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{"created":"2022-01-31T16:28:16.036162+00:00","id":"lit32040","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Becher, Erich","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 36: 19-73","fulltext":[{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"19\nExperimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens bei kurzen Expositionszeiten.\nVon\nEuch Becher.\n\u00dcber die f\u00fcr die psychologische Analyse des Lesens wichtigen Bewegungen des Auges kann nach den Untersuchungen von Erb mann und Dobge 1 kein Zweifel bestehen. Die Beobachtung der Augenbewegungen und Ruhepausen beim Lesen, die Messung der Zeiten f\u00fcr das Durchlaufen einer Zeile, f\u00fcr eine Augen bewegung und f\u00fcr eine Ruhepause, die Bestimmung der Aufgaben von Augenbewegungen und Ruhepausen, die Feststellung der Blick- und Lesefelder, und der Lage der Fixationspunkte ist durch die experimentellen Anordnungen in v\u00f6llig sicherer und hinreichend genauer Weise m\u00f6glich.\u00ae Gr\u00f6fser sind die\n1 Psychologische Untersuchungen \u00fcber das Lesen auf experimenteller Grundlage. 1898. Kap. I, II, IV, Anhang.\n1 Man hat hei diesen Untersuchungen direkte Beobachtung (Ebbmann und Dodge), Schreibvorrichtungen am Auge f\u00fcr die rotierende Trommel (Hijet, The Psychologie of Beading in The American Journal of Psychology ed by G. Stanley Hall, 9, 11, 12), die Photographie eines Lichtreflexes der Cornea (Bodge und Cline, The Angle Velocity of Bye Movements in The Psychological Review 8 (1901), 145\u2014157) und noch andere Mittel verwandt.\nBei dieser Gelegenheit m\u00f6ge auf folgende Arbeiten von Dodge hingewiesen werden, die sich auf die physiologische Psychologie des Auges beziehen und f\u00fcr die Psychologie des Lesens von Bedeutung sind.\n1.\tThe Reaction Time of the Eye (Psychological Review 8, 477\u2014483; cfr. Zeitschr. f. Psychol ti. Physiol, d. Sinnesorg. 28, 138). Dodge bedient sich des schon von Erdmann und Dodge benutzten Verfahrens, bei welchem ein auf dem blinden Fleck abgebildetea Licht durch die reagierende Augen-bewegnng sichtbar wird. Unter Verwendung genauerer experimenteller Mittel best\u00e4tigt er, dafs die Expositionszeit von 0,1 Sek. f\u00fcr Leseversuche die empfehlenswerteste ist.\n2.\tVisual Perception during Eye Movement (Psych. Mm. 7, 454\u2014465;\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nErich Becher.\nSchwierigkeiten, die mit der Erforschung der psychologischen Vorg\u00e4nge in den nur Bruchteile von Sekunden (etwa 0,25 Sek. im Mittel) dauernden Ruhepausen verbunden sind. Einerseits sind die Resultate der Selbstbeobachtung in Zeiten von * 1/4 Sek. bis 3/ioo Sek. unsicher und ungenau. Der Beobachter unterliegt leicht T\u00e4uschungen ; Vorg\u00e4nge, welche sich unmittelbar vor oder sofort nach der Beobachtungszeit abspielen, werden vielleicht in dieselbe hinein verlegt. Andererseits sind bei der Deutung objektiver Versuchsergebnisse, w7ie sie in der Zahl der gelesenen Buchstaben usw. erreichbar sind, Meinungsverschiedenheiten vorhanden. Schliefslich ist die Frage nach den zweckm\u00e4fsigsten Versuchsanordnungen strittig.\nDie Versuche und Auffassungen, welche Erdmann und Dodge in dem angef\u00fchrten Buche ver\u00f6ffentlichten, sind von Wilhelm W\u00fcndt und Julius Zeitler einer Kritik unterzogen worden.1 Auf die Kritik Wundts (an der ersten der angef\u00fchrten Stellen) antworteten Erdmann und Dodge in dem Aufsatze : Zur Erl\u00e4uterung unserer tachistoskopischen Versuche.2 Mit der\ncfr. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorg. 25, 254.) Die Annahme der Empfindungslosigkeit des Auges w\u00e4hrend der Augenbewegungen ist falsch. Doch ist ein Lesen w\u00e4hrend der Augenbewegungen nicht m\u00f6glich. Es wird die Wahrnehmung verschiedenartiger wreifser und farbiger Gesichtsreize w\u00e4hrend der Bewegung untersucht.\n3.\tDie erw\u00e4hnte Arbeit von Dodge und Cline (cfr. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorg. 27, 119). Die mit Hilfe der Photographien erhaltenen Werte f\u00fcr die Geschwindigkeit der Augenbew'egungen stimmen gut mit den von Erdmann und Dodge benutzten Zahlen \u00fcberein.\n4.\tFive Types of Eye Movements in the Horizontal Meridian Plane of the Field of Regard (.American Journal of Physiology 8, 307\u2014329 ; cfr. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorg. 83, 137). Hier werden auf Grund der erw\u00e4hnten Photographien f\u00fcnf Typen von Augenbewegungen festgestellt. F\u00fcr das Lesen kommen die schnellen Bewegungen in Betracht, welche einen exzentrischen Netzhautreiz auf das Sehzentrum bringen. Sie geh\u00f6ren zum Typus I, und auf diesen beziehen sich die in 1, 2 und 3 festgestellten Resultate.\n1\tWundt: Zur Kritik tachistoskopischer Versuche, Philos. Studieny erster Artikel 15, 1899, 287\u2014317; zweiter Artikel 16, 1900, 61\u201471; ferner V\u00f6lkerpsychologie I.: Die Sprache, 1., 1900, S. 530 folg, und Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie, f\u00fcnfte Auflage, 1903, 8, 611 f.\nZeitler: Tachistoskopische Untersuchungen \u00fcber das Lesen. Philos. Studien 16, 380\u2014465.\n2\tEbbinghaus-K\u00f6nig: Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorg. 22, 1899,\n241\u2014267.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesern etc, 21\nArbeit Zbitlbbs besch\u00e4ftigt sich R. Dodge in der Psychological Review.1 Schliefslich ist noch \u00a9ine Fufsnote von B. Ebdmann zu erw\u00e4hnen, die sich in Teil V der \u201epsychologischen Grundlagen der Beziehungen zwischen Sprechen und Denken14 findet.2 3\nDie Entscheidung \u00fcber die strittigen Punkte scheint mir auf experimentellem Weg\u00a9 m\u00f6glich zu sein. Durch die im folgenden zu besprechenden Versuche, die teils im psychologischen Seminar der Universit\u00e4t Bonn, teils im Laboratorium des Realgymnasiums zu Remscheid ausgef\u00fchrt wurden, hoffe ich zur Entscheidung der wichtigsten der in Betracht kommenden Fragen einen Beitrag zu liefern.8 Mir scheinen allerdings auch die in Kapitel VI4 der Untersuchungen von Erdmann und Dodge ver\u00f6ffentlichten Beobachtungen die Wichtigkeit der Wortform zu beweisen. Darf man aber der gr\u00f6beren Wortform den von Ebdiaii und Dodge behaupteten Einflufs zuschreiben, so ist die Annahme von Aufmerksamkeitswanderungen, die Wundt machen zu m\u00fcssen glaubte, unn\u00f6tig.\nDoch hiervon sp\u00e4ter. Vorerst m\u00fcssen wir zwei Fragen be. handeln, von denen die erste lediglich die tachistoskopischen Methoden betrifft, die zweite vielleicht von weiterreichender Bedeutung ist. Es handelt sich um den Einflufs der Adaptation bei tachistoskopischen Versuchen und um die Mitwirkung der Nachbilder5 beim Lesen.\nDer EinfluI der Adaptation bei tachistoskopischen Versuchen.\nDa ich bei meinen Versuchen h\u00e4ufig das Tachistoskop von Ebdmann und Dodge6 * benutzt habe, mufs ich mich vor der\n1\tVol. VIII, 1901, S. 56\u201460: The Psychology of Reading.\n2\tArchiv f\u00fcr systematische Philosophie 7, 1901, 147.\n3\tDie Versuche in Bonn wurden im, Sommersemester 1903 und im Wintersemester 1903/04 angestellt, die in Remscheid in den dazwischen liegenden Ferien.\n4\tS. 141\u2014163.\n5\tGemeint sind hier und im, folgenden, immer nur die .Nachbilder im gebr\u00e4uchlichen, engeren Sinne des Wortes, nicht aber jene oft sinnlich lebhaften Nachwirkungen, die man zuweilen, als zentrale Nachbilder be-\nzeichnet. Letzter\u00a9 stellen Leistungen des visuellen Ged\u00e4chtnisses dar und sind als solch\u00a9 f\u00fcr die Zweck\u00a9 der vorliegenden Untersuchung in Anrechnung zu bringen.\n\u2022 Dessen Beschreibung siehe Erdmann und Dodge, Psych. Unt. \u00fcber\nd, Lesen, Rap. Ill, 8. 94\u2014115.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nErich Becher.\nKritik rechtfertigen, die W\u00fchdt an diesem Apparate ge\u00fcbt hat. Zwar sind die gegen den Apparat in dem ersten Artikel1 ge-richteten Bedenken in der erw\u00e4hnten Erl\u00e4uterung2 * 4 zur\u00fcckgewiesen worden, Doch hat Wundt seine Ein w\u00fcrfe in dem zweiten Artikel8 erneuert und erweitert : \u201eDie Adaptation ist \u00a9in Gesamtzustand der Netzhaut : sie ist von dem Beleuchtungszustand der ganzen Netzhaut abh\u00e4ngig, so jedoch, dafs daran die peripheren St&bchenapparate vorzugsweise (nach der Meinung einiger Physiologen sogar ausschliefslich) beteiligt sind, Wenn man sich l\u00e4ngere Zeit im Dunkeln aufh\u00e4lt, so befindet sich daher die Netzhaut im Zustande der Dunkeiadaptation, und dieser Zustand wird nur unwesentlich dadurch gemildert, dafs man eine kleine, schwach von reflektiertem, Lampenlicht beleuchtete Fl\u00e4che betrachtet Umgekehrt, wenn man in diffusem Tageslicht arbeitet, befindet sich die Netzhaut im Zustand der Tagesadaptation ; und an diesem, Zustand wird dadurch nichts ge\u00e4ndert, dafs sich in unserer Umgebung gelegentlich dunklere Gegenst\u00e4nde befinden. Ebensowenig tritt nat\u00fcrlich Dunkeladaptation ein, wenn man bei tachistoskopischen Versuchen im Tageslicht die weifse Marke des kleinen schwarzen Schildes fixiert, welche das Objekt verdeckt Nun gestattete der Apparat den VerffL nur im Dunkeln zu arbeiten, da sie auf die Benutzung des Refiexlichtes einer Lampe zur Beleuchtung ihrer Mattglasplatte angewiesen waren... ,a\u00e0 Wir k\u00f6nnen zusammenfassen : Die beleuchtete Mattglasplatte des TacMstoskopes von Erdmann und Dodoe gen\u00fcgt nicht, um Helligkeitsadaptation zu bewirken, das \u201ekleine schwarze Schild\u201c mit der weifsen Marke am W\u00fcNDTschen Apparat ruft kein\u00ae Dunkeladaptation hervor; denn die Adaptation ist nach diesen Ausf\u00fchrungen Wundts ein Gesamtzustand der Netzhaut. \u2014\nDagegen ist folgendes einzuwenden. Es gibt ebensogut eine partielle, wie eine totale Netzhautadaptation, und zwar kann die partielle Adaptation ein\u00a9 sehr ausgesprochene sein. Dies beweisen die negativen Nachbilder, die eine weifse Figur, wenn sie auf schwarzem, Grunde abgebildet ist, oder eine schwarze Figur auf weifsem Grande zu erzeugen vermag. Die negativen Nachbilder entstehen infolge der partiellen Adaptation, indem\n1 Philos, Studien 15, 286\u2014307.\na Zeit8 ehr, f, Psychol, u. Physiol, d. Sinne sorg. 22, 243\u2014254.\ns Philos. Studien 16, 65, 68.\n4 S. 66,","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Experimenteilt und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc.\t23\ndi\u00a9 verschieden adaptierten, Netzhautstellen f\u00fcr gleichartiges Licht verschieden\u00a9 Empfindungen ergeben, Diese Wirkungen lokaler Adaptation sind also sehr kr\u00e4ftige. Sie widerlegen die Ansicht, nach der die Adaptation nur oder vor allem von der Peripherie der Netzhaut ausgehen k\u00f6nne. Negativ\u00a9 Nachbilder erhalt man f\u00fcr die Netzhautpartien. Allerdings stellt sich f\u00fcr di\u00a9 Peripherie die Adaptation etwas schneller ein, als f\u00fcr die Netzhautmitte1 ; aber das kommt nicht m Betracht, da immer gen\u00fcgend\u00a9 Zeit zur Adaptation vorhanden ist. (Di\u00a9 Annahme, dafs di\u00a9 peripheren St\u00e4bchenapparate vorzugsweise, vielleicht ausschliefslich, den Adaptationszustand hervorrufen, wird in dem ausf\u00fchrlichen Abschnitte \u00fcber \u201eAdaptation der Netzhaut und lokal\u00a9 Unterschiede ihrer Erregbarkeit^ in den Grundz\u00fcgen der physiologischen Psychologie von W\u00fcnbt selbst nicht einmal erw\u00e4hnt2 * 4) \u00dcbrigens ist die Mattglasplatte am Tachistoskop von Bbbma\u00e4n und Dobob 21,5 X 15,8 cm grofs. Bei dem in Betracht kommenden Abstand des Auges von der Platte von 31 cm werden also Netzhautstellen noch beleuchtet, die weit vom Zentrum entfernt sind, und wenn die Annahme einer Fortpflanzung der Adaptation auf die nicht oder sehr wenig beleuchteten Netzhautstellen nicht ganz verfehlt ist, nimmt sicherlich auch die \u00e4ufserste Peripherie den Zustand der Adaptation an. Dafs der entstehende Adaptationszustand nicht genau dem entspricht, den di\u00a9 Expositionshelligkeit fordern w\u00fcrde, ist selbstverst\u00e4ndlich und beabsichtigt, Das, was Wunbt8 gegen diesen beabsichtigten Helligkeitswechsel einwendet, beruht auf einem Mifsverst\u00e4ndnis, wie man beim, Vergleich mit den betreffenden Ausf\u00fchrungen von Ebbmann und Dobge 4 erkennen, wird. Die Differenz besteht tats\u00e4chlich, zwischen den Augenblicken der Augenbewegung, in welchen das Schwarz der Buchstaben 'und das Weifs des Hintergrundes in verschwindenden Zeitabst\u00e4nden\n1 Beobachtungen, welche dies zeigen, siehe bei H. Ebbinghaus; \u201eGrundz\u00fcge der Psychologie\u201c 1, 1902, 236.\n\u00ae Bd. II, S. 171\u2014188.\nDie lokale Adaption wird in demselben Abschnitte beschrieben : \u201eAuch kennen diese (adaptiven Prozesse) in lokal, begrenz ter Form auftreten, indem sich eine Netzhautstelle z. B. einer auf ihr sich ab-bildenden dunkeln Fl\u00e4che adaptiert, indes die \u00fcbrige Netzhaut im Zustande der Helladaptation verbleibt.\u201c S. 172.\n8 Zweiter Artikel, S. 67.\n4 Erl\u00e4uterungen, S. 24,8.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nErich Becher.\ndieselbe Netzhautstelle treffen, und denen der Ruhepausen, in welchen nur einzelne Netzhautstellen nicht von dem Weifs des Hintergrundes belichtet werden. Diesem Wechsel entspricht der HelligkeitsWechsel am, Tachistoskop.\n\u00dcbrigens m\u00fcfsten starke Adaptationsst\u00f6rungen die Menge des Gelesenen vermindern. Nun, \u00fcberraschen aber die Ebdmann-DoDGEschen Versuche zun\u00e4chst gerade durch die Menge des Gelesenen, wie Wundt wiederholt hervorhebt. Das objektive Resultat spricht somit gegen das Vorhandensein der St\u00f6rungen. Da auch subjektiv die charakteristischen Unlustgef\u00fchle nicht feststellbar waren, k\u00f6nnen nur ganz geringe St\u00f6rungen statt-' gefunden haben.\nMeine Versuche werden von dem, Ein,w\u00e4nde ungen\u00fcgender Adaptation noch weniger getroffen. Ich war bei einer Reihe von Versuchen gezwungen, die Augen des Lesenden zu kontrollieren, also auch zu beleuchten. Um bei allen Versuchen gleiche Bedingungen zu, erreichen, habe ich, immer den Lesenden der Beleuchtung einer Gasgl\u00fchlichtlampe (mit Mattglaskelch) aus-setzen m\u00fcssen, di\u00a9 sich nach vorn\u00a9 \u00fcber dem Apparat und dem Lesenden befand. Bei dieser Anordnung werden die Netzhautteile, di\u00a9 nicht von der Mattglasplatte belichtet sind, von den Strahlen der Lampe und dem diffusen Lichte des Zimmers getroffen , so dafs die Peripherie sicher beleuchtet ist Der Be-leuchtungszustand ist so dem beim, Lesen, bei Lampenlicht ent-sprechend ; und Lesen bei der Lampe darf jedenfalls als normal angesehen werden.\nDer Unterschied zwischen den verschiedenen k\u00fcnstlichen Lichtarten und dem Tageslicht ist \u00fcbrigens nicht so grofs, dafs er die Betonung rechtfertigen k\u00f6nnte, die er bei Wundt erf\u00e4hrt Vielmehr hat mir die spektroskopische Beobachtung gezeigt, dafs der Unterschied zwischen den Lichtseiten geringer ist, als wir auf Grund der durch Kontrastwirkungen entstehenden T\u00e4uschungen iu glauben geneigt sind. Ich habe die Vergleiche an Spektren von Gasgl\u00fchlicht, Tageslicht, elektrischem Gl\u00fchlicht 'und Petroleumlicht angestellt Die Spektra einer schlecht brennenden elektrischen Gl\u00fch- oder Petroleumlampe unterscheiden sich von denen einer gut brennenden mehr, als 'die der letzteren vom Spektrum, des Tageslichtes, wenn man von den F\u00dfAUENHOFERschen Linien absieht, die f\u00fcr die Mischfarbe ohne Bedeutung sind. Zu den Versuchen mit dem, Tachistoskop von Erdmann 'und","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie dm Lesern etc. 25\nDodge habe ich Gasgl\u00fchlicht verwandt, welches in vieler Beziehung dem Tageslicht nahe steht, jedenfalls aber in einer Richtung von diesem abweicht, die der des von Ebbmann und\nBodge verwandten Petroleumlichtes entgegengesetzt ist. Ein\n\u2022\u2022\nBin Aufs dieser \u00c4nderung ist nicht zu konstatieren; nur erlaubt das Gasgl\u00fchlicht gr\u00f6fsere Helligkeiten,\nDie Adaptationswirkung der dunkeln Platte an dem. Fall-tachistoskop, auf welche Erdmann und Dodge aufmerksam machten, h\u00e4lt Wundt f\u00fcr sehr gering. Ich kann dieselbe nur mit Vorbehalt beurteilen, da ich den Apparat nur nach Beschreibung und Figur kenne. Das \u201ekleine schwarze Schild\u201c mit der weifsen (nach Zbitlbr* 1 grauen) Marke ist nach Text und Figur2 sicher 10 cm breit und 8 cm hoch und d\u00fcrfte so das Gesichtsfeld des innen jedenfalls geschw\u00e4rzten, schwach ver-gr\u00f6fsemden Fernrohres3 ziemlich f\u00fcllen. Den \u00fcbrigen Teil des Auges bedeckt die meist \u00fcberstehende Verschlufsplatt\u00a9 des Okulars wahrscheinlich mehr oder weniger. Hinzu kommt, dafs viele Beobachter die Gewohnheit haben, den Okulartubus mit Daumen und Zeigefinger zu umfassen, So scheint die Helligkeitsadaptation bei dem Falltachistoskop trotz der Tagesbeleuchtung unvollkommen zu sein. Sicher schwankt der Adaptationszustand je nach der gr\u00f6fseren oder geringeren Entfernung des Auges vom Okular in unkontrollierbarer Weise. Deshalb glaube ich das Tachistoskop von Erdmann und Dodge, bei welchem, jedenfalls Konstanz der Adaptationsbedingungen leicht erreichbar ist, vorziehen zu m\u00fcssen. Ich habe indessen durch Leseversuche bei Funkenbeleuchtung, die teils bei Helligkeits-, teils bei Dunkeladaptation ausgef\u00fchrt wurden, die \u00dcberzeugung gewonnen, dafs der Ei.nfi.ufs dieser Unterschiede der prim\u00e4ren und reagierenden Helligkeiten recht gering ist und will daher auf obige M\u00e4ngel des Falltachistoskopes nur wenig Gewicht legen. F\u00fcr bedenklicher halte ich die Abw\u00e4rtsbewegung der Schirme und des Fixationspunktes, besonders bei l\u00e4ngeren Expositionen. \u00dcberdies beginnt erst ein Zeitteilchen nach dieser Bewegung des Fixationspunktes die Exposition. Vielleicht ist durch diese Bewegung der\n1 A. a. O. S. 381.\n1 Ebendaselbst 8. 380, 381, sowie Wundt, V\u00f6lkerpsychologie I, 1 S. 528 bis 530 und Grundz\u00fcge der Physiologischen, Psychologie III, S. 357\u2014358,\n* Zeitleb : a. a. 0. 8. 382. Wundt: V\u00f6lkerpsychologie I, 1 8, 5.30, Grund-\nz\u00fcge der Physiologischen Psychologie Bd. III, 358.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nErich Becher.\nEindruck von Aufmerksamkeitswanderungenhervorgerufen worden. Denn die Verschiebung des Punktes, auf den sich naturgem\u00e4fe die Aufmerksamkeit mehr oder weniger scharf richtet, hat offenbar die Tendenz einer St\u00f6rung der Aufmerksamkeitsverteilung, auch wenn diese St\u00f6rung nicht in der Expositionszeit selbst, sondern erst sp\u00e4ter eintritt Es ist augenscheinlich, dafs auf Grund einer solchen St\u00f6rung leicht die T\u00e4uschung von Aufmerksamkeitsverschiebungen w\u00e4hrend der Expositionszeit entstehen kann.\n\u00dcber die Mitwirkung der Nachbilder beim Lesen.\nWeder beim gew\u00f6hnlichen Lesen, noch bei Beobachtungen am Tachistoskop oder bei Funkenbeleuchtung war f\u00fcr uns eine Mitwirkung der Nachbilder beim Erkennen feststellbar. Bei den Versuchen mit Funkenbeleuchtung ohne reagierendes Licht blieb zwar ein Nachbild der ganzen beleuchteten Fl\u00e4che, aber in dieser waren nie mehr einzelne Buchstaben zu erkennen. Diese Beobachtung wird erkl\u00e4rt durch die weiter unten anzugebenden Resultate.\nZun\u00e4chst m\u00f6gen noch die Beobachtungen angef\u00fchrt werden, die wir bei der Vergleichung der Nachbilddauer verschiedener Lichtarten machten. Wundt legt, wie schon erw\u00e4hnt, auf die Bedingung grofses Gewicht, dafs Leseversuche bei Tageslicht auszuf\u00fchren seien.* 1 Allgemein ist hiergegen, neben dem schon Gesagten, zu erw\u00e4hnen, dafs k\u00fcnstliche Beleuchtung viel sicherer eine Konstanz2 der Versuchsbedingungen erreichen l\u00e4fst. Konstante Beleuchtungsst\u00e4rke und Richtung ist bei Tageslicht \u00fcberhaupt nicht erreichbar, und so kommt zu der oben erw\u00e4hnten Inkonstanz der Adaptationsverh\u00e4ltnisse am Falltachistoskop noch die dfer Beleuchtungsst\u00e4rke und Richtung hinzu. Auch die Farbe des Tageslichtes ist nicht unver\u00e4nderlich; in einem geschlossenen Raume h\u00e4ngt sie wesentlich von der Farbe der jeweils am st\u00e4rksten beleuchteten Fl\u00e4chen ab.\nAn der ersten der angef\u00fchrten Stellen bezeichnet W\u00fcndt als einen der Vorteile der Tagesbeleuchtung die k\u00fcrzeste Nach-\n1 Zur Kritik . . ., erster Artikel S. 296, zweiter Artikel S. 65.\n1 Oskar Messmer arbeitete am WuNDXschen Falltachistoskop bei k\u00fcnst-\nlicher Beleuchtung, um den Helligkeitswechsel der Tageebeleuchtung zu vermeiden. (Zur Psychologie des Lesens bei Kindern und Erwachsenen. Archiv f\u00fcr die gesamte Psychologie 2, 196).","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 27\nbildwirkung. Wir konnten Unterschiede in der Nachbilddauer der verschiedenen in Betracht kommenden Lichtsorten nicht feststellen. Selbst Gasgl\u00fchlicht und das Licht eines gew\u00f6hnlichen Gasflachbrenners, also Lichtarten, zwischen denen das Tageslicht m bezug auf seine Farbe steht, gaben keine feststellbaren Unterschiede. Da die Messung der Nachbild dauer infolge der Komplikationen des Nachbildverlaufes schwierig und unsicher ist, wurden die Versuche so angestellt, dafs zwei Lichtarten von gleicher Intensit\u00e4t gleichzeitig zur Wirkung kamen. Von Spalten, die mit den verschiedenen Lichtern beleuchtet waren, wurden Bilder in wechselndem Abstand auf einem mattweifsen, durchscheinenden Schirme von Pausleinwand entworfen. Diese Bilder wurden von schwarzen oder grauen Papierschirmen bedeckt Die letzteren hatten in der Mitte eine \u00d6ffnung zur Fixation und symmetrisch dazu zwei gr\u00f6fsere, verschieden geformt\u00a9 \u00d6ffnungen von wechselnder Entfernung. Man konnte den dunkeln Schirm so anbringen, dafs die Fixations\u00f6ffnung von einer beliebigen der Lichtquellen beleuchtet war, w\u00e4hrend die beiden symmetrischen \u00d6ffnungen Licht von den zu vergleichenden Spalten empfingen. Durch den Wechsel der Beleuchtung des Fixationspunktes, sowie\nder Lichtquellen, durch Variation des Abstandes und der Form,\n\u2022 \u2022\nsowie der Lage der erleuchteten \u00d6ffnungen war die Kompensation von Verschiedenheiten der getroffenen Netzhautstellen erreichbar. Das Auge des Beobachters erhielt eine feste Lage. Gesehen wurde nur mit einem Auge. Die Gleichheit der Intensit\u00e4t der lichtarten wurde durch Verschiebung der Lichtquellen auf einer optischen Bank erzielt, wobei zu beachten war, dafs keine Bilder der Lampen auf dem Schirme entstanden, was z. B. bei der Struktur der Gl\u00fchstr\u00fcmpfe die Gleichm\u00e4fsigkeit der F\u00e4rbung der Bilder g\u00e4nzlich aufheben konnte. Die Bilder mufsten vielmehr von den Spalten herr\u00fchren. Intensit\u00e4tsvergleichung verschiedenfarbigen Lichtes kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus geschehen. Der physikalische Mafsstab einer Messung der Energiemengen ist f\u00fcr unsere Zwecke bedeutungslos, da die Empfindungen!tensit\u00e4t von Lichtstrahlen gleicher Energie, aber verschiedener Wellenl\u00e4nge sehr verschieden ist. Auch war f\u00fcr uns eine solche Vergleichung unausf\u00fchrbar. Eher k\u00f6nnte man an eine Messung der chemischen Wirkungen denken. Allein abgesehen von den sieh entgegenstellenden experimentellen Schwierigkeiten w\u00e4re \u00a9ine solche Vergleichung unm\u00f6glich, da","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nErich Becher.\ndie chemischen, 'Wirkungen verschiedener Farben auf verschiedene belichtet\u00a9 Substrate einander nicht proportional sind. So bleibt nur die einfache Absch\u00e4tzung\u00bb und diese ist\u00bb trotz der ihr anhaftenden M\u00e4ngel\u00bb bei der geringen\u00bb allerdings beim Vergleich durch Kontrast anfangs vergr\u00f6fserten Farbendifferenz ganz gut m\u00f6glich.\nDie Versuche wurden noch in der Richtung variiert, dafs\ndie Belichtungsdauer in weiten Grenzen ver\u00e4ndert wurde (von\n\u2022\u00ab\nJl2 bis 20 Sek.)\u00bb dafs die Lichtintensit\u00e4t der beiden \u00d6ffnungen verschiedene Werte erhielt (sie wurde auf das etwa zehnfache eines Anfangswertes gebracht durch Verschiebung der Spalte\u00bb Linsen und Lichtquellen), und dafs der Beleuchtungszustand des Zimmers gewechselt wurde. Es wurde experimentiert bei v\u00f6lliger Verdunklung, wechselnder Tages-, Gasgl\u00fchlicht- und elektrischer Gl\u00fchlichtbeleuchtung. Die Augen wurden nach der Belichtung geschlossen oder auf weifse\u00bb graue oder schwarze Fl\u00e4chen ge-richtet. Der Erfolg war immer der\u00bb das di\u00a9 Verschiedenheit der Farben im Nachbild sehr schnell abnahm,\u00bb und, das beide Nachbilder sich ganz analog verhielten, in Wechsel und Mannigfaltigkeit der F\u00e4rbung\u00bb der Intensit\u00e4t und der Gestalt. Darin, dafs dieses gleichartige Verhalten auch von den negativen Nachbildern gilt\u00bb wird man einen Beweis f\u00fcr die Gleichartigkeit der Adaptationswirkungen so wenig verschiedener Farbennuancen erblicken m\u00fcssen.\nAuf Grund dieser in mehrfacher Richtung stark variierten Versuche glaube ich schliefsen zu d\u00fcrfen, dafs auch bei den kurzen Belichtungszeiten und den verschiedenen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen der Expositions- und reagierenden Beleuchtungen am Tachistoskop die geringe Farbendifferenz zwischen Tages- und k\u00fcnstlichem Licht ohne Bedeutung ist f\u00fcr etwa entstehende Nachbilder. Wenn die t\u00e4gliche Erfahrung uns geneigt macht, allen k\u00fcnstlichen Lichtarten gr\u00f6fsere Nachbild Wirkungen zuzuschreiben als dem Tageslicht, so ist das darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs bei k\u00fcnstlicher Beleuchtung die Helligkeitsditferenzen, die uns \u00fcberall entgegentreten, weit gr\u00f6fsere sind, dafs es mehr dunkle Fl\u00e4chen gibt, auf. denen sich die Nachbilder gut entwickeln k\u00f6nnen.\nWenn die untersuchten, wenig verschiedenen Lichtarten eine weitgehende Gleichartigkeit der Nachbildwirkungen aufwiesen, so steht dies in keinem, Widerspruch zu, den Beobachtungen","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 29\n\u00fcber das verschiedene Verhalten von Farben, die weiter auseinander liegen. Die von Plateau gemachte Annahme, dafs die Dauer der Nachbildphasen f\u00fcr verschiedene Farben verschieden sei, ist nicht anzuzweifeln, da sie durch alle Beobachtungen gesichert wird.1\nDafs die Nachbilder das Erkennen von Gegenst\u00e4nden wesentlich erleichtern, die nur f\u00fcr Bruchteile von Sekunden sichtbar sind, scheint schon die Erfahrung unwahrscheinlich zu machen, die man \u00fcber die Form von Blitzen gemacht hat N\u00e4chtliche Blitze erzeugen recht starke Nachbilder, so dafs man, wollte man die Nachbilddauer zur Beleuchtungsdauer addieren, bedeutende Zeiten erhalten w\u00fcrde. Trotzdem ist man \u00fcber die genauere Form, der Blitze erst sicher orientiert, seitdem man Photographien derselben hat herstellen k\u00f6nnen.\nEine Entscheidung dar\u00fcber, ob und zu welchem Teil die Nachbilddauer zur Expositionszeit gerechnet werden darf, ist nur durch Analogieschl\u00fcsse zu gewinnen, da f\u00fcr die direkt\u00a9 Beobachtung am Tachistoskop kein Nachbild wahrnehmbar ist. Die Reilwirkung mufs also erh\u00f6ht werden und zwar in einer Weise, die die Bedingung f\u00fcr die Nachbildentwicklung nur so ver\u00e4ndert, dafs die Nachbilder m\u00f6glichst den Charakter behalten, den sie eventuell am Tachistoskop haben m\u00fcfsten. Verl\u00e4ngert man die Reizdauer wesentlich, ohne die Intensit\u00e4t zu erh\u00f6hen, so entstehen im m\u00e4fsig erleuchteten Zimmer leicht negativ\u00a9 Nachbilder. Erh\u00f6ht man di\u00a9 Intensit\u00e4t wesentlich bei kleiner Expositionszeit, so treten das Abklingen der Empfindung und positive Nachbilder mehr hervor. Ich habe Versuche von beiderlei Art ausgef\u00fchrt und beginne mit der Beschreibung der ersten Versuchsanordnung,\nAuf einer optischen Bank befand sich verschiebbar die Lichtquelle, meist eine Gasgl\u00fchlichtlampe oder ein Flachbrenner. Von derselben wurde eine Mattglasplatte beleuchtet. Auf letztere wurde ein Blatt schwarzes Papier mit zwei \u00d6ffnungen von je 2 cm im Quadrat aufgeklebt. Mitten zwischen beiden befand sich eine kleine \u00d6ffnung zur Fixation. Vor diesem, Schirm\n1 Hierzu, wie zum Folgenden cfr. Helmholtz: Handbuch der physiologischen Optik, 2. Aufl. 1896, S. 503\u2014637, besonders 521 u. folg.; ferner Wundt: Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie Bd. II, 8. 188\u2014207, 'besonders 8. 189\u2014190. In beiden Werken \u00e4ndet man die in Betracht kommende Literatur von Plateau, Fechneb, Hiss usw.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nErich Becher.\nkonnte eine Kamera so aufgestellt werden, dafs der Beobachter\nmit Hilfe eines Tuches sich vor allem Licht, aufser dem jener\n\u00d6ffnungen, sch\u00fctzen konnte, falls die Nachbilder im Dunkeln\nbeobachtet werden sollten. Bei Beobachtung im hellen Zimmer\nwar nur ein Statif angebracht, um eine feste Kopfhaltung m\nerm\u00f6glichen. In einem der beiden Quadrate wurde nun ein\nStreifen schwarzen Papieres von verschiedener Gr\u00f6fse auf die\nMattglasplatte geklebt. Bei anderen Versuchen fiel das gr\u00f6fsere\n##\nPapier mit den drei \u00d6ffnungen fort, und es blieb nur der schwarze Streifen, der dann auch zur Fixation diente. Als reagierendes Licht wurde eine mehr oder weniger beleuchtete weifse Wand benutzt Die Belichtungszeit des Auges variierte von 1 bis 31 Sek., je nach der Intensit\u00e4t; die Lichtst\u00e4rke wurde von einem unteren Werte an vemeunfacht Der Papierstreifen war meist 5 mm lang und 1/2 mm breit ; doch wurden auch gr\u00f6fsere und kleinere Streifen gebraucht.\nDer Erfolg war bei allen Versuchsanordnungen, im hellen\nwie im dunkeln Raume, dafs der Streifen aus dem Nachbild\nbald verschwand, w\u00e4hrend dieses noch fortdauerte. Je schmaler\nder Streifen, um so schneller wurde er vernichtet; das Leuchten\nschien von allen Seiten in ihn hereinzustr\u00f6men. Das zeigte eich\nbei Nachbildern jeden Charakters. Bei den Versuchen mit den\n\u00ae \u2022\nbeiden quadratischen \u00d6ffnungen wurden die Nachbilder der beiden Quadrate bald nach dem Aufh\u00f6ren der Belichtung ununterscheidbar \u00e4hnlich. Am deutlichsten war die Erscheinung bei einer Entfernung der Gasgl\u00fchlichtlampe vom Schirme von 60 cm und einer Fixation von etwa 2 Sekunden.\nBei einer weiteren Versuchsreihe war eine Reihe von Papierstreifen nebeneinander angebracht, den senkrechten Linien der Buchstaben im Abstande etwa entsprechend. Im Nachbild verschwanden die einzelnen Streifen sehr schnell, w\u00e4hrend ein Fleck, der dem Gesamtbild des Streifenkomplexes ungef\u00e4hr ent-sprach, im Nachbild l\u00e4nger fortdauerte. Es erscheint daher m\u00f6glich, dafs am Tachistoskop im Nachbild, wenn ein solches \u00fcberhaupt zur Wirkung kommt, die \u201egr\u00f6bere Gesamtform\u201c wirksam bleibt und das Erkennen erleichtert Immerhin kann diese Wirkung nur eine geringe sein, da die bald eintretenden Komplikationen des Nachbildes in bezug auf Farbe und Form sie beeintr\u00e4chtigen. Meist verschwindet auch der Streifen noch vor dem Nachbilde.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 31\nEntsprechend waren die Ergebnisse bei grofser Intensit\u00e4t und Funkenbeleuchtung. Es wurde der \u00d6ffnungsfunke eines Mduktoriums mittlerer Gr\u00f6fse verwandt Die prim\u00e4re Stromst\u00e4rke betrug 7 Amp\u00e8res. Der Funke schlug zwischen einer Kugel von 3 cm Durchmesser und einer Spitze \u00fcber. Die Funkenl&nge war 9 bzw. 6 mm. Die Klemmen der sekund\u00e4ren Spule waren bei den Funken von 9 mm L\u00e4ng\u00a9 mit einer Leidenerflasche von 15 cm Belegh\u00f6h\u00a9 und 10 cm Durchmesser, bei den Funken von 6 mm mit einer Batterie von 4 Flaschen, 28 cm Belegh\u00f6he und 13 cm Durchmesser verbunden. Eine Mattglasplatte, die zu den verschiedenen Versuchen \u00e4hnlich mit Streifen usw. 'beklebt wurde, wie dies bei den geschilderten Experimenten geschah, war 4 cm von der Funkenstrecke entfernt aufgestellt Der Abstand des Auges von der Platte betrug meist 40 cm. Di\u00a9 Helligkeit des Zimmers wurde variiert. Die Erscheinungen \u00e4nderten mit derselben vor allem ihre Farbe, waren auch im Hellen von k\u00fcrzerer Dauer. Am zweekm\u00e4fsigsten f\u00fcr die Betrachtung war eine fast v\u00f6llige Dunkelheit Die angewandten Funken waren sehr kr\u00e4ftig, besonders beim Gebrauch der Batterie von 4 Flaschen.\nZun\u00e4chst befand sich auf der Mattglasplatte ein schwarzer Streifen von 1 cm L\u00e4nge und 1 mm Breite. Nach dem Funken gleicht zun\u00e4chst das Bild dem Eindruck, d. h. der schwarze Strich erscheint in einem sehr hellen Felde von etwa 4 cm Durchmesser, welches nach aufsen in ein schw\u00e4cher beleuchtetes Feld \u00fcbergeht. Aber sofort beginnt das helle Feld sich mit grofser Geschwindigkeit zu verengern, wobei der schwarze Strich verschwindet Die Helligkeit scheint in der Mitte zusammen-zustr\u00f6men und im Mittelpunkte zu verschwinden, so dafs Dunkelheit entsteht Dann erscheint, von der Mitte her sich ausbreitend, wieder ein helles Feld, nat\u00fcrlich schw\u00e4cher als das erste und ohne schwarzen Strich. Weitere Perioden in der Nach-bilderscheinung sind nicht so leicht feststellbar. Deutlich treten Farbenunterschiede im, Nachbild besonders w\u00e4hrend der zweiten Helligkeitsperiode auf. Die Beschreibung bezieht sich auf das verdunkelte Zimmer. Im erleuchteten Raum\u00a9 tritt an Stelle der Phase der Dunkelheit die einer schwachen Lrmf\u00e4rbung, als Folge der oben erw\u00e4hnten Unterschiede in den Nachwirkungen der einzelnen Farben. \u00dcbrigens ist dies erst\u00a9 Intervall der Dunkelheit sehr deutlich, wenn auch \u00a9in schwacher Lichtschein zur\u00fcck*","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nErich Becher.\nbleiben, mag. Wurde der Streifen von 1 cm L\u00e4nge und 1 mm Breite durch einen solchen von 0,5 cm L\u00e4nge und 0,5 mm Breite ersetzt, so war die Sichtbarkeit der Linie fast nur momentan. Trotzdem ist dieser Streifen gr\u00f6fser als die grofsen Striche der von Erdmann und. Dodge gelesenen Buchstaben. Bei Streifenkombinationen entsprachen die Beobachtungen im wesentlichen denen, bei geringerer Intensit\u00e4t und l\u00e4ngerer Belichtung. Deutlich trat hervor, dafs durch das Zustr\u00f6men des Lichtes die matten Streifen im Nachbild, die durch eine Reihe paralleler Linien von geringem Abstand erzeugt wurden, w\u00e4hrend des Verlaufs der Erscheinung sich nicht geometrisch \u00e4hnlich blieben, so dafs der Wert solcher Streifen f\u00fcr das Erkennen von W\u00f6rtern auf Grund der gr\u00f6beren Wortform nur gering sein kann.\nWenn man von der Komplikation durch die schwarzen Streifen absieht, so sind derartige Nachbilderscheinungen l\u00e4ngst bekannt Die Periodizit\u00e4t des Vorganges hat schon Pdateau mit Nachdruck hervorgehoben.1 Fechner betrachtet di\u00a9 oszillatorische Form, im Ablauf\u00a9 der Nachbilder als di\u00a9 wesentlich\u00a9 Form derselben, \u201ewobei di\u00a9 erst\u00a9 Phase leicht wegen zu grofser Schnelligkeit, mit der sie vor\u00fcbergeht, di\u00a9 letzten wegen zu grofser Schw\u00e4che oft nicht wahrgenommen werden.\u201c 2 * Dafs nicht belichtete Netzhautpartien ansehnlich\u00a9 Lichtwirkungen vermitteln, ist ebenfalls bei manchen Ph\u00e4nomenen festgestellt und durch G. Hess\u2019 Untersuchungen hervorgehoben worden.8 Derselbe Beobachter hat die mannigfaltigen Farbeneffekt\u00a9 bei Nachbildern an Spektren untersucht4 * * Dafs allerdings die Einzelheiten der Vorg\u00e4nge noch unsicher sind, ist bei der Komplikation der Erscheinungen erkl\u00e4rlich, f\u00fcr uns aber ohne Bedeutung. Ich glaube auf Grund meiner Erfahrungen annehmen zu d\u00fcrfen, dafs selbst die erste Phase des Prozesses, das Abklingen, oder die \u201eunmittelbare Nachwirkung\u201c, wie Wcndt sagt8, nur teilweise zur Expositionszeit gerechnet werden darf, wenn anders die Analogieschl\u00fcsse berechtigt sind, die sich zwar1 auf von den zu ersehliefsenden Vor-\n1 Poookkdobfs Annalen, XXXII S. 5\u00a70.\na Elemente der Psychophysik\u00bb 2\u00ab Aufi, H, Teil, S. 309.\n*\tZdtschr. f. PsychoL m. Physiol, i. Simnesorg. : Zur Kenntnis des Ablaufa der Erregung Im Sehorgan, 21, (1902\\ 1\u201417, 'besonders 3.\n4 Untersuchungen \u00fcber die nach kurzdauernder Reizung des Sehorgane\u00ab\nauftretenden Nachbilder. Pfl\u00fcgers Ar clin 4\u00ae, (1891), 190.\n\u2022\tZur Kritik . , Artikel I, S. 307.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 33\nginge wesentlich verschiedene, aber nach verschiedenen Richtungen liegende Reihen von Erscheinungen st\u00fctzen, Die Annahme, dafs die Nachbildph\u00e4nomene neben anderen \u00c4nderungen an Intensit\u00e4t und Dauer mit der St\u00e4rke und Wirkungszeit der Reize abnehmen, ist aber 'f\u00fcr alle beobachtbaren F\u00e4lle soweit gesichert, dafs sie auch f\u00fcr diejenigen festgehalten werden mufs, die sich der Beobachtung entziehen, Es darf daher vielleicht als wahrscheinlich gelten, dafs die durch die Nachwirkungen hervorgerufen\u00a9 Verl\u00e4ngerung der Sichtbarkeitsdauer von Buchstaben bei Expositionen am Tachistoskop durch die Zeit ungef\u00e4hr ausgeglichen wird, welche vom Beginn der Exposition infolge der Tr\u00e4gheit des nerv\u00f6sen Apparates in Abzug zu bringen ist.1 Jedenfalls erscheint die WuNDTsch\u00a9 Sch\u00e4tzung der Sichtbarkeitsdauer bei den Expositionen von Ebbmxmh und Dodge auf 0,25 Sek,, ja vielleicht die der Beobachter auf 0,15 Sek. als zu hoch, wenn man, die durch letztere ausgef\u00fchrte Bestimmung der Zeit des Abklingens2 * 4 ber\u00fccksichtigt, und nur1 einen Teil dieser Zeit in Anrechnung bringt Versuche, jenen Bruchteil zu bestimmen, scheinen mir sehr schwierig und unsicher zu sein, sowohl wegen der Kleinheit der Zeiten, als der Schwierigkeit, Zeitpunkte f\u00fcr den Abschlufs der betreffenden Phasen anzugeben. Mir sind Beobachtungen \u00fcber diese Frage, trotz der Anwendung sehr starker Funken, nicht gelungen.\nBei den angef\u00fchrten Versuchen beobachteten, wie bei allen in Remscheid ansgef\u00fchrten, S. Becheb und E. Becheb. Die angef\u00fchrten Resultate erfordern also eine Einschr\u00e4nkung, da in bezug auf Nachbild Wirkungen nicht geringe individuelle Verschiedenheiten zu bestehen scheinen. Doch mag erw\u00e4hnt werden, dafs wir uns durch zahlreiche vergleichende Beobachtungen \u00fcberzeugt haben, Nachbilderscheinungen von mehr als durchschnittlicher Dauer und Intensit\u00e4t bei uns wahrzunehmen.\nBemerkungen zur Terminologie von, Erdmann und Dodge\nund von, Wuibt und Zeitler.\nDie bedauerliche Uneinigkeit in bezug auf die Bedeutung, die man mit dem Worte Apperzeption verbindet, w\u00fcrde mich\n1 Dafs das Ansteigen, der Netzhauterregungen Zeiten bis zu mehr als\nl/4 Sek. bei weifsein Licht erfordern, kann, hat E. Dubb in der Arbeit gezeigt:\nUber das Ansteigen, der Netzhautempfindungen, Wundts Philosophische Studien 8, 1908, 215 f.\n4 Erl\u00e4uterungen . . . S. 253\u2014254.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 36.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nErich Becher.\nnicht veranlassen, die folgenden Zeilen einzuschieben, wenn nicht die verschiedene Anwendung des Wortes zu MifsVerst\u00e4ndnissen in der Arbeit Zeitlebs gef\u00fchrt h\u00e4tte, Z eitler verwendet \u00fcberall Wundts Sprachgebrauch; .findet er bei Erdmann und Dodge den Ausdruck \u201eApperzeption\u201c, so verbindet er mit diesem immer die WuNDTsehe Bedeutung, obwohl Erdmann und Wundt g\u00e4nzlich verschiedene Begriffe mit dem Worte Apperzeption bezeichnen.1 * 3 So beruhen ausgedehnte polemische Ausf\u00fchrungen Zeitlebs 2 lediglich auf Mifsverst\u00e4ndnissen.\nNach Erdmann ist die \u201eapperzeptive Reproduktion eine unselbst\u00e4ndige; sie ist dadurch charakterisiert, dafs die (durch den Reiz) erregten Residuen (fr\u00fcherer gleichartiger Wahrnehmungen) nicht selbst\u00e4ndige Komponenten unseres Wahrnehmungsinhaltes bilden, sondern dafs sie als apperzeptive Komponenten der Wechselwirkung mit den perzeptiven Reizkomponenten zu dem Wahrnehmungsganzen verschmelzen\u201c.8 Der Vorgang einer apperzeptiven Reproduktion vollzieht sich physiologisch so, dafs die Reizkomponente mit den residualen Elementen fr\u00fcherer gleichartiger Reize zu einer Resultante sich zusammensetzt ; der Resultante entspricht ein psychischer Vorgang, in welchem Reiz-und Residualkomponente ebenso zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen sind, wie in den Bewegungsvorg\u00e4ngen des physiologischen Prozesses Reiz und Residualkomponente zur Resultierenden verschmelzen. Von der Residualkomponente gehen die eventuell auftretenden assoziativen oder selbst\u00e4ndigen Reproduktionen aus.4 * * * Dieser Apperzeptionsvorgang vollzieht sich z. B. auch bei jeder optischen Wahrnehmung eines entwickelten Menschen, mag diese Wahrnehmung eine aufmerksame sein oder nicht Nach Erdmann und Dodge ist daher das Wahrnehmen der Buchstaben und W\u00f6rter selbstverst\u00e4ndlich immer ein Apperzeptionsvorgang. Zeltlers Satz : \u201eErdmann hat wegen seiner hohen Expositionszeit kein, Recht, die bei seinen Versuchen\n1 Psychol. Unters., S. 180. Die Abweichung von Wundt wird von Esdmann und, Dodge mehrfach erw\u00e4hnt. (Psychol. Unters. S. 145\u2014146.)\n* A, a. O. S. 439.\n3\tPsychol. Unters. S. 180.\n4\tPsychol. Unters. S. 180 oder Ebbmann: Die psychologischen Grund-\nlagen, der Beziehungen zwischen Sprechen und Denken, Archiv f\u00fcr syste-\nmatische Philosophie 2, (1896), 3 (1897), 7 (1901) an zahlreichen Stellen, vor\nallem, 3 S. 156 f.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und britische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc, 35\nwirkende Reproduktion als eine apperzeptive zu bezeichnen , \u00ab beruht somit auf einem Mifs verst\u00e4ndnisse, da bei jeder optischen Wahrnehmung apperzeptive Reproduktionen in Rebmanns Sinn mitwirken.1 2 3\nIn bezug auf die Trennung der Apperzeptionsmasse, d. h* der Residualkomponente, in eine solche im engeren und im weiteren Sinne verweise ich auf die zitierten Arbeiten Redmanns, Hier kommt diese Scheidung nicht in Betracht.\nGehen wir nun zu Wundts Terminologie \u00fcber, so kann es nicht unsere Aufgabe sein, die ausf\u00fchrlichen Darlegungen Wundts \u00fcber die Apperzeption zu reproduzieren. Wir m\u00fcssen uns darauf beschr\u00e4nken, die f\u00fcr uns als wesentlich erscheinenden Punkte hervorzuheben. Die ausf\u00fchrliche Behandlung findet sich im dritten Bande der Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie.1 F\u00fcr Wundt \u201esind Aufmerksamkeit und Apperzeption Ausdr\u00fccke f\u00fcr einen und denselben Tatbestand. Den ersten dieser Ausdr\u00fccke w\u00e4hlen wir vorzugsweise, um die subjektive Seite dieses Tatbestandes, die begleitenden Gef\u00fchle und Empfindungen, zu bezeichnen ; mit dem zweiten deuten wir haupts\u00e4chlich die objektiven Erfolge, die Ver\u00e4nderungen in der Beschaffenheit der Bewu\u00dftseinsinhalte an. Der gesamte Tatbestand, . .. < l\u00e4fst sich aber wieder in folgende Teilvorg\u00e4nge zerlegen: 1. Klarheits-Zunahme einer bestimmten Vorstellung oder Vorstellungsgruppe, verbunden mit dem, f\u00fcr den ganzen Prozefs charakteristischen T\u00e4tigkeitsgef\u00fchl, 2. Hemmung anderer disponibler Eindr\u00fccke oder Erinnerungsbilder, 3. muskul\u00e4re Spannungsempfindungen mit daran gebundenen das prim\u00e4re Gef\u00fchl verst\u00e4rkenden sinnlichen Gef\u00fchlen, 4. verst\u00e4rkende Wirkung dieser Spannungsempfindungen auf die Empfindungsinhalte der apperzipierten Vorstellung durch assoziative Miterregung. Von diesen vier Teilvorg\u00e4ngen sind jedoch nur der erste und der zweite wesentliche Bestandteile eines jeden Apperzeptionsvorganges.144 8 Wundt spricht von einem inneren Blickfeld des Bewufstseins und vom inneren Blickpunkt\u00a9 der Aufmerksamkeit in \u00fcbertragenem, Sinne. \u201eDen Eintritt einer Vorstellung in, das inner\u00a9 Blickfeld wollen, wir Perzeption, ihren\n1\tA. a. O. S. 439.\n2\tMan vergleich\u00a9 ferner Wundt, V\u00f6lkerpsychologie I, 15431, und, Grund* rifs der Psychologie (1896) S. 2451.\n3\tGrundz\u00fcge der Physiologischen, Psychologie III, S. 341.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nErich Becher.\nEintritt in den Blickpunkt die Apperzeption nennen.\u201c 1 * * \u201eIst die Apperzeption von Anfang an von dem subjektiven Gef\u00fchl der T\u00e4tigkeit begleitet, so bezeichnen wir sie als eine aktive; geht dagegen dieses Gef\u00fchl erst aus einem urspr\u00fcnglich vorhandenen entgegengesetzten Gef\u00fchl des Erleidens hervor, so wollen wir sie eine passive nennen..... Die aktive Apperzeption ist daher im allgemeinen eine durch die Gesamtlage des Bewufstseins vorbereitete, die passive ist in der Regel eine unvorbereitete. In ihrer Beziehung zu den sie bedingenden Vorstellungen unterscheiden sich beide Apperzeptionsformen dadurch, dafs uns bei der passiven die Vorstellung selbst als die Ursache ihrer Apperzeption erscheint, w\u00e4hrend sich uns bei der aktiven jener vorausgehende Zustand mit dem Gef\u00fchl der T\u00e4tigkeit als eine Gesamtursache aufdr\u00e4ngt, die wir unmittelbar zun\u00e4chst nur in der Form, jenes Gef\u00fchles wahrnehmen und h\u00f6chstens durch eine nachtr\u00e4glich sich anschliefsende Reflexion in einzelne Komponenten zerlegen k\u00f6nnen.\u201c8 Die Annahmen Wundts in bezug auf 'die Lokalisation der Apperzeption und hinsichtlich der Beziehungen von Apperzeption und Willen kommen f\u00fcr uns nicht in Frage.\nWir1 k\u00f6nnen also zu der Darlegung dessen \u00fcbergehen, was Wunbt unter Assimilation versteht. \u201eSie findet dann statt, wenn durch ein neu in das Bewufstsein eintretendes Gebilde fr\u00fcher\u00a9 Elemente erneuert werden, so dafs diese sich mit jenem zu einem einzigen simultanen Ganzen verbinden.\u201c 8 Am augenf\u00e4lligsten tritt diese Bildungsweise bei den Vorstellungen dann hervor, wenn die assimilierenden Elemente durch Reproduktion, die assimilierten durch einen unmittelbaren Sinneseindruck entstehen.\u201c 4 * Aus den Zitaten geht hervor, wie nahe di\u00a9 Begriffe der apperzeptiven Reproduktion Erdmanns und der Assimilation Wundts verwandt sind. \u00dcber die Konsequenzen des Ausgef\u00fchrten f\u00fcr die Darstellung der Vorg\u00e4nge beim Lesen wird weiter unten zu sprechen sein.6 *\n1 Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie III, S. 333.\n* Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie III, S. 334.\n8 Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie III, 8. 528.\n4 Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie III, S. 529.\n8 \u00dcber Assimilation vergl. Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie\nBd. Ill, 8. 528\u2014535, Grundrifs der Psychologie, S. 267f. und V\u00f6lker*\npsychologie I, 1, 8. 540f.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesern etc.\t37\nDie Frage nach der M\u00f6glichkeit vom Amfmerkgamkeits-\nwanierumgen, in kurzem Zeiten,\nDie Resultate, welche Erbmann und Dodge bei ihren. Versuchen \u00fcber das Lesen von einzeln exponierten W\u00f6rtern bei einer Expositionszeit von 100 er fanden, erscheinen \u00fcberraschend durch die Menge des Gelesenen, im Vergleich zu den Erfolgen von Expositionen sinnloser Buchstabenreihen. Dafs bis 22 Buchstaben in W\u00f6rtern der Umgangsprache oder der gel\u00e4ufigen wissenschaftlichen Terminologie bei einer Exposition gelesen werden, fordert in der Tat eine Erkl\u00e4rung um so mehr, als in sinnlosen Buchstabenreihen nur 4 bis 5 Buchstaben gelesen werden. Dieser Erkl\u00e4rung ist das sechste Kapitel der Arbeit von Erdmann und Dodge gewidmet. Die von den Verfassern dargelegten und durch eine Reihe von Experimenten gest\u00fctzten Annahmen scheinen Wundt durchaus unzul\u00e4nglich. Nach seiner Auffassung erkennt \u201ejedermann, der in Versuchen dieser Art einige Erfahrung hat, ohne weiteres, dafs eine derartige Leistung, das Lesen eines Wortungeheuers von 19 bis 22 Buchstaben, ohne Wanderungen der Aufmerksamkeit absolut ein Ding der Unm\u00f6glichkeit ist. Ja f\u00fcr ein Wort von solcher L\u00e4nge gen\u00fcgt schwerlich eine einmalige Wanderung, sondern es ist wahrscheinlich ein zweimaliger Wechsel der Aufmerksamkeit erforderlich gewesen.\u201c 1 Die grofse Menge des Gelesenen wird also von Wundt durch Aufmerksamkeitswanderungen erkl\u00e4rt, welche bei Expositionen von VlO Sekunden stattfinden sollen. Dieselbe Auffassung hat Wundt in der V\u00f6lkerpsychologie2 * ausgesprochen. In dem zweiten Artikel seiner Kritik tachistoskopischer Versuche schr\u00e4nkt Wundt seine Annahme dahin ein, \u201edafs der Aufmerksamkeitswechsel infolge der Erleichterung der Assimilationen kein so bedeutender zu sein braucht. . . .\t8 Ebenso tritt die Hypothese\neines Aufmerksamkeitswechsels w\u00e4hrend der Exposition in der neuesten Darlegung der Psychologie des Lesens im dritten Bande seines Hauptwerkes4 sehr in den Hintergrund. Um so entschiedener nimmt Zeitler die M\u00f6glichkeit und Bedeutung solcher\n1 Zur Kritik etc., Artikel I, 8. 307\u2014310.\n1 I, 1, 8. 530.\n8 Studien 16, 68.\n4 Grundz\u00fcge der Physiologischen Psychologie III, S. 601*\u2014612.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nErich Becher.\nAufmerksamkeitswanderungen an \\ ohne jedoch wesentlich mehr als subjektive Beobachtungen f\u00fcr seine Ansicht ins Feld zu f\u00fchren.\nIndessen erscheint es mir selbstverst\u00e4ndlich, dafs subjektive Beobachtungen in dieser Frage nicht entscheidend sind, ja \u00fcberhaupt kaum einen Wert haben. Nicht nur sind bei unseren Versuchen trotz aller Bem\u00fchungen nie Aufmerksamkeitswanderungen subjektiv feststellbar gewesen, so dafs eben die eine Erfahrung der anderen gegen\u00fcberst\u00e4nde, sondern es scheint mir auch die Meinung, in Vio Sekunde, w\u00e4hrend der Wahrnehmung eines Wortes, solche Wanderungen feststellen zu k\u00f6nnen, eine verh\u00e4ngnisvolle T\u00e4uschung zu sein. Der Zeitraum von 100 o ist f\u00fcr unser Bewufstsein w\u00e4hrend der Wahrnehmung eine durchaus unteilbare Einheit Auf Grund der Erinnerung Phasen in dieser Zeit festlegen zu wollen, ist ein hoffnungsloses Unternehmen. Von allen Expositionen, von der k\u00fcrzesten Dauer der Funkenbeleuchtung bis zu 100 er, gab uns die Erinnerung Repr\u00e4sentationen, die wesentlich durchaus gleichartig waren. Bei 0,01 Sekunden soll jedes Wandern der Aufmerksamkeit unm\u00f6glich sein.- Sicher ist dies also bei Funkenbeleuchtung der Fall; denn Wundt setzt die Reizdauer bei Funkenbeleuchtung auf ca. 0,00004 Sekunden an1 2 3, was als Durchschnittswert gelten mag.\nDagegen halte ich eine Pr\u00fcfung der Annahme auf Grund der objektiven Ergebnisse der Lese versuche, d. h. auf Grund des Gelesenen, f\u00fcr m\u00f6glich. Zun\u00e4chst l\u00e4fst sich feststellen, ob die Ergebnisse von Versuchen, bei denen Auf merksamkeits Wanderungen sicher ausgeschlossen sind, sich von den Resultaten unterscheiden, die Wundt zu seiner Annahme veranlafsten. Wir d\u00fcrfen mit ihm annehmen, dafs bei einer Expositionszeit von 0,01 Sekunden, also sicher bei Fnnkenbeleuchtung jedes Wandern der Aufmerksamkeit ausgeschlossen ist. Und doch werden bei Funkenbeleuchtung W\u00f6rter von 22 und selbst mehr Buchstaben ebensogut gelesen, wie am Tachistoskop von Erdmann und Dodge Daraus folgt evident, dafs die Annahme von Aufmerksamkeitswanderungen zur Erkl\u00e4rung des Lesens so langer W\u00f6rter nicht dienen kann.\n1\tStudien 10, 405\u2014410.\n2\tV\u00f6lkerpsychologie I, 1, S. 530.\n5 Zur Kritik . . Artikel I, S. 294.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 30\nIch gehe dazu \u00fcber, die Leseversuche bei Funkenbeleuchtung zu beschreiben, soweit es sich um l\u00e4ngere W\u00f6rter handelt. Es mufste Sorge getragen werden, meine Versuche den Experimenten von Erdmann und Dodge darin anzupassen, dafs die gleich-langen exponierten W\u00f6rter sich im wesentlichen bei meinen Beleuchtungen auf den gleichen Netzhautpartien abbildeten, wie bei ihren Expositionen. Ferner mufsten die von mir verwandten Buchstaben den von Erdmann und Dodge exponierten m\u00f6glichst genau entsprechen. Endlich waren gute Fixation, Adaptation und Vermeidung von in Betracht kommenden Nachbildern zu erreichen.\nDie schliefslich gew\u00e4hlten W\u00f6rter bestanden aus Buchstaben, di\u00a9 den von Erdmann und Dodge gebrauchten ziemlich genau geometrisch \u00e4hnlich waren. Die H\u00f6he der grofsen Buchstaben betrug 2,75 mm, gemessen am H, bei Erdmann und Dodge \"dagegen 3,5 mm. Damit nun bei geometrisch \u00e4hnlich verkleinertem Wortbild zwei gleiche W\u00f6rter sich auf gleichen Netzhautpartien abbildeten, mufste ich den Abstand des Auges von der Wortmitte gleich\n2,75\n3,5\n. 3i cm = 24,36 cm\nw\u00e4hlen, da diese Entfernung bei Erdmann 31 cm betrag.\nDie beleuchteten W\u00f6rter sind den Gebieten der physikalischen Technik entnommen. Die Beobachtungen wurden regelm\u00e4fsig von meinem Bruder und mir, gelegentlich auch von anderen Herren ausgef\u00fchrt, wobei die Resultate immer \u00fcbereinstimmend waren. Mein Bruder (S. B.) studiert Zoologie und findet daher selten Anl&fs zu einer Besch\u00e4ftigung mit physikalisch-technischen Fragen, w\u00e4hrend mir dieselben etwas n\u00e4her liegen. S, B. hat in jeder Hinsicht fehlerfrei\u00a9 Augen. Ich sehe nur mit dem rechten Auge, und auch dieses ist von nur m\u00e4fsiger Leistungsf\u00e4higkeit Die exponierten W\u00f6rter wurden ausnahmslos von mir angefertigt. S. B. hatte dieselben vor den Expositionen nie gesehen. Verungl\u00fcckte! eine Exposition, etwa weil durch Unvorsichtigkeit sich der Beleuchtungsfunke wiederholte, so wurde \u00abfe nicht verzeichnet Jedes Wort kam f\u00fcr denselben Beobachter nur' einmal zur Exposition. Die Versuche, bei denen ich las, sind also dadurch von den anderen unterschieden, dafs ich die W\u00f6rter beim Ausw\u00e4hlen und Anfertigen gesehen hatte, und dafs","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nErich Becher.\nsi\u00a9 mir gel\u00e4ufiger waren, als meinem Bruder, Der Einflufe dieser Umst\u00e4nde wurde durch die geringere .Leistungsf\u00e4higkeit meiner Augen ziemlich aufgehoben, wie die Resultate zeigen.\nDie Versuchsanordnung war nun die folgende. Es wurde im von jedem fremden Licht gesch\u00fctzten Laboratorium gearbeitet Die Funken lieferte ein Induktorium mittlerer Gr\u00f6fee. Di\u00a9 Funkenl\u00e4ng\u00a9 ohne Leidener Batterie betrag bei der angewandten Stromst\u00e4rke etwa 4 cm zwischen Kupferspitzen, (Diese Mafs\u00a9 gelten alle nur f\u00fcr die Einrichtungen, die wir als die geeignetsten schliefslich w\u00e4hlten, Wir erzielten mit stark abweichenden Funkenst\u00e4rken und Einrichtungen Resultate, die kaum merklich verschieden waren,) Mit den Polen der sekund\u00e4ren Spule war die oben erw\u00e4hnte Batterie von 4 Leidener Flaschen verbunden. Die Entladungsfunken derselben schlugen zwischen den Kupfer-spitzen eines Funkenst\u00e4nders \u00fcber, deren Entfernung 5 mm betrug. So ergeben sich Funken von hinreichender Intensit\u00e4t Es kam nur der Unterbrechungsfunke des Induktoriums zur Anwendung. Die Unterbrechung geschah am Quecksilberunterbrecher; der Kontaktstift tauchte in der Ruhelage nicht in das Quecksilber. Der Versuchsleiter dr\u00fcckte vor der Exposition den Kontaktstift ins Quecksilber und liefe ihn auf das Zeichen des Lesenden aus demselben emporschnellen. Gleichzeitig schlug der \u00d6ffnungsfunke zwischen den Spitzen \u00fcber, Oberhalb der Spitzen befand sich ein Schirm, welcher die Augen der Versuchsperson vor dem direkten Funkenlichte sch\u00fctzte. Unter den Spitzen, und zwar' auf den Beobachter zu, war die Vorrichtung angebracht, die das exponierte Wort trug und das zur Adaptation und zur St\u00f6rung der Nachbilder n\u00f6tige Licht lieferte. Wir benutzten vor anderen zwei Anordnungen zu diesen Zwecken,\nBei der einen wurde ein weifeer Karton mit einer Aufl\u00f6sung von Phosphor in. Schwefelkohlenstoff' bepinselt. Die L\u00f6sung mufs verd\u00fcnnter gew\u00e4hlt werden, als bei dem sch\u00f6nen Demon-strationsversuch, um die Selbstentz\u00fcndung des nach der Verdunstung des Schwefelkohlenstoffs zur\u00fcckbleibenden fein verteilten Phosphors zu verhindern. Bei passender Konzentration der Fl\u00fcssigkeit erh\u00e4lt man nach dem Trocknen des Kartons \u00a9in ruhiges, ziemlich intensives Leuchten ; di\u00a9 etwas gr\u00fcnliche Farbe ist dem. Funkenlicht bei Verwendung von .Kupferspitzen nicht un\u00e4hnlich. Auf diesen Karton wird, .an einer durch dunkle Linien markierten Stelle das auf Visitenkartenpapier aufgeUebte","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Eocpenmentelk und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 41\nWort aufgelegt, wobei dieser Papierstreifen eventuell auch, leuchtend gemacht wird, Die dunkelen Linien des grofsen Kartons werden dann von dem Streifen v\u00f6llig bedeckt Auf den Streifen bringe man ein kleines St\u00fcckchen Phosphor an, welches als Fixationspunkt dient Man braucht nur ein Phosphorpartikelchen von etwa 3/g mm Durchmesser an der gew\u00fcnschten Stelle in eine durch einen Stich in den Streifen gebildete Vertiefung zu dr\u00fccken, um einen sch\u00f6nen Fixationspunkt im Dunkeln zu erzielen. Die zur Beleuchtung fertige Anordnung des Kartons mit dem Streifen stellt sich im Finstern als eine grofse, gleichm\u00e4fsig leuchtend\u00a9 Fl\u00e4che dar, mit einem, intensiver strahlenden Punkte zur Fixation. Beim Funkenlicht\u00a9 verschwindet das Leuchten des Phosphors f\u00fcr die Wahrnehmung, und es erscheint das Wortbild im grofsen, weifsen Felde. Sofort nach dem Verschwinden des Funkens dient das Licht des Phosphors als reagierende Beleuchtung zur St\u00f6rung der Nachbilder. Das Auswechseln der W\u00f6rter geht schnell vor sich, wenn dieselben vor den Versuchen gebrauchsfertig gemacht sind. Gegen die Wirksamkeit von Adaptationsst\u00f6rungen spricht die Menge des Gelesenen. Nachbilder wurden nie bemerkt; sie wurden .dank der sofortigen Wirkung des reagierenden Lichtes v\u00f6llig unterdr\u00fcckt.\nDie geschilderte Versuchsanordnung hat neben ihren Vorz\u00fcgen einige Nachteile, deren wir Erw\u00e4hnung tun m\u00fcssen. Bei l\u00e4ngerem Arbeiten machen sich n\u00e4mlich di\u00a9 entstehenden Oxydationsprodukt\u00a9 des Phosphors unangenehm merkbar, und zwar besonders f\u00fcr den Lesenden, wenn sein Gesicht sich in einer Entfernung von nur 24 bis 25 cm von der leuchtenden Fl\u00e4ch\u00a9 befindet F\u00fcr einige Zeit kann man den \u00dcbelstand dadurch beseitigen, dafs man zwischen dem Karton und dem Gesicht der Versuchsperson ein\u00a9 grofse Glastafel anbringt. Bei l\u00e4nger dauernden Arbeiten f\u00fcllt sich indessen die ganze Atmosph\u00e4re so mit den sch\u00e4dlichen D\u00e4mpfen, dafs sie einen st\u00f6renden Einfiufs auf den Lesenden haben. Auch ist es schwierig, den Karton mit einer passenden Menge der Phosphorl\u00f6sung so zu bearbeiten, dafs er l\u00e4nger als */4 Stunde gleich-mifsig leuchtet. Will man w\u00e4hrend gr\u00f6fserer Zeiten ohne Unterbrechung experimentieren, so entstehen auf dem Karton leicht dunklere Flecken. Tr\u00e4nkt man gleich anfangs den Karton zu stark, oder verwendet man zu konzentrierte L\u00f6sungen, so lagert sich \u00a9in\u00a9 wogende Schicht leuchtender D\u00e4mpfe \u00fcber die zu","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nErich Beefier.\nexponierenden W\u00f6rter. Dazu steigert sieh dann die Entz\u00fcndlichkeit der d\u00fcnnen Phosphorschicht\nDiese Nachteile bewogen mich, f\u00fcr die l\u00e4ngeren Versuchsreihen andere Einrichtungen zu treffen. Ich fertigte mir einen Beleuchtungsapparat mit elektrischer Lampe an. Eine Gl\u00fchlampe \u25a0von etwa 8 Kerzen Leuchtkraft war direkt auf dem Boden eines 10 cm hohen Kastens angebracht Oben war der Kasten durch eine Glasplatte geschlossen. Auf dieser wurde ein Blatt d\u00fcnnes Visitenkartenpapier befestigt, welches sie v\u00f6llig bedeckte. Aus der Mitte dieses Blattes war ein Streifen von 7 mm. Breite und\n50 mm L\u00e4nge ausgeschnitten, durch welchen man also die Gl\u00fch-\n\u2022\u2022\nlampe erblicken konnte. In diese \u00d6ffnung pafsten genau die von st\u00e4rkerem Visitenkartenpapier geschnittenen Streifen, auf deren Mitte die zu beleuchtenden W\u00f6rter aufgeklebt waren. Die Glasplatte und das sie bedeckende Papier waren nicht ganz 30 cm im Quadrat grofs. Durch die Gl\u00fchlampe: wurde die Fl\u00e4che nebst dem eingelegten Papierstreifen durchleuchtet. Sie versetzte die Netzhaut des nur 24 bis 25 cm von ihr entfernten Auges in den Zustand einer guten Helligkeitsadaptation, und aie diente zur Aufhebung der Nachbilder, die auch bei dieser Anordnung nie zu beobachten waren. Um den Kontrast zwischen dem gelblichen Scheine der durchleuchteten Fl\u00e4che und dem bl\u00e4ulich-weifsen Funkenlichte aufzuheben, wurden W\u00f6rter benutzt, die auf gelbliches Papier gedruckt waren.\nZum Fixieren diente ein Nadelstich in den das Wort tragenden Papierstreifen, welcher als feiner, heller und scharfer Punkt erschien. Er wurde bei den zu erw\u00e4hnenden Versuchen in genau gleichem Abstande von den Wortenden .angebracht, so weit dies das Wortbild nicht st\u00f6rte, was bei der Feinheit des Stiches selten zu bef\u00fcrchten war. Fiel er gerade auf eine Linie eines Buch-stabens, so wurde er nach links oder rechts verschoben, wobei 'Verschiebungen in beiden Richtungen in gleicher Zahl angewandt wurden.\nDie H\u00f6he des Fixationspunktes wurde f\u00fcr die Beobachter in folgender Weise festgelegt. In einen st\u00e4rkeren Karton wurde ein etwa 2 mm langer, feiner, horizontaler Schnitt gemacht Dieser Karton wurde so vor einer Lampe angebracht, dafs ein Beobachter gleichzeitig den Schnitt fixieren und im indirekten Sehen noch die Zeilen eines Textes bemerken konnte. Nach \u25a0kurzer Fixation des Schnittes begann die Versuchsperson eine","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc.\t43\ndir Zeilen zu lesen. Das Nachbild des Schnittes konnte w\u00e4hrend des Lesens gut beobachtet und lokalisiert werden. Es zeigte sich bei uns, dafs das Nachbild der Lichtlinie sich in den Ruhepausen direkt \u00fcber, teils noch auf die oberen Linien der mittelzeiligen Buchstaben legte. In entsprechender H\u00f6he brachten wir die Fixationsstiche bei unseren W\u00f6rtern an.\nBei dem Lesen unter Funkenbeleuchtung safs der Beobachter auf einem verstellbaren Stativ, welches in bequemer Lage festgestellt wurde. Am Experimentiertisch war ein Bunsenstatif befestigt, an dem ein Halter f\u00fcr das Kinn angeschraubt war, so dafs der Abstand des Auges vom Worte 241/s cm betrug. Der Beobachter gab mit einem Klopfer ein Zeichen, worauf von dem Versuchsleiter der Kontakt am Quecksilberunterbrecher ge\u00f6ffnet wurde und der Funke erfolgte. Ich habe auch eine dahin abge\u00e4nderte Anordnung benutzt, dafs auf das Zeichen des Lesenden hin zun\u00e4chst der Strom geschlossen und dann erst unterbrochen wurde. Das Ticken bei der ersten Bewegung des\nUnterbrechers dient dann als Signal f\u00fcr die Aufmerksamkeit\n_^ __ _ __ \u2022\u00ab\nDer Erfolg wird nach meiner Erfahrung durch diese \u00c4nderung kaum beeinflufst.\nF\u00fcr den Versuchsleiter war eine zweite kleine Gl\u00fchlampe auf dem Experimentiertisch angebracht, welche vor jeder Exposition aufser Wirksamkeit gesetzt wurde. Aufserdem konnte der Experimentiertisch durch drei grofse Gl\u00fchlampen n\u00f6tigenfalls sofort beleuchtet werden.\nIch stelle nun je eine Beobachtungsreih\u00a9 von SB und BB zusammen mit den Beobachtungsreihen von Bittenberger und Erdmann, die Wundts Annahme von AufmerksamkeitsWanderungen veranlafsten. Ich bemerke, dafs vor unseren Reihen keine Ein\u00fcbungsreihen exponiert wurden, vielmehr direkt mit der Exposition des llbuchstabigen Wortes begonnen wurde. In der folgenden 'Tabelle bedeuten1 : Z die Expositionszeit in Sekunden, L di\u00a9 ZaM der Buchstaben, welche das Wort bilden, also di\u00a9 L\u00e4nge des Wortes, A die Anzahl der exponierten W\u00f6rter gleicher L\u00e4nge, r die der richtig gelesenen W\u00f6rter, f die der falsch, teilweise oder nicht gelesenen W\u00f6rter, endlich Di, E, SB, EB di\u00a9 Beobachter Dr. Bitten berger, Prof. Erdmann, S. Becher und -E. Becher. Die Resultate von Prof. Dodge lass\u00a9 ich fort wegen\n1 Wie bei Erbmahn und Dodge.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nErich Becher.\nihrer Unvollst\u00e4ndigkeit und wegen der besonderen Bedingungen, die bei ihm als einem Ausl\u00e4nder in Betracht kamen. Ich bemerke, dafs in der folgenden Tabelle ein Wort schon als falsch angerechnet ist, wenn nur \u00a9in Buchstabe in der Endsilbe verlesen wurde:\nT a b e 11 e.\n\tI\tZ\t- - 0,1 Sek.\t\t\t\t\t\tz\t= Funkendauer\t\t\t\t\t\n\t\tH\t\u00bb.\t\tE\t\t\t\tSB\t\t\t\tEB\t\t\nL\tA\tr\tf,\tL\tA\tr\tf\tL\tA 1\tr\tf\tL\tA\tr\tf\n11\t6\t6\t0\t\t\t\t\t11\t1\t1\t0\t1 11\t1\t1\t0\n12\t10\t9\t1\t12\t3\t3\t0\t12\t4\t4\t0\t. 12\t4\t4\t0\n18\t1\t1\t0 ,\t13\t2\t2\t0\t13\t19\t16\t3\t13 i\t19\t14\t5\n14\t3\t1\t2 !\t14\t2\t1\t1\t14\t11\t11\t0\t14\t11\t7\t4\n15\t5\t2\t8 ;\t15\t3\t2\t1\t15\t11\t9\t2\t15\t11\t6\t5\n16\t2\t2\tl 0\t16\t2\t2\t0\t16\t8\t7\t1\t16\t8\t5\t3\n17\t6\t2\t4 ,\t17\t3\t3\t0\t17\t5\t3\t2\t17\t5\t5\t0\n18\t8\t2\t1\t18\t1\ti\t0\t18\t13\t8\t5\t18\t18\t8\t5\n19\t1\t1\t0\t19\t2\t2\t0\t19\t7\t6\t1\t19\t7\t6\t1\n20\t2\t1\t1 \u25a0\t20\t2\t2\t0\t20\t6\t4\t2\t20\t6\t2\t4\n21\t1\t0\t1\t\t\t\t\t21\t3\t2\t1\t21\t3\t3\t0\n\t\t\ti |\t22\t1\t1\t0\t22\t4\t2\t2\t22\t4\t2\t2\n\t\t\ti i\t\t\t\t\t23\t1\t0\t1\t23\t1\t0\ti i\n\t\t\ti i\t\t\t\t\t26\t1\t0\t1\t28\t1\t1\to\nDie Tabelle beweist, dafs bei Beleuchtungszeiten, die Aufmerk-samkeitswanderungen nach Wundts eigener Ann,ahme sicher ausschliefsen, die L\u00e4nge der noch gelesenen W\u00f6rter ebenso bedeutend ist, wie bei den Versuchen, die Wundt zu seiner Hypothese f\u00fchrten. Damit f\u00e4llt der objektive Grund zur Annahme von Aufmerksamkeitsbewegungen fort.1\nDafs die in der Tabelle zusammengefafsten Ergebnisse nicht der Gunst irgendwelcher besonderen Umst\u00e4nde zuzuschreiben sind, geht daraus hervor, dafs alle Variationen der Versuche\n1 Es handelt sich hier immer um Aufmerksamkeitswanderungen, die wahrend der Bpositlonsieit (einschliefslich des oben erw\u00e4hnten Teile\u00ab der Nachbilddauer) stattfinden sollen, also am Wanderungen w\u00e4hrend der Sinnes* Wahrnehmung. W\u00e4hrend der unter Umst\u00e4nden enorm Imgen Dauer von \u201ezentralen Nachbildern\u201c1, d. h. Ged\u00e4chtnisbildern, k\u00f6nnen nat\u00fcrlich Bewegungen der Aufmerksamkeit stattfinden, so dafs die einzelnen Teile eines solchen Bildes nacheinander deutlich werden.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 45\nganz entsprechende Resultate ergaben, Ebenso beweisen die Beobachtungen anderer Versuchspersonen, die bei Gelegenheit zur Kontrolle an den Leseversuchen teiln\u00e4hmen, dafs die Resultate keinen individuellen Charakter tragen. \u00dcbrigens waren die subjektiven Erlebnisse bei den Leseversuchen denen am Tachisto-ikop bei 100 a Expositionszeit durchaus entsprechend. Die Wahrnehmung war nach unserem Eindruck bei beiden Versuchsanordnungen v\u00f6llig momentan. Der Lesende kann meist auf Grund des empfangenen Eindruckes Vorhersagen, ob er richtig gelesen hat oder falsch, doch kommt es auch vor, dafs er sich v\u00f6llig irrt. Je nach dem Charakter des Ged\u00e4chtnisses ist der Bewufstseinsbestand nach der Exposition verschieden. Bei SB und besonders bei EB ist in der Zeit zwischen dem Ende der Exposition und dem Aussprechen des Gelesenen im Bewufstsein oft keine Vorstellung des Gelesenen feststellbar, so dafs das Aussprechen des Wortes gleichsam, spontan erfolgt Wenn die W\u00f6rter nicht sofort gelesen werden, so werden zuweilen die einzelnen Teile desselben sukzessiv reproduziert, und zwar teils als optische, teils als motorische Vorstellungen. Der Ged\u00e4chtnistypus von BB ist ein wenig ausgesprochen motorischer, mit Hinneigung zu optischen, und auch akustischen Reproduktionen. \u00c4hnlich liegen die Dinge bei SB. Mit der Selbstbeobachtung bei unseren Versuchen stimmt dies gut \u00fcberein.\nEs mag noch erw\u00e4hnt werden, dafs diese Versuche durch das Lesen von Wortzusammensetzungen von enormer L\u00e4nge erg\u00e4nzt wurden. Dabei wurden Bezeichnungen wie:\nWechselstrom - Transformator Nebenschlnfs - Regulatoren Dynamo - elektrisch\u00a9 Maschine usw. bei etwa 80 \u00b0/0 der Expositionen richtig gelesen, und zwar mit linschlufs der wechselnden Endsilben.\nMe Leistungsf\u00e4higkeit im Lesen langer W\u00f6rter ist also auch bei so kurzen Expositionen eine so bedeutende, dafs die Erkl\u00e4rung derselben durch die Annahme von Aufmerksamkeitswanderungen v\u00f6llig unm\u00f6glich ist. Immerhin ist die Hypothese Wundts von so weittragender Bedeutung, dafs sie eine weiter-gehende Pr\u00fcfung fordert. Versuchen wir uns diese Bedeutung klar zu machen!\nDie Hypothese Wundts kann, wenn sie bei den Lesever-suchen bei 100' a Expositionszeit zu Recht besteht, mit gutem.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nErich Becher.\nGrund auf unser ganzes optisches Erkennen im t\u00e4glichen Leben angewandt werden* \u00dcberall\u00bb wo wir bei der Wahrnehmung durch den Gesichtssinn nacheinander einzelne Punkte fixieren, k\u00f6nnte man sich den Vorgang entsprechend der W\u00fcNDTschen Annahme in folgender Weise zurechtlegen. Die Leistungsf\u00e4higkeit des Erkennens an einem Punkte des Sehfeldes beim Fixieren h\u00e4ngt ab von der Lage der Abbildung jenes Punktes auf der Netzhaut\u00bb und von der Lage des Punktes im Felde der Aufmerksamkeit Die Leistungsf\u00e4higkeit einer Netzhautstelle ist neben zuf\u00e4lligen Umst\u00e4nden eine Funktion ihrer Lage in bezug auf die Zentralgrube. Die Lage des Punktes im Felde der Aufmerksamkeit ist bedingt durch die jeweilige Richtung der gr\u00f6ssten Aufmerksamkeit\u00bb die ja nach den Beobachtungen von Helmholtz 1 nicht mit der Richtung des Fixationsstrahles zusammenzufallen braucht. Entsprechend den Richtungen der gr\u00f6lsten Aufmerksamkeit und der Fixation sprechen wir von einem Punkte gr\u00f6fster Aufmerksamkeit und von einem Fixationspunkte. Die Leistungsf\u00e4higkeit an einem. Punkte des Sehfeldes ist demnach im allgemeinen, eine mit steigenden Abst\u00e4nden von jenen beiden Punkten fallende Funktion\u00bb wenn es richtig ist\u00bb dafs von einem Monoideismus bei der optischen Aufmerksamkeit nicht gesprochen werden darf\u00bb sondern es ebensogut Abstufungen derselben gibt\u00bb wie Abstufungen des deutlichen Sehens.\nEs w\u00e4re nun. nichts als eine Erweiterung der WuKDTschen Annahme\u00bb zu vermuten.\u00bb dafs w\u00e4hrend einer Fixation die ungleich g\u00fcnstige Lage der Punkte des Sehfeldes dadurch weniger merkbar gemacht w\u00fcrde\u00bb dafs sich der Aufmerksamkeitspunkt sukzessiv zu den Stellen bewegen w\u00fcrde\u00bb di\u00a9 weiter vom Fixationspunkte entfernt sind. Es w\u00fcrde so gleichsam ein Absuchen des Gesichtsfeldes bei einer einmaligen Fixation erfolgen.\nIst eine derartige Hypothese wahrscheinlich\u00bb sei es in spezieller Anwendung auf das Lesen.\u00bb sei es in der Ausdehnung auf die optische Wahrnehmung \u00fcberhaupt? Oder fragen wir zun\u00e4chst, w\u00fcrde es zweckm\u00e4fsig sein\u00bb wenn sich der Vorgang der Gesichtswahrnehmung in der geschilderten Weise abspielen w\u00fcrde ? Mir scheint\u00bb dafs sich das nicht behaupten l\u00e4fsti Wir vollziehen im Leben eben, di\u00a9 Fixationen so\u00bb dafs di\u00a9 f\u00fcr uns wichtigen Punkte des Sehfeldes sukzessiv mit dem Punkte des deutlichsten\n1 Wissenschaftliche Abhandlungen II, 8. 951 und III, 8. 5\u00f60\u2014563.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc, 47\nSehens Zusammenf\u00e4llen; ein Umherschweifen der Aufmerksamkeit w\u00fcrde eine geringere Leistungsf\u00e4higkeit des Erkennens an diesen uns wichtigsten Punkten bedeuten\u00bb w\u00e4hrend der Ertrag desselben f\u00fcr uns wenig wichtig w\u00e4re.\nAlso am teleologischen Gesichtspunkte hat die Hypothese kaum eine St\u00fctze. Von gr\u00f6fserer Wichtigkeit ist es\u00bb dafs die Analogie und die Erfahrung nicht f\u00fcr die Annahme sprechen. Wenn uns Wanderungen der Aufmerksamkeit so gel\u00e4ufig sind\u00bb dafs sie bei Expositionszeiten von 100 a Dauer erfolgen\u00bb ohne dafs wir sie subjektiv festzustellen verm\u00f6chten\u00bb so ist es schwer zu verstehen\u00bb dafs dem Unge\u00fcbten der Versuch\u00bb die Aufmerksamkeit vom Fixationspunkt abzulenken, solche Schwierigkeiten bereitet\u00bb dafs selbst der Ge\u00fcbte eine solche Ablenkung als etwras L\u00e4stiges, Unnat\u00fcrliches\u00bb g\u00e4nzlich Ungewohntes empfindet. Wir hatten bei weiter unten zu schildernden Versuchen Gelegenheit, zu empfinden, wie stark ein\u00a9 h\u00e4ufiger ausge\u00fcbte Ablenkung der Aufmerksamkeit den Beobachter erm\u00fcdet, und wie schnell er durch das Unnat\u00fcrliche des 'Vorganges zum Beobachten ungeeignet wird. Und doch handelte es sich bei diesen Versuchen um. Ablenkungen\u00bb die an Gr\u00f6fse mit denen \u00fcbereinstimmen m\u00fcfsten, welche Wundt anzunehmen f\u00fcr n\u00f6tig h\u00e4lt.\n\u00dcberdies vollziehen sich diejenigen Aufmerksamkeitsbewegungen\u00bb die wir im t\u00e4glichen Leben bei uns feststellen k\u00f6nnen, mit einer so geringen Geschwindigkeit\u00bb dafs die Annahme von solchen Bewegungen in * 1j10 Sekunde\u00bb und zwar so stark wirksamer Bewegungen\u00bb aller Analogie zuwider ist. Zur Bekr\u00e4ftigung dieser meiner Ansicht diene folgendes Zitat aus Wundt, welches ich richtig zu deuten hoffe. Wundt hat1 von den Versuchen* gesprochen, die festlegen sollen\u00bb wie viele Eindr\u00fccke des Gesichtsoder Tastsinnes usw. simultan apperzipiert \u00bb d. h. aufmerksam wahrgenommen werden k\u00f6nnen. Er f\u00e4hrt dann fort2 : \u201eUnter dien Umst\u00e4nden ist demnach die von manchen ausgesprochene Behauptung unrichtig, dafs sich unsere Aufmerksamkeit in einem gegebenen Moment nur auf eine Vorstellung richte. Nicht minder1 widerlegen diese Beobachtungen die zuweilen gehegte Annahme\u00bb dafs die Aufmerksamkeit stetig mit sehr grofser Geschwindigkeit\ns Grundrifs der Psychologie, 1896, S. 248\u2014249; ebenso 6. Au\u00a3L 1904 n 254.\n1 8. 249.\n%","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nErich Becher.\neine Menge einzelner Vorstellungen durchlaufen k\u00f6nne.\u201c Es zeigt sich, \u201edafs man einer sehr merklichen Zeit bedarf, um sich einen im ersten Augenblick nicht apperzipierten Eindruck klar zu vergegenw\u00e4rtigen. . . Wir sind also in \u00dcbereinstimmung mit diesen Sitzen Wundts, wenn wir die Annahme etwa eines zweimaligen Wechsels der Aufmerksamkeit bei einer Expositions-zeit von */10 Sekunden1 f\u00fcr unzul\u00e4ssig halten.\nGewichtiger als die angestellten \u00dcberlegungen scheinen mir die Resultate der nun zu schildernden Experimente gegen die Hypothese der Aufmerksamkeitswanderungen zu sprechen. Der Gedanke, der den Versuchen zugrunde liegt, ist der folgende. Am Taehistoskop von Eedmann und Dodge werden an der Mattglasplatte, auf welcher die Buchstaben erscheinen, zwei Marken angebracht. Die eine, in der Mitte der Platte ungef\u00e4hr, dient bei allen Versuchen als Fixationspunkt. Auf die zweite, links von der Fixationsmarke angebrachte, richtet der Lesende vor der Exposition bei der einen H\u00e4lfte der Versuche seine Aufmerksamkeit, w\u00e4hrend er gleichzeitig die Marke in der Mitte fixiert. Bei der einen Reihe von Expositionen ist also Fixation und Aufmerksamkeit (jedenfalls beim Beginn der Exposition) zugleich auf die mittlere Marke gerichtet Bei der anderen Reihe von Versuchen fallen dagegen die Richtung der Fixation und die der Aufmerksamkeit beim Beginn der Exposition nicht zusammen; die Aufmerksamkeit richtet sich vielmehr auf die von der linken Marke bezeichnete Stelle, w\u00e4hrend die mittlere Marke fixiert wird, d. h. sich auf der leistungsf\u00e4higsten Stelle der Netzhaut abbildet Nun werden in beiden Versuchsreihen zwei Buchstaben so exponiert, dafs jeder von ihnen auf eine der von den beiden Marken bezeichneten Stellen projiziert wird. Die Expositionszeit betr\u00e4gt IW o.\nWorin besteht der Unterschied der beiden Versuchsreihen? Finden keine Aufmerksamkeitswanderungen statt, so wird, wenn. Aufmerksamkeits- und Fixationsrichtung zusammenfallen, und der links erscheinende Buchstabe in passendem Abstande sich befindet, dieser letztere Buchstabe viel seltener gelesen werden, als wenn die Fixationslinie zwar nach der Mitte weist, die Aufmerksamkeit aber auf der Stelle ruht, wo der linke Buchstabe erscheint, mit anderen Worten, es wird das Resultat bei einer\n1 Zur Kritik usw., Studien 15, 810.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle uni kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Essens etc. 49\n100 a dauernden Exposition ebenso ansfallen, wie es bei kurzen Funkenbeleuchtungen auszufallen pflegt Gleichzeitig mufs der von der FixationsMnie getroffene Buchstabe seltener gelesen werden, wenn die Aufmerksamkeit nach links abgelenkt ist. Dem entsprechen auch durchaus die Ergebnisse der Experimente.*\nAndere Resultate m\u00fcfsten sich dagegen ergeben, wenn Wundts Hypothese zu Recht best\u00e4nde. Wenn Fixationsrichtung und Aufmerksamkeitsrichtung zusammenfallen, so w\u00fcrde der Vorgang nach dieser Auffassung in folgender Weise verlaufen. Bei Beginn der Exposition w\u00fcrde der mittlere Buchstabe mit dem Fixationspunkt und dem Punkt gr\u00f6fster Aufmerksamkeit zusammenfallen, also \u201eapperzipiert\u201c werden. Dann w\u00fcrde die Aufmerksamkeit nach links wandern und dort stehende Buchstaben auffassen. W\u00fcrde dagegen zu Beginn die Aufmerksamkeit nach links gerichtet sein, so w\u00fcrde zun\u00e4chst der links stehende Buchstabe mit dem Punkt gr\u00f6fster Aufmerksamkeit zusammenfallen; dann w\u00fcrde dieser Punkt gr\u00f6fster Aufmerksamkeit zum Fixationspunkt \u00fcberspringen 'und die Apperzeption des dort befindlichen Buchstabens stattfinden. Mit anderen Worten, die beiden Versuchsanordnungen w\u00fcrden sich nur dadurch unterscheiden, dafs die beiden Phasen des Wahrnehmungsvorganges in umgekehrter Folge bei ihnen auftreten w\u00fcrden. Die Ergebnisse k\u00f6nnten in beiden Versuchsreihen nicht wesentlich verschieden sein. H\u00f6chstens k\u00f6nnte man vermuten, der zuletzt aufgefafste Buchstabe w\u00fcrde leichter reproduziert oder gelesen werden; d. h. der linksstehende Buchstabe h\u00e4tte mehr Chancen gelesen zu werden, wenn die Aufmerksamkeitsrichtung mit der Fixationsrichtung zusammenf\u00e4llt, als wenn die erster\u00a9 nach links von der letzteren abgelenkt ist Es m\u00fcfsten sich also nach der Wundt-ZEiTLEBschen Annahme di\u00a9 beiden Versuchsreihen entweder gar nicht in ihren Ergebnissen unterscheiden, oder sie m\u00fcfsten sich in einer Weise unterscheiden, die der beobachteten entgegengesetzt ist. Die Beobachtungen st\u00fctzen also die Annahme einer Konstanz der Aufmerksamkeitsrichtung w\u00e4hrend 0,1 Sekunden, w\u00e4hrend sie der Hypothese eines so wesentlichen Aufmerksamkeitswechsels, wie ihn Wundt und erst recht ZbitijBb, voraussetzen, aufs sch\u00e4rfste widerstreiten.\nNimmt man, wie dies Z\u00e4tukb tut, einen mehrfachen Wechsel 4er Aufmerksamkeit in der Expositionszeit von 100 a an, so ist noch weniger ein Unterschied in den Ergebnissen der beiden\nZeitschrift f\u00fcr Piycholo^ie 86.\t1","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\nErich Becher.\nVersuchsreihen verst\u00e4ndlich. Die' Aufmerksamkeit k\u00f6nnte dann mehrfach von einem Buchstaben zum anderen \u00fcbergehen, und es w\u00fcrde f\u00fcr das Durchschnitteresultat einer Versuchsreihe ganz gleichg\u00fcltig sein, wohin die Aufmerksamkeit zu Beginn der Exposition gerichtet war. Die an sich monstr\u00f6se Annahme eines mehrfachen \u00c0ufmerksamkeitsWechsels in 7i. Sekunde ist also auch mit den Versuchsergebnissen unvereinbar.\nIch gehe dazu \u00fcber, die Ausf\u00fchrung der Versuche zu beschreiben, die soeben in ihrer Bedeutung f\u00fcr unsere Frage dargestellt wurden. Die apparatentechnischen Schwierigkeiten waren geringe; dagegen waren die Unannehmlichkeiten der Ablenkung der Aufmerksamkeitsrichtung von der Fixationsrichtung nicht sofort zu \u00fcberwinden. Nat\u00fcrlich durften nur Beobachter lesen, welche durch \u00dcbung Herr \u00fcber die Richtung ihrer Aufmerksamkeit geworden waren. Als Beobachter erwiesen sich deshalb geeignet die Herren S. Becheb, Professor Ebdmann und Dr, Post. Ihnen gelang die Richtung der Aufmerksamkeit nach links recht sicher, nachdem die n\u00f6tigen \u00dcbungsversuche angestellt waren. Vor jeder der notierten Versuchsreihen wurden 25 \u00dcbungsexpositionen ausgef\u00fchrt, welche bei diesen Beobachtungen notwendig sind. Dadurch wurde eine grofse Sicherheit der Beobachter erreicht in der Beherrschung von Aufmerksamkeitsund Fixationsrichtung. Um aber den st\u00f6renden Einflufs etwaiger Augenbewegungen nach links kurz vor der Exposition zu vermeiden, beobachtete ich das Auge des Lesenden w\u00e4hrend der Exposition. Das war leicht m\u00f6glich, da, wie schon erw\u00e4hnt,. Licht von vorne und oben das Auge des Lesenden beschien. Um eine feste Lage der K\u00f6pf\u00a9 zu erreichen, wurde das Kinn des Lesenden, wie das des den Leser Beobachtenden unterst\u00fctzt Da die Aufmerksamkeitsablenkung links von der Fixationsrichtung nicht gut auf ein Signal hin ausf\u00fchrbar ist, gab der Lesende bei beiden Versuchsreihen in gleicher Weise das Zeichen zur Exposition, worauf die Fallplatte des Tachistoskopes ausgel\u00f6st wurde. Machte der Beobachter wider Willen eine Augenbewegung in dem Augenblicke, in dem er das Signal, zur Exposition gab \u2014 was recht selten vorkam \u2014 oder stellte sich sonst eine Unregel-m\u00e4fsigkeit der Versuchsbedingungen ein, so fiel die Exposition f\u00fcr die Berechnung aus. Wie schon erw\u00e4hnt, wurden die Versuche,, bei denen A ufmerksamkeits- und Fixationsrichtung nicht zu\u00ab sammenfielen, als unnat\u00fcrlich, unbequem und erm\u00fcdend von","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 51\nden Lesenden bezeichnet. Es konnten daher nicht \u00fcber 40 Expositionen dieser Art (ausschliefslich der \u00dcbungsexpositionen) ohne Unterbrechung ausgef\u00fchrt werden, w\u00e4hrend die doppelte Anzahl von Versuchen gut durchf\u00fchrbar war, wenn Aufmerk-samkeits- und Fixationsrichtung zusammenfielen. Um die st\u00f6renden Folgen der Erm\u00fcdung zu vermeiden, wurden deshalb t\u00e4glich immer nur 40 Expositionen vorgenommen und zwar bei beiden Versuchsreihen. Es wurden nur die mittelzeiligen Buchstaben\na, c, e, m, n, o, r, s, u, v, w, x, z, bei den endg\u00fcltigen Versuchen benutzt, so dafs sich die Verschiedenwertigkeit der einzelnen Buchstaben weniger bemerkbar machte. Diese 13 Buchstaben ergeben 156 Variationen zu je zweien ohne Wiederholung. Aus diesen 156 Variationen wurden nach einem nicht ganz einfach zu beschreibenden Prinzip 80' Zusammenstellungen ausgew\u00e4hlt, und zwar so, dafs der Einflufs der Ungleichwertigkeit der Buchstaben, der der etwa auftretenden apperzeptiven und assoziativen Hilfen und andere Zuf\u00e4lligkeiten in Fortfall kamen. Diese 80 Zusammenstellungen bildeten nun eine Reihe. Von derselben wurden je 40 an einem Tage bei der einen oder der anderen Richtung der Aufmerksamkeit exponiert. Der Abstand der beiden Marken, und demnach der der auf der Platte direkt \u00fcber denselben erscheinenden Buchstoben, war f\u00fcr die verschiedenen Beobachter nicht der gleiche. Ein.\u00a9 solche Anordnung w\u00e4re ung\u00fcnstig gewesen. Vielmehr wurde dieser Abstand f\u00fcr jeden Beobachter so bestimmt, dafs nur ein nicht zu grofser Teil der links stehenden Buchstaben erkannt wurde, wenn Aufmerksamkeits- und Fixationsrichtung zusammenfielen. Dann sind n\u00e4mlich die Unterschiede in den Resultaten der Versuche relativ sicher feststellbar. Es mag noch bemerkt werden, dafs di\u00a9 Ablenkung der Aufmerksamkeit nach links von den Beobachtern nicht in der gleichen Weise geschildert wird. F\u00fcr Professor Erdmann stellt sich der Vorgang als eine gewaltsame, mit einem Rucke vorzunehmende Bewegung dar; bei S. Becheb vollzieht sich der Wechsel der Aufmerksamkeit vor der Exposition so, dafs die Aufmerksamkeit an der Stelle der Fixation gleichsam verschwindet, um dann an dem gew\u00fcnschten Orte von neuem zu entstehen. Auch bei den genannten Beobachtern kommt es zuweilen, wenn auch selten vor, dafs sie das Signal geben, ohne ein\u00a9 gute Spannung der Aufmerksamkeit\nerreicht zu haben. Bei unge\u00fcbten Beobachtern ist diese Er-\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nErich Becher.\nscheinung sehr h\u00e4ufig; sie ist zum grofaen Teil darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs der Beobachter di\u00a9 oft deutlich sichtbaren Ausdrucksbewegungen der Aufmerksamkeit ausf\u00fchrt, ohne v\u00f6llig aufmerksam zu sein ; dann t\u00e4uschen ihn die Empfindungen jener Ausdrucksbewegungen \u00fcber den Mangel einer kr\u00e4ftigen Aufmerksamkeitsspannung hinweg. Ich darf aber wohl annehmen, dafs derartig\u00a9 Fehlerquellen keinen Einflufs auf mein\u00a9 Resultat\u00a9 gehabt haben, weil sie, wenn auch in. geringem Grade wirksam, jedenfalls beide Versuchsreihen in gleichem Sinn\u00a9 beeinflussen 'und so unsch\u00e4dlich bleiben mufeten. Die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Ergebnisse scheinen mir daher in jeder Hinsicht einwandfrei und beweisend zu sein. Di\u00a9 Zahl der gelesenen Buchstaben ist in Prozente der exponierten Buchstabenzahl umgerechnet, um die Tabelle \u00fcbersichtlicher zu gestalten (s. nebenstehende Tabelle):\nAus der ersten Kolumne der Tabelle geht hervor, dafs sich die Zahl der von den linksstehenden Buchstaben gelesenen bei allen Beobachtern mehr als verdoppelt, wenn ehe Aufmerksamkeit auf die Stelle gerichtet wird, wo sie erscheinen. Ferner zeigt die zweite Vertikalreih\u00a9, dafs bei S. Bbchbh und Dr. Post die Zahl der von den rechtsstehenden Buchstaben Gelesenen gleichzeitig kleiner wird, w\u00e4hrend sie bei Prof. Erbmamh konstant bleibt Wie wir ausf\u00fchrten, ist dieses Resultat mit der Annahme von irgendwie als wirksam in Betracht kommenden Aufmerksamkeitswanderungen unvereinbar.\nIch habe noch einen anderen Weg eingeschlagen, um Material zur Entscheidung der uns besch\u00e4ftigenden Frage zu erhalten. Es handelt sich um den Versuch, die Aufmerksamkeit w\u00e4hrend der Exposition durch auff\u00e4llige Eindr\u00fccke zu einem Punkte des Gesichtsfeldes hinzulenken. Auch Zeitleb hat derartige Experimente angestellt. Es zeigte sich bei seinen Versuchen, dafs eine Ablenkung der Aufmerksamkeit durch rote Kreise und Quadrate nicht m\u00f6glich war.1 Vielmehr wurden die roten Markierungen oft gar nicht bemerkt, besonders dann nicht, wenn sie nicht erwartet wurden. Ich habe Ablenkungsversuche in wechselnder Art angestellt, haupts\u00e4chlich mit Markierung durch rote Umrahmung eines der exponierten Buchstaben. Ich kann das negative Resultat der ZEiTLEBschen Versuche nur be-\n1 A, a. O. S. 399.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle.\nExperimentelle und kritische. Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 53\nfalsch gelesen nicht gelesen\tvon den in der Mitte stehenden Buch- staben\t_\u00a9 o' O\to o a\t* .\u00a9 \u00a9~ \u00a9\t.\u00a9 \u00a9* \u00a9\t. o o' m\to oo\n\tvon den links stehenden Buch- staben\t_\u00a9 \u00a9 \u00bb\u00a9 \u00a9a* O-\t37,5%\t.\u00a9 \u00a9~ \u00a9 \u2022V r\u2014\t% 8*88 1\t\u00a9~ \u00a9 L-\t._\u00a9 \u00a9 \u00ab\nnicht gelesen\tvon den in der Mitte stehenden Buchstaben\to \u00a9\" o\t^\u00a9 o ' \u00a9\to \u00a9* \u00a9\t_\u00a9 O\u201d \u00a9\t.\u00a9 \u00a9 \u00a9\t\u2014S \u00a9\" \u00a9\n\tvon den links stehenden Buch- staben\t. o \u00a9 \u00bbO \u25a0\u00bb\t\u00a9~ D-\t\u00a9 o' r* \u00a9\u201c\t^\u00a9 O \u25a0' \u00a9 \u2022\u00bb ca\t\u00a9^ \u00a9\t_o o ~ \u00a9\nm \u00a7 &\tvon den in der Mitte stehenden Buchstaben\t\u00a9 o ' \u00a9\t. \u00a9 o 8\t_ o \u00a9~ \u00a9\t_.\u00a9 \u00a9 \u00a9\t_\u00a9 o' \u00a9 ca\u201c\t_\u00a9 o~~ S\ni\tvon den links stehenden Buch- staben\t\u00a9 o 8\to \u00a9 ' 8\to e~ m m s\t. o \u00a9\" \u00a9 8\t\u00a9 \u00a9~ \u00a9 i> *\to o' 3\u00ab 8\n\t\t\t\t\t\t\t\nrichtig gelesen\tvon den in der Mitte stehenden Buchstaben\t100%\t. o \u00a9\" 8\t100% \u00ab j\t_ \u00a9 o \" 8\t>\u00a9 \u00a9 ~ g\t_\u00a9 o\"\n\tvon den links stehenden Buch- staben\t_ o o' m\t_\u00a9 o \" 5. S\t\u00a9* ocT\t_\u00a9 O* 00 t>\t. \u00a9 o \u2022 8\t\u00a9-* p\u00bb 8\u201c\nRichtung der Aufmerksamkeit\t\tzusammen- fallend mit der der Fixation i\tauf die Marke links von der Fixationsmarke _ ..............\t_\ti\tzusammenfallend mit der der Fixation\tauf die Marke links von der Fixationsmarke |\tzusammenfallend mit der der Fixation\tami die Marke links von der Fixationsm&rke\nAbstand der beiden Marken und Buchstaben\t\tcr.\t\ts a 8\t\ta a s\t\nBeobachter\t\t1 \u00bb g n m\t\tProf.\t1\tH m O P h P\t","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nErich Becher.\nst\u00e4tigen. Mir scheint indessen dieses negative Resultat derartiger Versuche, wenn sie bei einer Expositionszeit von 100 a ausgef\u00fchrt sind, gegen die M\u00f6glichkeit von Aufmerksamkeits-Wanderungen w\u00e4hrend der Exposition zu sprechen. Denn wenn etwa auf der Seite eines Buches, welche wir aufschlagen, sich ein rotumrahmter Buchstabe befindet, so wird derselbe sicherlich unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und er wird wahrscheinlicher als die anderen Buchstaben der Seite gelesen werden. Wenn in lji0 Sekunde Aufmerksamkeitswanderungen m\u00f6glich sind, so ist nicht einzusehen, weshalb der Erfolg nicht auch bei Expositionen von solcher Dauer derselbe sein soll.\nDie Markierungen, welche ich versucht habe, waren sehr verschieden. Gr\u00fcne und blaue, erst recht schwarze Markierungen erwiesen sich nicht als geeignet, weil sie beim Auftrocknen so dunkel werden, dafs ihr Kontrast gegen das Schwarz der Buchstaben zu gering ist. Sie werden dann leicht als Teile des Buchstabens aufgefafst und wirken dadurch sehr st\u00f6rend. Am testen schienen mir Markierungen von etwa zinnoberroter Farbe geeignet, weil sie weniger leicht als Teile der Buchstaben erschienen. Doch waren dieselben f\u00fcr Prof. Erdmann immer noch st\u00f6rend, Auch die Form und Lage der Markierungen habe ich vielfach ge\u00e4ndert Punkte, einzelne oder mehrfache Linien sind immer st\u00f6rend, wenn sie in grofser N\u00e4he des Buchstabens angebracht sind, und werden zwecklos, wenn man die Entfernung vergr\u00f6faert, weil dann die etwaige Ablenkung nicht zur richtigen Stelle hin erfolgen w\u00fcrde. Ich habe mich daher f\u00fcr Umrahmungen der Buchstaben mit der erw\u00e4hnten roten Farbe entschieden, was um so eher anging, als ich, abgesehen von Vorversuchen, nur Buchstaben exponiert habe, die weit voneinander entfernt waren, so dafs der zweite Buchstabe nicht von der Umrahmung des ersten gest\u00f6rt werden konnte.\nAls Fixationspunkt diente, wie bei den fr\u00fcher erw\u00e4hnten Versuchen am, Tachistoskop von Erdmann und Dodge, ein\u00a9 matte Blechspitze mit weifsem oberen Ende. Genau in gleicher Entfernung von dieser Spitze erschienen bei der Exposition die beiden Buchstaben, Die Entfernung der Buchstaben auf der Gesichtsfeldplatte von der Fixationsmarke betr\u00e4gt f\u00fcr Prof. Erdmann 20 mm,, f\u00fcr S. Becher 24 mm. Die Expositionszeit betrug wieder Vio Sekunde. Als Buchstaben kamen bei den endg\u00fcltigen Versuchen nur di\u00a9 oben angef\u00fchrten 13 mittelzeiligen","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und bitwehe Beitr\u00e4ge mut Psychologie de\u00bb Lesens etc. 55\nzur Verwendung, welch\u00a9 wieder m. je zweien in nicht zu erratender Folge zusammengestellt wurden. Einer der beiden Buchstaben einer Variation wurde mit dem roten Rahmen markiert Ei kam. immer auch die durch Vertauschung der beiden Buchstaben entstehende Variation zur Verwendung, so-dafs die Ungleichwertigkeit der Buchstaben keinen Emfiufs haben konnte. Eine Versuchsreihe bestand aus ungef\u00e4hr 50 Expositionen. In einer solchen Reihe stand der umrahmte Buchstabe gleich oft auf beiden Seiten der Fixationsmarke, ohne dafs der Wechsel ein regelm\u00e4fsiger war. So war' eine Bevorzugung der umrahmten Buchstaben vor den nicht umrahmten, oder umgekehrt, ausgeschlossen.\nDie Resultate sind in der folgenden Tabelle zusammen-gefallt Die Zahlen sind in Prozente der (nicht mifsgl\u00fcckten) Expositionen umgerechnet\nTabelle.\n\t\tProf. Baunum\t8. Biobxi\nm Bot umrahmte Buchstaben\trichtig gelesen\t40%\t59%\n\tfalsch gelesen\t66%\t39%\n\tnicht gelesen\t4%\t2%\n\tfalsch gelesen + nicht gelesen\t60%\t41%\nNicht umrahmt\u00a9 Buchstaben\trichtig gelesen\t44%\t60%\n\tfalsch gelesen\t53%\t39%\n\tnicht gelesen\t3%\t1%\n\tfalsch gelesen nicht gelesen\t66%\t40%\nDas Ergebnis ist folgendes. Umrahmte und nicht umrahmte Buchstaben werden etwa gleich oft gelesen. Prof. Erd-, makn lest pro Reihe einen oder zwei umrahmte Buchstaben weniger, was damit Zusammenh\u00e4ngen mag, dafs er die Umrahmung ab und. zu. als st\u00f6rend empfindet, wenn er sie bemerkt Dies geschieht anfangs selten, sp\u00e4ter, dank der gr\u00f6fseren \u00dcbung, h\u00e4ufiger. (Den Reihen wurden auch hier meist 25 \u00dcbungsexpositionen vorangeschickt) S. Becher sieht die Umrahmungen","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nErich Becher.\nnach erfolgter Ein\u00fcbung regelm\u00e4fsig ; sie beeinflussen ihn indessen durchaus nicht.\nMir scheinen auch diese Ergebnisse, wie bereits ausgef\u00fchrt wurde, gegen die Annahme von Aufmerksamkeitswanderungen zu sprechen. Wenn, wie dies Zeitleb annimmt, die sogenannten dominierenden Buchstaben, wie die unterzeiligen Konsonanten:\nfl- P> y\u00bb g.\noder die oberzeiligen:\nt, 1, f, b, h, d, k,\ndie Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen verm\u00f6gen, so m\u00fcfste dies auch die rote Umrahmung eines Buchstabens k\u00f6nnen. Die Versuche beweisen aber, dafs bei einer Expositiouszeit von 0,1 Sek. die Markierungen nicht hierzu imstande sind. Das tr\u00e4gt dazu bei, die Annahmen von Wundt und Zeitleb unwahrscheinlich zu machen.\nAus den beschriebenen Experimenten glaube ich schliefsen zu d\u00fcrfen, dafs die Annahme von Aufmerksamkeitswanderungen zur Erkl\u00e4rung des Lesens von W\u00f6rtern von 19 bis 22 Buchstaben und mehr zwecklos ist, und dafs diese Annahme mit den objektiven Erfahrungen in Widerspruch steht\nIch gehe zu einer Betrachtung der Argumente \u00fcber, durch welche Zeitleb die Annahme von Aufmerksamkeitswanderungen zu st\u00fctzen sucht und ber\u00fccksichtige zun\u00e4chst die subjektiven Beobachtungen. Die Sukzession der Aufmerksamkeit wird nach Zeitleb \u201esubjektiv merkbar . . . erst bei gr\u00f6fserer Expositionszeit (gemeint sind Zeiten von 100 o und mehr1) unter Anwendung gr\u00f6fserer Wortbilder, d. h. solcher, die einen Umfang von 15 Buchstaben \u00fcberschreiten\u201c.* * \u201eEine Grenze, von der an der Aufmerksamkeitswechsel subjektiv bemerkbar wird, kann nicht exakt festgestellt werden.\u201c * Es ist zu beachten, dafs der Beobachter zun\u00e4chst vor der Exposition die Weisung erhielt, seine Aufmerksamkeit schweifen zu lassen.1 Erst \u201eallm\u00e4hlich\u201c stellten die Beobachter in allen F\u00e4llen den Aufmerksamkeitswechsel fest6 Immerhin bot die Ein\u00fcbung bei Herrn D. grofse Schwierigkeiten, da \u201eder Eindruck dem Beobachter vorzugsweise ein simultaner schien\u201c.6 Die anderen Beobachter dagegen hatten weniger M\u00fche, den Aufmerksamkeitswechsel festzustellen. Man\n1 A. \u00bb. O. 8. 406.\n* A. ft. O. 8. 407.\n* A. a. O. 8. 406. 6 A. a. O. S. 407.\n*\tA. a. O. 8. 406.\n*\tEbendaselbst.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentdle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesern etc. 5?\nbeachte folgende Schilderungen: \u201eDie Aufmerksamkeit gleitet langsam \u00fcber das Schriftbild hinweg, das ruhig gelesen wird, sie haftet langer auf'1 den dominierenden Komplexen und '\u00fcberwindet rascher die unbetonten Strecken,111 \u201eDie Aufmerksamkeit \u201eh\u00fcpfte\u201c . . . \u00fcber die dominierenden Buchstaben und Komplexe, auf letzteren l\u00e4nger haftend, als auf den unbetonten Stellen,\u201c * Wenn keine anderen Bedenken vorlftgen, so w\u00fcrden diese Schilderungen gen\u00fcgen, um. den Leser stutzig zu machen. W\u00e4hrend sich f\u00fcr uns die Wahrnehmung als zeitlich durchaus einheitlich nnd unzerlegbar darstellte bei allen unseren Expositionen, glauben die Beobachter Zeitleks in VlO Sekunde \u201elangsame\u201c, \u201eruhige\u201c, gleitende Bewegungen oder auch ein \u201eH\u00fcpfen\u201c der Aufmerksamkeit, ein \u201el\u00e4ngeres\u201c \u201eHaften\u201c derselben auf diesen und ein k\u00fcrzeres Hinweggehen \u00fcber jene Stellen subjektiv festlegen zu k\u00f6nnen.\nDie Ber\u00fccksichtigung aller Umst\u00e4nde macht es mir wahrscheinlich, dafs die Beobachter Zeitleks T\u00e4uschungen unterlegen .sind. Ich erw\u00e4hnte schon, dafs die Bewegung der Fixations-m.arke im Augenblicke der Exposition die Tendenz zu Aufmerksamkeitsst\u00f6rungen hervorzurufen geeignet erscheint. Dazu kommt, dafs vor der Exposition die Weisung erfolgte, die Aufmerksamkeit schweifen zu lassen. Es ist wohl nicht unwahr-\n\u2022\u2022\nscheinlich, dafs 'die so erfolgenden \u00c4nderungen der Aufmerksamkeit vor und nach der Exposition merkliche Bewegungen derselben w\u00e4hrend der Exposition vort\u00e4uschten. Ferner pflegt' oft bei l\u00e4ngeren W\u00f6rtern \u2014 und die Schilderungen bei Zeitler beziehen sich auf W\u00f6rter von mehr als 15 Buchstaben \u2014 der Reproduktionsvorgang deutlich sukzessiv zu verlaufen, wenn er \u00fcberhaupt, vor dem Aussprechen des Gelesenen im Bewusstsein feststellbar ist. So scheint es mir nicht ausgeschlossen, dafs die Beobachter unter dem Binfiufs der Aufmerksamkeits\u00e4nderungen direkt vor oder nach der Exposition die Sukzession bei der Reproduktion f\u00fcr 'die Reproduktion einer Sukzession gehalten haben, die w\u00e4hrend der Exposition stattgefunden h\u00e4tte. Dann werden die monstr\u00f6sen Schilderungen durchaus erkl\u00e4rlich ; dann wird es verst\u00e4ndlich, wie Herr D., dem der Eindruck simultan zu sein schien, schliefslich auch die Aufmerksamkeitsbewegung festeteilen zu k\u00f6nnen glaubte.\n1 A. a. O. S. 408.\n* A. a. O. S. 408, 409.","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nErich Becher.\nMein\u00a9 Vermutung wird best\u00e4rkt durch folgendes einfache Experiment Ich bilde mir eine optisch\u00a9 Erinnerungsvorstellung etwa von dem l\u00f6buchst&bigen Wort\u00a9 \u201eWasserluftpump\u00a941. Infolge der Enge des Erinnerungsbewufstseins (gegen\u00fcber der Weite des W ahrnehmungsbewufstseins) gelingt mir dies nicht mit einem Male. Ich mufs vielmehr die einzelnen Teil\u00a9 des Wortbildes sukzessiv reproduzieren, ich habe etwa nacheinander deutliche Bilder der Wortteile:\nWas ser luft pum pe,\noder ich teile das Wortgani\u00a9 in anderer Weis\u00a9 ein. Wenn ich also di\u00a9 optische Wahrnehmung des Wortes \u201eWasserluftpumpew reproduziere, so stellt di\u00a9 optische Reproduktion \u00a9inen deutlich sukzessiven Prozefs dar. Ich kann mir di\u00a9 vorliegende optisch\u00a9 Wahrnehmung infolgedessen nicht anders \u201evorstellen44, als sukzessiv verlaufend, wenn ich das Wort \u201evorstellen\u201c in dem Sinn\u00a9 von (optisch) reproduzieren anwend\u00a9. Nat\u00fcrlich folgt daraus nicht, dafs die Wahrnehmung selbst sukzessiv sein m\u00fcfste, oder d&fs ihre Simultaneit\u00e4t nicht feststellbar w\u00e4re. Aber es scheint mir' offenbar, dafs durch diesen Sachverhalt, der eine Folg\u00a9 des Verh\u00e4ltnisses von der Weite des Wahrnehmun g\u00e4be wufstseins zur Enge des Erinnerungsbewufstseins ist, T\u00e4uschungen der von mir vermuteten Art m\u00f6glich gemacht werden bei Beobachtern, wenn sie etwa zu solchen- optischen Reproduktionen neigen Ich habe derartige Reproduktionen am T&ehistoskop nicht selten, obgleich ich mehr mm akustisch - motorischen, als zum optischen Typus neige.1\nVon unserem Standpunkte aus erscheinen nun di\u00a9 objektiven Ergebnisse, durch welche Zeitlke die Sukzession zu st\u00fctzen sucht, keineswegs beweisend. Zun\u00e4chst f\u00fchrt Zkitx,xb als Zeugnis gegen die Simultaneit\u00e4t die F\u00e4lle an, m denen nur die erst\u00a9 Worth\u00e4lfte, \u201eapperzipiert\u201c wird, durch \u201eAssimilationen\u201c aber \u00a9in\u00a9 falsche zweite Worth\u00e4lfte erscheint. Dabei sind oft di\u00a9 Beobachter\n1 Bei Beobachtern mit gutem visuellem Ged\u00e4chtnis pflegt oft \u00e9m exponierte Wort nach der Sinneswahrnehmung ganz oder teilweise mit grofser, test sinnlicher Lebhaftigkeit im Bewufstaein an verharren. Nat\u00fcrlich k\u00f6nnen dann die einaelnen Teile eines solchen zentralen Nachbildes\u201c durch \u25a0die Aufmerksamkeit sukzessiv verdeutlicht werden. Babel kann der Beobachter kaum sicher entscheiden, ob die Sukzession wahrend oder nach der Exposition erfolgte. Eine sichere Entscheidung Ist nur auf Grund objektiver Ergebnisse m\u00f6glich.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 59\nsubjektiv sicher, das \u201eGanze\" gesehen zu haben.1 Diese Erfahrung, die nat\u00fcrlich auch bei uns nicht selten gemacht wurde, beweist nichts weiter, als dafs die beiden Worth\u00e4lften ungleich sicher wahrgenommen (oder auch reproduziert) wurden. Die sicherere Wahrnehmung der ersten Worth\u00e4lfte kann darauf beruhen, dafs diese Worth\u00e4lfte optisch charakteristischer war, oder dafs zuf\u00e4llig die Aufmerksamkeit schon vor der Exposition auf die Stelle gerichtet wurde, an der sie erschien. Die Annahme, dafs die erste Worth\u00e4lfte zuerst \u201eapperzipiert\u201c, d. h. aufmerksam, wahrgenommen werde, wird dadurch widerlegt, dafs bei unseren Funkenbeleuchtungsexpositionen fast ebenso oft die zweite Worth\u00e4lfte richtig erkannt, die erste aber falsch wahrgenommen bzw, gelesen wurde, obwohl dann zuweilen der Beobachter glaubte, beide Wortteile gleich sicher gesehen zu haben. Als Beispiele solcher Fehler in der ersten Worth\u00e4lfte m\u00f6gen die folgenden dienen. Es wurde gelesen:\nWasserstrahlen\tstatt W\u00e4rmestrahlen,\nMediankreis\t\u201e\tMeridiankreis,\nW asserstandsgef\u00e4fs\t\u201e\tW iderstandsgef\u00e4fs,\nPerationsebene\t\u201e\tPolarisationsebene,\nProjektionsapparat\t\u201e\tPolarisationsapparat usw.\nDie angef\u00fchrten Verlesungen stammen aus den Beobachtungen von S. B. Entsprechende Erfahrungen ergaben sich bei E. B. Oft wurde auch die zweite Worth\u00e4lfte gelesen, w\u00e4hrend der Lesende von der ersten nichts angeben konnte. E& scheint mir glso sicher, dafs alle derartigen Erfahrungen auf Zuf\u00e4lligkeiten beruhen. Sollten etwa bei Zextlbbb Versuchen die ersten Worth\u00e4lften \u00f6fter richtig gelesen worden sein, als die zweiten, so w\u00e4re dieser Umstand leicht zu erkl\u00e4ren aus dem Vorteil, den die erste Worth\u00e4lfte, dank den grofsen Anfangsbuchstaben, f\u00fcr das Erkennen gegen\u00fcber der zweiten H\u00e4lfte darbietet. Die Annahme von Aufmerksamkeitswanderungen kann auch hier nicht zur Erkl\u00e4rung dienen, da die Erscheinung ebenfalls bei Funkenbeleuchtung auftritt, wo diese Wanderungen fehlen m\u00fcssen.\nFerner bemerkt Zeitleb : \u201eWeiterhin gibt es ganze Reihen von der Buchstabenzusammensetzung nach analogen W\u00f6rtern, die durch Ab\u00e4nderung eines Buchstaben an derselben Stelle\n1 A. a. O. 8. 401.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\n\u00c6rkk Becher.\nheterogene Bedeutungen durchlaufen. Die Symbole der Schrift erhalten durch eine solche Ab\u00e4nderung einen ganz verschiedenen Bedeutungsinhalt. Damit die neue Bedeutung eines derartig ge\u00e4nderten Wortbildes erkannt werde, mufs der Buchstabe fest-gestellt werden, d. h, es mufs buchstabiert werden. Geschieht dies nicht, so setzt die Assimilation immer wieder das alte Wortbild ein und mit ihm die alte Bedeutung und kommt nicht zur Auffassung des neuen.\u201c Hier haben wir wieder die Annahme eines buchstabierenden Lesens. Diese Annahme ist von Erdmann und D\u00f6b\u00f6b so \u00fcberzeugend widerlegt worden, die hier von Zeitler. ber\u00fccksichtigten Erfahrungen sprechen so durchaus nicht f\u00fcr die vorausgesetzte Sukzession, dafs ich von einer ausf\u00fchrlichen Kritik: abseh en kann. Um das durch Vertauschung eines Buchstabens ge\u00e4nderte Wort richtig zu lesen, ist nur n\u00f6tig, dafs der neue Buchstabe seinen regulierenden Einflufs aus\u00fcbt. Ob dieser Ein-fiufs darin besteht, dafs der Buchstabe als solcher und f\u00fcr sich erkennbar ist, oder ob der Buchstabe dadurch zw Wirkung kommt, dafs er die Gesamtform des Wortes charakteristisch 'mitbedingt, ist hier ohne Belang. Sicherlich braucht aber der ver\u00e4nderte Buchstabe nicht vor oder nach .anderen Buchstaben erkannt zu werden, um seinen Einflufs auf das Resultat des Lesens aus\u00fcben zu k\u00f6nnen. Solche Erfahrungen sagen also \u00fcber eine etwaige Sukzession w\u00e4hrend der Exposition durchaus nichts.\nDafs von einem exponierten Worte zuweilen nur eine sinnlose Reihe von Buchstaben aufgefafst wird, soll ebenfalls f\u00fcr die Sukzession sprechen.* 1 Weshalb, vermag ich nicht einzusehen. Es erweist sich dann eben entweder die \u201eapperzeptive Bereitschaft\u201c (im EaDMANNschen Sinne), oder die Reizkomponente der Wahrnehmung als ungen\u00fcgend, um. als Verschmelzungsprodukt die Wahrnehmung des Wortganzen zu erm\u00f6glichen. Dafs in. solchen. Fallen \u201edie dominierenden Buchstaben . . . durchg\u00e4ngig bevorzugt 2 werden, folgt selbstverst\u00e4ndlich nach unserer Auffassungsweise, da Zeitler als dominierend die besonders charakteristischen Buchstaben bezeichnet.8\n\u201eDen besten Beweis f\u00fcr die Sukzession der Auffassung bieten die Vexierversuche.\u201c 4 Es mufs zugestanden werden, dafs diese\n1 A. a. O. S. 402.\n1 A. a. O. S. 391.\n* A. a. O. 8. 402. 4 A. a O. 8. 402.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. gl\nVersuche f\u00fcr die Sukzession der \u201eApperzeption\u201c, d. h. der aufmerksamen Auffassung der einzelnen Wortteile zu sprechen scheinen. Betrachten wir daher diese Vexierversuche genauer! Bei 8 bis 10 buchstabigen W\u00f6rtern wird ein Vokal oder ein mittel-zeiliger Konsonant ver\u00e4ndert. Dann zeigt sich, wenn nicht die Assimilation den Einflufs der Ver\u00e4nderung verdeckt, dafs die rechts von dem Buchstaben liegenden Wortbestandteile nicht richtig aufgefafst werden k\u00f6nnen. Solche Beobachtungen machten am besten fremdl\u00e4ndische Versuchspersonen, w\u00e4hrend die deutschen Beobachter \u201efast stets\u201c aussagten, simultan gesehen zu haben.1 Zwingen diese Ergebnisse zu der Annahme einer Sukzession? Ich bin der Ansicht, dais dieselben auch ohne diese Annahme, von unserem Standpunkte aus wohl begreiflich sind. Zun\u00e4chst ist daran zu erinnern, dafs, sei es bei \u00c4nderungen eines Buch-stabens, sei es ohne solche \u00c4nderungen, oft auch die rechte Wort-h\u00e4lfte richtig gelesen wird, w\u00e4hrend die linke H\u00e4lfte ausf\u00e4llt. Es kommt eben darauf an, welcher Wortteil durch die Ver\u00e4nderung am st\u00e4rksten verst\u00fcmmelt wird. \u00dcberdies kann die erste Worth\u00e4lfte eine Ver\u00e4nderung ohne grofsen Schaden f\u00fcr die Lesbarkeit viel eher ertragen, als die zweite, weil die zweite H\u00e4lfte nicht so charakteristisch und individuell gebaut zu sein pflegt, wie die erste. Der erste Teil des Wortes hat den das Erkennen beg\u00fcnstigenden grofsen Anfangsbuchstaben, die zweite H\u00e4lfte besteht oft zum grofsen Teil aus einer wenig charakteristisch geformten Endung. Daher ist es erkl\u00e4rlich, dafs eine Verst\u00fcmmelung des Wortes die erste Worth\u00e4lfte oft weniger entsteht, als die zweite. Zeitleb verlangt aufserdem f\u00fcr das Gelingen dieser Versuche den Fortfall der Assimilation, d. h. das Fehlen der Mitwirkung zahlreicher reproduktiver Elemente bei der Wahrnehmung. Er ber\u00fccksichtigt also nur solche Ergebnisse, bei denen nicht die Assimilation trotz der Ver\u00e4nderung ein Wortbild zustande brachte. Dafs aber, trotz der Ver\u00e4nderung eines Buchstabens, eben dank der T\u00e4tigkeit der Assimilation, oft das ganze Wort gelesen, und richtig gelesen wird, zeigt, dafs die zweite Worth\u00e4lfte ihren regulierenden Einflufs aus\u00fcben kann, obwohl der ver\u00e4nderte Buchstabe ihr voranstand. Dabei vermag die \u201eAssimilation\u201c, die durch die unver\u00e4nderten Wortbestandteile bestimmt wird, die Ver\u00e4nderung ganz zu verdecken, eine Be-\n1 A. a. O. S. 402\u201440S.","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nErich Becher.\nobachtung, die wir immer dann machen, wenn wir beim Lesen einen Druckfehler v\u00f6llig \u00fcbersehen.\nSchhefslich lassen die Beobachtungen Zeitleks noch eine andere Deutung zu. Sie beweisen n\u00e4mlich nicht notwendig eine Sukzession in der Wahrnehmung, sondern sie k\u00f6nnen ebensogut durch eine Sukzession bei der Reproduktion, oder gar bei der Innervierung erkl\u00e4rt werden. Wenn wir diese Erkl\u00e4rung annehmen, so wird auch deutlich, weshalb die Ausl\u00e4nder die geeigneten Beobachter f\u00fcr diese Erscheinungen waren. Denn dies\u00a9 unterschieden sich ja von den in einer Sprache grofs gewordenen dadurch, dafs ihnen die den Schriftsymbolen entsprechenden Reproduktionen und Innervationen weniger gel\u00e4ufig sind. Man kann sich also das Zustandekommen der in Frage stehenden Erscheinungen in folgender Weise denken. Die Reproduktion und Innervation ist bei dem in der Sprache Unge\u00fcbten f\u00fcr ein Wort von mehreren Silben (es handelt sich um 8 bis 10 buch-stabige, also mehrsilbige W\u00f6rter1) oft als ein sukzessiver Vorgang anzusprechen. Dieser Vorgang wird m dem Augenblicke gehemmt, in welchem der ver\u00e4nderte Buchstabe f\u00fcr den Reproduktionsoder Innervationsvorgang bedeutsam wird, sei es, dafs der Buchstabe als Teil eines kleineren Komplexes, sei es, dafs er als einzelner zur Wirkung kommt, wie er dies bei dem in einer fremden Sprache nur wenig bewanderten f\u00fcr die Reproduktion und f\u00fcr die Innervation vermag. Der Vorgang der Reproduktion wird dabei von einer Aufmerksamkeitsbewegung begleitet sein, wenn die sukzessiv reproduzierten Wortbestandteile die Aufmerk samkeit nacheinander in Anspruch nehmen. Das Stocken im ReproduktionsVorgang, wenn sich das ver\u00e4nderte Wortelement nicht in den Zusammenhang einf\u00fcgen will, wird sich dann gleichsam als ein Zustand der Ratlosigkeit diesem Elemente gegen\u00fcber kundgeben, der den Fortgang der Reproduktion, bzw. der Innervation des Wortrestes st\u00f6rt.\nZeitleb vernichtet \u00fcberdies die Beweiskraft seines besten Argumentes, wenn er schreibt: \u201eDie sukzessiven Akte, in denen das Wortbild auftaucht, entsprechen dabei durchaus nicht der objektiven Aufeinanderfolge der Elemente selbst. Zun\u00e4chst tauchen die einzelnen Buchstabengruppen in verschiedener zeitlicher Abstufung auf, wof\u00fcr weniger ihre r\u00e4umliche Reihenfolge,\n1 A. a. O. S. 402,","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lernte etc, 63\nals vielmehr die Gliederung nach ihrer determinierenden Beschaffenheit in Frage kommt.\u201c * 1 Es versteht sich von selbst, dafs nur eine Sukzession, welche durch die objektive Aufeinanderfolge der Buchstaben bedingt ist, f\u00fcr die Erscheinungen bei Vexierversuchen zur Erkl\u00e4rung herangezogen werden darf. Denkt man sich die Sukzession in anderer Weise bedingt, wie dies ja Zeitleb tut, so sprechen die Vexierversuche nicht f\u00fcr dieselbe.\nSo wird man weder aus den subjektiven, noch aus den objektiven Beobachtungsresultaten, die Zeitler f\u00fcr seine Annahme anf\u00fchrt, einen \u00fcberzeugenden Beweis entnehmen k\u00f6nnen. Dagegen sprechen meine objektiven Ergebnisse gegen die Hypothese von Wundt und Zeitler, welche aufserdem zur Erkl\u00e4rung der Erscheinungen, die zu ihrer Bildung durch Wundt Veranlassung gaben, nichts beitragen kann. Mir scheint daher die Annahme nicht den Anforderungen zu entsprechen, die an eine Hypothese zu stellen sind.\n\u201eAssimilation\u201c und \u201eApperzeption\u201c, \u201eWortform\u201c und \u201edominierende Buchstaben\u201c.\nDie Wundt-ZEiTLERsch\u00a9 Theorie des taehistoskopischen Lesens ist einerseits charakterisiert durch die Annahme der Aufmerksamkeitsbewegungen, andererseits durch die scharf betonte Scheidung von apperzeptivem und assimilativem Lesen.4 Gest\u00fctzt auf die Ausf\u00fchrungen Wundts in der V\u00f6lkerpsychologie8 hat Zeitleb diese Scheidung zu begr\u00fcnden gesucht. Der Vorgang bei einer Exposition ist nach ihm folgender: \u201eDer \u00e4ufsere Eindruck erregt stets reproduktive Elemente, die dann mit ihm die einheitliche Wortvorstellung bilden. Diese reproduktiven Elemente sind aber nicht durchg\u00e4ngig gleichwertig, sondern sie tauchen in verschiedener zeitlicher Abstufung auf. . . . Zun\u00e4chst sind es die dominierenden Elemente des Eindrucks, die sich zur Auffassung dr\u00e4ngen, n\u00e4chst ihnen die unmittelbar mit ihnen verbundenen Komplexe. Diese dominierenden Elemente und Gebilde, als die bevorzugtesten Merkmale des Schriftzeichens, erwecken mit ihnen \u00fcbereinstimmende reproduktive Elemente. Die letzteren, die dem Eindruck im allgemeinen nichts ihm Fremdartiges hinzuf\u00fcgen,.\n1 A. a. O. S. 408.\n8 Zkitlkr : a. a. O. S. 385\u2014892 etc. Wundt : Grundz\u00f6ge der Physiologischen Psychologie Bd. Ill, S. 611.\n1 V\u00f6lkerpsychologie I, 1, S. 580\u2014644.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"\u20ac4\nErick Becher,\nk\u00f6nnen daher als reproduktive Faktoren ersten Grades bezeichnet werden. Solche prim\u00e4ren Reproduktionen, die sich mit der Apperzeption unmittelbar verbinden, treten besonders auch im Bereiche der gel\u00e4ufigsten W\u00f6rter auf. . . . Indem der direkte Sinneseindruck einen jenen Dispositionen entsprechenden Komplex von Empfindungen erweckt, werden die Dispositionen selbst zu \u201eaktuellen Empfindungen\u201c, die mit den durch den \u00e4ufseren Eindruck erweckten in eine einheitliche Vorstellung zusammenfliefsen. Dieser objektive Vorgang der Apperzeption wird dabei subjektiv stets von einem T\u00e4tigkeitsgef\u00fchl begleitet, das wir auf eine Mitwirkung von aktiver Aufmerksamkeit beziehen.\u201c 1 * * \u201eDie prim\u00e4ren reproduktiven Elemente k\u00f6nnen nun aber ihrerseits wieder reproduktive Elemente ins Bewufstsein heben, mit denen sich die unbetonten nur dunkel perzipierten Strecken des Wortbildes verbinden. Sobald diese Verbindungen, die zwischen den reproduktiven Elementen selbst bestehen, zur Wirkung kommen, kann dann der Vorgang als sekund\u00e4re Reproduktion bezeichnet werden. Sie charakterisiert die Assimilation im engsten Sinne des Wortes. . . . Auch setzen sich leicht diese Reproduktionswirkungen in. sukzessive Assoziationen fort, die dann nachtr\u00e4glich noch das Bild assimilativ umgestalten k\u00f6nnen. Subjektiv ist dieser ganze Vorgang charakterisiert durch passive schweifende Aufmerksamkeit.\u201c 1 Ohne auf die Pr\u00fcfung der De tads dieser Schilderung emgehen zu wollen, k\u00f6nnen wir die Einteilung der Leseakte w\u00e4hrend der Exposition 'in apperzeptive 'und assimilative als eine Typeneinteilung zugeben ; wir k\u00f6nnen lesen bei scharf gespannter oder bei geringer Aufmerksamkeit, und es kommen bei den verschiedenen Expositionen reproduktive Elemente in verschiedener Menge in Betracht. Indessen scheint uns die Scheidung keineswegs bedeutsam, wie ja auch Zeitleb eine \u201erelative Willk\u00fcrlich-keit\u201c der Bezeichnungen der einzelnen Leseakte nach se.in.em Schema zugibt. Die Vorg\u00e4nge beim, gew\u00f6hnlichen Lesen, stellen sich, nun nach Zeitleb 'und Wumbt als wesentlich assimilative dar. \u201eBei dem ge\u00fcbten Leser waltet dagegen das assimilative Lesen vor.\u201c8 Sicherlich; denn beim gew\u00f6hnlichen Lesen des Ge\u00fcbten, wirken reproduktive Elemente jeder Art in reicher Menge mit. Um so befremdlicher ist es, dafs Wundt und Zettleb\n1 A, a. O. S. 386.,\ns A. a. O. S. 387.\n* Wundt: Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie III, S. 609.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr \u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc.\t05\nEbdmann und Dodge verwerfen, das Lesen bei ihren Expositionen \u00bbei assimilativ. Ekdmann und Donos suchten mit ihren experimentellen Hilfsmitteln den Vorgang w\u00e4hrend einer Lesepause des gew\u00f6hnlichen Lesens zu isolieren* 1 *; es kam ihnen darauf an, den Vorgang w\u00e4hrend der Exposition dem w\u00e4hrend einer Be-wegungspause des einfachen Lesens insoweit entsprechend zu machen, als es die ver\u00e4nderten Umst\u00e4nde erlaubten. Mit R\u00fccksicht auf diese Absicht ist das Tachistoskop konstruiert. Selbstverst\u00e4ndlich m\u00fcssen daher bei den Expositionen von 100 * Dauer an diesem Apparat assimilative Prozesse von Bedeutung sein, da sie os beim gew\u00f6hnlichen Lesen sind. Der Vorwurf, dafs am Tachisto\u00ab skop von Ebdmann und Dono\u00ae bei einer Expositionszeit von 100 a die Bedingungen in die des gew\u00f6hnlichen Lesens \u00fcbergehen*, \u201edafs Versuche von 100 o Expositionszeit vom gew\u00f6hnlichen Lesen nicht so sehr unterschieden sind, als dies die Experimentatoren Annahmen . .\t3 beruht auf einem Mifsverst\u00e4ndnis, da ja diese\nVersuche nur darin vom gew\u00f6hnlichen Lesen unterschieden sein sollten, dafs Augenbewegungen ausgeschlossen waren.\n\u00dcbrigens zeigt sich schon bei der Einordnung der Ebdmann-BonoEschen Versuche in das Wundt-ZMTLEBsche Schema die Unzul\u00e4nglichkeit desselben. Denn wenn man diese Versuche wegen der sicherlich reichlich beteiligten reproduktiven Elemente jeder Art als assimilative zu bezeichnen durchaus berechtigt ist, so kann man sie als \u201eApperzeptionsversuche\u201c im WuNDTschen Sinne ebenfalls benennen insofern, als sich die Wahrnehmung bei ihnen stets bei \u201eaktiv\u201c gespannter Aufmerksamkeit vollzog. Es ist eben jede stark schematisierende Typeneinteilung unzul\u00e4nglich der Mannigfaltigkeit der vorkommenden Abstufungen gegen\u00fcber, und die Wundt - ZEiTLBRsche ist es um so mehr, als sie als Typen nur zwei extreme Grenzf\u00e4lle benutzt, w\u00e4hrend gerade die dazwischenliegenden F\u00e4lle die immer vorkommenden sind. Die Anwendung der Nomenklatur wird dadurch gewaltsam.\nBedenklicher, als es die Scheidung der Leseversuche in apperzeptive und assimilative an sich ist, scheint es mir zu sein, wenn man die ersteren mit der k\u00fcrzeren, die letzteren mit der l\u00e4ngeren Expositionszeit in Zusammenhang bringt. \u201eBei kurzer\n1 Psychologische Untersuchungen S. 94. s Wuhut: V\u00f6lkerpsychologie I, 1, S. 530.\n1 Zkitler : a. a. O. S. 406.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 36.\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nErich Becher.\nExpositionszeit wird daher nur direkt apperzipiert oder \u00fcberhaupt nichts erkannt, indem die reproduktiven Faktoren zweiten Grades hierbei gar nicht oder nur wenig in Aktion kommen; umfangreichere Assimilationen mit gr\u00f6fserer Beteiligung reproduktiver Elemente bedingen dagegen stets eine l\u00e4ngere Expositionszeit, in. deren Ablauf jene sekund\u00e4ren Faktoren zur Entwicklung gelangen k\u00f6nnen.\u201c 1 * * Dieser Schlufsweise gegen\u00fcber hat Dodge \u00e4 mit Recht geltend gemacht, dafs durch Verminderung der Reizdauer diu Reilkomponente der Wahrnehmung geschw\u00e4cht wird, dafs hingegen die reproduktiven Elemente in gleicher Weise bei kurzer wie bei langer Exposition zur Verf\u00fcgung stehen. Also werden im allgemeinen die reproduktiven Elemente bei kurzen Expositionen mehr in. Betracht kommen, .als bei. langen.\nIch m\u00f6chte Folgendes hinzuf\u00fcgen. Wenn Zeitleb meint: . umfangreichere Assimilationen mit gr\u00f6fserer Beteiligung reproduktiver Elemente bedingen dagegen stete eine l\u00e4ngere Expositionszeit, in deren Ablauf jene sekund\u00e4ren Faktoren zur Entwicklung gelangen k\u00f6nnen\u201c, so nimmt er dabei, an., dafs jene Reproduktionen nur w\u00e4hrend der Expositionszeit entstehen k\u00f6nnen. Damit widerspricht er aber seiner Behauptung : \u201eAuch setzen sich diese Reproduktionswirkungen in sukzessive Assoziationen fort,, die dann nachtr\u00e4glich noch, das Bild assimilativ umgestalten k\u00f6nnen.8 Wundt macht ebenfalls die Annahme solcher nachtr\u00e4glichen Assimilationen4, und, es ist gegen diese Annahme nichts einzuwenden,. Besteht diese aber zu. Recht, so* f\u00e4llt jeder Grund fort, warum, die k\u00fcrzeren Expositionen weniger assimilativ sein sollten als die l\u00e4ngeren.\nWenn bei kurzen Expositionen zuweilen nur wenige, charakteristische und nahe der Fixation stehende Buchstaben gelesen werden, besonders wenn es sich um ganz seltene W\u00f6rter handelt,, dagegen bei Expositionen von 100 a Dauer W\u00f6rter von. betr\u00e4chtlicher L\u00e4nge lesbar sind, so Hegt das nur daran, dafs im ersteren Falle die Reizkomponente immer, die Residualkomponente der Wahnehmung aber nur zuf\u00e4llig kleiner ist, als im letzteren.\nEs ist ferner unm\u00f6glich, aus dem. Verh\u00e4ltnis des Nichte gelesenen zum Falschgelesenen auf ein Fehlen oder eine Mite\n1 Zeitleb : a. a. O. S. 387.\n1 Th\u00a9 Psychology of Reading. Psychological .Review Bd. VIII, (1901), 8.58*\n# A. a. O. 8. 387.\n4 Grundz\u00fcge der physiologischen, Psychologie III, 8. 610.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 67\nWirkung der Assimilation schliefsen zu wollen. Es ist vor allem der EmfluTs individueller Bedingungen, wie der Gew\u00f6hnung, daf\u00fcr mafsgebend, ob der Lesende im zweifelhaften Falle angibt, er habe nicht gelesen, oder ob er Buchstaben zu erraten sucht. So verhalten sich die verschiedenen Beobachter bei derselben Ex-pomtionszeit durchaus verschieden, ja derselbe Beobachter verh\u00e4lt sich bei derselben Dauer der Exposition an verschiedenen Tagen sehr verschieden. Ich lasse als Beispiele die Zahlen f\u00fcr die nicht gelesenen, falsch gelesenen und richtig gelesenen Buchstaben derselben Reihe von 80 Expositionen folgen, die f\u00fcr S. Becher, Professor Erdmann und Dr. Post exponiert wurden:\n\tNicht gelesen\tFalsch gelesen\tEichtig gelesen\n8. Bbchbb\t20\t20\t40\nProf. Erdmann\t&\t34\t41\nBr. Post\t0\t47\t31\nIn diesem Falle betrug die Expositionszeit 100 o. N\u00e4hme ich einen anderen Teil von Expositionen, die zu anderer Zeit benutzt wurden, so w\u00fcrden sich bei Professor Erdmann z. B. die Zahlen ganz zugunsten der Nichtgelesenen um\u00e4ndem, und zwar unter Voraussetzung derselben Expositionszeit. Auch bei den Funkenbeleuchtungen best\u00e4tigte sich diese Zuf\u00e4lligkeit des Verh\u00e4ltnisses. Es kann daher nach meiner Erfahrung aus dem relativ h\u00e4ufigen oder seltenen Vorkommen von Verlesungen im Verh\u00e4ltnis zu den F\u00e4llen, in denen nichts gelesen wird, nicht auf den assimilativen oder apperzeptiven Charakter des Lesens bei der betreffenden Expositionszeit geschlossen werden.1 Es kommt hinzu, dafs Z eitler den Beobachtern einsch\u00e4rfte, \u201edie Assoziationen zur\u00fcckzudr\u00e4ngen und dagegen dem objektiven Eindruck die st\u00e4rkste Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es kam nicht auf Lesen \u00fcberhaupt, sondern auf Richtiglesen an.M 2 Hierdurch wird offenbar das Raten in unsicheren F\u00e4llen stark vermindert, und das mufs sich besonders geltend machen bei kurzen Expositionen, weil dann infolge des schwachen Reizes der Zustand der Unsicherheit besonders oft eintrat. Auch bei Expositionen von l\u00e4ngerer\n1 Zkitlbb : a. a. O. S. 387.\n* 8. 388.\n6*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nErieh Bee\u00e0&r.\nBauer wells der Beobachter meist, ob er richtig gelesen hat. Wenn, er alle zweifelhaften Buchstaben als nicht' gelesen angibt, (was S. Becheb zeitweise tat), so reduziert sich di\u00a9 Zahl der falsch gelesenen Buchstaben auf ein, Minimum. Dieses Minimum wird, gebildet durch jene seltenen F\u00e4lle, in welchen der Beobachter durchaus den Eindruck hat, richtig gelesen zu haben, trotzdem aber im Irrtum ist. Solche F\u00e4lle bildeten zwar Ausnahmen, aber Ausnahmen, di\u00a9 so gut bei den kurzen Funkenbeleuchtungen, wie bei den Expositionen von 100 ff Bauer \u00a9intraten.\nDafs bei kurzen Expositionszeiten die Assimilationsvorg&nge in, voller Wirksamkeit auftreten k\u00f6nnen, zeigen die Beobachtungen an umkehrbaren Figuren. Die \u201eumkehrbaren geometrisch-optischen T\u00e4uschungen\u201c sieht Wundt mit gutem Grunde als typische Beispiele f\u00fcr die Wirkung der Assimilation an. Biese geometrisch -optischen T\u00e4uschungen gelingen aber v\u00f6llig sicher auch bei Ex-positionszeiten von 10 ff, wenn man nur vor der Exposition der Fixationslinie die entsprechende Richtung gibt.\nIch benutzte zu solchen Versuchen, das Tachistoskop von Erdmann und Dodge, zu welchem ich zwei neue Fallplatten herstellte. Die Fallplatten tragen die die Exposition erm\u00f6glichende \u2022 \u2022\n\u00d6ffnung in gr\u00f6fserer H\u00f6he, als die vorhandenen. Aufserdem war die \u00d6ffnung schmaler. Dadurch erzielte ich Expositionszeiten von 10 ff, bzw. 35,5 ff. Die zu beschreibenden Versuche sind bei der k\u00fcrzeren Expositionszeit angestellt. Ich mufs erw\u00e4hnen, dafs bei. der benutzten Platte die Pr\u00e4- und Postexpositionszeit nat\u00fcrlich relativ gr\u00f6fser war, als bei den Expositionen von ,100' ff' Dauer. Doch bleibt die Expositionszeit einschliefslich der Zeit dm An- -und Abschwellens des projizierten Bildes immer noch zwischen 11 'und, 12 ff. Daher ist die Sache f\u00fcr uns bedeutungslos, besonders mit R\u00fccksicht auf die erw\u00e4hnten Resultate von Dom; denn wenn das Ansteigen der Netzhauterregongen die von D\u00fcrr festgelegten, Zeiten erfordert, so ist es ganz ohne Belang, dale, der Reiz selbst erst in V1000 Sekunde seine volle St\u00e4rke erreicht Die Expositionszeit wurde \u00fcbrigens hier, 'wie bei, den anderen Versuchen, durch auf der berafsten Fallplatte hervorgerufene Stimmgabelkurven gemessen. Zun\u00e4chst wurden die folgenden bekannten, auch bei. Wundt 1 abgebildeten Figuren benutzt.\n1 Wotbt: Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie II, Fig. 266 and. III, Fig. 377 und Fig. 378.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und britische Beitr\u00fcge zur Psychologie des Lesens etc.\t69\nEs wurden Versuche angestellt, bei denen der Beobachter wufBte, welche Figur erschien, und solche, bei denen er dies nicht wufste. Auch wufsteder Beobachter bei den in Betracht kommenden Expositionen nicht, welche Umkehrung infolge der Lage des Fixationspunktes erscheinen mufste.\nDas K\u00f6rperlichsehen und die Umkehrung der drei Figuren gelang den (sechs) Versuchspersonen bei den verschiedenen Anordnungen sehr gut. Nur die schwierigeren Umkehrungen der Figur c waren nicht immer allein durch die Richtung der Fixation zustande zu bringen; es wurden vielmehr eventuell K\u00f6rper ge\u00bb, sehen, die der Fixationsrichtung nicht entsprachen. Meist ist allerdings die Wahrnehmung durch die Blickrichtung bedingt, wenn der Beobachter nicht weifs, welche Figur exponiert wird.\nSchliefslich sind wir zu komplizierteren Figuren \u00fcbergegangen. Dabei beobachteten Professor Erdmahn, cand. rer. nat. E. Wild* schket, S. Becher und E. Bb\u00e7heb. Auch hier waren die Ergebnisse dieselben bei den Beobachtern E. Wildschrby, S. Becher und E. Becher. Dagegen zeigten sich die sehr feinen Linien des durch die Projektion stark verkleinerten Bildes f\u00fcr Professor Erdmaees Augen als zu schwach, so dafs die Figuren h\u00f6chst l\u00fcckenhaft erkannt wurden.\nDiese Versuche zeigen, dafs die typischen Assimilationserscheinungen auch bei kleinen Expositionen auftreten, dafs dah\u00e8r kurze Expositionszeiten reichliche Assimilationen durchaus nicht ausschliefsen.\nMit Recht nimmt Zeitleb an, dafs \u00fcberall da, wo die \u201eGesamtform\u201c f\u00fcr das Erkennen der W\u00f6rter eine Rolle spielt, auch Assimilationsprozesse von Wichtigkeit sind.1 \u201eEs gelingt, wie uns wiederholte Versuche gezeigt haben, nicht einmal nachtr\u00e4glich, d. h. unmittelbar nach Schluls der Exposition, sich irgendwie\n1 Z. B. a. a. O. S. 439.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nErich Becker.\nbewnfst zu werden, was an der gleichm\u00e4lsigen Deutlichkeit der Buchstabenz\u00fcge dem deutlich Wahrgenommenen, was der gr\u00f6beren Gesamtform zuzuschreiben sei,\u201c* 1 Diese Erfahrung, die sich so-' wohl bei Funkenexpositionen, wie beim Lesen, am Tachistoskop zeigte, beweist die T\u00e4tigkeit der \u201eAssimilation\u201c; dem, die \u00fcber das in der gr\u00f6beren oder engeren vGesamtform\u00ae Enthaltene hinausgehende Deutlichkeit der einzelnen Buchstabenz\u00fcge verdanken wir nach EanMANNschem Sprachgebrauch der Apper-zeptionsmasse, dach W\u00fcKDTschem aber der Wirksamkeit der Assimilation.\nWenn, wir zu zeigen verm\u00f6gen, dafs beim Lesen, bei Funkenbeleuchtung di\u00a9 Wortform ebenso von grofsem Einflufs ist, wie bei den Expositionen von 100 a Dauer, so beweisen wir damit gleichzeitig di\u00a9 Wichtigkeit assimilativer .Prozesse bei. so kurzen Beleuchtungszeiten.\nAus der bereits angef\u00fchrten Tabelle \u00fcber die Lesbarkeit langer W\u00f6rter bei. Funkenbeleuchtung geht die Bedeutung der Wortform, auch bei den k\u00fcrzesten Zeiten, hervor. Denn nach, den Versuchen von Erdmann und Dodor, bei denen die Abbildung der Buchstaben auf der Netzhaut nach dem bereits oben. Ausgef\u00fchrten dieser Abbildung bei unseren Funkenlichtversuchen entsprach, k\u00f6nnen, die \u00fcber zwanzig Buchstaben unserer l\u00e4ngsten W\u00f6rter unm\u00f6glich als solch\u00a9 einzeln erkennbar gewesen sein, Aufmerksamkeitswanderungen sind bei Funkenbeleuchtung unm\u00f6glich. Es bleibt also nur der Einflufs der gr\u00f6beren Wortform, und damit der Assimilation.\nBesonders deutlich zeigen die Mitwirkung der gr\u00f6beren Ge-samtform, die Versuche, bei denen weit von. der Fixationsrichtung entfernte Endungen richtig gelesen wurden. Solche Endungen wie: en, er, es, e, n, s, usw. enthalten keinen einzigen dominierenden. Buchstaben, und doch ist di\u00a9 F\u00e4higkeit, sie richtig zu lesen, \u00fcberraschend grofs.\nIch habe bei den. Funkenbeleuchtungsversuchen eine Reihe von langen W\u00f6rtern, mit solchen Endungen unter der etwa lOfachen Menge anderer W\u00f6rter verteilt exponiert. Dabei, wufste der Beobachter, S. Biohbb, \u00fcberhaupt nicht, dafs die betreffenden\n1 Erdmann und Dodge: Psychologische Untersuchungen S\u00ab 179.\n1 D. h. im \u201eInbegriff der gr\u00f6beren Z\u00fcge eines Wortes, die deutlich bleiben k\u00f6nnen, auch wenn kein, einzelner von den Buchstaben erkennbar ist\u201c, (Erdmann und Dodge: Psychologische Untersuchungen S. 176).","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie im Lmms etc. 71\n\"Versuche bezweckten, \u00fcber die Lesbarkeit der Endsilben zu orientieren. Es kam ihm auch das Vorhandensein der entscheidenden W\u00f6rter nnter der Menge der anderen nicht zum \u00dfewnfstsein. Trotzdem wurden die Endungen auch bei den l\u00e4ngsten W\u00f6rtern meist richtig gelesen. Zur Illustration m\u00f6gen folgende Beispiele dienen:\n\u00dfuehstabenzahl\tBichtig gelesenes Wort mit Endung\n12\tSchwingungen\n12\tExtrastrom es\n12\thorizontaler\n13\tFl\u00fcssigkeiten\n13\tMetallspektra\n13\tDrahtspiralen\n13\tverschiedener\n13\tver\u00e4nderliche\n14\tElektromagnet\u00a9\n14\tMetallspektren\n14\tmikroskopische\n15\tparamagnetische\n15\tDrehstrommotor\u00ab\n15\tDynamomaschinen\n15\tmikroskopische\n15\tDrehstrommotors\n. 16\tFunk enin duktoren\n16\tundurchsichtiger\n16\tBeugung\u00ab versuche\n16\tSpektralversuche\n18\tInduktionsspiralen\n18\tmagnetelektrischen\n18\tWechselstrommotors\n18\tWiderstandsgef\u00e4fse\n19\tFundamentalversuche\n19\tSelbstregulierendes\n20\tTelegraphenstationen\n21\tPolarisationsapparate\nBeobachter : S. Becher.\nDie richtig gelesenen Endungen erschienen dabei fast immer\nvollkommen deutlich.\nDann wurden dieselben W\u00f6rter von mir gelesen. Ich wufste von dem Vorhandensein der Endsilben und liefs mich daher","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nErich Beck\u00ear.\n\u00a9Mg\u00ae' Md\u00ae verteilen, Endsilben zu lesen, wenn, kein.\u00ae exponiert waren. Doch las ich auch in der \u00fcberwiegenden Mehrzahl der F\u00e4lle richtig 'und wnfste fast immer, wie auch S. Becher, sofort* dafs richtig gelesen war.\n.F\u00fcr Vorsilben erhielten wir1 die gleichen Ergebnisse.\nBezeichnend daf\u00fcr, dafs bei dem Lesen der Endsilben di# gr\u00f6ber\u00a9 Wortform das Ma\u00dfgebende ist, sind F\u00e4lle, in denen Endsilben von gleicher Linge, 'und daher auch ziemlich \u00fcbereinstimmender gr\u00f6berer Form, vom Beobachter verwechselt werden* z, B. die Endsilben:\nen, er, es,\n(etwa Drehstrommotoren statt des ungeliufigeren Drehstrom-motores). Die gr\u00f6bere Gesamtform ist eben bei einem. Worte wie:\nSelbstregisfcrierendes\ndadurch bedingt, dafs hinter dem emporragenden d noch zwei mittelzeilige Buchstaben kommen.. Sie enth\u00e4lt im allgemeinen nicht die entscheidenden Merkmale daf\u00fcr, ob der letzte Buchstabe etwa ein., n, r oder s ist.\nWas hier von den Endsilben gesagt, wurde, gilt mutatis mutandis f\u00fcr Vorsilben wie an-, un-, vor-, ver- ; doch ist hierbei in der Regel, die Vorsilbe schon durch die \u00fcbrigen Wortteile bestimmt, was f\u00fcr die Endungen durchaus nicht zu gelten pflegt.\nDer Einflufs der gr\u00f6beren Wortform und die Wirksamkeit der Assimilation d\u00fcrfen nach diesen. Versuchsergebnissen nicht auf Expositionen von l\u00e4ngerer Dauer beschr\u00e4nkt werden. Sie kommen f\u00fcr die k\u00fcrzesten Expositionen .in. gleicher Weise in Betracht\nWenn wir' 'di\u00ae Hypothese der Aufmerksamkeitswanderungeix und die scharfe Scheidung von apperzeptivem und assimilativem Lesen beiseite lassen, so unterscheiden sich, die Ansichten von Erbmakn 'und Dono\u00ae auf' der einen und von. Zkitler auf der anderen Seite nur dadurch, dafs den verschiedenen Quellen des Erkennen\u00bb beim Lesen nicht auf beiden Seiten 'di\u00a9 gleiche Be-deutung beigelegt wird. .Die Wirkung der Wertform erkennt Zeitiger an, ohne sie so hoch .\u00abuzuschlagen, 'wie Erpmaxn und Dome Dafs 'die gr\u00f6bere Wertform von gro\u00dfer Wichtigkeit ist* scheint mir durch 'die Versuche und. Ausf\u00fchrungen von, I^xam und Dodge unzweifelhaft bewiesen zu sein, \u00fcberdies aber auch aus den zuletzt geschilderten Versuchen hervorragehen. Wenn wir andererseits die Aufmerksamkeitswanderungen beseitigen, so","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens etc. 73\nbleibt die Wichtigkeit der \u201edominierenden, d. h. dann, nach der bereits angef\u00fchrten Stelle bei Zbitleb, der charakteristischsten Buchstaben durchaus bestehen. Denn diese, die ober- und unter-zeiligen Buchstaben, die \u00f6, \u00fc, i, \u00e4 usw. sind einerseits selbst noch in gr\u00f6fserer Entfernung von der Fixationsrichtang erkennbar* als die anderen Buchstaben, andererseits bedingen sie wesentlich die gr\u00f6bere Gesamtform, und damit die Assim\u00fcation.\nDie Verschiedenwertigkeit der einzelnen Buchstaben f\u00fcr das Erkennen f\u00e4llt jedem auf, der sich mit Leseversuchen besch\u00e4ftigt* Es ist daher der Einflufs der charakteristischeren Buchstaben in obigem Sinne durchaus anzuerkennen, und er ist von Eedmanh und Dodge nie in Zweifel gezogen worden.* 1\nZum Schl\u00fcsse m\u00f6chte ich den Herren, welche an den geschilderten Versuchen teilnahmen, f\u00fcr ihre Ausdauer bei den zum Teil erm\u00fcdenden Beobachtungen herzlich danken. Herr Professor Erdmann stellte mir die Hilfsmittel des psychologischen Seminars der'Universit\u00e4t Bonn, die Herren Direktor von Staa und Dr. Kemps die physikalischen Apparate des Realgymnasiums zu Remscheid zur Verf\u00fcgung. Ihnen bin ich hierf\u00fcr, sowie f\u00fcr ihren wertvollen Rat in hohem Mafse verpflichtet.2\n1 Psychologische Untersuchungen S. 184.\n1 Die vorliegenden Ausf\u00fchrungen waren druckfertig, als im \u00c4refm f\u00fcr die gesamte Psychologie (2, 190- 298) die Arbeit von Oskab Mbsshbb erschien : Zur Psychologie des Lesens bei Kindern und Erwachsenen. Der sehr dankenswerte Versuch einer vergleichenden Beobachtung bei Kindern und Erwachsenen ist im wesentlichen vom Standpunkte Wundts und Zbitlbbs unternommen. Der Einflufs der \u201eoptischen Gesamtform*1 wird eingehend behandelt. Auf eine genauere- Auseinandersetzung mit der Arbeit von Messmbb glaube ich versiebten zu d\u00fcrfen; denn in being auf die Fragen* in denen ich einen von Mkssmeb abweichenden Standpunkt vertrete, kann ich auf die obigen Ausf\u00fchrungen verweisen.\n(Eingtgangen am 7. Mai 1904.)","page":73}],"identifier":"lit32040","issued":"1904","language":"de","pages":"19-73","startpages":"19","title":"Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Lesens bei kurzen Expositionszeiten","type":"Journal Article","volume":"36"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:28:16.036168+00:00"}