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{"created":"2022-01-31T16:37:15.032713+00:00","id":"lit32294","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Alexander, G.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 38: 24-33","fulltext":[{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\n(Aus dem L anatomischen Institut in Wien [Vorstand: Hofrat Professor\nZuckebkahdl].)\nZur Frage der phylogenetischen, vikariierenden Ausbildung der Sinnesorgane.\n\u00dcber das statische und das Geh\u00f6rorgan von Tieren mit kongenital defektem Sehapparat:\nMaulwurf (Talpa europaea) und Blindmaus (Spalax typhlus).\nVon\nPrivatdozent Dr. G. Alexander,\nAssistent der Universit\u00e4tsohrenklinik (Vorstand: Hofrat Professor Politzer)\nin Wien.\nMit einer lithographischen Tafel.\n\u00dcber den Bau des membran\u00f6sen Labyrinthes von Talpa eur. liegen in der Literatur keine Daten vor, und ich hatte urspr\u00fcnglich lediglich die Absicht, das Geh\u00f6rorgan des Maulwurfs histologisch zu beschreiben, um damit sowohl die vorhandenen anatomischen Beschreibungen des Maulwurfs (Jacobs Ganser *) zu erg\u00e4nzen, als auch eine L\u00fccke in unserer vergleichenden Kenntnis des Geh\u00f6rorganes zu f\u00fcllen. Nebstdem konnte ich hoffen, die anatomischen Befunde des zentralen Oktavus (Ganser) durch die Untersuchung des peripheren Sinnesorganes zu vervollst\u00e4ndigen. Gelegentlich seiner Untersuchung des Gehirns des Spalax typhlus hat mich nun Professor Frankl v. Hochwart* veranlafst, das Geh\u00f6rorgan des Spalax zu bearbeiten. Ungezwungen ergaben sich bald f\u00fcr das Geh\u00f6rorgan des Maulwurfs\n1 Jacobs: Talpae europ. anatome. Jena 1816.\n\u2019 Ganseb : Morphol. Jahrbuch, VII. Bd.\n5 y. Fbankl - Hochwakt : Arbeiten aus dem neurolog. Institut an der Wiener Universit\u00e4t, Heft VIII, 1902.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage d. phylogenetischen, vikariierenden Ausbildung d. Sinnesorgane. 25\nsowohl als der Blindmans die gleichen Fragen, so dafs es vollkommen dem historischen Gang meiner Arbeit entspricht, wenn ich jetzt unter einem gemeinschaftlichen Gesichtspunkt auch \u00fcber die Untersuchungsresultate berichte.\nDas Material besteht aus 12 Maulw\u00fcrfen, die ich lebend zur Untersuchung erhalten und lebensfrisch konserviert habe und aus 8 gleichfalls lebensfrisch konservierten Geh\u00f6rorganen der Blindmaus, die ich Herrn Professor Frankl v. Hochwart verdanke.\nEin Teil der Maulwurfgeh\u00f6rorgane, sowie ein Geh\u00f6rorgan der Blindmaus diente zur makroskopischen, die \u00fcbrigen zur mikroskopischen Untersuchung in l\u00fcckenlosen Schnittserien. Das Maulwurfmaterial ist teils in Pikrin-Sublimat-Ameisens\u00e4ure, teils in ZENKEHscher Fl\u00fcssigkeit, teils in 10 \"/* Formalin fixiert worden, das Spalaxmaterial in Formalin - M\u00fcller (1 : 10). In die Fixationsfl\u00fcssigkeit wurden die Objekte nach tunlicher Verkleinerung und nach Er\u00f6ffnung der Bulla tympaniea gebracht, die Labyrinthr\u00e4ume wurden nicht er\u00f6ffnet. Entkalkung in Salpeters\u00e4ure-Alkohol-Kochsalz. Einbettung in Celloidin. Schnittdicke 15 fi.\nDas innere Geh\u00f6rorgan des Maulwurfs (Talpa europaea).\nI. H\u00e4utiges Labyrinth.\nA. Pars superior. Die h\u00e4utigen W\u00e4nde sind sehr d\u00fcnn, bestehen aus einem 2\u20144 fi hohen Plattenepithel und einer d\u00fcrftigen (perilymphatischen) bindegewebigen Grundlage. Die Bogeng\u00e4nge sind auffallend lang, im Verh\u00e4ltnis zur Weite der kn\u00f6chernen Bogeng\u00e4nge verhalten sie sich wie die der \u00fcbrigen S\u00e4uger. In der Umgebung der Nervenendstellen wird das Epithel kubischzylindrisch. Schon in diesem Teil, also in der Umgebung der Nervenendstellen finden sich tonnenf\u00f6rmige Zellen, die vom Lumenrand des Epithel beginnend nur durch ungef\u00e4hr */, der Epithelh\u00f6he basalw\u00e4rts reichen. Diese Zellen besitzen einen bellgef\u00e4rbten Zelleib, bl\u00e4schenf\u00f6rmigen Kern und keine Forts\u00e4tze.\nDie Ampullen sowie der Utriculus sind auffallend grofs, desgleichen die in diesen Abschnitten gelegenen Nervenendstellen. Ke Cristae ampull\u00e4res, die an L\u00e4nge und Breite die der \u00fcbrigen S\u00e4uger \u00fcbertreffen, zeigen je ein Septum cruciatum. Das Cristaepithel ist 24\u201428 fi hoch. Es ruht auf der sehr dichten von","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\n\u00df. Alexander.\nden region\u00e4ren Nervenb\u00fcndeln durchzogenen bindegewebigen Crista. Die Grundsubstanz weist daselbst einige homogene Partien auf, in welchen die Zellen die Gestalt typischer Knorpelzellen angenommen haben. Das mehrreihige Neuroepithel ist aufser-ordentlich reich an Sinneszellen. Versuchen wir die Orientierung nach den Kernen (und das ist bei den auffallenden Unterschieden der Kerne der St\u00fctz- und der Haarzellen wohl erlaubt), so ergibt sich eine einfache basale Reihe spindelf\u00f6rmiger, tief blau gef\u00e4rbter und dar\u00fcber eine 3- stellenweise 6 fache Reihe bl\u00e4schenf\u00f6rmiger, hellgef\u00e4rbter Kerne. Die letzteren Kerne geh\u00f6ren den Haarzellen, die ersteren den St\u00fctzzellen an.\nAn g\u00fcnstigen Schnitten l\u00e4fst sich auch die numerische Ver-gr\u00f6fserung der Haarzellen nachweisen, die bald tiefer bald oberfl\u00e4chlicher gelegen und \u00fcberall dicht angeordnet einen \u00e4ufserst dichten Haarbesatz ergeben. Da nun alle Haarzellen den Lumenrand des Epithels erreichen, so wird die notwendige Vergr\u00f6fserung der Lumenoberfl\u00e4che durch die Bildung von leistenf\u00f6rmigen Vorragungen bzw. Furchen erzielt. Am Lumenrand findet sich eine deutlich entwickelte, eosinrote homogene Randzone (Membrana reticularis), darauf folgt die Schichte der Haarforts\u00e4tze und die auffallend schmale Cupula.\nIm Bereich des Septum cruciatum findet sich ein einfaches Zylinderepithel von 8 fi H\u00f6he. Die 3 Ampullen sowie die Cristae ampull\u00e4res zeigen ann\u00e4hernd gleiche Gr\u00f6fse.\nAn der \u00dcbergangsstelle des weiten und kurzen Sinus utri-cularis in ferior in die untere Ampulle findet sich eine kleine, rundliche Nervenendstelle von 60 fi Durchmesser, die nach Lage und Gestalt als typische Macula neglectaRetzii anzusprechen ist. Die Macula ist von einem Hof von Zylinderzellen umgeben unde nth\u00e4lt eine kleine Anzahl (ungef\u00e4hr 10) Haarzellen von der Gestalt, wie wir sie in den \u00fcbrigen vestibul\u00e4ren Nervenendstellen finden, dazwischen in der gew\u00f6hnlichen Anordnung St\u00fctzzellen. Eine Statolithenmembran ist in Form einiger kleiner Gerinnsel sichtbar, Statolithen sind an den (entkalkten) Pr\u00e4paraten nicht vorhanden.\nDer Utriculus ist grofs und erf\u00fcllt das Vestibulum mehr als an anderen S\u00e4ugern, daher die Cystema perilymphatica vestibuli wie bei Echidna relativ klein ist. Die Macula utriculi ist im Verh\u00e4ltnis des ganzen Sackes vergr\u00f6fsert und ist sehr reich an","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage d. phylogenetischen, vikariierenden Ausbildung d. Sinnesorgane. 27\nHaarzellen. In der histologischen Anordnung des Neuroepithels findet sich hier volle \u00dcbereinstimmung mit den Cristae ampull\u00e4res, so besonders r\u00fccksichtlich der gewulsteten Oberfl\u00e4che des Nervenepithels (vgl. Taf. I Fig. 1). Auf die dichte Haarfortsatzzone folgt eine Statolithenmembran, darauf in dicker Schichte die Statolithen; die Statolithen haben die gew\u00f6hnliche Gestalt und (wenig variierende) Gr\u00f6fse, sie m\u00f6gen reichlicher vorhanden Bein als an anderen S\u00e4ugern.\nPars inferior.\nSacculus und Macula sacculi (Taf. I Fig. 1) sind grofs, histologisch wie Utriculus bzw. Macula utriculi gebaut. Ductus reuniens kurz und weit, an seiner medialen (der Knochenwand nahen) Wand kubisches Epithel. Canalis utriculosaccularis sowie der Ductus und Saccus endolymphaticus vorhanden.\nDer Ductus cochlearis umfafst einen kurzen Vorhofabschnitt und drei Windungen. Der Kanal ist relativ grofs, so dafe die Skalen, besonders aber die Scala vestibularis klein aus-fallen. Im ganzen nimmt die Querschnittgr\u00f6fse des h\u00e4utigen Kanals von der Basis der Schnecke gegen die Spitze zu, doch ist die Membrana basilaris schon an der Schneckenbasis auffallend breit und beh\u00e4lt ihre Breite bei. Die Zunahme der Kanalweite geschieht somit besonders infolge Breiterwerden der Vestibular- und der Aufsenwand. \u00dcber die einzelnen W\u00e4nde ist folgendes zu sagen:\na) Basalwand: Die Lamina propria ist d\u00fcnn; sie tr\u00e4gt eine reichliche tympanale Belegschicht. Das CoBTische Organ (Taf. I Fig. 2) ist im Vorhofabschnitt im Vergleich zu dem anderer S\u00e4uger h\u00f6her als sonst, zeigt \u00fcberall anderw\u00e4rts die gew\u00f6hnliche H\u00f6he. Die Sinneszellen sind sehr sch\u00f6n entwickelt und zwar finden sich nach innen von den Pfeilern 1, peripher von denselben 3\u20144 Haarzellenreihen. Die Haarzellen besitzen eine deutlich kenntliche Endplatte und tragen je einen kegelf\u00f6rmig beginnenden Haarfortsatz. Die Haarforts\u00e4tze selber zeigen unter starker Vergr\u00f6fserung die gew\u00f6hnliche Zusammensetzung aus primitiven H\u00e4rchen. Der HENSKNsche Bogen ist hoch geschwungen, die CLAunrusschen und B\u00f6TTCHEKschen Zellen sind sch\u00f6n entwickelt. Der Sulcus spiralis extemus und internus sind wenig tief, in der Spitzenwindung fehlt der Sulcus spiralis extemus, mit ihm die Prominentia spiralis und das Vas prominens. Die Pfeiler- und die Bogenzellen zeigen die gew\u00f6hnliche Ausbildung und sind entsprechend der H\u00f6he der","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\n<- I ?(\u2022,>\u25a0!( In l,T\nBasilarwindung ziemlich lang. Das Vas spirale ist nicht \u00fcberall vorhanden. Die Membrana corti ist d\u00fcnn und flach, mit den Haarforts\u00e4tzen der Haarzellen kontinuierlich verbunden. Die Crista spiralis ist schmal und nicht sonderlich hoch, sie ist sehr zellen- und kernreich, die homogene Zone fehlt fast vollst\u00e4ndig.\nDas Ligamentum spirale und die Vestibularmembran bieten histologisch nichts besonders Bemerkenswertes und stimmen vollst\u00e4ndig mit dem Bau dieser Teile bei den Rodentia \u00fcberein.\nLabyrinthkapsel: Die kn\u00f6cherne Kapselwand ist \u00fcberall d\u00fcnn, die kn\u00f6cherne Schnecke ragt frei ins Mittelohrcavum vor. In der Umgebung des Labyrinths, besonders an der Labyrinthbasis und an der Schnecke finden sich pneumatische R\u00e4ume, die von zarten Knochenbalken durchsetzt sind. Die Carotis durchzieht, in einen Knochenkanal eingeschlossen, den vorderen Teil der Paukenh\u00f6hle. An den Knochenkanal schliefsen sich aufsen gleichfalls zarte Knochenbalken an. Das Schneckenfenster ist vorhanden, die Nische jedoch klein und flach, so dafs die Membrana tympani secundaria gegen die Paukenh\u00f6hle oberfl\u00e4chlich gelegen und gut sichtbar ist. Die Membran selbst ist relativ gr\u00f6fser als an Rodentiem ungef\u00e4hr gleicher Gr\u00f6fse, z. B. Ratten. Der Aquaeductus cochleae ist vorhanden und \u00f6ffnet sich nach vorne unten in der N\u00e4he des Carotiskanals. Der Steigb\u00fcgel ist klein.\nDer Nervus acustico-facialis ist dicker als sonst und zeigt auch einen reichlichen Ganglieninhalt. Die durchschnittliche Gr\u00f6fse der Ganglienzellen betr\u00e4gt f\u00fcr das Ganglion vestibul\u00e4re sup. und inf. 16\t: 14 ft, f\u00fcr das Ganglion spirale 11 (t : 8 fi,\nf\u00fcr das Ganglion geniculi 19 ^ : 16 Das Ganglion spirale zeigt auch schon im Vorhofteile einen bedeutenden Querschnitt. Die genannten Ganglien h\u00e4ngen untereinander durch schmale Ganglienzellenstreifen zusammen. Der kurze innere Geh\u00f6rgang wird von den Nerven\u00e4sten vollst\u00e4ndig ausgef\u00fcllt. In den dem Hirnstamme zun\u00e4chst gelegenen Teilen des Acusticus finden sich Nervenzellen vom Typus der Nervenzellen des Zentralnervensystems, d. h. anscheinend multipolare Ganglienzellen ohne kernhaltige Bindegewebsh\u00fcllen.\nDas ganze Labyrinth ist sehr stark vaskularisiert. In der Anordnung der Blutgef\u00e4fse findet sich hier \u00dcbereinstimmung mit den Rodentiern.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage d. phylogenetischen, vikariieretiden Ausbildung d. Sinnesorgane. 29\nDag Innere Geh\u00f6rorgan der BUndmaug (Spalax typhlus).\nDie Pars superior ist durch besondere Gr\u00f6fse der Nerven-endstellen ausgezeichnet, die jedoch histologisch vollkommen mit denjenigen der \u00dfodentia \u00fcbereinstimmen. An der Pars inferior ist die relativ grofse Macula sacculi bemerkenswert, in der Schnecke (Taf. I Fig. 3) der Befund reichlicher Haarzellen, derart, dafs lateral von den Pfeilern an vielen Stellen vier Zellreihen getroffen werden. Die Labyrinthkapsel bietet, wenn wir als Paradigma das Labyrinth der Rodentia heranziehen, nichts, was besonders zu bemerken w\u00e4re. Auffallend ist die relative Gr\u00f6fse des Nervus acustico-fadalis und seiner Ganglien. Spalax typhlus \u00e4hnelt hierin vollst\u00e4ndig dem Maulwurf.\nVersuchen wir nun nach den oben dargestellten Befunden der Frage n\u00e4herzutreten, ob und inwiefern im anatomischen Bau des Labyrinths des Maulwurfs und der Blindmaus die M\u00f6glichkeit einer gegen\u00fcber dem Gew\u00f6hnlichen erh\u00f6hten funktionellen Leistung ausgedr\u00fcckt ist. Beginnen wir dabei mit derjenigen Besonderheit, welche das ganze innere Ohr betrifft, dem relativ grofeen Nervus octavus. Dieser Befund entspricht, wenigstens f\u00fcr die Blindmaus, einer von Fbankl-Hochwaet erhobenen Tatsache, dafs n\u00e4mlich die zentrale Endausbreitung des Nervus VHI, vor allem seine Wurzeln und Kerne, besonders grofs getroffen werden. Die relative Gr\u00f6fse des Nerven und seiner Ganglienzellen ergibt sich \u00fcbrigens am besten durch Vergleich mit ann\u00e4hernd gleich grofeen anderen Tieren, am ehesten der Ratte. Hierbei zeigt sieh, dafs sowohl bei der Blindraaus, als besonders beim Maulwurf der Nerv wesentlich dicker, die Ganglien gr\u00f6fser sind als bei der Ratte. Noch auffallender wird der Gr\u00f6fsenunterschied, wenn wir die einzelnen Relationen heranziehen, so z. B. die Querschnittsgr\u00f6fse der ganzen Schnecke zur Querschnittsgr\u00f6Cse des Spiralganglion und des Nervus cochleae. Auch nach diesem Vergleich ergibt sich klar die Fasern- und Zellenzunahme des Nervus VIH bei den beiden untersuchten Tieren. Nichts Charakteristisches bietet die Anlage der Labyrinthkapsel. Sie zeigt sieh zwar, besonders beim Maulwurf, von reichen pneumatischen B\u00e4umen umgeben und besteht aus einer relativ d\u00fcnnen Knochenwand. \u00dcbereinstimmende Verh\u00e4ltnisse bieten aber auch viele","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"G, A!cjrn)idcr.\n30\nRodentia, am sch\u00f6nsten Ratte und Meerschwein. Rach dem Bau der Labyrinthkapsel l\u00e4fst sich somit nur sagen, dafs das innere Ohr von Talpa und Spalax in einer Jur die Schall\u00fcbertragung vom mittleren auf das innere Ohr recht g\u00fcnstigen Weise gelagert ist und zwar, wie neuere Untersuchungen gelehrt haben, besonders r\u00fccksichtlich solcher Schallwellen, die durch Vermittlung eines festen K\u00f6rpers ins Ohr gelangen sollen.\nIm Bau des h\u00e4utigen Schneckenkanals f\u00e4llt die relative Querschnittgr\u00f6fse des ganzen Kanals auf. Exakt verwertbar f\u00fcr die Annahme einer besonders guten Ausbildung des schallperzi-pierenden Apparates ist jedoch nur der Befund der in der Schneckenbasis hervorragend gut entwickelten Basilarpapille, sowie der Befund einer vermehrten Anzahl von Haarzellen. Danach ist von Interesse, dafs an unterschiedlichen Stellen bei beiden Tieren lateral von den Pfeilern vier Haarzellreihen getroffen werden. Zeigt sich somit in dem Teile des Ductus cochleari8, der mit den peripheren Nervenfasern in unmittelbare Verbindung tritt, eine gegen\u00fcber dem Gew\u00f6hnlichen fortgeschrittene Entwicklung, so ergibt sich in den \u00fcbrigen histologischen Details \u00dcbereinstimmung mit den Nagern.\nBez\u00fcglich des statischen Organs liefert der Spalax nichts Bemerkenswertes ; er zeigt \u00dcbereinstimmung mit den Rodentiern. Dagegen ergeben sich an Talpa Befunde, die von bedeutendem morphologischen Interesse sind. Erstlich sind alle statischen Nervenendstellen, d. h. die drei Cristae ampull\u00e4res und die beiden vestibul\u00e4ren Maculae reichlich mit Nerven zellen ausgestattet. Daraus ergibt sich zun\u00e4chst eine relative Gr\u00f6fsenzunahme der genannten Nervenendstellen. Die numerische Zunahme der Nervenzellen ist aber so grofs, dafs dieselben auch in dem in der Fl\u00e4che vergr\u00f6fserten Neuroepithel nicht in der gew\u00f6hnlichen Anordnung bleiben k\u00f6nnen. Sie stehen dicht gedr\u00e4ngt nebeneinander und erreichen alle den Lumenrand. Da nun der linear gestreckte, d. h. plane Lumenrand f\u00fcr alle die Haarzellen bzw. deren Endplatten nichtRaum genug bietet, so sind an der endolymphatischen Fl\u00e4che der Maculae Wulstungen oder rudiment\u00e4re Faltenbildungen aufgetreten, und ich m\u00f6chte diesen Befund in volle Analogie bringen mit den Faltungen der Grofs- und der Kleinhirnoberfl\u00e4che, die ja auch lediglich aus der notwenigen Oberfl\u00e4chenvergr\u00f6fserung folgen. Nicht","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage d. phylogenetischen, vikariierenden Ausbildung d. Sinnesorgane. 3 t\nohne Bedeutung ist endlich auch noch der Befund einer Macula neglecta Retzii beim Maulwurf. Topographisch stimmt diese vollkommen mit der Macula neglecta der V\u00f6gel und der zuerst von mir bei Echidna beschriebenen, im Sinus utricularis inferior gelegenen Macula neglecta \u00fcberein. Die Macula ist an der Vorderwand des Sinus utricularis inferior gelegen, ihre Lumenfl\u00e4che ist ann\u00e4hernd gegen die Medianebene des Kopfes gerichtet, und sie wird durch einen in den Nervus ampullaris inferior einstrahlenden Ast versorgt. Die Frage, ob beim Maulwurf diese Nervenendstelle eine physiologische Funktion besitzt, ja ob sie in allen F\u00e4llen nachzuweisen ist, kann ich nach dem mir vorliegenden Material nicht entscheiden, jedenfalls aber ist es damit zum ersten Mal gelungen, an einem h\u00f6heren S\u00e4ugetier den Bestand einer Macula neglecta Retzii nachzuweisen.\nTheoretisch k\u00f6nnen wir allerdings sehr leicht zur Ansicht gelangen, dafs der Maulwurf in Analogie mit den Befunden an den V\u00f6geln und Fischen \u00fcber eine funktionierende Macula neglecta verf\u00fcgen mufs, wonach uns der anatomische Befund nicht \u00fcberrascht. Wir finden bei allen Tieren, die sich in Luft oder Wasser zu bewegen verm\u00f6gen, drei statholitentragende Nerven-endstellen. Bei den h\u00f6heren S\u00e4ugetieren sowie beim Menschen sind nur zwei statholitentragende Nervenendstellen vorhanden. Der Maulwurf bewegt sich nun zwar auf fester Grundlage, jedoch zumeist unterirdisch und entbehrt aufserdem ziemlich vollst\u00e4ndig der Orientierung durch das Sehorgan. Durch die vorhandene Macula neglecta beim Maulwurf w\u00fcrde dadurch die funktionelle, notwendig gewordene Verbesserung der Orientierung durch die statischen Nervenendstellen angezeigt werden. Allerdings m\u00fcfsten wir dann erwarten auch bei Spalax typhlus, der vollkommen blind ist, eine Macula neglecta zu finden. Das ist aber, wenigstens nach dem mir vorliegenden Material, nicht der Fall.\nWir sind daher nur in der Lage, den Bestand der Macula neglecta beim Maulwurf als einen morphologisch nicht unwichtigen und interessanten Befund zu registrieren. W\u00e4hrend bis vor kurzer Zeit in der Anordnung der statischen Nervenendstellen zwischen den S\u00e4ugetieren und den \u00fcbrigen Tierklassen eine nicht \u00fcberbr\u00fcckte Kluft bestand, habe ich nun sowohl durch die Untersuchung derEchidnaaculeata, eines niederen S\u00e4ugetieres, als","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nG. Alexander.\nauch der T al pa europea die bisher nicht bekannten \u00dcberg\u00e4nge nachweisen k\u00f6nnen. Die Echidna besitzt ein CoBTisehes Organ, das im histologischen Bau mit dem der S\u00e4uger \u00fcbereinstimmt, in der Anzahl der \u00fcbrigen Nervenendstellen deckt sie sich mit dem Vogellabyrinth und zeigt neben drei macularen Nervenendstellen (Macula utriculi, Macula sacculi und Macula lagenae) eine Macula neglecta Retzii. Der Maulwurf zeigt nun keine Macula lagenae, hat dagegen noch eine Macula neglecta. Die \u00fcbrigen, h\u00f6heren S\u00e4ugetiere besitzen, wenigstens nach den bisherigen Forschungsergebnissen, keine Macula neglecta mehr.\nZ usamm enfassung.\nI.\tDie vorz\u00fcgliche Ausbildung des Geh\u00f6rorgans bei Talpa europea und Spalax typhlus ist in der relativen Querschnitt-gr\u00f6fse des Schneckenkanals, der reichen Zahl der Sinneszellen und der Gr\u00f6fse des Nervus VIII ausgepr\u00e4gt.\nII.\tDie Sinneszellen des CoBTischen Organs formieren stellenweise vier lateral von den CoBTischen Pfeilern gelegene Haarzellreihen, hierzu kommt noch eine axial von den Pfeilern gelegene Haarzelle, so dafs im Radius f\u00fcnf Haarzellen stehen.\nHI. Eine ausgezeichnete \u00c4quilibrierung ist anatomisch bei beiden untersuchten Spezies ausgedr\u00fcckt durch die besondere Gr\u00f6fse der Nervenendstellen, beim Maulwurf aufserdem durch die relative Zunahme der Anzahl der Sinneszellen und eine Faltung bzw. Furchenbildung an der endolymphatischen Fl\u00e4che des Neuroepithels.\nIV.\tBei Talpa europea findet sich in der N\u00e4he der unteren Ampulle und zwar im Sinus utricularis inferior eine Macula neglecta, die den \u00fcbrigen h\u00f6heren S\u00e4ugetieren fehlt, hiermit zum ersten Mal an einem h\u00f6heren S\u00e4uger nachgewiesen ist, und von den V\u00f6geln und Reptilien abgegehen, nur an einem anderen, niederen S\u00e4uger \u2014 Echidna aculeata \u2014 gefunden worden ist. Dem Typus nach entspricht die Macula neglecta des Maulwurfs der gleichgenannten Nervenendstelle der Reptilien und V\u00f6gel, sowie der Macula neglecta der Echidna.\nV.\tDurch den in Punkt IV genannten anatomischen Befund ist der morphologische \u00dcbergang des Labyrinths der niederen S\u00e4uger in das der h\u00f6heren illustriert.","page":32},{"file":"p0032s0001table1.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitschrift fiirPsychol,u,.Physiol, d, Sinnesory. Bd.38.\n3.\nTu fl\nlfV/","page":0},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage d. phylogenetischen, vikariierenden Ausbildung d. Sinnesorgane. 33\nFiguren- und Zeichenerkl\u00e4rung.\nFig. 1. Vertikalschnitt durch die Macula sacculi (Ms) des Maulwurfs. Zur Demonstration der unebenen Lumenflache des Neuroepithels (Neu). H = Haarforts\u00e4tze. p = perilymphatische Wand. Sta \u2014 Statolithen; Hamalaun-Eosin. Zeich-Ok.l, Obj. 6, Tubl. 20 cm.\nFig. 2. Radialer Axialschnitt durch das CoBTische Organ des Maulwurfs (Basalwindung). Lsp = Ligamentum spirale. Mc = Membrana corti. Ne = Nervus cochleae. Fb = Papilla basilaris. Hamalaun-Eosin. Zeich-Ok., Obj. 6, TubL 16 cm.\nFig. 3. Radialer Axialschnitt durch die Basalwindung der Schnecke \u2022der Blindmaus. De = Ductus cochlearis. Pb \u2014 Papilla basilaris. St \u2014 Scala tympani. Sv = Scala vestibuli. Hamalaun-Eosin; Zeich-Ok., Obj. 4, Tubl. 20 cm.\n1 von Leitz.\n(Eingegangen am 21. September 1904.)\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 38.\n3","page":33}],"identifier":"lit32294","issued":"1905","language":"de","pages":"24-33","startpages":"24","title":"Zur Frage der phylogenetischen, vikariierenden Ausbildung der Sinnesorgane. \u00dcber das statische und das Geh\u00f6rorgan von Tieren mit kongenital defektem Sehapparat: Maulwurf (Talpa europaea) und Blindmaus (Spalax typhlus)","type":"Journal Article","volume":"38"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:37:15.032719+00:00"}