. Vermochte sie innerhalb der 10 Sek., welche dem Erscheinen der ersten Zahl folgten, die zweite Zahl nicht zu finden, so liefs der Versuchsleiter diese letztere Zahl im Schirmspalte erscheinen. Die Versuchsperson hatte wiederum 10 Sek. Frist, um die dritte Zahl zu finden, usf. Hatte sie die dritte Zahl etwa bereits nach Ablauf von 5 Sek. seit Erscheinen der zweiten Zahl genannt, so wurde hierauf schon durch Drehung des Prismas die dritte Zahl vom Versuchsleiter zum Erscheinen gebracht, und entsprechend bei den anderen Zahlen. Bei diesem Verfahren rnt dem Versuchsleiter die M\u00f6glichkeit gegeben, die falschen F\u00e4lle und kurzen Selbstbeobachtungen der Versuchsperson zu protokollieren, und auch die auf S. 233 unter 1. und 2. erw\u00e4hnten Mifsst\u00e4nde der in meinen fr\u00fcheren Versuchsreihen benutzten Form der Methode der Hilfen kommen bei diesem Versuchsmodus in Wegfall.\nZum Schl\u00fcsse m\u00f6chte ich noch zweierlei hervorheben : erstens, dafs eine vollkommene Handhabung der Methode der Hilfen nur dann vorliegen wird, wenn man (was ja bei Vorhandensein der geeigneten Apparate nicht unm\u00f6glich ist) dieselbe mit Zeitmessungen verbunden haben wird ; zweitens, dafs die vorliegende Untersuchung nach dieser Methode m\u00f6glicherweise instruktiver ausgefallen w\u00e4re, wenn ich auch bei diesen Versuchen l\u00e4ngere Versuchsreihen angestellt h\u00e4tte und aufserdem die Versuchspersonen veranlafst h\u00e4tte, detailliertere Selbstbeobachtungen zn machen.\n(Eingegangen am 8. August 1904.)\nBerichtigungen.\n8. 87, Zeile 3 v. o. statt \u201eTT = 9\u201c 1. \u201e W = 8\u201c.\n8. 89, Zeile 13 v. u. statt \u201e(8. 32)\u201c 1. \u201e(S. 87)\u201c.\n8. 161, Zeile 3 v. o. statt \u201esinnschaffendem\u201c 1. \u201esinnhaltigem\u201c.\n8. 189, Zeile 10 v. n. statt \u201eVersuchsreihen 41 und 42\u201c 1. \u201eVersuchsreihen 39 und 40\u201c.\nS. 190, Zeile 23 v. o. statt \u201e40 und 41\u201c 1. \u201e39 und 40\u201c.","page":234}],"identifier":"lit32036","issued":"1904","language":"de","pages":"56-103, 161-234","startpages":"56","title":"Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre vom Ged\u00e4chtnis ","type":"Journal Article","volume":"37"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:23:47.250146+00:00"}