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{"created":"2022-01-31T16:27:20.429395+00:00","id":"lit32337","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Umpfenbach","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 27: 448-449","fulltext":[{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nLiteraturbericht.\nabscesse, Tumoren, Erweichungen, H\u00e4matome der harten, Cysten der weich\u00ab Hirnhaut, Leute, die \u201enebenbei1* an progressiver Paralyse litten u. v. am.; daneben wirklich Geisteskranke verschiedenster Art. Bei allen diesen \u201eMelancholischen\u201c war irgendwie der Scheitellappen des Gehirns oder die dar\u00fcber befindlichen H\u00fcllen makroskopisch grob ver\u00e4ndert.\nSchb\u00f6dbh (Heidelberg).\nM\u00e4ckb. Drei crimintUithropelogitche Themen. Archiv f\u00fcr Oriminalantkropol.\n6, 360\u2014371. 1901.\nN. beantwortet die erste Frage: ob die Criminalanthropologie mehr zur Anthropologie oder zur forensischen Psychiatrie geh\u00f6rt, gegen Lombbmo und sein Gefolge, welche dieselbe f\u00fcr eine Disciplin f\u00fcr sich erkl\u00e4ren, die offenbar am N\u00e4chsten zur Anthropologie geh\u00f6rt, \u2014 dahin, dafs das Verbrechen eine antisociale Handlung ist, dafs es keinen Verbrechertyp\u00ab giebt, dafB zwischen Normalen und Verbrechern nur Quantit\u00e4tsunterschiede aller Qualit\u00e4ten bestehen, dafs die Entartungszeichen keinerlei regelrechte Combination zeigen, und dafs der Verbrecher als specieller Gegenstand der eigentlichen Anthropologie ausscheidet. Die Criminalanthropologie geh\u00f6rt der Methodik und der Untersuchung nach zwar zur Anthropologie, ihre\u00bb Hauptzweck nach aber zur forensen Psychiatrie. Dadurch .wird auch du Hauptgewicht auf die Erforschung der physiologisch-psychischen Seite de\u00ab Verbrechers gelegt. \u2014\nN. fragt dann weiter: giebt es zur Zeit praktische Mittel und Wege, um Intellect, Affectsph\u00e4re und Moral zu messen? Intellect, Affecte und Moral spielen beim Verbrechen eine Hauptrolle, meist wegen der Defec-tuosit\u00e4t dieser drei Dinge. Ein specifisches Verhalten dieser QualitltM l\u00e4fst sich nicht nachweisen. Den Normalen gegen\u00fcber handelt es sich Dir um Quantit\u00e4tsunterschiede. Es kommt nur darauf an, wann obige Qualit\u00e4ten so beschaffen sind, dafs eine Zurechnungsf\u00e4higkeit ausgeschlocMD oder beschr\u00e4nkt ist. Ein sicherer Maafsstab f\u00fcr Intellect, Affecte und Moral fehlt uns, die Begriffe sind vieldeutig, nicht genau definirt 8ie stellen keine einfachen, sondern recht complexe Dinge vor. Beim Intellect spielt die richtige Wahrnehmung des Reizes, die weitere Verarbeitung. Association und Schlufsbildung eine grofse Rolle, ebenso das Ged\u00e4chtnifa Sichere Methoden f\u00fcr die Schlufsbildung fehlen uns noch, ebenso f\u00fcr den sog. Willen. In Folge unserer stets unmerklich sich \u00e4ndernden K\u00f6rperbeschaffenheit schwanken stets unsere Bewufstseinshelle und -weite, ebenso unser Intellect, Ged\u00e4chtnifa, Affect, Moral und Wille. Der Charakter ist den gleichen Schwankungen unterworfen wie das Bewufstsein. Die Gef\u00fchle, Affecte, das Temperament, der Untergrund alles seelischen Getriebes lass\u00ab sich nicht fixiren. Die affective Sph\u00e4re ist vielleicht im Geistesleben \u00fcber haupt das Ausschlaggebende, im Leben des Verbrechers spielt sie sich\u00ab die Hauptrolle. Geringe Affecte, verk\u00fcmmertes Triebleben zeugen keine Verbrecher. Affecte und Triebleben bestimmen, ob die Moral angelernt oder in Fleisch und Blut \u00fcbergeht. Sie beherrschen auch den Intellect Abstractes Denken, \u00fc. Yv. ohne\tist unm\u00f6glich. Viele Seit\u00ab\nder Affectsph\u00e4re sind nns noeh\tVxst VLw\u00e4fcwsgcSL wfc","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n449\nschwankend, ein sicherer Maafsstab fehlt bisher. Meist laufen Intellect und Moral einander parallel, doch nicht immer; ersterer unterst\u00fctzt letztere; letztere geht daher als das psychogenetisch sp\u00e4tere Gebilde eher verloren. Eine streng wissenschaftliche Messung des sog. Charakters des Menschen ist zur Zeit unm\u00f6glich, wird es wahrscheinlich immer bleiben.\nDie dritte Frage betrifft die Unterbringung geisteskranker Verbrecher.\nUmpeenbach.\nJ. M. Baldwin. Das sociale und sittliche Leben erkl\u00e4rt durch die seelische Entwickelung. Nach der zweiten englischen Auflage \u00fcbersetzt von Dr. Ruedemann. Durchgesehen und mit einem Vorwort eingeleitet von Dr. Paul Barth. Leipzig, Barth, 1900. 461 S. Mk. 12.\u2014.\nNachdem die erste Auflage des Werkes bereits in dieser Zeitschrift besprochen erscheint, w\u00e4re eine nochmalige Inhaltsangabe \u00fcberfl\u00fcssig, und es sei daher auf das diesbez\u00fcgliche, von P. Barth verfafste Referat (19 (2. u. 3.), 239) hingewiesen.\nDie Herausgabe des BALDWiN\u2019.schen Werkes in musterg\u00fcltiger deutscher Uebersetzung ist jedenfalls ein verdienstliches Unternehmen. In dieser Form ist das Buch auch einem gr\u00f6fseren Kreise von Lesern, die sich mit den Gedanken Baldwin\u2019s vertraut machen wollen, zug\u00e4nglich.\nSaxinger (Linz).\nP. Bergemann. Sociale P\u00e4dagogik auf erfahrungswissenschaftlicher Grundlage und mit H\u00fclfe der inductiven Methode als universalistische oder Kulturp\u00e4dagogik dargestellt. Gera, Hofmann, 1900. 615 S. Geb. 11,60 Mk.\nSocialp\u00e4dagogik, Culturp\u00e4dagogik \u2014 neue Namen, ob auch neue Dinge? Klingt es doch beinahe, als w\u00e4re die bisherige P\u00e4dagogik unsocial und unculturell gewesen, und Bergemann ist wohl im Stillen auch davon \u00fcberzeugt. Denn er stellt sieh die ideale und hohe Aufgabe, das gesammte Leben eines Volkes zu versittlichen, womit doch wohl gesagt sein will, dafs es bisher nicht so gewesen sei, sondern dafs man sich nur einzelnen Theilen oder einzelnen Seiten dieses Lebens zugewandt habe. Er denkt dabei haupts\u00e4chlich daran, dafs die P\u00e4dagogik sich in der Regel nur mit den Unerwachsenen befasse, die Socialp\u00e4dagogik aber auch \u00fcber die Schule hinaus mit den Erwachsenen. Des Pudels Kern liegt aber anderswo. Einmal ist es in unserer socialistischen Literatur aus den Verh\u00e4ltnissen erwachsene Sitte, f\u00fcr die Massen gegen die Besitzenden und Gebildeten einzutreten; dazu lenkte der Einflufs der collectivistisch - positivistischen Philosophie Condovcet\u2019s und Comte\u2019s, sowie ihrer Sch\u00fcler, durch Darwin\u2019s Lehren verst\u00e4rkt, ebenfalls die Geschichte und andere Wissenschaften in die Bahnen der Massenbewegung und des Generischen gegen das Individualistische. Bourreau bestritt bekanntlich, dafs man ein Recht habe, von \u201ef\u00fchrenden Geistern\u201c zu reden, und wollte nur eine f\u00fchrende Massenbewegung anerkennen, deren Erzeugnisse auch eben diese sogen, f\u00fchrenden Geister seien. Bergemann geh\u00f6rt dieser Richtung an; doch zieht er die \u00e4ufsersten Consequenzen nicht. So wird das \u201eGenie\u201c nicht g\u00e4nzlich eliminirt, \u201eaber in allen den St\u00fccken, wo das Genie nicht Genie ist\u201c \u2014 kurz vorher tadelt B. die \u201everschwommene Allgemeinheit\u201c an den Definitionen Zeitschrift f\u00fcr Psychologie 27.\t29","page":449}],"identifier":"lit32337","issued":"1902","language":"de","pages":"448-449","startpages":"448","title":"N\u00e4cke: Drei criminalanthropologische Themen. Archiv f\u00fcr Criminalanthropol. 6, 360-371. 1901","type":"Journal Article","volume":"27"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:27:20.429401+00:00"}