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{"created":"2022-01-31T16:22:32.300726+00:00","id":"lit32150","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Cohn","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 144-147","fulltext":[{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nLi t era hirberich t.\nPsychologie, machen. Ob man alle Wert Wissenschaften als \u201eMoral philosophie\u201c 7, na a lumen fas sen will, oder dies Wort, wie in Deutschland \u00dcblich, enger fafst, ist nur eine terminologische Frage. J. Cohn (Freiburg i. B.j,\nK. S. LaubiLA. Versuch einer Stellungnahme in den Hauptfragen der Knust* philosophie L Helsingfors, Finnische Literaturges. Berlin, Mayer und M\u00fcller, 1903. 251 S. Mit. 5,00.\nLackila will eine Kunstphilosophie, die auf die f\u00fcr unser Leben wichtigen Fragen \u00dcber die Bedeutung der Kunst, ihre Stellung zur Sittlichkeit usw, eine Antwort gibt, auf die Gefahr hin, \u201eunwissenschaftlich und altmodisch\u201c zu erscheinen. Diese entschlossene philosophische Gesinnung, der Ernst und die innere Notwendigkeit, mit der L. seine Probleme sich stellt, n\u00f6tigen dem Leser h\u00f6chste Achtung ab. Auch in deT Tiefe des philosophischen Bed\u00fcrfnisses und in der praktischen Abzweckung seine\u00bb Nachdenkens ist L. dem Manne verwandt, dessen Theorie er wissenschaftlich zu st\u00fctzen, auszubauen und zu berichtigen sucht: Leo Tolstoi.\nIm ersten Kapitel sucht Latjhila den Begriff der Kunstphilosophie zu gewinnen. Er bek\u00e4mpft die Behauptung, die Erkenntnis sei Selbstzweck. Philosophie ist ihm vielmehr (S. 7) \u201eein rationelles Streben, von dem Wesen, dem Sinn und der Bedeutung des Seienden eine richtige Einsicht zu erlangen, um unsere eigene Stellung im Weltganzen richtig auf-zufasaeu und unser Leben danach einriebten zu k\u00f6nnen.\u201c Ausf\u00fchrlich werden die Einw\u00e4nde gegen diese Definition widerlegt, besonders die Behauptung, dafs durch die praktische Abzweckung die Wissenschaftlichkeit der Philosophie aufgehoben sei. Entsprechend ist die Kunstphilosophie das Streben, Wesen, Sinn und Bedeutung der Kunst richtig aufzufaasen, um unsere eigene Stellung zu dieser Seite des Menschenlebens richtig bestimmen zu k\u00f6nnen. Sie fragt nach Wesen, Ursprung, Zweck der Kunst sowie nach ihrer Stellring zur Sittlichkeit, zur Wirklichkeit und zur Religion (S. Bi Lj. Mit Nachdruck trennt L. die Philosophie der Kunst von der Frage nach dem Natursch\u00f6oen. Um diese Trennung zu betonen, lehnt er den Namen \u201e\u00c4sthetik\u201c f\u00fcr seine Untersuchungen ab (S. 46ff.).\nDas 2. und 3. Kapitel sind der Frage nach dem Wesen der Knust gewidmet. Sie unterscheiden sich so, dafs im 2, Kapitel die Methode der Untersuchung festgestellt wird und fremde Theorien nachgepr\u00fcft werden, im 3, die eigene Ansicht L.'s entwickelt und in ihre Konsequenzen verfolgt wird. L. lehnt die deduktive Methode ab, weil ihre Obers\u00e4tze willk\u00fcrlich sind; er verwirft auch die induktive, die aus der Vergleichung der Kunstwerke den Begriff der Kunst gewinnen will. Denn alle Werke, die irgendwo und irgendwann f\u00fcr Kunstwerke gehalten werden, kann keine Definition umfassen, die Auswahl sogenannter \u201eMeisterwerke\u201c aber bleibt willk\u00fcrlich. Ob etwas ein Kunstwerk ist, beurteilen wir aus einer Forderung heraus, durch Vergleichung mit einem inneren Ideal, Dies Ideal gilt es bewufst zu machen, wenn man \u00fcber das Wesen der Kunst ins klare kommen will. \u201eDie einzige solide Grundlage einer Kunstdefinition ist das analysierte individuelle Kunstbemifstsein\u201c (8. 61). Diese Methode hat mit dem, was Wisdelbasd Selbstbesinnung, was Referent kritische Wert wissen Schaft nennt, viel mehr Verwandtschaft als mit den gew\u00f6hnlich \u201epsycho-","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n145\nlogisch\u201c genannten Verfahrungsarten. L. verwirft nun die Nachahmung\u00ab theorie sowohl in ihrer alten platonisch-aristotelischen Form als auch in der Gestalt, die Konrad Lange ihr gegeben hat. Ebenso entschieden lehnt er die \u201eSch\u00f6nheitstheorie\u201c ab, die einen \u201eGenufs\u201c als Ziel der Kunst angibt und als deren Vertreter er merkw\u00f6rdigerweise Kant ansieht. Die Theorie der Einf\u00fchlung und Gaoos\u2019 Theorie der inneren Nachahmung tut er miteinander ab. Man kann diese kritischen Abschnitte nur als oberfl\u00e4chlich bezeichnen, denn die bek\u00e4mpften Richtungen w\u00fcrden die Darstellung, die L. von ihnen gibt, nicht als treu anzuerkennen brauchen. Sich in die Motive anderer Denker zu versenken, ist nicht L.s St\u00e4rke. Aber auch die entschiedenste Polemik kann nur auf Grund eines innerlichen Verst\u00e4ndnisses fruchtbar werden.\nSeine eigene Theorie begr\u00fcndet L. zun\u00e4chst so, dafs er sonst verwandte F\u00e4lle vergleicht, von denen der eine ein Kunstwerk ist, der andere nicht. Eine Photographie und eine Karikatur desselben Menschen, ein Polizeibericht \u00fcber ein Ereignis und eine dieses Ereignis behandelnde Novelle, ein Landschaftsgem\u00e4lde und ein Plan derselben Gegend werden so einander gegen\u00fcbergestellt. Daraus ergibt sich schliefslich die Definition des Kunstwerks: \u201eDas Kunstwerk ist ein sinnlich wahrnehmbarer Ausdruck des Gef\u00fchlslebens, welcher bewufst und absichtlich so gew\u00e4hlt und gestaltet ist, dafs er imstande ist, in anderen \u00e4hnliche Gef\u00fchle hervorzurufen, wie sie der Ausdr\u00fcckende selbst gef\u00fchlt hat (und dessen eigentlicher Zweck eben darin besteht)\u201c (S. 105). Diese Theorie ist vor L. von Tolstoi aufgestellt, sonst aber nur in gelegentlichen \u00c4ufserungen nie wirklich systematisch vertreten worden. Unter den Einw\u00e4nden gegen sie, die L. zu widerlegen sich bem\u00fcht, ist der bemerkenswerteste, dafs man doch aufser einer subjektiven allgemein eine objektive Kunst kenne. In Wahrheit besteht aber dieser Unterschied nur darin, dafs der subjektive K\u00fcnstler seinen Eindruck, der objektive dagegen die Bedingungen seines Eindrucks gibt und die Dinge f\u00fcr sich sprechen l\u00e4fst. Gef\u00fchlsansteckung ist auch sein Zweck, und er erreicht diesen Zweck durch die selbstt\u00e4tige Auffassung des Anschauenden oft besser und sicherer als der subjektive K\u00fcnstler (S. 113-119).\nW\u00e4hrend ' Tolstoi f\u00fcr jedes Kunstwerk allgemeine Verst\u00e4ndlichkeit, Wirkung auf alle Menschen fordert, betont L. die Relativit\u00e4t der Gef\u00fchls-ansteckung. Ansteckend kann auf mich nur ein Gef\u00fchl wirken, dessen Grund ich billige. Nun wirkt aber dasselbe Ereignis auf die Menschen je nach ihrer intellektuellen oder moralischen Bildung sehr verschieden (S. 132) \u2014 also wird auch ein Kunstwerk nur soweit von mir mitempfunden werden, als ich selbst mit den Gesinnungen des K\u00fcnstlers \u00fcbereinstimme. F\u00fcr die Bewertung einzelner Kunstwerke ergeben sich aus dem Prinzip Lacrilas drei normative Mafsst\u00e4be : die Gr\u00f6fse der ansteckenden Kraft, die Bedeutung der erzeugten Gef\u00fchle, endlich die moralische Berechtigung dieser Gef\u00fchle. Die beiden ersten Normen m\u00fcssen erf\u00fcllt sein, damit ein Werk ein Kunstwerk, die dritte, damit es ein berechtigtes Kunstwerk sei. Alle drei sind in ihrer Erf\u00fcllung voneinander unabh\u00e4ngig, d. h. jede kann ohne die andere erf\u00fcllt sein; daraus ergeben sich scheinbar Schwierigkeiten Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 89.\t10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nLiUraturbericht.\nder Bewertung. Es spricht \u2014 bei der unkritischen Art des gemeinen Wortgebranchs \u2014 nach L. nicht gegen diese Theorie, dafs sie den Begriff \u201eKunst\u201c enger fafst, als man gew\u00f6hnlich tut. Sie schliefst n\u00e4mlich nicht nur alle KUnste des Schmucks, sondern auch die Baukunst g\u00e4nzlich aus.\nIm vierten Kapitel wird zun\u00e4chst eine Theorie der psychologischen Entstehung der Kunst gegeben, die nicht viel Bemerkenswertes hat, dann wird die Bedeutung der Kunst im Gesamtleben der Menschheit untersucht, und unter Ablehnung der Theorien des Selbstzwecks (l\u2019art pour l\u2019art), der Erholung, Erg\u00e4nzung (Konr. Lange), Mitteilung (Tolstoi) der Satz aufgestellt: \u201eDie Aufgabe der Kunst besteht darin, dafs sie die Bedeutung der Lebenserscheinungen und den Sinn des Lebens Oberhaupt in Gef\u00fchlswerten offenbart\u201c (S. 193). So wirkt sie zwar nicht direkt, doch aber \u201eaus der Ferne\u201c auf das Leben ein.\nIm f\u00fcnften Kapitel wird das Verh\u00e4ltnis der Kunst zur Sittlichkeit behandelt. Unter Moral versteht L. dabei \u201eden Inbegriff derjenigen Normen, welche die Menschen in ihrem Handeln allgemein befolgen m\u00fcssen, wenn das Leben der Menschheit Bich in derjenigen Richtung entwickeln soll, wo sein h\u00f6chstes Ziel und Endzweck liegt\u201c (S. 205). Der Kunstwert und der moralische Wert sind, wie aus ihren Definitionen hervorgeht, verschieden und unabh\u00e4ngig voneinander. Da aber die Forderungen der Moral \u00fcbergeordnet sind, so soll die Kunst moralisch sein. Diese Forderung bedeutet aber nicht etwa, dafs die Kunst der Moral direkter und unmittelbarer diene, als es ihrer Natur entspricht, auch nicht, dafs das Kunstwerk moralisierend sein soll. Will man die Moralit\u00e4t des einzelnen Kunstwerkes beurteilen, so mufs man vor allem den Irrtum aufgeben, dafs der moralische oder unmoralische Stoff als solcher dabei wesentlich in Betracht komme. Ebensowenig darf man glauben, dafs unsittliche Kunstwerke aus einer antimoralischen Absicht des K\u00fcnstlers entstehen. Der K\u00fcnstler will nur seine Gef\u00fchle in anderen erzeugen. Will er anderes \u2014 Moral oder Unmoral \u2014, so ist er Moralisator oder Demoralisator, nicht mehr K\u00fcnstler. Vielmehr stellt der K\u00fcnstler die Dinge so dar, wie sie seinen Gef\u00fchlen erscheinen ; und das so entstandene Werk ist moralisch, wenn des K\u00fcnstlers Gef\u00fchle mit unseren moralischen Gef\u00fchlen \u00fcbereinstimmen, unmoralisch, wenn sie ihnen widersprechen.\nDas Verh\u00e4ltnis der Kunst zur Wirklichkeit und zur Religion beabsichtigt L. in einem zweiten Teile zu behandeln.\nWenn man Ladrilas Theorie mit anderen Anschauungen vergleicht, so sieht man, dafs er der \u201eEinf\u00fchlungstheorie\u201c sehr nahe steht. Er unterscheidet sich nur dadurch prinzipiell von ihr, dafs er im Kunstwerk wesentlich das Erzeugnis des K\u00fcnstlers betont, w\u00e4hrend jene Theorie es als ein objektiv Gegebenes hinnimmt und daher auch der \u00e4sthetisch betrachteten Natur n\u00e4hert. Auch suchen die bedeutenderen Vertreter der Einf\u00fchlungstheorie \u2014 vor allem Lipps \u2014 den formalen Eigent\u00fcmlichkeiten des Kunstwerks gerecht zu werden, was La\u00fcrila vers\u00e4umt. Diese Einseitigkeit seiner Auffassung ist wohl dadurch verschuldet, dafs er von vorn herein auf das Verh\u00e4ltnis von Kunst und Moral sein Hauptaugenmerk richtet. \u00dcberall macht sich die Vernachl\u00e4ssigung der formalen Seite geltend. So spricht L. bei Gelegenheit der Relativit\u00e4t der Gef\u00fchlsansteckung","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n147\nnur von den Verschiedenheiten der intellektuellen, moralischen usw. Gef\u00fchle. Aber wichtiger noch ist hier die Verschiedenheit des Gef\u00fchlsaus-druckes, in den neben allverbreiteten Ausdrucksbewegungen eine F\u00fclle historischer und nationaler Elemente eingehen. Auch dais Laurila die Ansdrucksbedeutung des Schmuckes \u2014 die doch seit Lotze anerkannt sein sollte \u2014 nicht versteht, und dafs er bei der Architektur von Kaumwirkung nichts weife, geh\u00f6rt hierher. Im Grunde hat L. augenscheinlich zur bildenden Kunst \u00fcberhaupt kein Verh\u00e4ltnis, nur die Poesie, und zwar wesentlich die moderne PoeBie, schwebt ihm vor. Solche Einseitigkeiten pflegt ein \u00c4sthetiker sonst dadurch auszugleichen, dafs er sein Einzelbewufstsein zum allgemeinen Kulturbewufstsein zu erweitern sucht. Diese Bem\u00fchung ver-mifst man bei L. Die Selbstgewifsheit des moralischen Ich wird bei ihm an einigen Stellen zur Selbstgerechtigkeit.\n. Aber mag man auch von der vorgetragenen Theorie durchaus nicht \u00fcberzeugt werden, der Emst, mit dem hier das Nachdenken auf wahrhaft wichtige Probleme gerichtet wird, die einfache Konsequenz und ehrliche Klarheit der Ausf\u00fchrungen wird jedem hohe Achtung abn\u00f6tigen.\nCohn (Freiburg i. B.).\nZ. Tuvw. L'\u00e9nergie de contraction dans le travail musculaire volontaire et la fatigue nerveuse. Avec 21 fig. dans le texte. Archivio di Fisiologia 1 (2), 171\u2014198. 1904.\nDer Verf. beschreibt eine neue Ergographenform, die, wie er behauptet, gestatte, sowohl die mechanische Arbeit, als auch die Energie der Kontraktion zu messen. Der Apparat wurde bereits auf dem 5. internationalen Kongrefs f\u00fcr Physiologie zu Turin vorgezeigt, ist aber seitdem modifiziert worden. Der Verf. benutzt gleichfalls den Mittelfinger der rechten Hand. Der Finger funktioniert auf einem Hebel, der dem Knochen m\u00f6glichst parallel gestellt ist und sich um dieselbe Achse dreht. Dieser Hebel steht mit dem zu hebenden Gewichte so in Verbindung, dafs der oberfl\u00e4chliche Beugemuskel des Fingers bei langsamer Beugung (Arbeitsmessung) w\u00e4hrend des ganzen Ablaufs der Bewegung konstant belastet wird. Die Belastung kann dadurch variiert werden, dafs das Gewicht l\u00e4ngs einer eisernen Stange verschoben wird. Da die Anzahl der Hebungen und die Hubh\u00f6hen am Apparate ablesbar sind, so h\u00e4lt der Verf. eine Registrierung f\u00fcr unn\u00f6tig, weswegen die an anderen Formen befindliche graphische Vorrichtung hier fehlt Durch Unterbrechung eines elektrischen Stromes wird der mit dem Instrumente Arbeitende davon unterrichtet, ob die Hebung vollst\u00e4ndig war und wann eine Verminderung der Belastung sich als notwendig erweist. Der ganze Apparat ist einem festen Tische aufgeschraubt. Durch mehrere der Darstellung eingef\u00fcgte Zeichnungen hat der Verf. das Verst\u00e4ndnis zu erleichtern gesucht. \u2014 Bei Versuchen, die Energie der Kontraktion zu messen, l\u00e4fst der Verf. die Hebungen nicht langsam, sondern mittels eines Ruckes ausf\u00fchren. Es befindet sich f\u00fcr diesen Zweck an dem Apparate eine Vorrichtung, welche bewirkt, dafs die Rolle, welche das der Ablesung dienende (in Zentimeter eingeteilte) Band fortbewegt, in ihrer Umdrehung nicht gehemmt wird.\n10*","page":147}],"identifier":"lit32150","issued":"1905","language":"de","pages":"144-147","startpages":"144","title":"K. S. Laurila: Versuch einer Stellungnahme zu den Hauptfragen der Kunstphilosophie I. Helsingfors, Finnische Literaturges. Berlin, Mayer und M\u00fcller. 1903. 251 S.","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:22:32.300732+00:00"}