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{"created":"2022-01-31T16:34:17.907409+00:00","id":"lit32275","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Guttmann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 39: 452-455","fulltext":[{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nUtera f i< tbfrich <.\ndagegen dienen: die Gleichartigkeit der Instinkthandlangen bei allen normalen Individuen gegen\u00fcber den individuell differenzierten Gewohnheitshandlungen ; ferner, bei vollkommenen Instinkten, die Entbehrlichkeit der \u00dcbung. Eine Trennung des Menschen vom Tierreich ist durch den Instinktbegriff nicht gegeben. Endlich er\u00f6rtert Verf. die histologischen Grundlagen der psychischen Funktionen. Er unterscheidet zwischen ererbten und erworbenen Bahnen im Zentralnervensystem. Instinkte und Reflexe sind an ererbte Bahnen gekn\u00fcpft, Ged\u00e4chtnis und Verstandest\u00e4tigkeit an erworbene. Letztere Hypothese zwingt zur Annahme einer Plastizit\u00e4t gewisser Neuronen, der F\u00e4higkeit, intra vitam ihre Form und Struktur infolge der Reize zu modifizieren. Verf. denkt dabei an Form-, besonders Dicken\u00e4nderungen an den Verzweigungen der Zellforts\u00e4tze, sowie an Bahnungen innerhalb des Zellk\u00f6rpers durch Bildung und Verst\u00e4rkung von Neurofibrillen.\nHobnbostbl (Berlin).\nW. Schultz. Dai Farbenempfiftduguystem der Hellenen. Leipzig, Joh. Ambr, Barth. VIII, 227 S. mit 3 f\u00e4rb. Taf. 1904. Mk. 10,\u2014.\nDie alte Streitfrage nach dem Farbensinn der Hellenen glaubt Schultz endg\u00fcltig beantworten zu k\u00f6nnen, indem er sie mit neuen Methoden behandelt. Alle fr\u00fcheren Untersucher h\u00e4tten diese Frage auch nur \u201egestreift\u201c, sie nicht \u201edurchgearbeitet\u201c, sie h\u00e4tten nur die Werke der Dichter benutzt, um aus ihnen eine m\u00f6glichst grofse Anzahl von Gegenst\u00e4nden aufzuz\u00e4hlen, an welche Farbennamen angef\u00fcgt waren ; so k\u00e4men sie zu einer scheinbar vollz\u00e4hligen Aufz\u00e4hlung der Bezeichnungen. Dies sei jedoch eine unzul\u00e4ssige Methode, da es sich bei den Dichtern h\u00e4ufig um vage, metaphorische und phantastische Ausdrucksweisen handle, die von kritischer, empfindungsanalytischer Korrektheit weit entfernt seien. Schultz st\u00fctzt sich nun I. auf die wissenschaftlichen Schriftsteller, die Farbprobleme behandelt haben. (Dieser neue Gedanke verspricht freilich eine bessere L\u00f6sung, wenn man, wie Schultz, \u00fcberhaupt an die M\u00f6glichkeit glaubt, aus den Farbbezeichnungen unter gewissen Kautelen auf die Farbenempfindungen schliefsen zu d\u00fcrfen \u2014 was theoretisch immerhin denkbar w\u00e4re, aber in der Praxis als undurchf\u00fchrbar von jedem erkannt wird, der eine selbst noch so geringe Anzahl von Menschen nach dieser Methode als farbent\u00fcchtig oder farbenblind erkennen will.) II. Eine weitere Grundlage bildet f\u00fcr Schultz die Kritik der erhaltenen Beschreibungen farbiger Gegenst\u00e4nde, deren Richtigkeit wir kontrollieren k\u00f6nnen. III. gibt Schultz eine kunsthistorische Kritik hellenischer Bemalungsreste.\nEs handelt sich also um eine sehr umfassende Arbeit, der Autor hat mit Bienenfleifs aus den entlegenen Forschungsgebieten die Teile zusammengetragen. Wenn Ref. trotzdem glaubt, die Folgerungen, die der Verf. aus seinen Beweisst\u00fccken zieht, als unzul\u00e4nglich abweisen zu m\u00fcssen, so mufs er das genauer begr\u00fcnden:\nAd I. Abgesehen von dem prinzipiellen, oben angedeuteten Einwand, mais man verlangen, dafs die einzelnen Stellen, die die Vieldeutigkeit mancher Farbbezeichnungen beweisen sollen, selbst eindeutig sind. Aber bei allen Einzelbeweisen sagt man sich : \u201eJa, es kann so sein \u2014 aber anch","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n453\ngerade umgekehrt.\u201c Sehen wir uns eine dieser Beweisf\u00fchrungen genauer an: Schultz sagt (S. 138) von den 11 vieldeutigen Worten, die auf Gegenst\u00e4nde konstanter F\u00e4rbung zur\u00fcckzuf\u00fchren sind, dafs sie nur durch Verwechslung vieldeutig seien und solche Verwechslungen m\u00fclsten Vorkommen, wenn das Farbsystem anomal w\u00e4re. Das erste dieser Worte: \u201e\u00dfaroayivov entspricht der gr\u00fcnen Froschfarbe und dem Bot geschminkter Wangen, vielleicht sogar dem gewisser Purpursorten\u201c. Die Beweise finden wir 8. 20 ff. ; sie sind recht sp\u00e4rlich. Danach ist n\u00e4mlich nur von der Farbe der Fr\u00f6sche im allgemeinen die Bede und durchaus nicht von der gr\u00fcnen Farbe der Laubfr\u00f6sche; die Hauptfarbe der meisten Fr\u00f6sche ist jedoch braun, braun ist aber vor allem die Kr\u00f6te; diese beiden Ausdr\u00fccke (\u00dfd-cpazos der Frosch und ynvvt] die Kr\u00f6te) werden noch dazu im Griechischen promiBCue gebraucht. Dies soll der Beweis sein, dafs \u00dfar^A%tvov \u2014 gr\u00fcn seil Weiter: warum \u00dfarpAguHw = rot? Es ist nur vom Schminken auf der B\u00fchne die Bede und zwar in einer Zeit, als die Masken noch nicht erfunden waren. Nichts zwingt uns anzunehmen, dafs man, um sich unkenntlich zu machen, gerade rote Farbe und nur diese w\u00e4hlte. Also wieder nur eine Vermutung statt eines Beweises! Da drittens die \u00dfarpa*i's nur von K\u00f6nigen und hochgestellten Personen getragen wurde und sonst Bot und Violett, speziell Purpur zu solchen Prachtkleidern verwendet wurde, h\u00e4lt Schultz es f\u00fcr \u201enaheliegend, dafs die \u00dfaronyts rot oder violett gewesen sei\u201c. \u2014 Man sieht, \u00fcberall nur Hypothesen, nirgends ein stringenter Schlufs. Mit demselben Becht liefse sich f\u00fcr alle 3 F\u00e4lle behaupten, \u00dfatiidyjvov sei \u201ebraun\u201c gewesen (und daf\u00fcr sprechen eine ganze Beihe von Gr\u00fcnden 1). Dann entfallen alle von Schultz gezogenen Folgerungen. Nicht viel anders steht es mit den anderen sprachlichen Beweisen, die allein \u00fcbrigens, wie Schultz zugibt, auch nicht direkt beweisend seien.\nGehen wir also zum Abschnitt II. \u201eFarbenbeobachtungen\u201c im eigentlichen Sinne sind es allerdings nicht, die uns Schultz vorf\u00fchrt, sondern es sind diese Beschreibungen teils verquickt mit physikalischen Theorien, wie beiARiBTOTBLES (\u00fcber das Zustandekommen des Begenbogens) teils mit philosophischen Hypothesen, wie bei Plato, den Schultz ja darum selbst nicht gelten l\u00e4fst. Seine Hauptst\u00fctze ist Demokritos, von dessen Farbentheorie er sagt, dafs wir \u201eberechtigt sein d\u00fcrften, zu folgern, dafs sie von den Mischungen (die Demokrit angibt) abh\u00e4ngt\u201c und nicht umgekehrt die Angabe der Mischungen theoretischer Genese seien. Schultz vermutet n\u00e4mlich, dafs Demokrit wirklich durch Experimente mit Pigmentfarben zu seiner Theorie gekommen sei. Die \u201eK\u00fcrze und mangelnde Verl\u00e4\u00dflichkeit der Quellen\u201c betont Schultz ; das hindert ihn aber nicht, auch hieraus eine Anomalie der Farbensysteme der Hellenen zu konstatieren.\nAd III. Nun kommen wir zu dem Kapitel, wo wir (auf S. 141) aus der Interpretation dunkler Textstellen zur Tatsachenpr\u00fcfung gelangen. Zwar verspricht der Autor uns die Pr\u00fcfung der \u00fcbrigen Bemalungsreste griechischer Kunstwerke f\u00fcr sp\u00e4tere Untersuchungen und f\u00fchrt uns nur den eleusinischen Zeus im Bilde vor, aber wir k\u00f6nnen doch nun wenigstens mit eigenen Augen sehen, wie die Griechen Farben verwechselten. Die beigef\u00fcgte Beproduktion zeigt auf den ersten Blick nichts sehr Auff\u00e4lliges ; also h\u00f6ren wir, welche Anomalien Schultz an diesem Original findet.","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nLiteraturberiehi.\nAber schon in der 8. Zeile des Textes steht: \u201eOb aber Kolorit (sic!) und Erhaltungszustand v\u00f6llig getreu wiedergegeben und nicht znm Teil Be konstruktionsversuche des modernen Malers (Herrn Gctllierones in Athen) sind, konnte mir leider selbst Herr Philios 1 auf meine Anfrage hin nicht angeben . .Weitere Versuche, sich \u00fcber die Authentizit\u00e4t seiner Vorlage zu orientieren, scheint der Autor nicht gemacht zu haben. Er pr\u00fcft nnn das Bild, als ob es das Original sei, findet die Bemalung des K\u00f6rpere \u201e\u00fcbertrieben braunrot\" (doch wohl nur nach den Vorstellungen, die sich ein moderner Nordl\u00e4nder vom K\u00f6rper eines Menschen macht, nicht der Hellene von dem eines Gottes?) und bemerkt im Mantel und noch an einigen Stellen Farbenzusammenstellungen, die nach seinen hier eingef\u00fcgten farbentheoretischen Auseinandersetzungen nur ein Farbenverwechsler (eine\u00ab bestimmten Typus) malen konnte. Schultz weifs offenbar nicht, da\u00fcs derartige Farbenzusammenstellungen, die er hier als pathognostisch auffalst, in der modernen Malerei gang und g\u00e4be sind. Damit kommen wir anch zu seinem Argument, dafs man bei modernen Malern, wenn auch mit Schwierigkeiten, Schl\u00fcsse auf ihr Farbensystem ziehen k\u00f6nne. Kef. male das nach ausf\u00fchrlichen (noch unver\u00f6ffentlichten) Versuchen als vollkommen unm\u00f6glich erkl\u00e4ren, in dem Sinne, dafs nach Schultzens Untersuchungsmethodik die Mehrzahl aller modernen Maler, speziell alle Impressionisten und Neoimpressionisten, f\u00fcr farbenblind erkl\u00e4rt werden m\u00fcfste. Die an! diesem Wege von Schultz konstatierte, m\u00f6glicherweise also dem modernen Restaurator zuzuschreibende \u201eAnomalie\u201c findet nun nach Schultz \u201ein der Annahme der Farbenblindheit des K\u00fcnstlers und seiner Auftraggeber und Beurteiler (jener Zeit) eine ausreichende Erkl\u00e4rung\u201c. (Im Original gesperrt gedruckt.)\nZum Schluis gibt Schultz eine (sehr einseitige und z. T. v\u00f6llig antiquierte) Darstellung der heute bekannten Farbenempfindungssysteme. Er steht z. B. noch immer auf dem Boden der vor zwei Jahrzehnten von Hkbiso \u201enachgewiesenen\u201c Verschiedenheit der Makulatingierung, als auf welcher die Typendifferenz beruhen solle, und erkl\u00e4rt die Bezeichnungen (er meint aber Begriffe) \u201eRotblindheit\u201c und \u201eGr\u00fcnblindheit\u201c f\u00fcr \u201eheute \u00fcberwunden\u201c \u2014 eine angesichts aller neueren Publikationen vonseiten v. Kkibs', M\u00fcllkbs und der eigenen Sch\u00fcler Herings etwas k\u00fchne Behauptung! So kommt er zu der \u201esehr wahrscheinlichen\u201c Differentialdiagnose, dafs die Griechen blau-gelbblind gewesen seien. Dafs nach dem Voraufgegangenen der Ref. diese Diagnose f\u00fcr v\u00f6llig verfehlt h\u00e4lt, braucht kaum noch gesagt zu werden. Die beigef\u00fcgte (der Originaltafel der \u00dcHRYschen Arbeit \u00fcbrigens nicht genau entsprechende) Farbentafel, die die Verwechslungsfarben der Hellenen veranschaulichen soll, zeigt zudem Farben, die nicht nur der Blau-Gelb-Blinde, sondern auch der Rot-Gr\u00fcn-Blinde (Deuteranop) verwechselt\nUm dem naheliegenden Einwand zu begegnen, dafs auch aus anderen Literaturen nun derartige Schl\u00fcsse auf Farbenblindheit eines Volkes gezogen werden k\u00f6nnten, weist der Verfasser auf das Analogon hin, \u201edafs auch bei jeder \u00e4rztlichen Untersuchung der Gesunde in die Gefahr kommt, f\u00fcr krank gehalten zu werden, diese Gefahr aber, eben weil es gesund ist, unbehelligt\n1 Der das Bild publiziert hatte.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n455\n\u00fcberleben wird, wofern nur der Arzt seine Sache versteht.\u201c (Im Original gesperrt gedruckt.) Dies sch\u00f6ne Selbstvertrauen findet Ref. in dieser Arbeit nicht gerechtfertigt. Mit derartigen Methoden kann man schlechterdings alles beweisen. Und gerade auf seine Methoden legt der Verfasser den Hauptwert. Dafs er keinen \u201eBeweis\" im mathematischen Sinne gef\u00fchrt habe, erkennt er selbst im Schlulswort an; allerdings folgt einige Zeilen darauf wieder folgender Satz: \u201eBlofse Wahrscheinlichkeitsargumente d\u00fcrfte man bisher (sc. S. 190 des 195 Seiten langen Buches) noch nicht verwendet gefunden haben.\u201c\tGdttmakn (Berlin).\nWilfred Harris. Binocular and Stereoacopic fisten in Van and other Torte-brates, with its Relation to the Decussation of the Optic Hems, the Ocular Movements, and the Pupil Light Reflex. Brain 27 (105), 107-147. 1904.\nVerf. fafst seine Schl\u00fcsse selbst folgendermafsen zusammen:\n1.\tDie Sehnervenkreuzung im Chiasma ist total bei allen Fischen, Amphibien, Reptilien und V\u00f6geln, ob sie nun binokulares Sehen haben oder nicht.\n2.\tBinokularsehen ist urspr\u00fcnglich verbunden mit der Lebensweise der Fleischfresser, und wird geringeren Grades gefunden bei fleischfressenden Fischen, bei einigen Haifischen und Rochen, bei wenigen Amphibien, der Kr\u00f6te, die von Fliegen und Insekten lebt, und bei manchen fleischfressenden V\u00f6geln, besonders bei der gr\u00f6fseren M\u00f6ve, dem Pinguin, dem Habicht, der Eule und dem Geier. Unter den 8\u00e4ugern ist das Binokularsehen besonders entwickelt bei den Fleischfressern und den Primaten.\nBei der letzteren Gruppe der Affen und Menschen ist das Binokularsehen wahrscheinlich entsprechend der Entwicklung der Hand als Greiforgan ausgebildet worden.\n3.\tObschon manche dieser Tiere gutes Binokularsehen haben, so besteht doch bei allen Vertebraten unterhalb der S\u00e4uger Totalkreuzung, sie besitzen also kein stereoskopisches Sehen in dem Sinne wie die h\u00f6heren S\u00e4uger, bei denen die Gesichtseindr\u00fccke von beiden Augen in dieselbe Hirnh\u00e4lfte gelangen entsprechend der Halbkreuzung. Auch ihr makulares Sehen ist schlechter entwickelt als bei den h\u00f6heren S\u00e4ugern: den Feliden und Primaten.\n4.\tBei Tieren mit seitlich stehenden Augen und \u201eperiskopischem\u201c Sehen sind die Augenbewegungen unabh\u00e4ngig voneinander, typisch beim Cham\u00e4leon, w\u00e4hrend konjugierte Augenbewegungen auftreten bei Ausbildung des stereoskopischen Sehens. Konvergenz der Augen beim Frefsakt ist zu beobachten bei manchen Tieren mit Totalkreuzung und sonst voneinander unabh\u00e4ngigen Augenbewegungen, so beim Cham\u00e4leon und Homvogel.\n5.\tDie Reflexkontraktion der Pupille auf Licht beschr\u00e4nkt sich auf das gereizte Auge und ist nicht konsensuell bei Amphibien und V\u00f6geln, gleichg\u00fcltig ob sie Binokularsehen haben oder nicht.\nBeim Kaninchen mit d\u00fcrftigem Binokularsehen reagiert nur die eine (gereizte) Pupille und die Kreuzung ist zumeist total.\nBei Katzen und h\u00f6heren S\u00e4ugern mit gutem Binokularsehen und Halbkreuzung gibt es eine konsensuelle Reaktion. Letztere ist also abh\u00e4ngig nicht vom Binokularsehen allein, sondern von der Halbkreuzung.","page":455}],"identifier":"lit32275","issued":"1905","language":"de","pages":"452-455","startpages":"452","title":"W. Schultz: Das Farbenempfindungssystem der Hellenen. Leipzig, Joh. Ambr. Barth. VIII, 227 S. mit 3 farb. Taf. 1904","type":"Journal Article","volume":"39"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:34:17.907415+00:00"}