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{"created":"2022-01-31T16:33:35.548456+00:00","id":"lit32274","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Hornbostel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 451-452","fulltext":[{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"451\nLiteraturbericht.\nH. E. Ziegler. Der Begriff des Instinktes einst nnd jetzt. Zool. Jahrb.\nSuppl. VII. 1904.\nDie zentrale Stellung, die der Instinktbegriff in der Tierpsychologie und in der Philosophie \u00fcberhaupt einnimmt, verleiht der monographischen Behandlung der Umbildungen, die dieser Begriff mit zunehmender empirischer Erkenntnis erfahren hat, besonderes Interesse.\nDie monistische Auffassung, welche zwischen Menschen- und Tierseele nur einen graduellen Unterschied anerkennt, vermag insoweit ohne den Instinktbegriff auszukommen, als sie die Handlungen der Tiere als Verstandesfunktionen interpretiert \u2014 wobei sie allerdings oft in einen zu weitgehenden Anthropomorphismus verf\u00e4llt. Diese Richtung der Tierpsychologie l\u00e4fst sich von Hkraklit, Empedokles, Demokhit, Epikub, Lukbbz und Plutarch \u00fcber Montaigne, Condillac, Leroy usw. bis auf Scheitlin, Bkehm, Carl Vogt und L. B\u00fcchner verfolgen.\nDie dualistische Auffassung betont im Gegenteil die Unterschiede des tierischen und menschlichen Seelenlebens, indem sie diesem die Verstandest\u00e4tigkeit vorbeh\u00e4lt, jenem nicht nur geringere, sondern qualitativ verschiedene F\u00e4higkeiten zuschreibt. Diese Anschauungsweise nimmt von Anaxagoras und Plato ihren Ausgang und wird von Aristoteles und den Stoikern weitergebildet. Das Tier handelt zweckm\u00e4fsig, trotzdem ihm die Einsicht der Zweckm\u00e4fsigkeit mangelt. Dieser Gedanke f\u00fchrte schon die Stoiker auf den Instinktbegriff und bildet bis in die neueste Zeit dessen Grundlage. Die Zweckm\u00e4fsigkeit der Instinkte wird entweder theologisch aus der g\u00f6ttlichen Vernunft hergeleitet (so die ganze mittelalterliche Kirchenlehre und in neuerer Zeit E. Wasmann), oder vitalistisch aus der Lebenskraft erkl\u00e4rt (Joh. M\u00fcller), endlich von Darwin als Produkt der nat\u00fcrlichen Zuchtwahl sowie der Vererbung individueller Erfahrung. Letztere wird von Haeckel, Preyeh, Eimer und Wundt besonders betont (\u201evererbtes Ged\u00e4chtnis\u201c, \u201evererbte Gewohnheitst\u00e4tigkeit\u201c, \u201emechanisierte Willenshandlung\u201c), von Weismann und Ziegler selbst dagegen zugunsten der reinen Selektion (Keimesvariation) abgelehnt. Auf diese Weise entsteht eine scharfe Scheidung zwischen den ererbten Instinkten, die sich von den Reflexen nur durch gr\u00f6fsere Kompliziertheit unterscheiden, und den individuell erworbenen Gewohnheiten.\nZur Unterscheidung von Instinkt und Verstand ist das Bewufstsein, als rein subjektives Merkmal, unbrauchbar; als objektive Kriterien k\u00f6nnen\n29*","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nUtera f i< tbfrich <.\ndagegen dienen: die Gleichartigkeit der Instinkthandlangen bei allen normalen Individuen gegen\u00fcber den individuell differenzierten Gewohnheitshandlungen ; ferner, bei vollkommenen Instinkten, die Entbehrlichkeit der \u00dcbung. Eine Trennung des Menschen vom Tierreich ist durch den Instinktbegriff nicht gegeben. Endlich er\u00f6rtert Verf. die histologischen Grundlagen der psychischen Funktionen. Er unterscheidet zwischen ererbten und erworbenen Bahnen im Zentralnervensystem. Instinkte und Reflexe sind an ererbte Bahnen gekn\u00fcpft, Ged\u00e4chtnis und Verstandest\u00e4tigkeit an erworbene. Letztere Hypothese zwingt zur Annahme einer Plastizit\u00e4t gewisser Neuronen, der F\u00e4higkeit, intra vitam ihre Form und Struktur infolge der Reize zu modifizieren. Verf. denkt dabei an Form-, besonders Dicken\u00e4nderungen an den Verzweigungen der Zellforts\u00e4tze, sowie an Bahnungen innerhalb des Zellk\u00f6rpers durch Bildung und Verst\u00e4rkung von Neurofibrillen.\nHobnbostbl (Berlin).\nW. Schultz. Dai Farbenempfiftduguystem der Hellenen. Leipzig, Joh. Ambr, Barth. VIII, 227 S. mit 3 f\u00e4rb. Taf. 1904. Mk. 10,\u2014.\nDie alte Streitfrage nach dem Farbensinn der Hellenen glaubt Schultz endg\u00fcltig beantworten zu k\u00f6nnen, indem er sie mit neuen Methoden behandelt. Alle fr\u00fcheren Untersucher h\u00e4tten diese Frage auch nur \u201egestreift\u201c, sie nicht \u201edurchgearbeitet\u201c, sie h\u00e4tten nur die Werke der Dichter benutzt, um aus ihnen eine m\u00f6glichst grofse Anzahl von Gegenst\u00e4nden aufzuz\u00e4hlen, an welche Farbennamen angef\u00fcgt waren ; so k\u00e4men sie zu einer scheinbar vollz\u00e4hligen Aufz\u00e4hlung der Bezeichnungen. Dies sei jedoch eine unzul\u00e4ssige Methode, da es sich bei den Dichtern h\u00e4ufig um vage, metaphorische und phantastische Ausdrucksweisen handle, die von kritischer, empfindungsanalytischer Korrektheit weit entfernt seien. Schultz st\u00fctzt sich nun I. auf die wissenschaftlichen Schriftsteller, die Farbprobleme behandelt haben. (Dieser neue Gedanke verspricht freilich eine bessere L\u00f6sung, wenn man, wie Schultz, \u00fcberhaupt an die M\u00f6glichkeit glaubt, aus den Farbbezeichnungen unter gewissen Kautelen auf die Farbenempfindungen schliefsen zu d\u00fcrfen \u2014 was theoretisch immerhin denkbar w\u00e4re, aber in der Praxis als undurchf\u00fchrbar von jedem erkannt wird, der eine selbst noch so geringe Anzahl von Menschen nach dieser Methode als farbent\u00fcchtig oder farbenblind erkennen will.) II. Eine weitere Grundlage bildet f\u00fcr Schultz die Kritik der erhaltenen Beschreibungen farbiger Gegenst\u00e4nde, deren Richtigkeit wir kontrollieren k\u00f6nnen. III. gibt Schultz eine kunsthistorische Kritik hellenischer Bemalungsreste.\nEs handelt sich also um eine sehr umfassende Arbeit, der Autor hat mit Bienenfleifs aus den entlegenen Forschungsgebieten die Teile zusammengetragen. Wenn Ref. trotzdem glaubt, die Folgerungen, die der Verf. aus seinen Beweisst\u00fccken zieht, als unzul\u00e4nglich abweisen zu m\u00fcssen, so mufs er das genauer begr\u00fcnden:\nAd I. Abgesehen von dem prinzipiellen, oben angedeuteten Einwand, mais man verlangen, dafs die einzelnen Stellen, die die Vieldeutigkeit mancher Farbbezeichnungen beweisen sollen, selbst eindeutig sind. Aber bei allen Einzelbeweisen sagt man sich : \u201eJa, es kann so sein \u2014 aber anch","page":452}],"identifier":"lit32274","issued":"1905","language":"de","pages":"451-452","startpages":"451","title":"H. E. Ziegler: Der Begriff des Instinktes einst und jetzt. Zool. Jahrb. Suppl. VII. 1904","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:33:35.548462+00:00"}