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P. Näcke: Über den Wert der sogenannten "Kurven-Psychiatrie". Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin 61, 280-295 1903

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{"created":"2022-01-31T16:28:22.931357+00:00","id":"lit32342","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 38: 72-73","fulltext":[{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nLiteraturbericht.\ndie nicht weiter zu reduzieren ist, das negative, das imperative, das hypothetische und das disjunktive Wollen. Diese werden besprochen. Das imperative Wollen \u2014 der Befehl \u2014 ist die Herbeif\u00fchrung einer bestimmten von mir gewollten Handlung durch einen anderen in der Weise, dafs ich dem anderen diesen meinen Willen kundgegeben habe. Das disjunktive Wollen ist das Wollen einer disjunktiven Vorstellung. Das negative Wollen besteht in der Abneigung. Diese schliefst ein Verlangen nach Verneinung, nach Zerst\u00f6rung von etwas Unlustbereitendem ein. Dieses negative Element ist der Abneigung wesentlich, w\u00e4hrend es beim Verlangen oder Begehren wohl auch vorliegt, aber neben dem Objekt, das erstrebt wird, zur\u00fccktritt. Diese und andere Unterschiede zwischen Begehrung und Abneigung werden in der Abhandlung noch einer genaueren Betrachtung unterstellt. Die Frage, ob man etwas wollen kann, wogegen man Abneigung f\u00fchlt, beantwortet B. dahin, dafs er dies f\u00fcr m\u00f6glich erkl\u00e4rt, wenn man unter Abneigung nicht das aktuelle Vorhandensein dieses Gef\u00fchles meint, sondern nur die Disposition f\u00fcr dieses Gef\u00fchl gegen\u00fcber den gewollten Gegenstand. Die andere Frage, ob jedes Begehren schon einen Versuch enth\u00e4lt, bescheidet er verneinend, da er unter Versuch die wirklich empfundene Anstrengung des Ichs versteht Dann bestimmt Verf. das Wesen des Wunsches. Der Wunsch, der keinen Versuch enth\u00e4lt ist eine besondere Entwicklung des Begehrens. Was ihn von diesem unterscheidet, ist aber nicht, wie gew\u00f6hnlich angenommen wird, eine geringere St\u00e4rke, sondern der Umstand, dafs die Vorstellung seiner Erf\u00fcllung aus allen Beziehungen zur Wirklichkeit herausgel\u00f6st ist, dafs sie gewissermafsen in eine ideale Welt hinein verpflanzt ist, wo die Hindernisse, welche in der realen Welt der Erf\u00fcllung des Wunsches im Wege stehen, nicht vorhanden sind. In dieser Projektion in eine real nicht existierende Welt findet B. die Ursache, weshalb ein Wunsch nicht zum Handeln, ja nicht einmal zum Versuchen f\u00fchrt.\nWie aber vollzieht sich beim Wollen dieser \u00dcbergang von der Vor* Stellung zu ihrer Verwirklichung, was bedeutet die Wirksamkeit einer Vorstellung beim Wollen? Die Vorstellung ist eine von den Ursachen, welche das herbeif\u00fchren, worin der Inhalt jener Vorstellung sich verwirklicht. Der \u00dcbergang von der einen zur anderen verlangt eine Br\u00fccke. Diese ist nicht gegeben, wie man gerne meinte, in der blofsen Anwesenheit eines Begehrens oder eines Versuches. Sie wird vielmehr gebildet durch eine Disposition, welche sich dadurch gebildet hat, dafs einmal der \u00dcbergang von bestimmten Gef\u00fchlen zu einem bestimmten Erfolg mit Bewufstsein erlebt wurde.\nDer Rest des Artikels dient der Widerlegung einiger Einw\u00fcrfe gegen diese Erkl\u00e4rung, sowie besonders dem Nachweis, dafs Unlust und Lust im Wollen, wie sich aus seiner Definition ergibt, keine wesentlichen Bestandteile sind.\tM. \u00d6ftrer (Ingolstadt).\nP. Nacke. Ober den Wert der \u00bbgenannten \u201eKurvenPsychiatrle1\u201c. Allgemeine Zeitschrift f\u00fcr Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin 61, 280\u2014295 1903. Unter \u201eKurven-Psychiatrie\u201c versteht Verf. die Gesamtheit dessen, was sich in der Psychiatrie in Zahlen und Kurven ausdr\u00fccken l\u00e4fet und somit","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n73\nden h\u00f6chsten Grad der Exaktheit erreicht. So viel Zahlenstatistik man in der Psychologie findet, so wenig bietet deren die Psychiatrie. Ja, es scheint unter den Psychiatern sogar eine gewisse Abneigung dagegen zu bestehen. Die seelischen Vorg\u00e4nge Geisteskranker dttnken ihnen zu kompliziert. Um so freudiger ist es zu begr\u00fcfsen, d&Ts sich in N\u00e4cke ein Psychiater gefunden hat, der die Hoffnung, auch die psychiatrischen Ph\u00e4nomene den alles bezwingenden Zahlen schliefslich unterwerfen zu k\u00f6nnen, noch nicht auf gegeben hat H\u00f6ren wir, wie Verf. sich hier\u00fcber \u00e4ufsert !\nX. w\u00fcnscht eine rationellere Anwendung der Statistik auf Grund alter und neuer Untersuchungsmethoden. Die \u00e4lteren Arbeiten bieten Zahlen, deren Quantit\u00e4t nnd meist auch Qualit\u00e4t durchaus ungen\u00fcgend sind und sie betreffen gew\u00f6hnlich nur \u00e4ufseTe, nicht innere Verh\u00e4ltnisse. Um mit Erfolg ein Zahlenwerk aufzubauen, gilt es vor allem, scharfe Definitionen aufzustellen. Man einige sich zuerst \u00fcber den Begriff der Geisteskrankheit und umschreibe m\u00f6glichst scharf den Kreis des Untersuchungsmaterials. Verf. schl\u00e4gt die KaAEPsussche Einteilung und Nomenklatur als Basis der Untersuchungen vor, weil dieselben nicht die Symptome, sondern den ganzen Krankbeitsverlauf einer Psychose von Anfang bis zu Ende ins Auge zu fassen haben. Noch besser w\u00e4re es nach Verf., eine Systematik auf pathologisch-anatomischer Basis aufzustellen oder nur auf \u00e4tiologischer. Nach dieser Vorarbeit m\u00fcfste man sich \u00fcber Grundbegriffe wie Erblichkeit, erbliche Belastung, R\u00fcckschlag, Ursache klar werden. Bez\u00fcglich der Erblichkeit m\u00fcfste man einfach die gleiche oder \u00e4hnliche Krankheit bei den Aszendenten, Deszendenten und Kollateralen zahlenm\u00e4fsig feststellen, ohne \u00fcber den kausalen Zusammenhang sich zu \u00e4ufsern. Da bez\u00fcglich der Ursachen des Irreseins beinahe nie blofs eine einzige Ursache besteht, sondern immer ein Komplex solcher, so soll die Statistik nach Verf. vornehmlich auf die Hauptursache R\u00fccksicht nehmen, dabei aber auch die Nebenursachen nicht vernachl\u00e4ssigen. Hierbei ist es besonders schwierig, dem endogenen Moment gerecht zu werden, d. h. dessen Anteil an der Beeinflussung festzustellen.\nBez\u00fcglich der Frage nach der Entartung empfiehlt es sich, auf Grund bestimmter Definitionen Zahlen zn geben. Schliefslich wird es sich auch um zahlenm\u00e4fsige Darstellungen von St\u00f6rungen der Wahrnehmungen, des Verstandes, des Gef\u00fchlslebens, des Wollens und des Handels und vor allem um die Affektdisposition drehen.\nWeiter kommt der Verlauf der Psychose in Betracht. Obwohl wahrscheinlich die einzelnen Psychosen zeitlich und \u00f6rtlich anders verlaufen, so glaubt N. doch, dafs man so weit kommen wird, durch Vergleichen der Besultate der verschiedenen Irrenanstalten Durchschnittskurven zu erlangen, welche den typischen Verlauf der Psychosen kennzeichnen. Diese Kurven w\u00fcrden auch die feineren Details z. B. die Periodizit\u00e4ten des Verlaufes der Krankheit enth\u00fcllen.\nEine Kurven-Psychiatrie w\u00fcrde dem Forscher vergleichbares Material f\u00fcr neue Beobachtungen bieten.\tGiessler (Erfurt).","page":73}],"identifier":"lit32342","issued":"1905","language":"de","pages":"72-73","startpages":"72","title":"P. 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