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Zur Struktur der Melodie: Erwiderung von Fritz Weinmann [auf die Kritik Max Meyers im Journ. of Philos., Psychol. and scient. Methods, 1904, Bd. I, Nr. 26, 12. Dezember]

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{"created":"2022-01-31T16:31:19.794138+00:00","id":"lit32389","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Weinmann, Fritz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 38: 234-239","fulltext":[{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nErwiderung.\nZur Strikter der Melodie.\nErwiderung von Fritz Weinmakm.\nIm Journal of Philosophy, Psychology and scientific Methods vom 22. Dezember 1904 (Vol. I, Nr. 26) unterzieht Herr Professor Max Meyer meine vor Kurzem an dieser Stelle (Bd. 36, Heft 5 u. 6) ver\u00f6ffentlichte Arbeit \u201eZur Struktur der Melodie\u201c einer Kritik.\nDieselbe richtet sich zugleich gegen die \u201eLippsische Schule\u201c, aus der meine Arbeit hervorgegangen ist. Professor Meyer sieht in ihr einen typischen Beleg f\u00fcr die \u201eunwissenschaftlichen Methoden in der Musik-\u00c4sthetik\u201c, welche die \u201eLippsische Schule\u201c anwende. Denn diese \u201everachte\u201c die experimentelle Methode, \u201ehasse\u201c das \u201eLaboratorium\u201c; sie gehe vielmehr so vor: Auf eine \u201esehr willk\u00fcrliche Art\u201c w\u00e4hlt sie \u201edie einfachsten musikalischen Phrasen\u201c aus und \u201eteilt\u201c diese \u201ein so viele musikalische Elemente, als man gerade findet\u201c. 8ie \u201eformuliert\u201c \u201edie psychologischen Gesetze der \u00e4sthetischen Wirkungen dieser Elemente\u201c dann \u201ein Ausdr\u00fccken, welche mehr von dem Lippsischen System der Psychologie abstammen, als in Ausdr\u00fccken, welche festgesetzt sind zur Bezeichnung der fundamentalen musikalischen Erfahrungen selbst.\u201c (Meyer a. a. O. S. 709).\nProf. Meyer stellt im Gegensatz zu dieser \u201eMethode\u201c der \u201eLippsischen Schule\u201c dann seine eigene dar.\nEs ist hier nicht der Ort, eine eingehende Auseinandersetzung dar\u00fcber anzustellen, inwieweit die Psychologie auf experimentelle Versuche angewiesen ist, oder inwieweit das psychologische \u201eExperiment\u201c das \u201eLaboratorium\u201c und physikalische Hilfsmittel erfordert. Nur soviel m\u00f6chte ich bemerken: Es scheint mir zweifelhaft, ob die Methode des Psychologen einzig dann, wenn er im \u201eLaboratorium\u201c \u201eexperimentiert\u201c, eine \u201ewissenschaftliche\u201c ist.\nBetonen dagegen m\u00f6chte ich, dafs die \u201eLippsische Schule\u201c, soweit sie sich mit Musik \u00c4sthetik befafst, keinesfalls so verf\u00e4hrt, wie Herr Prof. Meyer es beschreibt.\nZu dem Zwecke, das \u00e4sthetische Wesen der Melodie (um welche es sich im vorliegenden Falle handelt) psychologisch aufzuhellen, geht sie nicht von \u201esehr willk\u00fcrlich ausgew\u00e4hlten\u201c musikalischen Phrasen aus, die sie dann in \u201eso viele Elemente teilt, als man gerade findet; sondern die \u201eLippsische Schule\u201c geht aus von der Durtonleiter, d. h. von den zwischen ihren T\u00f6nen vorliegenden Schwingungsverh\u00e4ltnissen. Sie sucht zu finden, ob und wie diese auf psychologischem Gebiete sich geltend machen, und versucht dann, \u2014 nicht: \u201epsychologische Gesetze der \u00e4sthetischen Wirkungen\u201c dieser \u201eElemente\u201c zu \u201eformulieren\u201c, \u2014 sondern: anderweitig g\u00fcltige psychologische Gesetze darauf anzuwenden und so das Zustandekommen der \u00e4sthetischen Wirkungen verst\u00e4ndlich zu machen. Die \u201eAusdr\u00fccke\u201c, die dabei verwendet sind \u2014 es handelt sich um die Worte, um die Begriffe \u201eRhythmus\u201c, \u201eRhythmik\u201c usw. \u2014 werden zugleich mit jenen Gesetzen hinsichtlich ihrer \u00dcbertragbarkeit auf dieses zun\u00e4chst fremde psychologische Gebiet erprobt.\nDies zur kurzen Erl\u00e4uterung der Darstellung, die Prof. Meyer von der Lippsischen Methode gibt.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Erwiderung.\n235\nWaa mich speziell anlangt, so habe ich in meiner Arbeit von vornherein darauf verzichtet, die \u00abwischen Meybb nnd Lipps vorhandene Kontroverse \u00fcber diese Fragen (vgl. diese Zeitschrift 27, 226 ff.) wieder aufzunehmen. Ich habe ebenso davon abgesehen, auf die sonstige einschl\u00e4gige Literatur einzugehen. In einem der wenigen derartigen Hinweise \u2014 sie beziehen sich, wie Prof. Meyer tadelnd aufzahlt, lediglich auf \u201eMbukahn, Wukdt, Stumpf und Helmholtz\u201c \u2014 kommt \u00fcbrigens auch sein Name vor. Vielleicht w\u00e4ren auch diese Hinweise besser unterblieben, um \u00fcber das Ziel und die Art meiner Arbeit nicht Unklarheit entstehen zu lassen.\nWae ich zu geben versuchte, war lediglich die Erprobung der von Prof. Lipps nur in Form einer Grundlegung aufgestellten Theorie der Melodie auf weiterem Gebiete. Deshalb tr\u00e4gt meine Arbeit auch nur den Titel : Zur \u201eStruktur\u201c, und nicht : zur \u201eTheorie\u201c der Melodie. Eine \u201eTheorie\u201c ist also vorausgesetzt. Herr Prof. Meybb erkl\u00e4rt darum die Methode meiner Arbeit und zugleich die Methode der \u201eLippsischen Schule\u201c, die er in ihr auf typische Weise vertreten sieht, f\u00fcr \u201eunwissenschaftlich\u201c.\nEr sucht diese seine Erkl\u00e4rung durch spezielle Einw\u00e4nde zu erh\u00e4rten. Al* erstes beanstandet Prof. Meybb (Journal S. 710\u2014711), dafs ich von der Melodie als einer \u201e\u00e4sthetischen Einheit\u201c rede. \u201eEinheit\u201c sei schon \u201e\u00e4sthetische Einheit\u201c.\nEb gibt aber doch wohl auch \u201eEinheiten\u201c \u2014 auch von T\u00f6nen \u2014, die nicht \u201e\u00e4sthetis che\u201c Einheiten sind. Der Begriff \u201e\u00e4sthetisch\u201c f\u00fcgt dem Begriff \u201eEinheit\u201c ein spezielles Merkmal bei, das der Mannigfaltigkeit, der Differenzierung in der Einheitlichkeit. Und das ist mehr und anderes als blofse \u201eVerwandtschaft\u201c der Teile. Daher nenne ich die Melodie erst eine \u201eEinheit\u201c, sodann \u2014spezieller \u2014 eine .\u00c4sthetische\u201c Einheit, und kennzeichne diese als \u201eein Einheitliches,v welches sich differenziert, eine Vielheit, die zusammengefafst ist in einem Gemeinsamen, einem \u00dcbergeordneten, dominierenden, dem sich die einzelnen Elemente mit gr\u00f6fserer oder geringerer Selbst\u00e4ndigkeit unterordnen\u201c (S. 340 meiner Arbeit). Der Satz, den Prof. Meyer anf\u00fchrt: \u201eUnd es ist eine \u00e4sthetische Einheit von Elementen, die zusammengefafst sind in Einem Element, zu dem die anderen Elemente sich verhalten wie Untertanen zu einem Monarchen\u201c, findet sich in meiner Arbeit nicht vor. Also ist die erste Frage Meyerb an dieser Stelle hinf\u00e4llig, ob der Ausdruck \u201e\u00e4sthetische Einheit\u201c \u00fcberhaupt \u201eUnterordnung aller Elemente eines Kunstgebildes unter Eines seiner Elemente\u201c bedeute. Es bedeutet zun\u00e4chst nur Unterordnung unter ein gemeinsames Moment. Weiterhin kann dann die Unterordnung in der Tat auch eine solche unter Ein Element sein; dies k\u00f6nnte man als \u201emonarchische\u201c Unterordnung bezeichnen, was ich, dem Brauch der \u201eLippsischen Schule\u201c gem\u00e4fs, tue, indem ich die Melodie als eine \u00e4sthetische Einheit nach dem Prinzip der monarchischen Unterordnung einf\u00fchre. Dafs sie in dieser Weise aufgefafBt werden kann, habe ich in meinen Ausf\u00fchrungen zu zeigen versucht. Die Art, wie ich von dem Begriff der \u00e4sthetischen Einheit \u00fcberhaupt zu dem der monarchischen Unterordnung in bezug auf die Melodie fortschreite, mag nicht deutlich genug gekennzeichnet sein. Daf\u00fcr w\u00e4re also die \u201eLippsische Methode\u201c nicht verantwortlich, sondern nur ich. Ich denke aber, meine Arbeit ist darum noch nicht unwissenschaftlich.","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nKncirlentny,\nProf. Meyer f\u00e4hrt fort : \u201eIch habe stete protestiert gegen die Ltppeieche Definition der Melodie (KB. : \u201emelody\u201c) durch \u201eUnterordnung aller Elemente unter Eines\u201c.. .. Was ich allein f\u00fcr notwendig erachte, um von einer \u00e4sthetischen Wirkung, von Wohlklang (der: \u201evon melodischem Charakter\u201c-? KB.: \u201emelodiousness\u201c) zu reden, ist das Bestehen von Verwandtschaft, nicht von Unterordnung.\u201c (Meyer a. a. O. S. 711.)\nDemgegen\u00fcber ist darauf hinzuweisen: Die \u201eLippsische Schule\u201c h\u00e4lt das Bestehen von \u201eVerwandtschaft\u201c, d. i. Bestehen eines gemeinsamen, \u00fcbergeordneten Moments hinsichtlich der \u201e\u00e4sthetischen Wirkung\u201c von T\u00f6nen, hinsichtlich des \u201eWohlklangs\u201c f\u00fcr gen\u00fcgend; in der \u201eMelodie\u201c aber glaubt sie \u201eUnterordnung\u201c unter Ein Element zu finden. Und so gehe ich in meiner Arbeit von jener \u201eengen\u201c Definition der Melodie aus. Inwiefern dieselbe berechtigt sei, habe ich in meinen Ausf\u00fchrungen zu zeigen versucht. Ich sehe nicht ein, warum das keine \u201ewissenschaftliche Methode\u201c sein soll; auch nicht, warum keine \u201ebrauchbare\u201c.\nProf. Meyer erhebt weiter den Vorwurf (a. a. O. 8. 711\u2014712), dafs z. B. die japanische Musik nicht in den Kreis der Untersuchungen gezogen sei, sondern nur die europ\u00e4ische, und von dieser nur ein Teil. Zu dieser Beschr\u00e4nkung m\u00fcsse die \u201eLippsische Definition der \u00e4sthetischen Einheit von T\u00f6nen\u201c f\u00fchren.\nVielleicht f\u00fchrt zu dieser Beschr\u00e4nkung die Definition der Melodie als \u00e4sthetischer Einheit nach dem Prinzip der monarchischen Unterordnung; vielleicht w\u00fcrde dagegen die \u201eLippsische Definition der \u00e4sthetischen Einheit von T\u00f6nen\u201c, die wohl Unterordnung, Differenzierung, nicht aber schon monarchische impliziert, auch der in meiner Arbeit nicht ber\u00fccksichtigten Musik gerecht. Vielleicht auch nicht. Das m\u00fcfste eben eine darauf gerichtete Untersuchung zeigend Dann w\u00e4re eventuell zu erw\u00e4gen, ob die von mir benutzte Definition der \u201eMelodie\u201c zu erweitern ist, oder nicht. Meine Arbeit nun erprobt den Lrppsischen Begriff der Melodie nur auf dem beschr\u00e4nkten Gebiet der klassischen und modernen deutschen Musik. Ist sie deshalb \u201eunwissenschaftlich\u201c ? \u2014 Auch den nunmehr folgenden Einwand Meyers (a. a. O. S. 712) kann ich, so wie er erhoben wird, nicht als berechtigt anerkennen.\nDie \u201eLippsische Schule\u201c, speziell meine Arbeit, geht nicht, wie er sagt, von \u201ekomplizierten musikalischen Phrasen\u201c aus \u2014 zuvor, S. 709 sagt er: \u201evon den einfachsten\u201c; gleichwohl nimmt er selbst auf diese Stelle wie auf eine gleichbedeutende Bezug! \u2014; sondern von den Intervallen unseres Tonsystems, und hier von den Intervallen der Dur-Tonleiter. Ich halte diese keineswegs f\u00fcr eine \u201eg\u00f6ttliche Eingebung\u201c, sondern in historischer Hinsicht f\u00fcr ein Entwicklungsprodukt, in Hinsicht auf unsere neuere Musik f\u00fcr deren Grundlage. Und deswegen gehe ich in meiner Arbeit von ihr, von den sie konstituierenden Intervallen aus. Ist darum meine Arbeit unwissenschaftlich? Ist Bie es deshalb, weil sie ihrer ganzen Anlage nach die zwischen den Ansichten von Lipps und Meyer bestehende Gegens\u00e4tzlichkeit unber\u00fccksichtigt l\u00e4fst?\nNirgends in meiner Arbeit steht zu lesen, dafs das Intervall 3\u20145, die grofse Sexte, \u201eunwohlklingend\u201c, eine \u201eDissonanz\u201c sei; nirgends, dafs es","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Enciderung.\n237\nebenso wie das Intervall 8\u20149 in eine \u201eKlasse\u201c mit den Intervallen 32\u201445 und 20\u201427 zu stellen sei (Meyeb a. a. O. S. 712).\nIn Prof. Meyebs Artikel steht hier 2\u20149 statt 8\u20149, 2\u201446 und 6\u201427 statt 32\u201446 und 20\u201427. Zu diesen beiden letzten Verh\u00e4ltnissen von T\u00f6nen ist bemerkt, sie stellten \u201eOberhaupt keine Verwandtschaften\u201c dar. \u201eVerwandtschaft\u201c zwischen T\u00f6nen ist meiner Ansicht nach entweder gr\u00f6fser oder kleiner, so dais der obige Ausdruck Prof. Mbyebs so uneingeschr\u00e4nkt wohl nicht anzuwenden sein d\u00fcrfte. Dafs die Intervalle 32\u201445 und 20\u201427 so gut wie nicht \u201everwandt\u201c sind, dais sie \u2014 um in der Terminologie der \u201eLippsischen Schule\u201c zu reden \u2014 \u201erhythmisch\u201c nur \u00e4uteerst lose verbunden sind, ist ganz der Lippsischen Theorie entsprechend und kommt in meiner Arbeit auch zum Ausdruck.\nIch m\u00f6chte an dieser Stelle hinweisen auf die Unklarheiten, die eine Gleichsetzung der Begriffe \u201ewohlklingend \u2014 unwohlklingend\u201c und \u201ekonsonant \u2014 dissonant\u201c mit sich zu f\u00fchren geeignet ist. In das erste Be-griffspaar ist ein \u00e4sthetisches Moment aufgenommen, das zweite enth\u00e4lt ein solches nicht. Das Intervall 3\u20145 z. B. ist f\u00fcr uns wohlklingender, aber es ist nicht konsonanter als etwa das Intervall 2\u20143 (vgl. meine Arbeit 8.342).\nWas die Behauptung Prof. Mbyebs im ganzen betrifft, so f\u00fcge ich hinzu: dem eingangs meiner Arbeit (S. 344) vorausgeschickten Grundsatz der Theorie und dem Sinne der fraglichen Stelle in meiner Arbeit (S. 349) zufolge bedeuten die Intervalle 32\u201446, 20\u201427, 8\u20149 und 3\u20145 einerseits gr\u00f6teere oder geringere Dissonanzen, andererseits gr\u00f6teere oder geringere St\u00e4rke des Hinweisens der betreffenden T\u00f6ne aufeinander. Niemand hat mir also eine \u201eKlassifizierung\u201c der Verh\u00e4ltnisse 8\u20149 und 3\u20145 zusammen mit 32\u201446 und 20\u201427 \u201eentdeckt\u201c, und ich selbst habe derlei niemandem \u201eentdeckt\u201c; \u201eentdeckt\u201c hat hier lediglich Herr Prof. Meyeb.\nIch spreche im Zusammenhang dieser selben Stelle von einem \u201eallgemeinen psychologischen Gesetz: Jede Dissonanz tendiert nach Aufl\u00f6sung.\u201c Ich sage: \u201eallgemeines psychologisches Gesetz\u201c; darin liegt, date es nicht nur auf dem Gebiete der Geh\u00f6rsempfindungen gilt, sondern \u00fcberhaupt im psychischen Leben ; der Ausdruck \u201eDissonanz\u201c l\u00e4tet sich in dieses weitere Gebiet \u00fcbertragen im Sinne von Widerstreit \u00fcberhaupt. Ich Bage dann (S. 349\u2014360 meiner Arbeit), diesem Gesetze werde bei dem hier in Frage kommenden Tatbest\u00e4nde, d. i. innerhalb der Dur-Tonleiter und deren sich verschiedentlich zueinander verhaltenden T\u00f6nen, diesem Gesetze werde hier \u201edurch Fortgang zu dem zwei dissonierenden T\u00f6nen gemeinsam und zwar m\u00f6glichst nahe verwandten Ton Gen\u00fcge getan\u201c.\nHerr Prof. Meyeb sagt in seiner Kritik mit Beziehung hierauf (a. a. O. S. 712), es werde \u201eein allgemeines psychologisches Gesetz der Aufl\u00f6sung von Dissonanzen\u201c von mir \u201eso\u201c \u201eformuliert\u201c: \u201ewenn zwei nicht verwandte T\u00f6ne auftreten, so verlangen sie den Fortgang der Melodie (NB.) zu einem beiden nahe verwandten Ton\u201c.\nIch mute also bemerken, date diese Formulierung nicht von mir ist. Von \u201eMelodie\u201c auteerdem ist an der fraglichen Stelle nicht die Rede, sondern lediglich von der Dur - Tonleiter.\nHerr Prof. Meyeb wendete sich jetzt der Frage zu, ob es angehe, die \u201epsychologischen\u201c Tatsachen, die wir unter dem allgemeinen Begriff","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nEnrUlrrn^tj,\n\u201eRhythmus\u201c zusammenfassen, und die \u201e\u00e4sthetischen Wirkungen\u201c der \u201ephysikalischen\u201c Schwingungsverh\u00e4ltnisse von T\u00f6nen den \u201en\u00e4mlichen\u201c \u201eGesetzen\u201c \u201egehorchen\u201c zu lassen. Dies tut nach Prof. Meyer (a. a. 0. S. 713) die \u201eLippsische Schule\u201c, indem sie \u201edie \u00e4sthetischen Wirkungen\u201c der physikalischen Schwingungsverh\u00e4ltnisse mit dem \u201eNamen\u201c \u201eRhythmus\u201c, \u201eMikrorhythmik\u201c \u201ebezeichnet\u201c.\nIch vermute, Herr Prof. Meyer meint hiermit die Grundlage der Lrppsischen Theorie der Melodie wie der Konsonanz und Dissonanz, die in der Annahme besteht, dafs der Rhythmus, d. i. die regelm\u00e4fsige Aufeinanderfolge der Schwingungen von physikalischen T\u00f6nen auf psychologischem Gebiet als Rhythmus der Tonempflndungs-Vorg\u00e4nge vertreten sei. Von \u201e\u00e4sthetischen Wirkungen\u201c der \u201ephysikalischen\u201c Schwingungeverh\u00e4ltnisse spricht die Lippsische Theorie nicht ; sie spricht allenfalls von den psychologischen \u201eWirkungen\u201c der physikalischen Vorg\u00e4nge. Erst sie bringen dann, wenn man so sagen will, \u201e\u00e4sthetische Wirkungen\u201c hervor. Dementsprechend \u201egehorchen\u201c in der Lippsischen Theorie auch nicht die ,\u00c4sthetischen Wirkungen\u201c der \u201ephysikalischen\u201c Schwingungsverh\u00e4ltnisse den \u201en\u00e4mlichen Gesetzen\u201c wie die \u201epsychologischen\u201c Tatsachen des Rhythmus; sondern unser \u00e4sthetisches Reagieren auf die psychologischen Tatsachen des Rhythmus (im gew\u00f6hnlichen Sinne) und die gleichfalls psychologischen Tatsachen des \u201eMikrorhythmus\u201c der Tonempflndungs-Vorg\u00e4nge folgt den \u201en\u00e4mlichen Gesetzen\u201c.\nHerr Prof. Meyer wirft hier (Journal S. 713\u2014714) meiner Arbeit vor, dafs sie bei der Darlegung dieser ihrer Voraussetzungen \u2014 als solche n\u00e4mlich werden die betreffenden Punkte in der Einleitung (S. 341 ff.) m\u00f6glichst knapp aufgef\u00fchrt \u2014 an Literatur nur einen Aufsatz Mbumames zitiert.\nDie zitierte Stelle, welche in einem einzigen Ausdruck besteht, dient lediglich einer Nebenbemerkung unter dem Text, an die sie Bich anschliefist Im Text selbst habe ich \u2014 von ganz wenigen und relativ unwichtigen F\u00e4llen abgesehen \u2014 in der Tat und zwar mit voller \u00dcberlegung (vgl. oben) darauf verzichtet, auf die jeweils einschl\u00e4gige Literatur einzugehen. Dafs dies unter allen Umst\u00e4nden erforderlich sei, wenn anders eine Arbeit nicht \u201eunwissenschaftlich\u201c sein soll, leuchtet mir auch heute noch nicht ein.\nDamit erledigen sich mir zugleich die n\u00e4chstfolgenden Aussetzungen Prof. Meyers. Nur zu seinen Bemerkungen \u00fcber die von mir vorausgesetzten Formen der Moll-Leiter (S. 714\u2014715) m\u00f6chte ich sagen, dafs die Formen und Verh\u00e4ltnisse, die ich dabei angebe, wie es scheint, auch anderen, nicht nur Prof. Lifps und durch ihn mir \u201egeoffenbart\u201c worden sind: wenigstens findet man sie bei Stumpf, Helmholtz, Ribmamn,\nIn diesem Zusammenh\u00e4nge steht nun ein Satz von mir, \u00fcber den sich Prof. Meyer mit vollem Recht aufh\u00e4lt. Ich schrieb (auf S. 360 meiner Arbeit), der \u201eeigent\u00fcmliche Charakter\u201c des Dur und Moll habe \u201eden beiden Tonsystemen ihre Namen \u2014 \u201eDur\u201c und \u201eMoll\u201c \u2014 gegeben\u201c. Das ist falsch, ist ein grobes Versehen. Ich habe da vers\u00e4umt, Kontrolle zu \u00fcben. Und. das war unwissenschaftlich! Doch trifft der Vorwurf hier nur mich, nicht die \u201eLippsische Schule\u201c \u00fcberhaupt.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Erwiderung.\n239\nHerr Prof. Meyeb beschliefst (S. 715) die Reihe seiner Einwendungen gegen die \u201eLippsische Methode\u201c und meine Arbeit damit, dafs er auf meine, a^ch allgemeine Zustandsgefflhle mit hereinziehenden Andeutungen Bezug nimmt, wie sich die \u00e4sthetischen Wirkungen von Intervallen zu deren rhythmischen Verh\u00e4ltnissen, zu unserer psychologischen Verhaltungsweise diesen gegen\u00fcber, stellen. Dieselben wollen nicht \u201etheoretische Interpretationen einer Melodie\u201c sein, sondern eben \u201e\u00e4sthetische\u201c Interpretationen der Intervalle, bzw. der durch die betreffenden Intervalle charakterisierten Melodien. Sie pr\u00e4tendieren nie und nimmermehr, den Wert experimenteller Untersuchungen zu haben; sie pr\u00e4tendieren auch nichts anderes zu sein, als \u201eunbestimmte\u201c Umschreibungen \u00e4sthetischer Gef\u00fchle; sie geh\u00f6ren nicht wesentlich zu meinen Untersuchungen und d\u00fcrften schon aus diesem Grunde diese also nicht zu \u201eunwissenschaftlichen\u201c stempeln.\nDies war es, was ich Herrn Prof. Meyer zu erwidern hatte. Ich k\u00f6nnte es dahin zusammenfassen, dafs der Vorwurf der \u201eunwissenschaftlichen Methode\u201c gegen die \u201eLippsische Schule\u201c und meine Arbeit auf Grund des von ihm Angef\u00fchrten sich nicht erheben l\u00e4fst. Denn was er da als S\u00e4tze und Behauptungen meiner Arbeit, was er als Lehren der \u201eLippsischen Schule\u201c, was er von deren Methode erz\u00e4hlt, das sage und behaupte ich nicht in meiner Arbeit (mit der einen zugestandenen Ausnahme), das lehrt und tut nicht die \u201eLippsische Schule\u201c. Auch dieser liegt die \u201eSache der Wissenschaft\u201c am Herzen, wie Herrn Prof. Meyeb, und sie begr\u00fcfst daher jede Kritik auch ihrer eigenen Ansichten. Nur mufs es eben auch eine Kritik ihrer Ansichten sein.\n(Eingegangen am 8. Februar 1905.)\nSchwankiigen der Zeitschltzang und monotoriiche Kurven.\nErwiderung von H. C. Stevens.\nIm American Journal of Psychology 13, 1 ff., 1902 erschien ein Artikel von mir unter dem Titel : The relation of the fluctuations of judgments, in the estimation of time intervals, to vasomotor waves. Diesen Artikel hat neulich Herr Dr. D\u00fcrr (diese Zeitschrift 86, 303 f.) einer Kritik unterzogen. Im allgemeinen gibt der Herr Rezensent die Absicht meiner Arbeit richtig wieder. Andererseits erkl\u00e4rt er, dale es ihm unverst\u00e4ndlich geblieben sei, wie meine Zeitsch\u00e4tzungskurven den angegebenen Plethysmogrammen parallel gehen sollen. Nun gebe ich zu, dafs meine Beschreibung der Methode des Kurvenentwerfens nicht ganz klar iBt ; daher ergreife ich gerne diese Gelegenheit, dieselbe zu verbessern.\nIch sage (S. 10 f.): On the abscissae were laid off the normal intervals, for any given series, as a unit. . . . The judgments, in hundredths of a second, one mm to onehundredtli of a second were laid off on the ordinate. Aus dieser Beschreibung, wie ich jetzt ersehe, begreift man schwerlich die Bedeutung der Abszissen. Ich sollte vielmehr gesagt haben, dafB die Abszissen die von Anfang einer Reihe an verflossene Zeit darstellen: wo ich nnter \u201eReihe\u201c eine Sukzession von Normalintervallen mit Reproduk-","page":239}],"identifier":"lit32389","issued":"1905","language":"de","pages":"234-239","startpages":"234","title":"Zur Struktur der Melodie: Erwiderung von Fritz Weinmann [auf die Kritik Max Meyers im Journ. of Philos., Psychol. and scient. Methods, 1904, Bd. I, Nr. 26, 12. Dezember]","type":"Journal Article","volume":"38"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:31:19.794143+00:00"}

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