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{"created":"2022-01-31T16:37:01.080620+00:00","id":"lit32309","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Offner, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 439-441","fulltext":[{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n439\nDas synthetische Vorziehen pr\u00e4gt W\u00fcrdeunterschiede. Das Bessere, das sich durch den Act dieses Vorziehens kundgiebt, ist das sittlich Bessere. Wir stellen das Wollen pers\u00f6nlicher Werthe h\u00f6her als das zust\u00e4ndlicher Werthe und setzen das Wollen der FremdWerthe \u00fcber das von allen Eigenwerthen. Mit der Klarlegung der Normen des analytischen und synthetischen Vorziehens gewinnen wir den Begriff eines voluntaristischen Apriorismus, der sich dem rationalistischen Apriorismus Kant\u2019s erg\u00e4nzend zur Seite stellt. Die Anerkennung eigener Normgesetze im Gebiete des Willens bringt auch die L\u00f6sung des Problems der Willensfreiheit. Sie ist einerseits eine deterministische, denn sie lehrt Determinirung der h\u00f6heren Willensacte durch Normzwang; und andererseits ist sie aber eine indeterministische, denn sie leugnet die Determinirung der h\u00f6heren Willensacte durch Motivzwang. Es widerspricht keineswegs dem physikalischen Gesetze der Energieerhaltung, dafs freie Wesen mit spontanen Acten das Gewebe der nat\u00fcrlichen Ursachen durchbrechen. Das Gesetz der Energieerhaltung besagt nichts anderes, als dafs es kein perpetuum mobile giebt, oder dafs es unm\u00f6glich ist, mit vorhandener physischer Energie neue zu erzeugen.\nDas Buch beschliefsen zwei Excurse, von denen der erste einen allgemeinen Beitrag zur Lehre von den Gef\u00fchlen bringt, der zweite von der Centrirung der Vorstellungen durch das Gefallen und Mifsfallen handelt.\nSaxinuer (Linz).\nAlfred K\u00fchtmann. Maine de Bi ran. Ein Beitrag zur Geschichte der Metaphysik und Psychologie des Willens. Bremen, M. N\u00f6fsler, 1901. 195 S.\nDas historische Interesse unter den gegenw\u00e4rtigen Psychologen ist im Allgemeinen nicht sehr stark. Man ist zu sehr mit der wachsenden F\u00fclle von Problemen und ihrem grofsen Anhang von Einzelfragen besch\u00e4ftigt, als dafs man sich um deren Vorgeschichte viel k\u00fcmmern k\u00f6nnte. Und doch liefse sich wohl manche M\u00fche sparen, wenn man die Geschichte mehr zu Bathe z\u00f6ge. Denn nicht wenige Fragen sind von den Fr\u00fcheren weiter gef\u00f6rdert worden, als wir anzunehmen gewohnt sind, und mancher fruchtbare Gedanke, zu dem wir erst auf langen Umw\u2019egen gelangt sind, ist schon fr\u00fcher ausgesprochen worden. Es ist darum sehr zu begr\u00fcfsen, dafs K\u00fchtmann sich der keineswegs geringen M\u00fche unterzogen hat, die Psychologie Maine de Biran\u2019s, deren Grundgedanke in der voluntaristischen Psychologie unserer Tage eine Art Auferstehung feiert, in zusammenfassender Darstellung uns Deutschen n\u00e4her zu bringen. K\u00fchtmann\u2019s Absicht ist dabei keineswegs, die gesammten Gedankeng\u00e4nge des franz\u00f6sischen Denkers in allen ihren Einzelheiten darzulegen und kritisch zu er\u00f6rtern. Vielmehr beschr\u00e4nkte er sich darauf, die geschichtlichen Ankn\u00fcpfungspunkte der BiRAN\u2019schen Philosophie, sowie ihren Entwickelungsgang nur in den Grundz\u00fcgen darzulegen, nicht ohne Leben und Lebenskreis des Philosophen zu beschreiben. Dagegen behandelt er diejenigen Fundamentalprobleme seiner Philosophie ausf\u00fchrlicher, deren Auspr\u00e4gung M. de B. selbst als seine \u2022werthvollste Gedankenarbeit betrachtet hat, wie das Verh\u00e4ltnis des Wollens zum Empfinden und Vorstellen, Apperception und Aufmerksamkeit, die Urs\u00e4chlichkeit des Willens und das Causalproblem und den Willen als Centralpunkt des ethischen Problems.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nI\u00c0teratwrbericht.\nAls Ausgangspunkt M. de B.\u2019s ist der auf Loots sich stutzend* Cos-dh-lac zu betrachten, nicht sowohl in positivem, als vielmehr im negativen Sinne. Dieser consequenteste Vertreter des Sensualismus ist ihm \u201edie allgemein anerkannte Autorit\u00e4t, der wichtigste Gegner, in dessen psychologischem Ausgangspunkte alle Irrthtimer der sensualistischen Riehtnngen eia geschlossen liegen.\u201d Gegen ihn erhebt er den Vorwurf, \u201edaIs er allem ao\u00bb der sinnlichen Empfindung, die der Menseh mit den Thieren theilt, alle weitere seelische und geistige Th\u00e4tigkeit ableitet und die Activit\u00e4t des Be* wufstseins vernachl\u00e4ssigt\u201d und damit \u201eden Willen den Empfindungen unterordnet, von denen err Anstois und Richtung empfangen soll.\u201d Condillac's Grundsatz, dafs alle seelischen Erscheinungen im Grunde nur umgewandelte Empfindungen seien, ist ihm \u201enichts weiter als eine abstracto Hypothese; und wenn dieser Philosoph alle Seelenkr\u00e4fte und die primitiven Erkenntnisse aus der transformirten Empfindung ableiten zn k\u00f6nnen glaubt, ao setzt er eben stillschweigend das Pers\u00f6nlichkeitsbewufstsein oder das Ich als in der Natur der Seele selbst oder des empfindenden Subjects prft-existirend voraus\u201d. M. dz B. sieht seinerseits die psychische Grundthzt-sache in einer anderen Erscheinung. Die keines Beweises bed\u00fcrftige, tob Jedem anerkannte Thatsache des Selbstbewufstseins ist f\u00fcr ihn die F\u00e4higkeit, eine Muskelbewegung willk\u00fcrlieh ausf\u00fchren zu k\u00f6nnen, die gewollte Anstrengung, der effort voulu. In der Sinnesempfindung, Condillac's Ur* ph\u00e4nomen, f\u00fchlen wir ans nur passiv ; unsere Activit\u00e4t kommt dabei nicht zur Geltung. \u201eDen effort voulu bilden zwei Glieder eines Verh\u00e4ltnisses, die nicht von einander getrennt werden k\u00f6nnen, ohne ihre Natur zu \u00e4ndern, un seul rapport \u00e0 deux termes, oder zwei Elemente, die gleichzeitig wahrgenommen werden and demnach die urs\u00e4chliche Verbindung des Willens mit der Bewegung in der unmittelbaren inneren Apperception unzweifelhaft machen.\u201c \u201eAber ebenso sicher unterscheidet die innere Apperception die beiden Glieder (termes) von einander. Jeder freiwillige Bewegnngaact trennt sich in den Widerstand des Muskels (r\u00e9sistance organique, sensation musculaire) und in eine hyperorganische Kraft (force hyperorganiqne).\u201d \u201eDie Kraft, die angewandt wird, um den K\u00f6rper zu bewegen, ist eine th\u00e4tige Kraft, die wir Willen nennen. Das Ich identificirt sich mit ihr vollst\u00e4ndig\u201d und \u201eunterscheidet sich dann als Ursache von der ansgef\u00fchrten Bewegung als Wirkung.\u201d \u201eDieses Ichbewufstsein == Pers\u00f6nlichkeitebewufst-sein = Wille ist toto genere von dem einfachen Bewufstsein einer Sinnesempfindung verschieden\u201c und geht dem Thiere ab. Allen psychologischen Thatsachen entsprechen stets physiologische, \u201eaber sie laufen nur parallel, sind nicht aus einander ableitbar.\u201c\nF\u00fcr dieses Grundprincip suchte M. de B. in der Geschichte der Philosophie theils \u00fcbereinstimmende Anschauungen, die ihm als Best\u00e4tigung dienten, theils gegens\u00e4tzliche Auffassungen, an denen er die Festigkeit seiner Ansicht pr\u00fcfen konnte. In knapper Form zeigt der Verf., wie M. dz B. sich zu Cartesius stellte, wie zu Hobbes und Gassendi, zu Malbbkasch\u00ab, Locke, Bacon, Hume, Leibniz, zu den Philosophen der Berliner Akademie, zu Kant, Schelling, Bo\u00fcterwek und zu der Physiologie seiner Zeit.\nDieses IcYOoewuIataeva. \\st ata\tdie Erkenntnifsquelle\nf\u00fcr die abstracted meXarph^svac^ed\tdsrt\t^sss.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n441\nIdentit\u00e4t, der Ursache und Wirkung, welche durch die Analyse der Vernunft aus der urspr\u00fcnglichen Bewufstseinsthatsache als dem n\u00e4chstliegenden und bestgekannten Erfahrungsmaterial abstrahirt werden.\nAn diese Darlegung der BntAN\u2019schen Psychologie und Metaphysik reiht K. eine Biographie des Philosophen, die uns ein anschauliches Bild von der auch rein menschlich interessanten Pers\u00f6nlichkeit dieses feinsinnigen Denkers geben. Im darauffolgenden Abschnitte wird die Literatur \u00fcber ihn zusammengestellt, nicht ohne gelegentliche kritische Stellungnahme. Entgangen ist der Findigkeit des Verf.\u2019s nur der von Ernest Na ville stammende umfangreiche Artikel \u00fcber M. de B. im Dictionnaire des sciences philosophiques, herausgegeben von Ad. Franck, und damit auch die daselbst mitgetheilte Literatur, welche neben einigen von K. aufgef\u00fchrten Erscheinungen noch einen Artikel von Jules Simon in der Revue des deux mondes, 15. Nov. 18dl, und ein Buch: M. de B., sa vie et ses pens\u00e9es, 1857 (2. ed. 1874) enth\u00e4lt, dessen Autor aus dem Zusammenhang nicht deutlich ersichtlich ist. In Gumposch, Die philosophische Literatur der Deutschen, Begensburg 1851, fand ich endlich noch erw\u00e4hnt L. A. Gruyer, Du spiritualisme du XIX. si\u00e8cle on examen de la doctrine de M. de B., Brux. 1840 (Tissot, Observations critiques). Die n\u00e4chsten Capitel bringen sehr interessante Hinweise auf \u00fcbereinstimmende Ansichten bei englischen Philosophen, wie Beid und anderen Edinburgern, Bain und Spencer, und auf die Kritik, welche besonders Hamilton an M. de B.\u2019s Theorie ge\u00fcbt, sowie auf die Wiederkehr und Umbildung seiner Gedanken bei Schopenhauer und Wundt, welchen Beiden gemeinsam ist die Bedeutung, die sie der psychologischen Betrachtung des Verh\u00e4ltnisses zwischen der \u00e4ufseren und inneren Willenshandlung beilegen, bei M. de B. der einzigen Strafse, bei Sch. und W. der wichtigsten Strafse, welche zu einer metaphysischen Weltanschauung f\u00fchrt (S. 8).\nDen Schlufs des Buches bildet eine Pr\u00fcfung der \u201einneren Folgerichtigkeit der theoretischen Probleme, und der Festigkeit ihrer Fundamente\u201c, sowie eine Schlufsbetrachtung, in welcher der Verf. seine eigene philosophische Stellung skizzirt. Um unser Urtheil zusammenzufassen, sehen wir in dem anziehend und meist klar geschriebenen Buche einen dankenswerthen Beitrag zur Geschichte der Psychologie.\tM. Offner (M\u00fcnchen).\nA. W. Trettien. Creeping and Walking. Amer. Journ. of Rsych. 12 (1), 1\u201457. 1900.\nAuch diese von Stanley Hall angeregte Arbeit erwirbt ihr Material \u00fcber die Entwickelung des Kindes bis zur Erlernung des Gehens vor Allem aus Fragebogen, die allerlei Beobachtungen des ganzen motorischen Verhaltens des Kindes von der Geburt bis zu jener Periode sammeln wollen. Wo es sich um die \u00e4ufseren Bewegungen handelt, ist diese Methode nat\u00fcrlich hier sehr gut am Platze. Mifslich wird die Sache schon wieder, wenn die Analyse des Willensvorganges der Kinder in Frage kommt. Nach Zusammenstellung der Anatomie und Physiologie \u00fcber Maafse, Stellung und Bewegungen des Embryo etc. und Darlegung der BALDWiN\u2019schen Theorie, \u00fcber die Entwickelung der Willk\u00fcrbewegung, werden an der Hand jener Mittheilungen das Liegen, Sitzen, Kriechen und sonstige primitive Fort-:","page":441}],"identifier":"lit32309","issued":"1902","language":"de","pages":"439-441","startpages":"439","title":"Alfred K\u00fchtmann: Maine de Biran. Ein Beitrag zur Geschichte der Metaphysik und Psychologie des Willens. Bremen, M. N\u00f6\u00dfler, 1901. 195 S","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:37:01.080626+00:00"}