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{"created":"2022-01-31T16:24:04.116905+00:00","id":"lit32163","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meyer, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 153-156","fulltext":[{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Li tera tur bericht.\n15\u00e4\nNebennieren histologisch untersucht. In 328 F\u00e4llen war die Leber krankhaft ver\u00e4ndert, die Niere 290 mal, die Milz in 227 F\u00e4llen atrophisch. Dagegen fand sich Tuberkulose relativ selten, n\u00e4mlich in 10\u00b0/o der Paralytiker gegen 26% anderer Psychosen. Bei Paralytikern kommen demnach Erkrankungen innerer Organe in einer H\u00e4ufigkeit, Ausdehnung und Qualit\u00e4t vor, dafs sie einerseits nicht als zuf\u00e4llige Komplikationen angesprochen werden k\u00f6nnen, andererseits ist es unm\u00f6glich, sie als durch den zerebralen Prozefs bedingt zu erkl\u00e4ren. Sie sind Ausdruck einer schweren Allgemeinerkrankung; sie m\u00fcssen als koordiniert aufgefafst werden dem pathalogisch-anatomischen Befunde im Zentralnervensystem.\tUmpfenbach.\nP. N\u00fccke. Ein BesQclt bei den Homoieznellen in Berlin. Hit Bemerkungen fiber Homosexualit\u00e4t. Archiv f. Krim. - Anthropol. u. Kriminalistik. 15, 244-263. 1904.\nAuf die interessanten Erlebnisse N\u00fcckes in Berlin kann hier nur aufmerksam gemacht werden. Man sch\u00e4tzt die Zahl der Homosexuellen in Berlin auf 20\u201440000, in Hamburg auf 5000, f\u00fcr ganz Deutschland auf \u00fcber 1 Million, d. h. I1/\u00bb\u20142\u00b0/0 der Bev\u00f6lkerung. N. ist sehr geneigt, die Homosexualit\u00e4t als eine normale seltenere Variet\u00e4t des Geschlechtslebens anzusehen, h\u00f6chstens als Anomalie, leichte Mifsbildung, nicht aber als Krankheit. Homosexualit\u00e4t allein f\u00fcr sich will er nicht als Stigma bezeichnen, h\u00f6chstens als ein nur leichtes. Nur bei Gegenwart weiterer Stigmen kann man von wirklicher Entartung sprechen. Schwere Degeneration findet man selten bei den Homosexuellen. Die meisten Homosexuellen denken und f\u00fchlen und unterhalten sich genau so wie die Heterosexuellen.\nUmpfenbach.\nW. G eaves. \u00dcber Lfickeublldung zwischen den einzelnen Z\u00e4hnen; ein frtth-dlsgnostisches und bisher wenig bekanntes Zeichen der Akromegalie. Monatsschrift f. Psychiat. u. Neurol. 16 (1) 18-48. 1904.\nG. weist von neuem auf die L\u00fccken hin, die man bei Akromegalie am Unterkiefer zwischen den medialen und lateralen Schneidez\u00e4hnen und zwischen letzteren und den Eckz\u00e4hnen findet. Der Nachweis von Zsigmondts interstiti\u00e4ren Reibungsfl\u00e4chen ist beweisend f\u00fcr das sp\u00e4tere Entstehen der L\u00fccken, die Z\u00e4hne haben danach vorher dicht beieinander gestanden. Beim Cranium progenium, welches durch Akromegalie verursacht ist, zeigen die Schneidez\u00e4hne an den Abnutzungsfl\u00e4chen ihre fr\u00fcheren Artikulationsverh\u00e4ltnisse. Der Kiefer nimmt bei Akromegalie in allen Abschnitten an Gr\u00f6fse zu. Die Z\u00e4hne nehmen an der Vergr\u00f6fserung nicht teil; daher die L\u00fccken. \u2014 Wie G. an drei eigenen F\u00e4llen zeigt und durch die Literatur best\u00e4tigt findet, entstehen die L\u00fccken schon sehr bald, bevor die Progenie in h\u00f6herem Mafse sichtbar wird; sie nahm allm\u00e4hlich an Gr\u00f6fse zu. Die L\u00fccken betreffen nur den Unterkiefer. Sie sind diagnostisch wichtig.\nUmpfenbach.\nG. B. Cut ten. The Owe of John Kiniel. Psychol. Review 10 (\u00f6l, 465\u2014497; (6), 615-632. 1903.\nJohn Kinsel wurde geboren und wuchs auf in l\u00e4ndlicher Umgebung.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nLiteraturberkht.\nSeine ererbte neurotische Anlage wird einleuchtend, wenn man einen Blick auf die folgende Tabelle wirft:\nVetter,\nmelancholisch.\nMutter, 4.\u2014 nerv\u00f6s.\nJohn Kinsel\nV ater,\t4\u2014\nGewohnheitstrinker.\nTante,\ngeisteskrank.\nGrofsmutter,\t4\u2014\nKatarakt.\nGrofsvater,\t4\u2014\nGewohnheitstrinker, Paralytiker.\nGrofsmutter,\t4\u2014\nschwachsinnig, paralytisch.\nGrofsvater,\nGewohnheitstrinker.\nUrgrofsmutter,\ngeisteskrank.\nUrgrofsvater,\nGewohnheits-\ntrinker.\nUrgrofsmutter,\ngeisteskrank.\nDiese Abstammung l\u00e4fst Abnormalitftt erwarten. Aufserdem ist iu ber\u00fccksichtigen, dafs er im Alter von vier Jahren infolge eines Unfalls aus dem Wagen geschleudert wurde und einen Schftdelbruch erlitt. Er war stets nerv\u00f6s und stotterte vom vierten bis zw\u00f6lften Lebensjahr. Sp\u00e4ter stotterte er nur, wenn er andere stottern h\u00f6rte. Er hatte stets lebhafte Tr\u00e4ume. Ziemlich fr\u00fch stellte sich Nachtwandeln ein. Starke Kopfschmerzen waren h\u00e4ufig, veranlafst wahrscheinlich durch Katarakt auf beiden Augen. Er war ein guter Sch\u00fcler. Im 20. Lebensjahr wurde er College-Student. Die vier Collegejahre sind psychologisch am interessantesten und werden daher vom Verf. eingehend beschrieben.\nW\u00e4hrend, des ersten Jahres zeigten sich nur wenige Anzeichen von Abnormalit\u00e4t. Er hatte manchmal unter geschwollenen H\u00e4nden zu leiden. Aufserdem machte sich ein ungew\u00f6hnliches Schlafbed\u00fcrfnis bemerkbar.\nIm zweiten Jahre entwickelte sich Somnambulismus. Verf. unterscheidet vier Stadien in der Entwicklung seines abnormen Verhaltens: 1. schlafend im Liegen mit geschlossenen Augen, 2. schlafend im Sitzen mit geschlossenen Augen, 3. schlafend im Gehen mit geschlossenen Augen, 4. schlafend im Gehen mit ge\u00f6ffneten Augen, und alle die gew\u00f6hnlichen Pflichten des Lebens ausf\u00fchrend. Das erste Stadium entwickelte sich im ersten Collegejahr. Seine Freunde bemerkten, dafs er Suggestionen empfing, Fragen beantwortete, und ungew\u00f6hnlichen Witz zeigte, w\u00e4hrend er schlief. Er stand in diesem Zustande auf, tanzte im Zimmer umher, w\u00e4hrend seine Freunde Ges\u00e4nge anstimmten betreffend die Einweihung junger Studenten, und ging selber durch solche Zeremonien hindurch. Sp\u00e4ter pflegte er Kn\u00fcttelreime in diesem Zustande zu erfinden und mit grofser Geschwindigkeit herzusagen. Auch hatte er Reihen fortgesetzter Tr\u00e4ume, an die er sich in wachem Zustande erinnerte. Doch konnte er sich nicht an das erinnern, was er in seinem abnormen Schlafzustande erlebte. Am Ende des Jahres bewegte er sich, safs aufrecht und rauchte in diesem Zustande. Es war h\u00e4ufig m\u00f6glich ihn aufzuwecken, indem man sein Gesicht streichelte.\nIm Anf\u00e4nge des dritten Jahres war Nachtwandeln h\u00e4ufig; er ging umher mit geschlossenen Augen, ohne sich zu verletzen. Dies Nacht","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Littraturbericht.\n155\nwandeln scheint jedoch in keiner Verbindung mit dem besprochenen schlafartigen Zustande zu sein. Er begann nun in seinem Schlafzustande aufrecht zu sitzen und Anteil zu nehmen an dem, was im Zimmer um ihn herum vorging, doch mit geschlossenen Augen. Er gab Zeichen gr\u00f6fserer Begabung im Schlafzustande als im wachen. Sein Ged\u00e4chtnis schien besser zu sein. Er konnte sechs Zeilen griechischer Prosa wiederholen, nachdem er nur einen Blick darauf geworfen hatte. Gegen Ende des dritten Jahres fing er an, aufserhalb des Hauses umherzugehen, mit scheinbar geschlossenen Augen, ohne sich zu verletzen. Am Ende des Collegejahres, im Fr\u00fchling, hatte er einige epileptische Anf\u00e4lle.\nAm Anf\u00e4nge des vierten Jahres, im Herbst, pflegte er noch mit geschlossenen Augen umherzugehen. Die F\u00e4higkeiten, die er nun zeigte, erschienen einigen seiner Mitstudenten \u00fcbernat\u00fcrlich. Z. B. machte er einst schachspielende Freunde auf die M\u00f6glichkeit eines \u00fcbersehenen Zuges aufmerksam, w\u00e4hrend sich das Schachbrett zwei Fuis \u00fcber seinem Kopfe befand. Auch spielte er Schach, und gewann, mit verbundenen Augen. In der Mitte des vierten (Schluls-) Jahres fing er an, in seinem Schlafzustande mit offenen Augen sich zu bewegen, wie im normalen Zustande. Im normalen Zustande erinnerte er sich an nichts, was im Schlafzustande Btattgefunden hatte. Im letzteren jedoch hatte er Ged\u00e4chtnis f\u00fcr beide Zust\u00e4nde. Ein bedeutender Unterschied in seinem Charakter stellte sich heraus. Gew\u00f6hnlich war er angenehm und liebensw\u00fcrdig im Umg\u00e4nge, im Schlafzustande aber war er leicht erregbar, streits\u00fcchtig, leichtsinnig in Geldangelegenheiten und dem Trunk zugeneigt. Er schien fast jede moralische Kontrolle Uber sich verloren zu haben. Auch waren seine K\u00f6rperkr\u00e4fte herabgemindert. Es wurde immer schwerer f\u00fcr seine Umgebung zu konstatieren, ob er sich im normalen oder im Schlafzustande befand, und oft wufste er es Bchliefslich selber nicht. Die einzige sichere Methode, um dies zu entscheiden, war eine Pr\u00fcfung seines Ged\u00e4chtnisses f\u00fcr Ereignisse, die sich im Schlafzustande zugetragen hatten. Er fiel besonders leicht in den Schlafzustand, wenn er angestrengt gearbeitet hatte und m\u00fcde war. Sein l\u00e4ngster Schlafzustand dauerte vier Tage und zwei Stunden. Er wurde verschiedene Male hypnotisiert und ein Versuch wurde gemacht, es ihm zu erm\u00f6glichen, sich selber aus dem Schlafzustande zu erwecken durch H\u00e4ndeklatschen oder \u00e4hnliches. Im grofsen und ganzen war dieser Versuch erfolgreich. Er wurde auch einmal hypnotisiert, um ihn in seinen 8chlafzustand zu versetzen, als er an einer Pr\u00fcfung teilzunehmen hatte, f\u00fcr die er sich im Schlafzustande vorbereitet hatte.\nPolarer Katarakt war so ausgedehnt, dafs er auf einem Auge nur ia/T0, auf dem anderen sogar nur 10/70 seines Sehverm\u00f6gens besafs. Einer der \u00c4rzte, die ihn behandelten, nahm an, dafs sein gewohnheitsm\u00e4fsiges Hin-Qbersehen \u00fcber die Katarakte Autohypnose veranlafste, und dafs diese ihn in seinen Schlafzustand versetzte. Verf. untersuchte ihn in der Hypnose. Kissel sagte, dafs dies ein dritter Zustand sei, verschieden von beiden anderen, dafs er jedoch in der Hypnose an beide andere sich erinnere. Er gab Proben eines merkw\u00fcrdigen Ged\u00e4chtnisses in der Hypnose.\nKihsbls Augen wurden nach Verlassen des Colleges durch Operation","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nLitcratwbcricht.\nbedeutend gebessert. Seit 1898 ist kein Zeichen einer gespaltenen Pers\u00f6nlichkeit an ihm bemerkbar geworden. Im Jahre 1900 entwickelte sich Trunksucht, ein unter seinen Vorfahren gew\u00f6hnlicher Fall. Im vierten Collegejahr trank er, wenn er im Schlafzustande war, nicht aber im normalen Zustande. Im letzteren fing er erst ein Jahr nach Verlassen des College an zu trinken. Seine Anf\u00e4lle von Trunksucht kamen nun monatlich und dauerten mehrere Tage. Hiervon wurde er geheilt durch hypnotische Suggestion von seiten des Verf.s. Gegenw\u00e4rtig ist er ganz normal, frei von Epilepsie, gespaltener Pers\u00f6nlichkeit und Trunksucht.\nVerf. diskutiert nun die theoretische Seite des Falles, namentlich die Ursachen und die Spaltung der Pers\u00f6nlichkeit. Er kommt zu dem Schlufs, dafs der Schlafzustand als das \u00c4quivalent epileptischer Anf\u00e4lle und die sp\u00e4tere Trunksucht als das \u00c4quivalent des Schlafzustandes anzusehen sind. Die erw\u00e4hnte Sch\u00e4delverletzung w\u00fcrde allein eine gen\u00fcgende Ursache f\u00fcr Epilepsie sein, selbst wenn die vererbten Anlagen anders w\u00e4ren. Als die erregenden Ursachen des abnormalen Zustandes betrachtet er angestrengtes Studium unter ung\u00fcnstigen Bedingungen und vielleicht Autohypnoeis, hervorgerufen durch das erm\u00fcdende Hin\u00fcbersehen \u00fcber die Katarakte. Der Schlafzustand hatte eine gewisse \u00c4hnlichkeit mit einem hypnotischen Zustande. Die allm\u00e4hliche Anpassung an den Zustand war besonders \u00e4hnlich. Zun\u00e4chst war blofse Suggestibility vorhanden; sp\u00e4ter zeigte sich mehr und mehr Spontaneit\u00e4t, als er sich an seinen neuen Zustand gew\u00f6hnte. Sein Ged\u00e4chtnis folgte denselben Gesetzen, die in der Hypnose zu beobachten sind. Seine normalen F\u00e4higkeiten waren etwas gesteigert.\nVerf. diskutiert schliefslich das Problem der gespaltenen Pers\u00f6nlichkeit. Als charakteristisch f\u00fcr eine Pers\u00f6nlichkeit betrachtet er 1. das individuelle Ged\u00e4chtnis, 2. die Kontrolle der Handlungen. Er betont, dafs zwischen einfacher Amnesie und vollst\u00e4ndiger Teilung von Ged\u00e4chtnissystemen unendlich viele Zwischenstufen bestehen. Wir nehmen jedoch nicht an, dafs eine andere Pers\u00f6nlichkeit Einzug in unseren K\u00f6rper gehalten und die urspr\u00fcngliche Pers\u00f6nlichkeit daraus verdr\u00e4ngt hat, wenn wir etwas vergessen haben. Vergefslichkeit bedeutet nichts als eine Unterbrechung von Assoziationen. Wir sollten daher auch nicht von doppelter Pers\u00f6nlichkeit sprechen, wenn die Unterbrechung der Assoziationen so umfangreich ist wie im Falle Kinsels, da der Unterschied doch immer nur ein gradueller iBt. Ebensowenig w\u00fcrden wir von einer Auswechselung von Pers\u00f6nlichkeiten sprechen, wenn wir einmal in der Leidenschaft die gew\u00f6hnliche Kontrolle unserer Handlungen verloren und etwas getan haben, dessen wir uns sp\u00e4ter sch\u00e4men. Man kann deshalb auch den Verlust der Kontrolle seiner Handlungen in Kinsels Fall nicht als einen Verlust seiner Pers\u00f6nlichkeit betrachten. Auch hier handelt es sich nur um graduelle Unterschiede.\tMax Meteb (Columbia, Missouri).\nBinet - Sangl\u00e9. Le proph\u00e8te Samuel. Annales m\u00e9dico-psychologiques. 1903/04.\nDer Prophet Samuel war ein \u201eD\u00e9g\u00e9n\u00e9r\u00e9 c\u00e9r\u00e9bral\u201c. Von haus ans belastet, war er sehr beeinflufsbar, schw\u00e4rmerisch. Auf dem Boden dieser hohen Reizbarkeit und Suggestibilit\u00e4t entwickelten sich zahlreiche Sinnes-","page":156}],"identifier":"lit32163","issued":"1905","language":"de","pages":"153-156","startpages":"153","title":"G. B. Cutten: The Case of John Kinsel. Psychol. 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