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{"created":"2022-01-31T16:29:44.271406+00:00","id":"lit32052","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Richter, Julius","role":"author"},{"name":"Hermann Wamser","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 35: 321-339","fulltext":[{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"321\nExperimentelle Untersuchung der beim Nachzeichnen von Strecken und Winkeln entstehenden Gr\u00f6fsenfehler.\nVon\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nA, Versuche von Julius Richter.\nHabe ich mir die Aufgabe gestellt, ein einfaches geometrisches Gebilde, z. B. eine Strecke oder auch einen Winkel nachzuzeichnen, so wird in den meisten F\u00e4llen die Reproduktion mit dem Original hinsichtlich der Gr\u00f6fse nicht \u00fcberein stimmen. Dabei scheinen sich nun in vielen F\u00e4llen gewisse Gesetz-m\u00e4fsigkeiten zu zeigen, indem bei manchen Vorlagen die Tendenz zum Vergr\u00f6fsern, bei anderen die Neigung zum Verkleinern im Durchschnitt bedeutend \u00fcberwiegt. Die Frage, wie man solche Fehler in der Reproduktion psychologisch bezeichnen soll, ist nicht leicht zu entscheiden. Der Gedanke an optische T\u00e4uschungen liegt nahe, ist aber kaum durchf\u00fchrbar, da der Anblick der Kopie dieselben T\u00e4uschungsbedingungen darbietet wie der des Originals, so dafs eine Abweichung vom Original auf diese Weise nicht gut erkl\u00e4rt werden kann. Eher k\u00f6nnte man, da Kopie und Original beim Nachzeichnen gew\u00f6hnlich nicht in ein er Wahrnehmung aufgefafst werden, von Erinnerungst\u00e4uschungen sprechen. (Vgl. Groos, \u201eSeelenleben des Kindes\u201c, Kap. IX.)\nEs sind dies jedoch theoretische Fragen, deren Beantwortung jedenfalls nicht leicht ist, und es scheint angebracht, erst einmal zu untersuchen, ob sich denn wirklich eine gewisse Gesetzm\u00e4fsig-keit der beim Nachzeichnen einfacher geometrischer Gebilde entstehenden Gr\u00f6fsenfehler ergibt. Dann erst worden sich n\u00e4m-\nZeitsehrift f\u00fcr Psychologie 3:>.\t21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nlieh aus blofsen Hypothesen feste S\u00e4tze herleiten lassen. Derartige Versuche bieten aber zugleich dem praktischen P\u00e4dagogen grofses Interesse, da gerade das Abzeichnen von Winkeln im Zeichenunterricht eine wichtige Rolle spielt.\nI. Anordnung der Versuche.\nEinem Vorschlag des Herrn Professor Gaoos folgend w\u00e4hlte ich folgende Streckenl\u00e4ngen : 5 mm, 10 mm, 50 mm und 100 mm. Ebenso nahm ich auch nur vier Winkelgr\u00f6fsen, n\u00e4mlich 30\u00b0, 60\u00b0, 120\u00b0 und 150\u00b0, jeden dieser Winkel aber in drei Lagen, so dafs ich also 12 Winkel Vorlagen zur Verf\u00fcgung hatte. S\u00e4mtliche Vorlagen waren mit tiefschwarzer Tusche auf Oktavbl\u00e4tter gezeichnet. F\u00fcr die Strecke 100 mm scheint ein solches Blatt vielleicht etwas zu klein, weil man sich beim Nachzeichnen leicht an die Entfernungen der Endpunkte der Strecke von den Papierr\u00e4ndern halten konnte. Ich suchte diesem Mifsstand dadurch zu begegnen, dafs ich diese Entfernungen ungleich grofs nahm und die Strecke in beliebiger Lage, nur parallel zu je zwei Papierr\u00e4ndern, auf das Blatt zeichnete.\nDie drei Winkelvorlagen, von denen ich oben sprach, waren folgende : 1. Scheitel links, 2. Scheitel rechts ; ein Schenkel war jedesmal wagrecht; 3. Scheitel in der Mitte, beide Schenkel waren geneigt (\u201eh\u00e4ngende\u201c Winkel). Die Schenkel waren gleich lang. Nachstehende Figuren zeigen die Winkel in den verschiedenen Lagen.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der heim Nachzeichnen non Strecken etc. 323\nBei s\u00e4mtlichen Versuchen wurden die Vorlagen den Personen ungef\u00e4hr 5 Sekunden lang gezeigt mit der Bitte, sie m\u00f6chten die Streckenl\u00e4nge oder Winkelgr\u00f6fse nach Entfernung der Vorlage so genau wie m\u00f6glich auf ein Blatt zeichnen. \u00dcber die Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnisse der Vorlage wurde vorher nichts gesagt. Entweder hielt ich die Vorlage den Personen vor und nahm sie nach f\u00fcnf Sekunden wieder weg, oder die Personen besorgten dies selbst. Die zum Zeichnen benutzten Bl\u00e4tter hatten dieselbe Gr\u00f6fse wie die Vorlage und wurden nur auf einer Seite gebraucht. Die Vorlagen legte ich vier \u201eKlassen\u201c von Personen zum Nachzeichnen vor. N\u00e4mlich:\n1.\tF\u00fcnf Herren, teils Angeh\u00f6rige, teils Bekannte von mir; erstere Beamte, letztere Mathematiker \u00e4lteren Semesters, zeichneten die Vorlagen 20 mal. (Also zusammen 1600 Versuche.) Diese Klasse von Versuchen m\u00f6ge kurz als \u201eErwachsene\u201c bezeichnet werden. Hier, wie bei allen anderen Klassen von Versuchen wurden die betr. Strecke oder der betr. Winkel zuerst aus freier Hand gezeichnet, dann mit dem Lineal nachgezogen. Es zeigte sich dies recht n\u00fctzlich, denn beim Reproduzieren des Winkels aus freier Hand hat man noch viel besser die Lage der Schenkel im Ged\u00e4chtnis, als wenn man gleich das Lineal benutzt. Anders verfuhr ich bei den Sch\u00fclerversuchen, da dort, um Zeit zu sparen, gleich mit dem Lineal gearbeitet wurde.\n2.\tDank dem freundlichen Entgegenkommen des Direktors des Darmst\u00e4dter Realgymnasiums wurde es mir erm\u00f6glicht, die Versuche auch durch Sch\u00fcler ausf\u00fchren zu lassen und zwar in den Klassen Untertertia (36 Sch\u00fcler, die zweimal zeichneten) und Untersekunda (30 Sch\u00fcler). Dies gibt ca. 1520 Versuche. In der Untertertia kamen verd\u00e4chtig viele genaue Reproduktionen (Treffer) vor. Da es aber bei der Verrechnung gar nicht auf diese, sondern auf die Abweichungen vom Vorbild ankommt, konnten die Versuche immerhin mit in Betracht gezogen werden.\n3.\tDann habe ich die Vorlagen (jedesmal alle 16) einzelnen Personen, im ganzen 50, vorgelegt und sie von ihnen einmal nachzeichnen lassen. Da ich so gleichsam eine Best\u00e4tigung der Richtigkeit der anderen vielfachen Versuche haben wollte, bezeichnte ich diese Versuchsklasse mit \u201eProben\u201c. Ich bekam so noch 50-16 = 800 Versuche.\n4.\tSchliefslich habe ich selbst jede Vorlage 100 mal nachgezeichnet (1600 Versuche). Ich bringe diese Versuche in den\n21*","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nTabellen nach den anderen, da sie aus noch anzuf\u00fchrenden Gr\u00fcnden ziemlich abweichend von den anderen ausfielen.\nIm ganzen verf\u00fcgte ich also \u00fcber ca. 5500 Versuche; eine Vorlage wurde daher ungef\u00e4hr 340 mal gezeichnet.\nMit dem Nachmessen meiner und anderer Zeichnungen habe ich erst begonnen, nachdem ich selbst alles gezeichnet hatte.\nAlle Strecken und Winkel wurden von mir mit Mafsstab resp. Transporteur nachgemessen, und die Fehler in Listen eingetragen. Wurde eine Vorlage \u00fcber- oder untersch\u00e4tzt, so vermerkte ich den betr. Fehler in der -J-- resp. in der \u2014Spalte; ein Treffer kam in die 0-Spalte.\nUm eine recht genaue Gr\u00f6fse f\u00fcr die Fehler zu bekommen, ber\u00fccksichtigte ich auch halbe Millimeter und halbe Grad, in Zweifelsf\u00e4llen jedoch immer die kleinere Fehlerzahl nehmend, z. B. 1*/4 als 1; l3/< als 1,5. Statt der Durchschnittsgr\u00f6fse des Fehlers findet sich in den nachstehenden Tabellen nur die Summe aus allen resp. \u2014Fehlern.\nII. Die Ergebnisse.\nA. Strecken.\nBevor ich von den von mir gemachten Untersuchungen berichte, m\u00f6chte ich \u00e4hnlicher Versuche gedenken, die Binet und Henri durch Schulkinder einer Pariser Gemeindeschule haben ausf\u00fchren lassen. (Revue philosophique 37.) Auch dabei handelt es sich um die beim Vergleichen oder Nachzeichnen von Strecken entstehenden Gr\u00f6fsenfehler. Um \u201edie Richtigkeit des Linienged\u00e4chtnisses\u201c zu untersuchen, gibt es n\u00e4mlich nach Binet zwei Methoden. Erstens: das direkte Vergleichen verschiedener vorgelegten Strecken und zweitens die Wiedergabe der Vorlage durch die Hand, nachdem man die vorgelegte Strecke dem Ged\u00e4chtnis eingepr\u00e4gt hat. (La reconnaissance par l\u2019\u0153il et la reproduction par la main.) Binet und Henri stellten nun tats\u00e4chlich gewisse Gesetzm\u00e4fsigkeiten fest: 1. Je \u00e4lter die Kinder sind, desto \u00f6fter werden Strecken richtig gesch\u00e4tzt oder reproduziert. 2. Wenn die Strecken aus dem Ged\u00e4chtnis nachgezeichnet werden, sind die Fehler zahlreicher als beim blofsen Sch\u00e4tzen. 3. Kleinere Strecken (10\u201412 mm) werden durchschnittlich vergr\u00f6fsert, gr\u00f6fsere (50\u201460 mm) verkleinert. Eine Strecke, die immer richtig gesch\u00e4tzt wird, \u201eNormal\u201c- oder","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der beim Nachzeichnen von Strecken etc. 325\n\u201eIndifferenzl\u00e4nge\u201c, soll zwischen 4 und 16 mm liegen. 4. J\u00fcngere Sch\u00fcler machen beim Verkleinern von grofsen Strecken gr\u00f6fsere Fehler als \u00e4ltere Sch\u00fcler.\nIn nachstehenden Tabellen sind nun die von mir erhaltenen Zahlen zusammengestellt. In der ersten Spalte ist die Art der Vorlage, in der zweiten die Zahl der +*> \u2014 und 0-F\u00e4lle in Prozent, in der dritten endlich sind die Summen aller \u2022+\u2022 und \u2014 Fehler in mm angegeben.\nTabelle I. (Erwachsene.)\n\t\u2014\t\u2014\t\t\t\t\t\t\t- \t \t\t\t\t\u2014\t1 \t1\t\u2014-\nVorlage\tFehlerzahl in\t\t\u00b0/o\tFehlersumme in mm\t\n\t+\t\to\t+\t\u2014\n1 5 mm\t72\t5\ti 23\t95\t5\n10 mm\t80\t11\t9\t176\t10\n50 mm\t24\t69\t7\t104\t324\n100 mm\t37\t62\t1\tj\t194\t444,5\n\tTabelle II.\t\t(Untertertia.)\t\t\nVorlage\tFehlerzahl in\t\t01 10\tFehlersumme in mm\t\n\t+\t\u2014\t0\t+\t\u2014\n5 mm\t57\t22\t21\t65\t14\n10 mm\t42\t32\t26\t43\t37\n50 mm\t10\t64\t26\t23,5\t237,5\n100 mm\t26\t43\t3L\tI\t99,5\t279\n\tTabelle III.\t\t(Untersekunda.)\t\t\nVorlage\tFehlerzahl in\t\t%\tFehlersumme in mm\t\n\t4-\t\to\t+\t\u2014\n5 mm\t66\t17\t17\t18,5\t3\n10 mm\t79\t14\t7\t39\t4,5\n50 mm\t30\t43\t27\t11,5\t40,5\n100 mm\t27\t53\t20\t34\t144\n\tTabelle IV. (Proben.)\t\t\t\t\nVorlage\tFehlerzahl in\t\t%\tFehlersumme in mm\t\n\t4-\t-\to\t+\t\n5 mm\t66\t16\t18\t45\t5\n10 mm\t70\t18\t12\t80\t10,5\n50 mm\t26\t64\t10\t46,5\t163\n100 mm\t28\t70\t2\t59,5\t376,5","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nDiese vier Tabellen zeigen also eine sehr sch\u00f6ne \u00dcbereinstimmung. Die Strecken 5 und 10 mm werden \u00fcberall \u00fcbersch\u00e4tzt, w\u00e4hrend 50 und 100 mm zu klein wiedergegeben wurden. Bei den Sch\u00fclerversuchen ist die Zahl der Treffer (s. oben S. 323) auffallend grofs. Anders sieht es bei meinen eigenen Versuchen aus.\nTabelle V. (Eigene Versuche.)\nVorlage\tFehlerzahl in\t\t0/ /o\t\tFehlersumme in mm\t\n\t+\t-\t\t0\t +\t\u2014\n5 mm '\t28\t52\t\t\t 20\t26,5\t43,5\n10 mm\t45\t36\t\t19\t82\t33\n60 mm\t0\t99\t\t1\t0\t1002\n100 mm\t78\t17\t\t5\t486\t78,5\nDie Zahlen stimmen nur bei 10 und 50 mm mit den seitherigen \u00fcberein, w\u00e4hrend ich 5 mm gerade zu klein und 100 mm zu grofs gezeichnet habe. Dieser Unterschied findet wohl seine Erkl\u00e4rung in einer gewissen Voreingenommenheit meinerseits. Bei 5 mm dachte ich, die Reproduktion sicher zu grofs zu machen, und um nicht diesen Fehler zu begehen, zeichnete ich die Strecke recht klein ; freilich ist sie dann zu klein ausgefallen. Die gr\u00f6fsere Strecke (100 mm) wurde gerade umgekehrt behandelt.\nHier am Schlufs der Streckenversuche m\u00f6ge, wie dies gebr\u00e4uchlich ist, eine kleine Zusammenstellung aller seither erhaltenen Zahlen folgen.\nTabelle VI. (Zusammenstellung.)\nVorlage\ti\tFehlerzahl in 1\t4-\t1\t\u2014\t\ti i 1 o o~ \t\tFehlersumme in mm + 1 ~\t\n5 mm\t1 60\t22\t18\t250\t70,5\n10 mm\t62\t26\t12\t420\t95\n50 mm\t13\t76\t11\t185,5\t1767\n100 mm\t44\t45\t11\t873\t1322,5\nAls Durchschnittsbild ergibt sich demnach: die Strecken 5 und 10 mm wurden vergr\u00f6fsert, 50 mm verkleinert. Bei 100 mm d\u00fcrfte die Fehlersumme entscheidend sein; die Gesamtsumme","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der beim Nachzeichnen von Strecken etc. 327\nder \u2014Fehler ist mit 1322,5 mm bedeutend gr\u00f6fser als die der -f- - Fehler, die nur 873 mm betr\u00e4gt. Alter oder Beruf hatten keinen grofsen Einflufs auf die Gr\u00f6fse des Fehlers; bei den gr\u00f6fseren Strecken haben vielleicht Sch\u00fcler im Durchschnitt kleinere Fehler gemacht als Erwachsene.\nDa ferner die Strecke 10 mm noch \u00fcbersch\u00e4tzt, 50 mm dagegen untersch\u00e4tzt wird, so scheint die \u201eIndifferenzl\u00e4nge\u201c nicht nur gr\u00f6fser als 4 mm, sondern noch gr\u00f6fser als 10 mm zu sein, aber wahrscheinlich die von Binet angegebenen 16 mm nicht zu \u00fcbersteigen.\nB. Winkel.\nBei Erkl\u00e4rungsversuchen der optischen T\u00e4uschungen (z. B. der ZoELLNEBschen) sprach man viel von \u00dcber- resp. Untersch\u00e4tzen der in den Figuren auftretenden Winkel. Verschiedene Psychologen befafsten sich auch im Anschlufs an diese Behauptungen mit der Untersuchung einiger einfachen Winkelformen; jedoch wurden \u2014 im Unterschied von den hier beschriebenen Versuchen \u2014 die Irrt\u00fcmer beim blofsen Sehen von Winkeln behandelt und irgend welche Gesetzm\u00e4fsigkeiten (wie z. B. ein \u00dcbersch\u00e4tzen spitzer Winkel) nicht sicher festgestellt. So kann Lipps {Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, 8, S. 123) mit Recht von einer angeblichen oder wirklichen \u00dcbersch\u00e4tzung spitzer Winkel reden. Ebenso skeptisch \u00e4ufsert sich Fihlene \u00fcber di\u00e8se Frage {Z. f. Ps. u. PA., 17, S. 39); seiner Ansicht nach ist das Zugrofssehen spitzer Winkel eine Legende. Noch habe ich v. Zehendeb zu erw\u00e4hnen, dessen Experimente {Z. f. Ps. u. Ph., 20, S. 92) folgende Resultate ergaben: \u201eSpitze Winkel, deren einer Schenkel in der Horizontalrichtung liegt, erscheinen kleiner; spitze Winkel deren einer Schenkel in der Vertikalrichtung liegt, erscheinen gr\u00f6fser als sie sind.\u201c\nN\u00e4her auf diese Untersuchungen einzugehen, ist hier nicht der Platz, da wir es bei meinen Versuchen mit Nach zeichnen zu tun haben; dabei will ich, wie fr\u00fcher bei den Strecken, die Frage offen lassen, ob \u201eoptische T\u00e4uschung\u201c, \u201eErinnerungst\u00e4uschung\u201c oder eine andere Bezeichnung das Richtige trifft.\nNachstehende Tabellen \u2014 in derselben Anordnung wie die oben angef\u00fchrten \u2014 enthalten die von mir gefundenen Zahlen.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nTabelle VII. (Erwachsene.)\nVorlage\nFehlerzahl in \u00b0/<\n10\n\u00b1\n0\nFehlersumme in Grad\n4-\t!\t-\n30\u00b0 /L\t42\t50\t8\ti 186\t209\n60\u00b0 i_\t1 33\t61\t6\t156,5\t309,5\n120\u00b0 \\_\t! ( 60\t31\t9\t,\t379\t109,5\n160\u00b0\t! 26 i\t69\t5\t122\t582\nSO0\t28\t65\t7\ti 131,5\t290\n60\u00b0 A\t19\t75\t6\t85\t570\n120/\t26\t17\t7\t525\t73\n15(P\t36 1\t58\t6\tI i 187,5\t464,5\n30\u00b0 A\t86\t8\t6\t673\t22\n' 60\u00b0 A\t71\t24\t5\t604,5\t115\n* x 120\u00b0 /X\t39\t60\ti 1\t' 260,5\t517,6\n150\u00b0\t8\t87\t5\t41\t714,5\nVorstehende Zusammenstellung ist typisch f\u00fcr das Gesamtresultat aus allen \\/. Zun\u00e4chst f\u00e4llt der Unterschied zwischen den Winkeln, deren einer Schenkel wagrecht ist, und den anderen Winkeln auf, die wir \u201eh\u00e4ngende\u201c nennen wollen. 30 \u00b0, 600 und 150\u00b0, jedesmal ein Schenkel wagrecht, einerlei, ob es der rechte oder der linke ist, werden n\u00e4mlich untersch\u00e4tzt, w\u00e4hrend 120\u00b0 zu grofs gezeichnet ist. Ganz anders ist das Verhalten der \u201eh\u00e4ngenden\u201c Winkel. Da sind n\u00e4mlich 30\u00b0 und 60\u00b0 zu grofs, dagegen 120\u00b0 und 150\u00b0 zu klein geraten. Folgende kleine Zusammenstellung wird dies besser veranschaulichen.\nTypus\t30\u00b0\t60\u00b0\t*\u2022 to O O\n/L\t\u2014\t\u2014\t+\nA\t\u2014\t\u2014\t+\nA\t+\t+\t\u2014\n150\u00b0","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der beim Nachzeichnen von Strecken etc. 329\nDas Zeichen \u201e\u2014u bedeutet hierbei: Die Zahl und Gr\u00f6fse der Verkleinerung der Vorlage \u00fcber wiegt \u00fcber die Zahl und Gr\u00f6fse der Vergr\u00f6fserungen (\u201e+\u201c entsprechend). Also Resultat: Gleich-m\u00e4fsige Behandlung der Winkel mit einem wagrechten Schenkel, und ganz abweichend hiervon die h\u00e4ngenden Winkel.\nIn den Tabellen VIII und IX m\u00f6gen nun die Untertertia* und Untersekundaversuche folgen.\nTabelle VIII. (Untertertia.)\nVorlage i\tFehlerzahl in\t\t7o 0\tFehlersumme in Grad + 1\t\n30\u00b0\t47\t39\tu 1\t203,5\t114\n60\u00b0 [_\t33\t60\t7\t98\t260,5\n120\u00b0\t61\t31\t8\t341,5\t164,5\n150\u00b0 \\\t\t35\t60\t5\t119\t353\n30\u00b0\t[\t45\t47\t8\t178\t143,6\n60\u00b0 i\t25\t68\t7\t78\t295\n120\u00b0 j \u2014/ !\t53\t36\t11\t287,5\t96,5\n150^\t1\t33\t64\t3\t63,5\t162\n30\u00b0 A\t78\t11\t11\t229,5\t16,6\n/ \\ 60\u00b0 A\t72\t17\t11\t277,5\t17\n120\u00b0\t32\t62\t6\t129\t429,5\n\t\t\t\t\t\n150\u00b0\t28\t65\t7\t105,5\t490","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nTabelle IX. (Untersekunda.)\nV orlage l\tFehlerzahl in %\t\t| Fehlerstimme in Grad .1\n\t! + 1 - 1\t0\tIl +\t1\t~\n30\u00b0 z\t23\t74\t3\t26,5\t119,5\n60\u00b0 L 120\u00b0\to eo\t60\t10\t30\t129,5\n\t67\t30\t3\t171\t44,5\n/l\u201c1 f 11\t1 37\t63\t0\t39\t170\n30\u00b0 z\t! ,\t59\t38\t3\t65,5\t72\n60\u00b0 A 120\u00b0 _/\t28\t62\t10\t38\t155\n\t64\t43\t3\t76,5\t82\n150\u00b0\t57\t43\t0\t111\t89\n30\u00b0 A\t40\t47\t13\t83,5\t46,5\n60\u00b0 /\\\t|\t43\t50\t7\t84,5\t116,5\n120\u00b0 /\\\t30\t70\t0\t50\t164,5\n150\u00b0\t10\t90\t0\t5\t258\nDiese beiden Tabellen stimmen nur zum Teil mit der vorigen \u00fcberein. Die Fehlergr\u00f6fse ist ungef\u00e4hr dieselbe wie die in der ersten Tabelle verzeichnete ; vergleicht man dieGr\u00f6fse der Fehler bei den beiden Klassen Untertertia und Untersekunda, so findet man, dafs sie bei der niederen Klasse im Durchschnitt etwas gr\u00f6fser ist als bei der h\u00f6heren. Die der Seite 328 entsprechende Veranschaulichung sieht hier so aus:\nUntertertia.\nTypus\t30\u00b0\t60\u00b0\t120\u00b0\nZ\t_j_\t\u2014\t+\nZ\t9\t\u2014\t+\nA\t+\t+\t\u2014\n150\u00b0","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der beim Nachzeichnen von Strecken etc. 331\nUntersekunda.\n\u2014 \u2014 + \u2014\nA\t?\t\u2014\t?\t+\nA\t?\t-\t-\t-\nDas Fragezeichen (?) soll besagen : Trotzdem die Zahl der \u2014 (+-) Fehler gr\u00f6fser ist als die der +* (\u2014) Fehler, ist doch die Summe der \u2014 (-|--) Fehler kleiner als die der -(-\u2022 (\u2014) Fehler.\nTabelle X. (Proben.)\nVorlage\tFehlerzahl in %\t\t\t1 Fehlersumme in Grad\t\n\t+\t\u2014\t0\t+\t\u2014\n30o z_\t1 60\t34\t6\t162\t70\n60\u00b0 L\ti\t42\t52\t6\ti |\t102,5\t169\n120\u00b0\t1 ;\t48\t48\t4\t! ;\t143\t103\n150\u00b0 \\\t\t24\t72\t4\t40\t357\n30\u00b0\nA\n600\nA\n1200\n150'\n30\u00b0\nA\n60\u00b0\nA\n120\u00b0\n/\\\n150\u00b0\n46\t40\t14\t109,5\t106,5\n26\t68\t6\t60\t254,5\n70\t24\t6 ,\t278,5\t50,5\n18\t74\t8\t22\t266,5\n74\t20\t6\t298\t37\n46\t46\t8\t140,5\t133,5\n24\t72\t4\t59\t386\n18\t78\t4\t61\t543,5\nIn dieser Tabelle findet man vielfach eine gleiche oder ann\u00e4hernd gleiche Anzahl von + - und --Fehlern verzeichnet.\nSo wurden die Winkel 120\u00b0 (\\____) und 60\u00b0 (/\\) ebenso oft \u00fcber-\nwie untersch\u00e4tzt. Bei 60\u00b0 sind sogar die Fehlersummen einander ziemlich gleich, w\u00e4hrend bei 120\u00b0 die Fehlersumme ^143 \u00b0) sehr zugunsten des +-Fehlers spricht; denn die \u2014Fehler-","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nJulius Richter und Hamann W\u00e4mser.\nsumme betr\u00e4gt nur 103 \u00b0. Und so ist auch hier die merkw\u00fcrdig\u00a9\nTatsache festzustellen, dafs die Winkel 120\u00b0, \\____und ____/, zu\ngrofs gezeichnet wurden. Die Anzahl der Treffer ist im Durchschnitt etwas gr\u00f6fser als bei den seither erw\u00e4hnten Versuchsklassen. \u00dcbersichtlich dargestellt w\u00fcrde das Resultat so aussehen :\nTypus\t30\u00bb\t60\u00b0\t120\u00b0\t150\u00b0\nZ\t+\t\u2014\t+\t\u2014\nA\t+\t\u2022\u2014\t+\t\u2014\nA\t+\t+\t\u2014\t\u2014\nTabelle XL (Eigene Versuche.)\nVorlage\tFehlerzahl in %\t\t\tFehlersnmme in Grad\t\n\t+\t\t0\t4-\t\u2014\n30\u00b0 z.\t42 1\t51\t7\t147,5\t180,5\n60\u00b0 L 120\u00ae\tj 67\t32\t11\t256\t161\n\t! 78\t18\t4\t411\t56\n150\u00ae \\\t\t21\t67\t12\t95\t382,5\n30\u00ab A\t| 62\t38\t10\t257\t139,5\n60\u00b0 A 120\u00ae /\t3\t92\t5\t9,5\t776,5\n\t43\t51\t6\t226,5\t183\n150\u00b0 \t/\t27\t59\t14\t110,5\t287\n30\u00b0\t| A !\t73\t15\t12\t492\t61\n60\u00ae A 120\u00ae i /\\ : 160\u00ae\t67 25 0\t23 71 99\t10 4 l 1\t462 158,5 0\t106,5 714 1715\nOder in \u00fcbersichtlicher Darstellung:\nTypus 30\u00b0\t60\u00b0\t120\u00b0\t150\u00b0\n^ ~","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der beim Nachzeichnen von Strecken etc. 333\nDie vielen Differenzen zwischen den einzelnen Tabellen weichen nun einer gr\u00f6fseren Regelm\u00e4fsigkeit, wenn wir alle Versuchsresultate in einer Gesamtdarstellung vereinigen:\nTabelle XII. (Zusammenstellung.)\nVorlage\nFehlerzahl in %\n+\t!\t- l o\nFehlersumme in Grad\n+_____1___-\n30\u00ab ZL\t44\t48\t8\t725,5\t693\n60\u00ae [_\t41\t51\t8\t643\t1029,5\n120\u00b0\t64\t30\t6\t1445,5\t477,5\n150\u00bb\t27\t66\t7\t415\t1844,5\n30o A\t42\t48\t10\t741,5\t751,5\n60\u00b0 A\t17\t76\t7\t270,5\t2051\n1200 _z\t59\t34\t7\t1394\t485\n150\u00b0 \t/\t33 1\t61\t6\t494,5\t1270\n30\u00b0 A\t75\t16\t9\t1676\t173\n/\t\\\ti j50\u00b0\t63\t27\t8\ti 1569 t\t488,5\n120\u00b0\nI\u00f60\u00b0\n31\n13\n66\n83\n3\n4\n657\n212,5\n2211.5\n3721\nEs best\u00e4tigt sich also die bei Tabelle VII gemachte Erfahrung: Die Kopien von Winkeln, deren einer Schenkel wagrecht ist, zeigen \u00fcbereinstimmende Abweichungen vom Original. N\u00e4mlich 600 und 150u (Typen Z. und A) wurden stark verkleinert. Ein unbestimmtes Ergebnis liefert 30\u00b0 (ZL), da sich Fehlerzahl und Feblersumme widersprechen; 30\u00b0 (A) ist nur schwach verkleinert. Wenn es also einen spitzen Winkel gibt, der \u00fcbersch\u00e4tzt wird, so wird er nicht viel kleiner als 30\u00b0 sein. Ebenso d\u00fcrfte auch der \u201eNormalwinkel\u201c (der \u201eIndifferenzl\u00e4nge\u201c, S. 325, entsprechend) zwischen 200 und 300 liegen. Der einzige Winkel, der zu grofs gezeichnet wurde, ist der von 120\u00b0; auch die Durchschnittszahlen aus allen Zahlen zeigen dies. Man","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nk\u00f6nnte also der Annahme zuneigen, dafs es aufser dem \u201espitzen\u201c Normalwinkel noch einen \u201estumpfen\u201c gibt, der vielleicht etwas gr\u00f6fser ist als 120\u00b0; denn 150\u00b0 wird schon verkleinert. Die Fehler, die bei dieser Art von Winkeln und von den verschiedenen Versuchspersonen gemacht wurden, zeigen keine wesentlichen Unterschiede.\nGanz anders fiel die Reproduktion der \u201eh\u00e4ngenden\u201c Winkel aus. Nicht nur ein Winkel von 30\u00b0 wurde vergr\u00f6fsert, sondern sogar noch der Winkel von 60\u00b0, w\u00e4hrend die stumpfen Winkel (120\u00b0 und 150\u00b0) verkleinert wurden, 150\u00b0 besonders stark. Der \u201eNormalwinkel\u201c d\u00fcrfte also zwischen 60\u00b0 und 120\u00b0 zu suchen sein. Alter oder Beruf haben auch hier die Gr\u00f6fse des Fehlers kaum beeinflufst. Im Durchschnitt ist bei diesen Winkeln der Fehler etwas gr\u00f6fser als bei den anderen; dies r\u00fchrt wohl daher, dafs man in diesem Fall die Lage zweier Schenkel im Ged\u00e4chtnis\nTabelle XIII. (Zusammenstellung.)\nTabelle\n(schwach)\n+ (sehr stark)\n(sehr stark)\n(fast gleich)\n(sehr stark)\n' + (stark)\n+ (sehr stark)\n(sehr stark)\n(sehr stark)","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der heim Nachzeichnen von Strecken etc. 335\nbehalten mufs, w\u00e4hrend sonst ein horizontaler Schenkel nicht weiter beachtet zu werden braucht.\nTabelle XIII, die in ihren f\u00fcnf ersten Spalten die seitherigen Zusammenstellungen noch einmal und in ihrer sechsten Spalte eine solche aus der Tabelle XII bringt, gibt eine \u00dcbersicht des Gesamtresultats. Ich habe hier zu den\tund\n\u2014 Zeichen in Spalte 6 die Bezeichnungen \u201eschwach\u201c, \u201estark\u201c und \u201esehr stark\u201c zugef\u00fcgt. \u201eSehr stark\u201c bei \u201c soll z. B. bedeuten: Die Zahl der \u2014Fehler ist mehr als doppelt so grofs wie die der -{--Fehler.\nWir haben die Frage gestellt, \u201eob sich eine gewisse Gesetz-m\u00e4fsigkeit der beim Nachzeichnen einfacher geometrischer Gebilde entstehenden Gr\u00f6fsenfehler ergibt.\u201c Ohne dafs unsere Resultate im einzelnen schon \u00fcberall als endg\u00fcltig feststehend\nzu betrachten sind, wird man wohl jene Frage im allgemeinen\n\u2022 \u2022\nbejahen k\u00f6nnen. Bei den Strecken zeigt sich \u00dcbereinstimmung mit den von Binet gefundenen Ergebnissen; Winkel wurden meines Wissens zum ersten Mal in dieser Weise untersucht.\nZuletzt sei auch an dieser Stelle allen Damen und Herren, die sich den recht viel Geduld erfordernden Versuchen unterzogen haben, gedankt ; besonderen Dank bin ich Herrn Professor Groos schuldig, dessen Ratschl\u00e4ge mich sowohl bei den Versuchen als auch bei ihrer Ausarbeitung leiteten.\nB. Versuche von Hermann W\u00e4mser.\nIm W.-S. 1903/04 habe ich auf Anregung von Herrn Prof. Groos \u00e4hnliche Versuche wie die oben geschilderten ausgef\u00fchrt. Es handelte sich hierbei um das Abzeichnen von Strecken, Winkeln und Dreiecken. Die L\u00e4nge der bei den Versuchen benutzten Strecken betrug 5, 10 und 120 mm; die Gr\u00f6fse der Winkel 40\u00b0 und 120\u00b0. Letztere wurden in zwei verschiedenen Lagen, die man vielleicht als liegend und h\u00e4ngend bezeichnen kann, reproduziert. Was den Zweck und die Herstellung der Zeichnungen anlangt, verweise ich auf die Arbeit des Herrn Richter, wenigstens soweit es sich um die Wiedergabe von Strecken und Winkeln handelte. Durch die Reproduktion von Dreiecken konnte man vielleicht eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr den Umstand zu finden hoffen, dafs man geneigt ist, Berggipfel spitzer zu zeichnen als sie in Wirklichkeit sind. Dafs eine solche Tendenz vorhanden","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nist, beweisen uns \u00e4ltere Zeichnungen von Gebirgen und Bergen, die sehr h\u00e4ufig diesen Fehler auf weisen und deren Natur Widrigkeit uns erst mit der Erfindung der Photographie v\u00f6llig klar geworden ist. Als Winkel der Dreiecke wurden 120\u00b0 (an der Spitze) und 40\u00b0 (an der linken Seite) gew\u00e4hlt. Die Verwendung derselben Winkel wie vorher sollte nebenbei dazu dienen, ein etwa verschiedenes Verhalten von gleichen Winkeln, die man einmal als Einzelwinkel, das andere Mal als Dreieckswinkel abzeichnete, festzustellen. Diese Zeichnungen wurden auf dieselbe Art wie die vorhergehenden hergestellt.\nBei den von mir angestellten Versuchen handelte es sich um Einzel- und Massenversuche. Bei dem Abzeichnen von Strecken und Winkeln wurden f\u00fcnf Erwachsene verwandt, die Dreieckszeichnungen wurden von 40 ungef\u00e4hr 10 Jahre alten Sch\u00fclern einer Mittelschule hergestellt.\nWas die Zahl der Versuche anlangt, so wurde jede Strecke sowie jeder Winkel von jeder Person 60 mal reproduziert, es standen mir also f\u00fcr jede Strecke und Winkel 300 Zeichnungen zur Verf\u00fcgung. Dreiecksversuche wurden 600 angestellt.\nDie nun folgenden Tabellen enthalten die Hauptergebnisse; sie k\u00f6nnen, wenigstens soweit es sich um Strecken und Winkel handelt, zum Vergleich mit den von Herrn Richter gewonnenen Resultaten dienen.\nStrecken.\nVorlage\nFehleranzahl in\nO'\nFehlergr\u00f6fse in mm Gesamt-\n\t+\t-\tTreffer\t+\t\u2014\ti,\n5 mm\t58%\t17%\t24\t204\t31,5\ti\n10 mm\t, 64%\t18\t17%\t352\t40,5\t! +\n120 mm\tf 76 \u25a0/,\t20%\t2% .\t2126,5 -\t517\t4- \u00ab\u2022\nWinkel.\nVorlage\n40\u00b0\nz.\n120\u00b0\n\\_\n40\u00b0\nA\n120\u00b0\n/\\\n\u00fc Fehleranzahl in \u2022/.\t*\n-t\t\u2014\tTreffer\t+\t\u2014\n22\t64%\t16%\tj 162\t749\n071/ /3\t63 Vs\t9%\t376\t787\n\u00f6l\t39\t10\t669\t473\nQO __ >\u201c\u25a0\t77%\t4\t287\t2520\nI Gesamt-charakter\n\u2666\n+","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der beim Nachzeichnen von Strecken etc. 337\nVergleicht man die hier gewonnenen Resultate mit denen des Herrn Richter, so ergibt sich, soweit gleiche Strecken und Winkel benutzt wurden, folgendes. Sowohl die Versuche von Herrn Richter als auch die von mir angestellten ergaben eine starke Vergr\u00f6fserung beim Abzeichnen der Strecken von 5 und 10 mm, sowie des h\u00e4ngenden spitzen Winkels, dessen Gr\u00f6fse bei Herrn Richter 30\u00b0, bei mir 40\u00b0 betrug, und eine Verkleinerung des h\u00e4ngenden Winkels von 120\u00b0. Was die Strecke von 100 bzw. 120 mm anlangt, so ergab sich aus meinen Versuchen eine \u00fcberwiegende Vergr\u00f6fserung der Vorlage von 120 mm. Bei Herrn Richter ergaben sich f\u00fcr 100 mm entgegengesetzte Resultate. W\u00e4hrend die Fehleranzahl in % neben 11% Treffern 44-J-- und 45-F\u00e4lle ergab, also als zweifelhaft angesehen werden konnte, \u00fcber wog in der Fehlergr\u00f6fse die negative Zahl der mm stark (+ 873 mm gegen 1322,5 \u2014). Das abweichende Verhalten meiner Ergebnisse l\u00e4fst sich durch zwei M\u00f6glichkeiten erkl\u00e4ren. Vielleicht werden Strecken von dieser L\u00e4nge \u00fcberhaupt wieder ver-gr\u00f6fsert, oder aber die N\u00e4he des Papierrandes der Vorlage hat Gegenwirkung erzeugt. Ich habe an mir selbst beobachtet, dafs ich beim Abzeichnen der 120 mm-Strecke, um eine St\u00fctze f\u00fcr das Einpr\u00e4gen der L\u00e4nge zu gewinnen, unwillk\u00fcrlich den Abstand der Endpunkte der Strecke mit dem Papierrand verglich. Um eine Beeinflussung in dieser Hinsicht zu vermeiden, m\u00fcssen meiner Ansicht nach entsprechend grofse Vorlagen (mindestens Aktenformat) benutzt werden, wodurch dann selbstverst\u00e4ndlich die Gefahr der Gegenwirkung vermindert wird. Die Ergebnisse beim Abzeichnen des liegenden Winkels von 30 \u2022 bzw. 400 zeigten in der Hauptsache Verkleinerung. Bei mir sowohl in Fehleranzahl, als auch in Fehlergr\u00f6fse, bei Herrn Richter dagegen \u00fcberwog, obwohl seine Versuche 44 -f- - und 48 \u2014F\u00e4lle ergaben, in der Fehlergr\u00f6fse die positiven mm mit 725,5 -f- gegen 693 \u2014, so dafs also die Tendenz zum Verkleinern bei 40\u00b0 st\u00e4rker hervorgetreten ist als bei 30 \u00b0. Die auffallendsten Resultate ergab <ter stumpfe liegende Winkel von 120w. Hier fanden sich die sch\u00e4rfsten Gegens\u00e4tze. W\u00e4hrend nach meinen Messungen eine \u00fcberwiegende Verkleinerung stattfand, ergaben Herrn Richters Versuche eine starke Vergr\u00f6fserung.\n.Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 35.\n22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nJulius Richter und Hermann W\u00e4mser.\nFehleranzahl in %\nFehlergr\u00f6fse in Graden\n\t\t-\u2014\t| Treffer\tji\nRichter\t1 64\t30\t6\t!\t1445,5\nW\u00e4mser\t:! 27 Vs\t63 Vs\t|\t9 Vs\t376 h\n477,5\n787\nGesamt-\ncharakter\n+\nWas die Ergebnisse der nur von mir angestellten Dreiecksversuche anlangt, so will ich diese ebenfalls in einer Tabelle wiedergeben. Wie schon erw\u00e4hnt, handelte es sich um die Winkel von 120\u00b0 und 40\u00b0.\nVorlage y Fehleranzahl in \u00b0/o j Fehlergr\u00f6fse in ,j Gesamt-(Dreieck) |\t_j_\t.\tj Treffer j. +\t1\t\u2014 f charakter\n40\u00b0 z_\tM \u25a0 73,5\t20,166\t6,33\t3714\ti 507\t+\n120\u00b0 /\\\t18,333\t77,833\t3,833\t501\t4456\t\u2014\nDie von mir gewonnenen Ergebnisse best\u00e4tigten die fr\u00fcher beim Abzeichnen von Bergen gemachten Beobachtungen, nach denen der an der Spitze liegende Winkel verkleinert wurde. Hierin verhielt sich der Winkel von 1200 im Dreieck analog dem gleichgrofsen h\u00e4ngenden Einzelwinkel. Was den einen Basiswinkel von 40\u201c anlangt, so wurde er in diesem Fall im Gegensatz zu dem liegenden Einzelwinkel von 40\u00b0, der \u00fcberwiegend verkleinert wurde, \u00fcberwiegend vergr\u00f6fsert. Ich glaube, dafs hier eine Beeinflussung von seiten des Winkels an der Spitze vorlag, dergestalt, dafs dieser der Versuchsperson kleiner erschien und sie daher naturgem\u00e4fs den Basiswinkel vergr\u00f6fsern mufste.\nTrotz der ziemlich grofsen Zahl von Versuchen sind die Ergebnisse noch nicht als endg\u00fcltig zu betrachten. Davor warnt uns das entgegengesetzte Resultat beim liegenden Winkel von 120\u00b0.\nDie Grundfrage : \u201eGibt es bei den Reproduktionsfehlern Gesetzm\u00e4fsigkeiten?\u201c ist vorl\u00e4ufig etwa folgendermafsen zu beantworten. Bei dem stumpfen h\u00e4ngenden Winkel von 120 0 zeigt sich eine so starke \u00dcbereinstimmung in der Tendenz zu verkleinern (die Resultate des Herrn Richter sowie meine eigenen zusammengerechnet ergaben f\u00fcr diesen Fall 71% \u00b0/0 \u2014, 242/su/0 + und 3% \u00b0/0 Treffer sowie 4731,5 mm \u2014 und 944 mm -(-), dafs","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Untersuchung der heim Nachzeichnen von Strecken etc. 339\nman mit einiger Wahrscheinlichkeit die Best\u00e4tigung unserer Ergebnisse durch sp\u00e4tere Experimente vermuten kann. Ebenso verh\u00e4lt es sich mit den kleinen Strecken von 5 und 10 mm. Die Versuche mit Strecken von 100, 120 und mehr mm m\u00fcssen mit gr\u00f6fseren Vorlagen wiederholt werden. Auch die Hegenden stumpfen Winkel bed\u00fcrfen noch der Nachforschung, wom\u00f6ghch auf Grund verfeinerter Methoden.\n(Eingegangen am 29. M\u00e4rz 1904.)\n22*","page":339}],"identifier":"lit32052","issued":"1904","language":"de","pages":"321-339","startpages":"321","title":"Experimentelle Untersuchung der beim Nachzeichnen von Strecken und Winkeln entstehenden Gr\u00f6\u00dfenfehler","type":"Journal Article","volume":"35"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:29:44.271412+00:00"}