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{"created":"2022-01-31T16:31:21.828016+00:00","id":"lit32202","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Lipmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 349-350","fulltext":[{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Litcralurbericlit.\n349\nrischen Ursprungs ist und zudem, wenn sie nicht auf der beschreibenden Stufe stehen bleiben, sondern sich zu einer erkl\u00e4renden Wissenschaft emporheben will, das Kausalgesetz bei ihren Schl\u00fcssen voraussetzen mufs 1 Dieser Einwand, der den Namen \u201ePsychologist\u201c zu einer wenig schmeichelhaften Bezeichnung unter den Philosophen gemacht hat, beruht nun nach Nelson auf einer verh\u00e4ngnisvollen Verwechslung zwischen Beweis und Deduktion. \u2014 Beweisen lassen sich metaphysische Grunds\u00e4tze \u00fcberhaupt nicht. Denn wenn sie durch logische Schl\u00fcsse aus anderen rationalen S\u00e4tzen ableitbar w\u00e4ren, so w\u00e4ren sie keine Grunds\u00e4tze; und wenn sie empirisch nachweisbar w\u00e4ren, so w\u00e4ren sie nicht metaphysisch. Sie bed\u00fcrfen aber auch keines Beweises. Denn da sie die Bedingungen der M\u00f6glichkeit menschlicher Eikenntnis sind, so gelten sie schlechthin f\u00fcr den menschlichen Verstand und f\u00fcr die Dinge so, wie der menschliche Verstand sie erkennt. Oh aber unsere Erkenntnis \u2014 und mit ihr die metaphysischen Grunds\u00e4tze \u2014 den Dingen an sich entspricht, ob unsere Erkenntnis \u201etranszendentale Wahrheit\u201c liefert, diese Frage kann keine menschliche Wissenschaft jemals beantworten, weil sie eben \u00fcber die Grenzen menschlichen Erkennens hinausf\u00fchrt. Sollte sich die Psychologie an diese Aufgabe heranwagen, so w\u00fcrde sie in der Tat an den Klippen scheitern, die in dem oben erw\u00e4hnten Einwand bezeichnet sind. Aber metaphysische Grunds\u00e4tze zu beweisen, ist eben keine Aufgabe f\u00fcr die Psychologie, so wenig wie f\u00fcr irgend eine Wissenschaft. Daf\u00fcr erw\u00e4chst aber dem menschlichen Geiste eine andere wichtige Aufgabe in bezug auf die metaphysischen Grunds\u00e4tze. Es mufs n\u00e4mlich in jedem einzelnen Falle festgestellt werden, ob ein bestimmter Satz \u2014 z. B. das Kausalgesetz \u2014 ein metaphysischer Grundsatz ist, und diese Aufgabe \u2014 Nelson nennt sie im Anschlufs an Kants Sprachgebrauch: Deduktion \u2014 sie f\u00e4llt der Psychologie zu. Denn die Frage, ob ein bestimmter Satz ein Grundgesetz menschlichen Erkennens enthalte, ber\u00fchrt eine Tatsache des Seelenlebens, und kann also nur durch innere Erfahrung, d. h. mit den Hilfsmitteln der Psychologie entschieden werden. Auch bleibt bei L\u00f6sung dieser Frage die Psychologie mit vollem Recht bei ihrer naturwissenschaftlichen Beobachtungs- und Schlufsweise. Der obige Einwand, der gegen die Verwendung der Psychologie als Beweismittel f\u00fcr metaphysische Grunds\u00e4tze so schwer ins Gewicht fiel, er wird hinf\u00e4llig, sobald man eingesehen hat, dafs metaphysische Grunds\u00e4tze nicht bewiesen, sondern deduziert sein wollen. Folgende S\u00e4tze (S. 30) fassen die Aufl\u00f6sung des Problems zusammen: \u201eDie Kritik beweist den psychologischen Satz, dafs die Erkenntnis, die ein gewisser metaphysischer Satz ausspricht, eine unmittelbare Erkenntnis aus reiner Vernunft ist. Der Beweis dieses psychologischen Lehrsatzes ist die Deduktion jenes metaphysischen Grundsatzes.\u201c\tBaade (G\u00f6ttingen).\nRobert M\u00fcller. Ober die Bedentnng des biologischen Indlridnalbegrlffes f\u00fcr die Piyehologie. Journal f\u00fcr Psychologie und Neurologie 8 (5), 231\u2014244. 1904.\nDer Solipsismus ist unwiderleglich, aber praktisch undurchf\u00fchrbar, und theoretisch unwahrscheinlich gemacht durch die M\u00f6glichkeit identischer Sinnesaussagen von seiten verschiedener Personen. Letztere erm\u00f6glichen","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nLiterat urberkht.\ndie Introjektion, d. i. \u201e1. die Annahme, dafs einer anderen menschlichen Person ein snbjektives Geschehen nach Art des eigenen zukomme and 2. die Vorg\u00e4nge, in denen sich das Subjekt einem Umgebungsbestandteil, etwa einer anderen Person, substituiert.\u201c Der Vorgang der Introjektion beruht auf einem Analogieschlufs, der aber nur dann berechtigt ist, wenn er sich auf SinnesauBsagen st\u00fctzen kann. Daher ist die Introjektion des psychischen in das lebende Tier une durchaus unbeweisbare metaphysische Annahme.\nAuch wenn man nicht auf dem Standpunkte des Vitalismus steht, d. h. auch wenn man alle Lebensvorg\u00e4nge prinzipiell f\u00fcr zur\u00fcckf\u00fchrbar auf physikalische und chemische Erscheinungen h\u00e4lt, mufs man doch in-geben, dafs dies zurzeit nicht v\u00f6llig m\u00f6glich ist. Um eine vorl\u00e4ufige Ordnung in die \u201eunendlich mannigfaltigen Verh\u00e4ltnisse in Form and Funktion in der Tierreihe\u201c zu bringen, m\u00fcssen daher intermedi\u00e4r andere \u2014 nicht physikalische und chemische \u2014 Begriffe geschaffen werden. Zu diesen geh\u00f6rt auch der biologische Individualbegriff, der als \u201eein Komplex lebendiger Substanz, der biologisch selbst\u00e4ndig existiert und als geschlossene\u00ab System Ver\u00e4nderungen erleidet\u201c, definiert wird. Seine Bedeutung liegt darin, dafs er dem psychologischen und erkenntnistheoretischen Ich- oder Subjekt-Begriff substituiert werden kann. Und das ist darum ein Fortschritt, weil dann auch von seiten der Naturwissenschaft her eine diskutierbare Bestimmung des Ich erm\u00f6glicht wird. Denn die Transplantationsversuche Thembleys, Chubs, Wetzels, Jobsts und besonders Boies, \u00fcber die Verf. einen \u00dcberblick gibt, lassen alle metaphysischen Spekulationen \u00fcber die Einheit der Person haltlos zusammenbrechen. Sie haben gezeigt, dafs das Individuum nicht an die Abstammung von einem Ei gebunden ist, ja dafs sogar \u201eein biologisches Individuum in seinen verschiedenen Teilen etwa zwei Arten angeh\u00f6ren kann.\u201c Lipxahn (Berlin).\nC. M. Giesslsb. Der Elaflvfs der Dukelhelt auf du Seelenlebea des Keuthea.\nVierleljahrsschr. f\u00fcr wissenschaftl. Philosophie 28 (3), 255\u2014279. 1904.\nMit einem \u00fcberaus dankbaren Stoff besch\u00e4ftigt sich der neueste Artikel des r\u00fchrigen Verf. Er kommt zu dem Resultate: \u201eDas Seelische bewegt sich im Dunklen in der N\u00e4he seines motorischen Poles, entfernter von seinem sensitiven\u201c (277). \u201eUnter dem Einfl\u00fcsse der Dunkelheit traten die haupts\u00e4chlichsten Funktionsweisen des Seelischen aus fr\u00fcheren Perioden seiner E n t w i c k 1 u n g wieder gesonderter indie Erscheinung\u201c (278). (F\u00fcr K\u00e4lte und Hitze gilt dieser Satz nicht; ihre Einfl\u00fcsse sind fut durchgehende als Abschw\u00e4chungen der Aktivit\u00e4t charakterisiert.) Im Dunklen funktioniert das motorische Ged\u00e4chtnis mehr als das repr\u00e4sentative, die Aufmerksamkeit als die Apperzeptionst\u00e4tigkeit, die Phantasie mehr als das logische Denken, die defensiven Affekte mehr als die offensiven, auch die egoistische Moral mehr als die altruistische.\u201c\nDas empirische Material, mittels dessen der Verf. diese S\u00e4tze za beweisen trachtet, ist in dankenswerter Weise gew\u00e4hlt und zusammen-gestellt, wenn auch nicht durchweg einwandfrei. Der Verf. behauptet beispielsweise, dafs bei Blindgeborenen, entgegen der herk\u00f6mmlichen Ansicht, die Tastsch\u00e4rfe geringer sei als bei Sehenden (nach Ghibsbach), daft","page":350}],"identifier":"lit32202","issued":"1905","language":"de","pages":"349-350","startpages":"349","title":"Robert M\u00fcller: \u00dcber die Bedeutung des biologischen Individualbegriffes f\u00fcr die Psychologie. Journal f\u00fcr Psychologie und Neurologie 3 (5), 231-244. 1904","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:31:21.828021+00:00"}