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{"created":"2022-01-31T16:29:02.055767+00:00","id":"lit32184","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Lipmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 232-233","fulltext":[{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nLiteraturbericht.\nBeispielen wird belegt, wie alle Vorg\u00e4nge geistigen Lebens, Wahrnehmung, Wille und Verstand auf der Erinnerung beruhen und ohne das Ged\u00e4chtnis wertlos w\u00e4ren. Auf eine Analyse der Erinnerung und eine Untersuchung ihres Sitzes folgt die Besprechung der Frage, inwiefern Gehirn und Ged\u00e4chtnis von \u00e4ufseren Umst\u00e4nden im gegebenen Augenblick bestimmt, inwiefern sie von fr\u00fcheren Vorg\u00e4ngen (Erblichkeit) abh\u00e4ngig sind. Diesem Problem geht Labouier in seinem ganzen Umfang nach, indem er es bis in das Pflanzen- und Mineralreich zur\u00fcckverfolgt. Wiederholung und Gewohnheit sind im Menschen die Wirkungen eines unbewufsten Ged\u00e4chtnisses; Instinkt und Reflexbewegungen entsprechen ihnen beim Tiere. Auch die Pflanze zeigt in ihrem verschiedenen Verhalten bei Tag und bei Nacht Spuren von Ged\u00e4chtnis. Der Metalldraht, an dem ein Gewicht hing, bewahrt einen Eindruck der Last und unterscheidet sich bei Wiederholung des Experiments immer mehr von einem ungebrauchten. Rann man auch in dieser rein passiven, von dem Eingreifen eines fremden Agens v\u00f6llig abh\u00e4ngigen Verhaltens von Ged\u00e4chtnis im strengen Sinne nicht reden, so fehlt dieser festen Disposition doch keineswegs die Grundbedingung aller Wiederholung, die Selbsterhaltung. Der Gegensatz zwischen \u201etoter\u201c und lebendiger Materie ist also nicht absolut, und die anorganische Natur weist schon eine Spur jenes Ged\u00e4chtnisses auf, das in der organischen znr Entfaltung kommt. \u201eDas Bestehen eines unorganischen Ged\u00e4chtnis-Urbildes entzieht dem Vitalismus einen betr\u00e4chtlichen Teil seines Herrschgebiets, in dem er sich v\u00f6llig sicher f\u00fchlte; es ist darum imstande, den bedenklichen Kredit, den diese unfruchtbare Lehre gegenw\u00e4rtig genietet, bedeutend zu ersch\u00fcttern.\u201c\tPlatzhoff - Lejeune (La Tour de Peilz).\nW. H. Winch. Immediate Memory in School Children. The British Journal of\nPsychology 1 (2), 127\u2014134. 1904.\nVerf. stellt sich die Aufgabe, zu untersuchen :\n1.\t\u201eOb reines Ged\u00e4chtnis, d. h. das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr Wahrnehmungen, die nur durch r\u00e4umlichen oder seitlichen Zusammenhang miteinander assaziiert sind, durch \u00dcbung verbessert werden kann ;\n2.\tOb ein solches Ged\u00e4chtnis eine Tendenz hat, sich mit dem Alter zu verbessern ;\n3.\tOb ein solches Ged\u00e4chtnis eine Beziehung hat zu dem allgemeinen Fortschritt des Intellekts, und eventuell welche Beziehung.\u201c\nMit [Knaben und] M\u00e4dchen der Klassen \u201eII\u201c bis \u201eEx VII\u201c (Klasse I ist in England die unterste) im Alter von 8 bis 14 */* Jahren wurden zur Beantwortung dieser Fragen folgende Versuche angestellt: es wurden ihnen je 25 Sek. lang Gruppen von zw\u00f6lf Konsonanten, in drei Reihen zu je vier untereinander geschrieben, dargeboten, von denen sie dann [entweder sofort oder] nach 25 Sek. Pause alles behaltene niederzuschreiben hatten. Die Wertung der Ergebnisse war so, dafs jeder an richtiger Stelle niedergeschriebene Buchstabe mit drei, jeder um eine Stelle verschobene mit zwei, jeder um zwei Stellen verschobene mit eins gewertet wurde.\nEs ergab sich\n1. dafs ein Unterschied in der Richtigkeit des unmittelbar nach dem Vorzeigen und dem des nach 25 Sek. Niedergeschriebenen nicht besteht ;","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Literatwbericht.\n233\n2.\tbei wiederholten Versuchen, dafs die \u00dcbung eine deutliche und fast st\u00e4ndige Verbesserung der Resultate bewirkt;\n3.\tdafs, wenn man die Resultate der einzelnen Versuchspersonen und ihren Klassenplatz vergleicht, im ganzen die allgemeine geistige Leistungsf\u00e4higkeit auch von gutem Ged\u00e4chtnis begleitet ist;\n4.\tdafs mit dem Alter und der H\u00f6he der Klasse auch die G\u00fcte der Resultate w\u00e4chst.\nDamit sind die ohen gestellten Aufgaben gel\u00f6st, indem bewiesen ist\n1.\t\u201edafs reineB Ged\u00e4chtnis\u201c \u2014 im oben definierten Sinne \u2014 \u201edeutlich durch \u00dcbung verbessert wird;\n2.\tdafs dieses Ged\u00e4chtnis . . . sich mit wachsendem Alter verbessert, soweit letzteres auch ein Wachstum der allgemeinen geistigen Leistungsf\u00e4higkeit einschliefst;\n3.\tdafs im allgemeinen eine direkte Beziehung besteht zwischen gutem Ged\u00e4chtnis und geistigem Fortschritt, soweit dies durch an Schulkindern gewonnene Besultate gemessen werden kann.\u201c\nDen Einwand, ob mit der oben angegebenen Methode wirklich das \u201eGed\u00e4chtnis\u201c d. i. das Behalten und nicht nur eine \u201eunmittelbare Repro-duktionsf\u00e4higkeit\u201c, gemessen worden ist, macht Verf. sich selbst. Er glaubt jedoch, dafs zwischen beiden nur ein gradueller Unterschied bestehe.\nLipmanm (Berlin).\nL. D\u00fcgas. Psychologie dos extmeoi. Rev. philos. 58 (10), 379\u2014399. 1904.\nEs ist unvermeidlich, dafs die Examina wie jede andere Einrichtung mit der Zeit degenerieren. Sie bed\u00fcrfen daher der Reform. Das Examen soll den intellektuellen Wert des Kandidaten, seine F\u00e4higkeiten und sein Wissen pr\u00fcfen. Dagegen kommen seine moralischen Eigenschaften, sein Fleifs, seine Ehre, seine soziale Stellung, seine Familienverh\u00e4ltnisse nicht in Betracht.\nEs fragt sich, welche Vorteile die Examinanden selber und die Gesellschaft aus den Pr\u00fcfungen ziehen. Die h\u00e4ufigen Mifserfolge bei denjenigen Pr\u00fcfungen, welche zum Zwecke des Bef\u00e4higungsnachweises f\u00fcr Berufe oder der Zuerkennung von Diplomen stattfinden, sind deswegen ein \u00dcbel, weil so viel M\u00fche vergebens aufgewendet ist, und weil sie auf die Kandidaten demoralisierend wirken. Was aber diejenigen Examina betrifft, welche im Laufe der Studien am Ende jedes Jahres vorgenommen werden, so fehlt ihnen der n\u00f6tige Ernst trotz der Anregung, welche sie bieten. Die Examina verfehlen ihren Zweck, wenn sie nur auf die Anh\u00e4ufung von Kenntnissen sehen. Nur die besten Ged\u00e4chtnisse kommen auf diese Weise zum Vorschein, nicht die intelligenten Geister. Vielmehr kommt es auf die Assimilation des Gewufsten an. Jedes Examen mufs eine Einheit bilden. Die vielgestaltigen haben keinen Wert. Sonst wirken die Examina auf die gut begabten Geister sch\u00e4digend. Im allgemeinen wird durch die Examina keine Garantie geboten bez\u00fcglich der Bef\u00e4higung des Kandidaten, so dafs auch der Staat seine Rechnung nicht findet. Auch geben sie ja nur Gewifs-heit \u00fcber die F\u00e4higkeiten des in der Entwicklung begriffenen Menschen, nicht \u00fcber die des \u201efertigen\u201c. Insofern sind sie also tr\u00fcgerisch. Anderer-","page":233}],"identifier":"lit32184","issued":"1905","language":"de","pages":"232-233","startpages":"232","title":"W. H. Winch: Immediate Memory in School Children. The British Journal of Psychology 1 (2), 127-134. 1904","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:29:02.055772+00:00"}